Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 10.September 1987 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Hörburger, Dr. Massauer und Dr. Rzeszut als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Bernscherer als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Rudolf B*** wegen des Verbrechens der Hehlerei nach § 164 Abs 1 Z 2 und Abs 3, erster und dritter Deliktsfall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 2.Dezember 1986, GZ 9 Vr 3301/85-34, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Über die Berufung des Angeklagten wird bei einem Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung entschieden werden.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Rudolf B*** des Verbrechens der Hehlerei nach § 164 Abs 1 Z 2 und Abs 3, erster und dritter Deliktsfall StGB schuldig erkannt, weil er Schmuckstücke im Werte von mehr als einer Million Schilling, welche Paul D*** und Johann S*** zum Nachteil der Erika H*** in der Nacht zum 4. Februar 1984 in Graz erbeuteten, gekauft hat.
Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z 2, 3, 4 und 5 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.
Rechtliche Beurteilung
Unter den Nichtigkeitsgründen der Z 2 und 3 des § 281 Abs 1 StPO rügt der Beschwerdeführer die Verlesung der Aussage seiner geschiedenen Ehegattin Elfriede B*** vor dem Untersuchungsrichter (Band II ON 31 dA) und vor der Polizei (Band I ON 4 S 267 dA) in der Hauptverhandlung und deren Verwertung, obgleich sich diese Zeugin der Aussage entschlagen hatte. Dies jedoch nicht mit Recht.
Die Zeugin Elfriede B*** hat sich vor dem Untersuchungsrichter der Aussage entschlagen (Band II ON 14 dA). Sie erschien am 20.November 1986 beim Landesgericht für Strafsachen Graz und teilte dem Schöffensenatsvorsitzenden Dr. G*** mit, daß sie zur Hauptverhandlung am 2.Dezember 1986 nicht kommen könne und kündigte an, daß sie in der Hauptverhandlung von ihrem Entschlagungsrecht Gebrauch machen werde, gleichzeitig erklärte sie, sie entschlage sich auch jetzt (am 20.November 1986) der Aussage (Band II ON 31 dA). Dieses Vorbringen der Elfriede B*** wurde in einem Formular mit der Aufschrift "Zeugenvernehmung" festgehalten und in der Hauptverhandlung am 2.Dezember 1986 verlesen (Band II S 126 und 156 dA). Da dieses zur Verlesung gebrachte Schriftstück in Wahrheit gar keine Aussage der Zeugin Elfriede B*** zur Sache enthält, geht das Beschwerdevorbringen, soweit es diese Verlesung betrifft, von vornherein ins Leere. Daraus, daß die Angaben der Elfriede B*** vor der Polizei (ON 4 dA) verlesen (vgl. Band II S 155 dA) und im angefochtenen Urteil auf den Hinweis dieser Zeugin vor der Polizei, der Angeklagte habe mit Schmuck gehandelt (vgl. Band I S 267 dA), Bezug genommen wird (Ersturteil Band II S 173 dA), kann eine Urteilsnichtigkeit nach der Z 3 des § 281 Abs 1 StPO nicht abgeleitet werden. Die Verlesung der vor der Polizei abgelegten Aussagen von Zeugen, die in der Hauptverhandlung von ihrem Entschlagungsrecht nach § 152 Abs 1 Z 1 StPO Gebrauch gemacht haben, kann mit Art. 6 Abs 1 und Abs 3 lit d MRK vereinbart werden (14 Os 81/87). Besondere Kautelen waren im vorliegenden Falle nicht einzuhalten, weil diese Aussage kein entscheidungswesentliches Indiz war, auf welches das Erstgericht die Annahme der Täterschaft gründete.
Mit dem Vorbringen, daß im angefochtenen Urteil in der Hauptverhandlung nicht zur Verlesung gebrachte Verfahrensergebnisse aus anderen Strafverfahren gegen den Beschwerdeführer (12 Vr 2634/85 und 9 Vr 4090/84, beide Landesgericht für Strafsachen Graz) berücksichtigt und verwertet worden seien, wird nicht eine Urteilsnichtigkeit nach der Z 4, sondern eine solche nach der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO (infolge Verletzung der Vorschrift des § 258 Abs 1 StPO) geltend gemacht.
