Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 10.September 1987 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Felzmann, Dr. Brustbauer (Berichterstatter) und Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Bachinger als Schriftführerin in der Strafsache gegen Helmut K*** wegen des Verbrechens der Erpressung nach §§ 144 f. StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengerichts vom 25.Februar 1987, GZ. 11 Vr 3968/86-18, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalts Dr. Kodek, und des Verteidigers Dr. Griesser, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Der am 25.November 1937 geborene arbeitslose Anstreicher Helmut K*** wurde 1. des Verbrechens der versuchten schweren Erpressung nach §§ 15, 144 Abs 1, 145 Abs 1 Z. 1 StGB, 2. des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB und 3. des Verbrechens der schweren Nötigung nach §§ 105, 106 Abs 1 Z. 1 StGB schuldig erkannt. Dem Inhalt des Schuldspruchs zufolge hat er in Graz
1. im November 1986, zuletzt am 18.November 1986, seine Lebensgefährtin Gertrud H*** wiederholt durch Schläge gegen den Körper, ferner durch einen Stich mit einem Küchenmesser in die linke Hüftgegend sowie durch die gefährliche Drohung, er werde sie umbringen und erschlagen, zur Herausgabe von Bargeld zu nötigen getrachtet, wobei er mit dem Vorsatz handelte, sich unrechtmäßig zu bereichern;
2. bei selben Gelegenheiten Gertrud H*** wenigstens zweimal am Körper verletzt (Hämatome am ganzen Körper, vor allem im linken Augenbereich, dazu die Stichwunde an der linken Hüfte);
3. am 18.November 1986 Gertrud H*** mehrmals durch die Äußerung, er werde sie umbringen, falls sie die Anzeige erstatte, zur Abstandnahme hievon genötigt.
Rechtliche Beurteilung
Der Angeklagte ficht die Schuldsprüche aus § 281 Abs 1 Z. 3, 5, 8 und 9 (lit a) StPO an.
Den Verfahrensfehler (Z. 3) erblickt der Beschwerdeführer in einer Verletzung des § 240 a StPO, weil dem Inhalt des Hauptverhandlungsprotokolls nicht entnommen werden könne, ob die beiden Schöffen im Jahr 1986 (gemeint 1987) beeidigt worden seien. Aus dem vom Obersten Gerichtshof eingeholten Bericht des Vorsitzenden (ON. 22) ergibt sich, daß die Schöffin Elfriede S*** am 16.Februar 1987 zu 13 Vr 2987/86, die Schöffin Aloisia I*** am 17. Dezember 1986 zu 7 Vr 2582/86 jeweils des Landesgerichts für Strafsachen Graz, beeidigt worden ist. Nur bei der Letztgenannten ist sonach dem § 240 a StPO nicht entsprochen worden. Wie der Oberste Gerichtshof bereits in seiner Entscheidung vom 13. November 1986, 13 Os 160/86, zum Ausdruck brachte, können bestimmte, aktenkundige Umstände die Möglichkeit ausschließen, daß das Unterbleiben der im § 240 a StPO vorgeschriebenen Beeidigung von Laienrichtern dem Angeklagten zum Nachteil gereichte. Daraus folgt im gegenständlichen Fall: Die Beeidigung der Schöffin I*** fand zwar im Vorjahr, aber nur etwas mehr als zwei Monate vor der mit dem Urteil abgeschlossenen Hauptverhandlung (25.Februar 1987) statt. Seit der Beeidigung war also nur ein Bruchteil jenes Zeitraums verstrichen, über den nach dem Gesetz die Erinnerung an den geleisteten Eid ihre für die Verpflichtung der Laienrichter maßgebende Wirkung entfalten kann, nämlich vom Jänner bis Dezember eines Jahrs. Auch hat die Schöffin die Frage des Vorsitzenden, ob