Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Hule, Dr.Klinger, Dr.Angst und Dr.Niederreiter als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen der klagenden Parteien
1)
Josef O*** Gesellschaft mbH, Attersee, Hauptstraße 13, und
2)
S*** & O*** Gesellschaft mbH, ebendort, beide
vertreten durch Dr.Gerhard Hickl, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Hermann B***, Landwirt, Gunskirchen, Wilhaming 1, vertreten durch Dr.Karl Reiter, Rechtsanwalt in Wels, wegen Unzulässigkeit eines Räumungsverfahrens nach § 156 Abs 2 EO, infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Kreisgerichtes Wels als Berufungsgerichtes vom 19.Februar 1987, GZ. R 1299, 1300/86-12, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Bezirksgerichtes Frankenmarkt vom 16.Oktober 1986, GZ. 2 C 56/86-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Kläger sind zur ungeteilten Hand schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit S 20.428,65 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 1.857,15 Umsatzsteuer) zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die im Eigentum der verpflichteten Parteien Josef und Irmengard O*** gestandene Liegenschaft EZ 151 KG Attersee wurde im Zwangsversteigerungsverfahren E 4013/84 des Erstgerichtes am 14. Jänner 1986 dem Beklagten als Ersteher zugeschlagen. Am 16. Jänner 1986 wurde den verpflichteten Parteien der Beschluß auf Bewilligung der einstweiligen Verwaltung der Liegenschaft, Bestellung des Erstehers zum Verwalter und Erlassung eines Verfügungsverbotes gegen die Verpflichteten zugestellt. Mit Notariatsakt vom 20.Jänner 1986 verpachteten die verpflichteten Parteien rückwirkend per 9.Jänner 1986 ua. die Liegenschaft EZ 151 an die erst an diesem Tage gegründete klagende Partei zu 2 C 57/86 (in Zukunft zweitklagende Partei genannt), die die Liegenschaft mit Notariatsakt ebenfalls vom 20.Jänner 1986 der klagenden Partei zu 2 C 56/86 (in Zukunft erstklagende Partei genannt) unterverpachtete.
Mit Beschluß vom 30.Juli 1986, E 4013/84-90, wurde über Antrag des Beklagten gemäß § 156 Abs 2 und § 349 EO die zwangsweise Räumung der Liegenschaft und deren Übergabe an den Ersteher angeordnet. Gegen den Vollzug dieser Räumung erhoben die beiden klagenden Parteien unter Hinweis auf ihr Pacht- und Unterpachtrecht Exszindierungsklagen. Die beiden Verfahren wurden zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.
Die beklagte Partei wendete ein, daß der zweitklagenden Partei vor der Eintragung im Handelsregister keine Parteifähigkeit zukomme und daher schon deswegen beide Pachtverträge unwirksam seien, und daß beide klagenden Parteien überdies schlechtgläubig, nämlich in Kenntnis der Rechte des Erstehers und in sittenwidriger Schädigungsabsicht gehandelt hätten, und beantragten die Abweisung der beiden Klagebegehren.
Das Erstgericht wies die beiden Klagebegehren ab.
Es traf über den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt hinaus im wesentlichen noch folgende Tatsachenfeststellungen:
Am 7. und 9.Jänner 1986 schlossen Josef O*** (erstverpflichtete Partei) und Heinz S*** einen Gesellschaftsvertrag auf Gründung der zweitklagenden Partei. Als Stichtag für die Übernahme des Pachtbetriebes wurde in den Pachtverträgen vom 20.Jänner 1986 jeweils der 9.Jänner 1986 festgehalten.
Obwohl Josef O*** und die beiden klagenden Parteien dem Exekutionsgericht mitgeteilt hatten, daß die versteigerte Liegenschaft nicht mehr von den verpflichteten Parteien sondern von dritten Personen benützt werde, wurde die zwangsweise Räumung für den 10.September 1986 anberaumt. Zwei Tage vor dem Räumungstermin langten die beiden Exszindierungsklagen ein.
Bis zum Schluß der Verhandlung erster Instanz (die Verhandlung wurde in der Tagsatzung vom 8.August 1986 gemäß § 193 Abs 3 ZPO zur Beischaffung des Handelsregisteraktes geschlossen) war die Eintragung der zweitklagenden Partei im Handelsregister noch nicht erfolgt.
Die Pachtverträge wurden offensichtlich in der Absicht abgeschlossen, das Zwangsversteigerungsverfahren und die Räumung der Liegenschaft und Übergabe an den Ersteher zu verzögern. Das Erstgericht war der Auffassung, daß die geltend gemachten Bestandverträge wegen der fehlenden Parteifähigkeit der zweitklagenden Partei und auch im Hinblick auf § 1295 Abs 2 ABGB unwirksam seien.
Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichtes und sprach aus, daß die Streitwerte jeweils S 300.000,-- übersteigen. Das Berufungsgericht traf die ergänzende Feststellung, daß die Eintragung der zweitklagenden Partei im Handelsregister am 20. Oktober 1986 erfolgt sei. Weil die früheren Prozeßschritte dieser vorher nicht parteifähigen Partei genehmigt worden seien, komme eine nachträgliche Nichtigerklärung nicht in Betracht.
Den geltend gemachten Nichtigkeitsgrund nach § 477 Abs 1 Z 6 ZPO verwarf das Berufungsgericht mit dem Argument, für eine eingebrachte Exszindierungsklage stehe der Rechtsweg offen. Das Verfahren nach § 156 Abs 2 EO werde demgegenüber nur gegen die verpflichteten Parteien, nicht gegen dritte Personen, die Rechte an der Liegenschaft geltend machen, durchgeführt.
Eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens verneinte das Berufungsgericht, dies auch im Zusammenhang mit der erst nach Fällung des Urteiles des Erstgerichtes eingetretenen Parteifähigkeit der zweitklagenden Partei, weil vor Entstehung dieser Partei kein Verbesserungsverfahren nach § 6 ZPO stattfinden habe müssen. In rechtlicher Hinsicht vertrat das Berufungsgericht die Ansicht, daß zwar nach Einleitung des Versteigerungsverfahrens von der verpflichteten Partei geschlossene Bestandverträge, sofern diese nicht wertmindernd seien, wirksam wären. Nach Zustellung des Beschlusses auf Bewilligung der einstweiligen Verwaltung sei aber der verpflichteten Partei die Verwaltung der Liegenschaft entzogen und ein dennoch von ihr abgeschlossener Bestandvertrag unwirksam. Auf den Zeitpunkt der tatsächlichen Übergabe könne es nicht ankommen. Aus der Unwirksamkeit des Hauptpachtvertrages ergebe sich auch die Unwirksamkeit des Unterpachtvertrages. Die klagenden Parteien benützten daher die versteigerte Liegenschaft titellos und könnten vom Ersteher vom Gebrauch der Liegenschaft ausgeschlossen werden. Es müsse nicht geprüft werden, ob die abgeschlossenen Bestandverträge nicht auch gemäß § 156 Abs 1 EO oder nach § 879 ABGB nichtig seien oder inwieweit Rechtsgeschäfte rechtsgültig seien, die von einer Gesellschaft mbH schon vor ihrer Eintragung im Handelsregister abgeschlossen wurden, wobei aber in der Regel vom späteren Eintritt der Gesellschaft in Rechtsgeschäfte der Vorgesellschaft auszugehen sei.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der klagenden Partei ist nicht berechtigt. Die behauptete Nichtigkeit kann von den klagenden Parteien nicht mehr geltend gemacht werden, weil das Berufungsgericht die auf denselben Nichtigkeitsgrund gestützte Berufung verworfen hat. Diese Entscheidung ist gemäß § 519 Abs 1 ZPO nicht anfechtbar, sodaß eine bindende gem. § 42 Abs 3 JN Entscheidung (SZ 54/190; SZ 56/133; JBl 1986,38) vorliegt.
Dasselbe gilt für die geltend gemachten Verfahrensmängel. Wenn das Berufungsgericht eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens erster Instanz verneint hat, können dieselben Mängel nicht neuerlich nach § 503 Abs 1 Z 2 ZPO geltend gemacht werden (SZ 50/14; MietSlg 34.772, 35.800 uva).
Die geltend gemachte Aktenwidrigkeit geht von der unzulässigen Neuerung aus, daß die strittigen Bestandverträge nicht erst am 20. Jänner 1986, sondern schon am 9.Jänner 1986 "finalisiert" worden seien. In erster Instanz haben die Kläger dies nie behauptet und sich in ihrem Vorbringen nur auf die schriftlichen Pachtverträge berufen.
Auch die Rechtsrüge dringt nicht durch.
Wenn durch eine Zwangsmaßnahme nach § 156 Abs 2 EO in die Rechte eines Dritten eingegriffen wird, steht diesem eine der Klage nach § 37 EO nachgebildete Klage zu (EvBl 1968/47; EvBl 1976/70). Zu den Rechten, auf die eine Exszindierungsklage gestützt werden kann, zählen auch Bestandrechte (SZ 32/159). Die Kläger haben aber ein solches Bestandrecht nicht nachgewiesen.
Zutreffend hat das Berufungsgericht erkannt, daß die verpflichteten Parteien nach Wirksamwerden der einstweiligen Verwaltung im Sinne der §§ 158 ff EO keine auch für den Ersteher verbindlichen Bestandverträge mehr abschließen konnten. Gemäß § 159 EO iVm § 111 Abs 1 EO hat der einstweilige Verwalter nur die schon bestehenden Miet- und Pachtverträge zu respektieren. Der Abschluß neuer Bestandverträge obliegt hingegen gemäß § 109 Abs 2 und 3 EO ausschließlich dem einstweiligen Verwalter. Inwieweit die Verfügungsmacht des Verpflichteten zum Abschluß neuer Bestandverträge schon durch die Zuschlagserteilung beschränkt wird, muß nicht geprüft werden; denn spätestens ab der Zustellung des Verfügungsverbotes (§ 99 Abs 1 EO) hatten die verpflichteten Parteien den Abschluß derartiger Verträge zu unterlassen. Die klagenden Parteien haben nicht behauptet und es liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, daß es sich im vorliegenden Fall etwa nur um notwendige Verwaltungshandlungen durch die verpflichteten Parteien gehandelt hätte, die bis zur Übergabe der Liegenschaft an den einstweiligen Verwalter zulässig gewesen wären (Heller-Berger-Stix 961). Auf den Zeitpunkt des Eintrittes der Rechtskraft des Zuschlages kommt es also bei Bewilligung einer einstweiligen Verwaltung nach der Verständigung der verpflichteten Parteien nach § 159 EO iVm § 99 Abs 1 EO nicht an.
Da die beiden Bestandverträge schon aus den genannten Gründen nicht als Exszindierungsgrund in Frage kommen, muß auch nicht dazu Stellung genommen werden, in welcher Weise Verträge einer Vorgesellschaft später wirksam werden und ob die Klage nach § 37 EO auch einem Unterbestandnehmer zusteht.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.
Anmerkung
E12047European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1987:0030OB00071.87.0909.000Dokumentnummer
JJT_19870909_OGH0002_0030OB00071_8700000_000