Nach dem Inhalt des Hauptverhandlungsprotokolls wurde der Strafakt 12 Vr 2634/85 des Landesgerichtes für Strafsachen Graz (dieser Strafakt betrifft Christa T***, nunmehr verehelichte B***, wegen §§ 164 Abs 1 Z 2, Abs 2 und Abs 3; 299
Abs 1 StGB) in der Hauptverhandlung nicht verlesen. Die im angefochtenen Urteil enthaltenen Hinweise auf Christine (Christa) T*** und das sie betreffende Strafverfahren 12 Vr 2634/85 des Landesgerichtes für Strafsachen Graz (vgl. Ersturteil Band II S 162 und 163 dA) betreffen jedoch keine für den vorliegenden Schuldspruch des Angeklagten B*** entscheidungswichtigen Umstände. Auch die Verwertung von in der Hauptverhandlung nicht verlesenen Aktenbestandteilen aus dem Verfahren 9 Vr 4090/84 des Landesgerichtes für Strafsachen Graz (so etwa die Angaben der Zeugin Barbara K***; vgl. Ersturteil, Band II S 161 dA und weiters die Ausführungen im Ersturteil, Band II S 173 und 174 dA), betrifft nur die Urteilsbeschreibung zur Person des Angeklagten und damit keine für den nunmehr angefochtenen Schuldspruch entscheidenden Tatsachen, sodaß eine Urteilsnichtigkeit nach der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO nicht vorliegt.
Aus dem Hauptverhandlungsprotokoll geht hervor (Band II S 120, 122 und 128 dA), daß der Verteidiger des Angeklagten B*** in der Hauptverhandlung wiederholt Beweisanträge angekündigt und diese zu stellen beabsichtigt hatte, ihm aber vom Vorsitzenden bedeutet wurde, diese Beweisanträge erst später (nach den Zeugeneinvernahmen) vorzubringen. Darüber erging über Antrag des Verteidigers auch ein Beschluß des Schöffensenates (Band II S 122 und 123 dA). Außerdem lehnte der Verteidiger aus diesem Grund den Senatsvorsitzenden (wegen Befangenheit) ab (Band II S 122 dA). Auch diesem Ablehnungsantrag wurde mit Beschluß des Schöffengerichtes, der gleichfalls in der Hauptverhandlung verkündet wurde, nicht stattgegeben (Band II S 123 dA).
Dem Verteidiger wurde aber im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung ausreichend Gelegenheit gegeben, die von ihm angestrebten Beweisanträge zu stellen (vgl. Band II S 138, 139 und 140 dA). Somit kann allein in dem Umstand, daß dem Verteidiger im Rahmen einer prozeßleitenden Verfügung in der Hauptverhandlung nicht sofort die Möglichkeit eingeräumt wurde, diese Beweisanträge zu stellen, eine Beeinträchtigung von Verteidigungsrechten des Angeklagten nicht erblickt werden.
Durch die (erfolglose) Ablehnung des Senatsvorsitzenden in der Hauptverhandlung wurde der Nichtigkeitsgrund der Z 4 des § 281 Abs 1 StPO nicht verwirklicht, weil in dieser Erledigung der Beweisanträge durch den Vorsitzenden eine Befangenheit nicht erblickt werden kann. Der in diesem Zusammenhang vom Beschwerdeführer überdies behauptete Nichtigkeitsgrund der Z 1 des § 281 Abs 1 StPO ist nicht gegeben, weil ein solcher voraussetzt, daß sich ein ausgeschlossener Richter an der bekämpften Entscheidung beteiligt hat. Eine (im vorliegenden Fall behauptete) bloße Befangenheit eines Richters begründet hingegen keine Nichtigkeit nach der Z 1 des § 281 Abs 1 StPO.
Zu Unrecht erblickt der Beschwerdeführer auch einen Verfahrensmangel (Z 4) in der Abweisung des Antrages seines Verteidigers auf Belehrung des Zeugen Heinz S*** gemäß § 153 StPO durch das Gericht (Band II S 123 dA), weil die Prozeßparteien aus der Gewährung oder Verweigerung der Rechtswohltat des § 153 StPO keinen Nichtigkeitsgrund ableiten können (Mayerhofer-Rieder, StPO2, ENr. 19 zu § 153).
Auch durch die Abweisung des Antrags des Verteidigers auf Einvernahme der Zeugen Dr. Erich A***, Hannes F***, Heinz D*** und Helmut M*** (der Sache nach) zum Beweis dafür, daß sich Bezirksinspektor K*** in unerlaubter Weise um den Beschwerdeführer belastende Angaben bemühte, wodurch ein der Verantwortung des Angeklagten in der Hauptverhandlung entsprechender (vgl. Band II S 115 dA) Nachweis erbracht werden sollte, daß auch die im vorliegenden Verfahren für den Angeklagten B*** belastenden Angaben des Zeugen Franz Z*** und des (voll geständigen) Mitangeklagten Emmerich H*** unrichtig seien und auf deren Angaben (durch Bezirksinspektor K***) unzulässigerweise zum Nachteil des Beschwerdeführers Einfluß genommen worden sei (vgl. Band II S 138, 139 und 140 dA), wurde der Beschwerdeführer in seinen Verteidigungsrechten nicht beeinträchtigt:
Das Schöffengericht stützte die Feststellungen über die Täterschaft des Angeklagten auf die Aussage der Zeugen Franz Z*** und Heinz S*** sowie auf die geständige Verantwortung des Mitangeklagten Emmerich H*** (vgl. Band II S 171, 174 dA). Die angeführten Beweisthemen haben zu den Aussagen dieser Zeugen zu dem vom Schuldspruch erfaßten Sachverhalt keinen direkten Bezug. Auch bei Unterstellung der Richtigkeit des Vorbringens kann durch diese Zeugen der vom Beschwerdeführer angestrebte Nachweis, daß nämlich Franz Z*** und Emmerich H*** in der vorliegenden
Strafsache aufgrund unzulässiger Einwirkungen und Versprechungen durch Bezirksinspektor K*** zum Nachteil des Beschwerdeführers falsche Angaben gemacht hätten, nicht erbracht werde, zumal eine konkrete Behauptung, daß Z*** und H*** auf solche Weise beeinflußt wurden, nicht aufgestellt worden ist und sich eine solche Beeinflussung aus der Aktenlage auch nicht ergibt. Insoferne liegt daher nur ein Erkundungsbeweis vor. Damit war aber der gestellte Antrag vom Beweisthema her von vorneherein ungeeignet, die den Urteilsfeststellungen zugrundeliegenden wesentlichen Angaben der genannten Personen zu erschüttern oder deren Glaubwürdigkeit zu beeinträchtigen.