sie schon vereidigt sei, ersichtlich in Unkenntnis der Vorschrift des § 240 a Abs 3 StPO uneingeschränkt bejaht (ON. 22). Unter diesen Umständen muß davon ausgegangen werden, daß Aloisia I*** ihren Eid noch als wirksam ansah. War dem aber so, dann ist unzweifelhaft erkennbar, daß die Formverletzung keinen dem Angeklagten nachteiligen Einfluß üben konnte (§ 281 Abs 3 StPO). Im folgenden rügt der Beschwerdeführer die Fassung des Urteilssatzes, der nicht hinreichend individualisiert sei, weil als Tatzeit in den Punkten 1 und 2 lediglich "im November 1986, zuletzt am 18.November 1986", angeführt wird, was zum Teil auch den Gründen widerspreche (Z. 5 und 9 lit a). Der Sache nach wird mit diesem Vorbringen jedoch abermals der Nichtigkeitsgrund der Z. 3, diesfalls durch Verletzung des § 260 Abs 1 Z. 1 StPO, geltend gemacht. Gemäß dieser Gesetzesstelle muß das Strafurteil unter anderem aussprechen, welcher Tat der Angeklagte schuldig befunden worden ist. Das erfordert keine erschöpfende, sondern nur eine individualisierende, d.h. eine neuerliche Verurteilung ausschließende Beschreibung der Tat unter Angabe aller für die rechtliche Beurteilung erforderlichen Umstände; insbesonders muß die Tat nicht zwingend mittels der Angabe von Zeit (LSK. 1978/304, 1977/353) und Ort gekennzeichnet werden. Im vorliegenden Fall ergibt sich aus der angeführten zeitlichen Umgrenzung entgegen dem Beschwerdevorbringen weder die Annahme einer ununterbrochenen Bedrohung der Gertrud H*** (laut Urteilsspruch nur wiederholt) noch die Gefahr der Verurteilung des Angeklagten wegen einer weiteren, in diesen Zeitraum fallenden erpresserischen Bedrohung oder Verletzung seiner Lebensgefährtin.
Nicht ganz verständlich ist der Einwand gegen den Schuldspruch 2 "nach dem Akteninhalt dürfte der Angeklagte Gertrud H*** mehrfach in einer etwas rauhen Art behandelt haben, die aus juristischer Sicht in mehr als zwei Fällen objektiv das Tatbild der Körperverletzung erfüllt", wozu komme, daß er sie "mit Sicherheit auch im Zuge der diversen Auseinandersetzungen fahrlässig verletzt haben wird". Worin hier eine zum Vorteil des Angeklagten ausgeführte Rüge des Urteilsspruchs, wonach der Angeklagte Gertrud H*** mindestens zweimal am Körper verletzt hat, liegen soll, bleibt unklar. Im übrigen ist das im Punkt 2 umschriebene Verhalten hinreichend individualisiert. Angesichts der klaren Bestimmung des § 7 Abs 1 StGB bestand keine Notwendigkeit, eine (vom Beschwerdeführer vermißte) Verletzungsabsicht (welche Vorsatzform § 83 Abs 1 StGB gar nicht verlangt) im Urteil aufzunehmen. Ebensowenig waren die Zahl, Verteilung und Größe der Gertrud H*** zugefügten Blutunterlaufungen festzustellen. Derartige Konstatierungen sollen für die Prüfung erforderlich sein, inwieweit das Gericht die Anklage überschritten habe, worin eine Nichtigkeit nach Z. 8 (nicht Z. 9 lit c) gelegen wäre. Bei einer (bis auf die Ersetzung der Häufigkeitsangabe "wiederholt" im Punkt 2 des Anklagesatzes durch die Worte "zumindest zweimal" im Urteilsspruch) wörtlich übereinstimmenden Fassung von Anklagetenor und Urteilsspruch kann aber von einer Überschreitung der Anklage nicht die Rede sein. Die Spekulationen in der Beschwerde, der Staatsanwalt könnte andere Verletzungen als die abgeurteilten verfolgt haben, sind völlig unbegründet.