Der Zeuge Adolf K*** wurde zum Beweis dafür geführt, daß H*** den aus dem Einbruchsdiebstahl zum Nachteil der Erika H*** erbeuteten Schmuck auch diesem Zeugen zum Kauf angeboten habe und außerdem erklärt habe, daß er selbst nicht Hehler, sondern Mittäter sei (Band II S 139 dA). Das Erstgericht konnte ohne Verletzung von Verteidigungsrechten des Angeklagten B*** auch diesen Beweisantrag ablehnen, weil diesem Beweisthema im Hinblick auf dem Beschwerdeführer angelastete Hehlerei keine entscheidungswesentliche Bedeutung zukommt.
Als Verfahrensmangel (Z 4) rügt der Beschwerdeführer ferner die Nichtzulassung von Fragen an den Zeugen Franz Z*** (vgl. HV-Protokoll Band II S 131 f dA), worüber es auch zu einer Entscheidung des Senats gekommen ist (vgl. Band II S 132 dA), und zwar "nach dem Führerschein, dem Erhalt der Lenkerberechtigung nach Haftentlassung und wie es dazu gekommen ist". Verteidigungsrechte des Angeklagten wurden dadurch aber nicht beeinträchtigt, weil auch bei Unterstellung der Tatsache, daß Z*** nach seiner Haftentlassung einen Führerschein erhalten hat, zur Frage der Glaubwürdigkeit dieses Zeugen in Ansehung der den Beschwerdeführer belastenden Aussage nichts zu gewinnen wäre und eine nähere Begründung dazu anläßlich der Herbeiführung der Senatsentscheidung nicht gegeben wurde.
Nach den Urteilsfeststellungen erfolgte die Vernehmung der Zeugen H*** und Z*** durch den Polizeibeamten K*** im wechselnden Beisein von Insp. JUD und Insp. T*** (Band II S 176 dA). Die Mängelrüge (Z 5) behauptet in diesem Zusammenhang eine Aktenwidrigkeit, weil Insp. T*** nur bei der Einvernahme des H***, JUD nur bei der des Z*** anwesend war. Dieser Umstand wird aber ohnedies durch die Worte "im wechselnden Beisein" Rechnung getragen. Abgesehen davon wird in der Rüge nicht näher dargetan, daß der behauptete Mangel eine entscheidende Tatsache betrifft, zumal nicht offenkundig ist, daß im Hinblick auf den den Beschwerdeführer betreffenden Schuldspruch die genaue Bezeichnung der beim Verhör überdies anwesenden Person entscheidungswesentlich ist.
Im übrigen wird mit der Behauptung der Mängelrüge, die Aussage des Zeugen T*** könne auf ein Vergessen hinweisen, sodaß die Anwendung von Druckmitteln bei den Zeugenvernehmungen nicht auszuschließen sei und mit dem Hinweis auf die (aus dem Zusammenhang gerissene) Aussage des Zeugen JUD, er könne sich daran, daß der Schmuck im Zusammenhang mit dem Angeklagten erwähnt wurde, nicht erinnern (woraus der Beschwerdeführer den Schluß gezogen haben will, daß das Geständnis des Z*** nicht richtig sei), nur versucht, die Verfahrensergebnisse in einem für den Beschwerdeführer günstigeren Sinn zu deuten und damit nur die Beweiswürdigung des Erstgerichts bekämpft.
Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher teils gemäß § 285 d Abs 1 Z 2 StPO, teils gemäß § 285 d Abs 1 Z 1 StPO in Verbindung mit § 285 a Z 2 StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.
Zur Entscheidung über die von den Angeklagten außerdem ergriffenen Berufungen wird ein Gerichtstag angeordnet werden.
Anmerkung
E14076European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1987:0120OS00104.87.0910.000Dokumentnummer
JJT_19870910_OGH0002_0120OS00104_8700000_000