Schließlich bezweifelt der Rechtsmittelwerber, daß (wegen fehlender Konkretisierung der Tat) überhaupt eine "gesetzlich zulässige Anklage" vorliege, und vermeint, daß weder ein Verfahren hätte anschließen noch eine Verurteilung hätte ergehen dürfen. Damit macht er keinen der Nichtigkeitsgründe des § 281 Abs 1 StPO geltend. Die anscheinend zur Darstellung eines Begründungsmangels (Z. 5) unternommene Polemik gegen die Beweiswürdigung, insbesondere auch die Hinweise auf die angeblich einem fairen Verfahren widersprechende, sachlich aber zutreffende Bedachtnahme des Gerichts auf die aus zahlreichen Vorstrafakten ersichtliche gewalttätige Neigung des Angeklagten, zeigen keine Nichtigkeit auf (siehe den Wortlaut der Z. 5). Sofern der Schöffensenat die Angaben der Zeugin H*** vor der Polizei als glaubwürdig bezeichnete, war er zur Darlegung seiner diesbezüglichen, wie in allen Fragen der Beweiskraft nicht restlos analysierbaren und in Worten faßbaren Überlegungen nicht verpflichtet (SSt. XXVII/38, RiZ. 1970 S. 16 u.a.). Indes ist das Erkenntnis nicht bloß auf die Glaubwürdigkeit dieser Zeugin, die nur ein Beweismittel unter mehreren war, abgestützt; vielmehr sind zusätzlich die Verletzungsanzeige des Krankenhauses und die Wahrnehmungen der Polizeibeamten über die Verletzungen der H*** sowie die Aussage der Friederike B*** verwertet, die teilweise Tatzeugin war (Seite 82). Darnach tritt die Bedeutung der im § 252 Abs 2 StPO vorgeschriebenen Verlesung der polizeilichen Angaben der H*** jedenfalls zurück, sodaß sie keiner weitwendigen Erörterung bedarf. Der vom Beschwerdeführer behauptete Widerspruch zwischen den Angaben der Zeugin Friederike B*** vor dem Untersuchungsrichter in ON. 12 und jenen in der Hauptverhandlung ist nicht gegeben (siehe Seite 52). Daß diese Zeugin ihre polizeilichen Angaben über Bedrohungen ihrer Person durch den Angeklagten richtigstellte (S. 54), tut nichts zur Sache und konnte im Urteil übergangen werden. Letztlich wendet der Beschwerdeführer gegen die Annahme des Bereicherungsvorsatzes, der ausdrücklich festgestellt wurde (siehe Seite 83), ein, er habe nur das ihm auf Grund der Unterhaltspflicht (!) seiner Lebensgefährtin H*** zustehende Geld verlangt. Zu diesen, sich vergebens um die gesetzmäßige Darstellung eines Nichtigkeitsgrunds mühenden Ausführungen erübrigt sich eine Stellungnahme. Die daran geknüpfte Schlußfolgerung, es liege nur eine gefährliche Drohung nach § 107 Abs 1 StGB vor, die aber nicht verfolgt werden könne, weil die Ermächtigung (Seite 19) "viel zu unbestimmt" und möglicherweise nicht "wirksam" sei, verläßt den Boden des Urteilssachverhalts und ist darum unbeachtlich. In der Rechtsrüge (Z. 9 lit a) bezeichnet der Beschwerdeführer zunächst die Bedrohungen der Gertrud H*** als alltägliche milieubedingte Unmutsäußerungen, vernachlässigt aber, daß diese als Mittel der Erpressung sowie der Nötigung eingesetzt und von teilweise massiven Tätlichkeiten begleitet waren; weiters, daß sie im ersten Fall nur deshalb nicht zum Erfolg führten, weil H*** nicht über Bargeld verfügte, im zweiten Fall aber die angestrebte Unterlassung der Anzeige tatsächlich erzwangen. Folglich ist die Rechtsrüge in diesem Umfang nicht gesetzmäßig ausgeführt. Die Eignung der gefährlichen Drohung im Sinn der Legaldefinition des § 74 Z. 5 StGB, dem Bedrohten mit Rücksicht auf die Verhältnisse und seine persönliche Beschaffenheit oder die Wichtigkeit des angedrohten Übels begründete Besorgnisse einzuflößen, wird bestritten, weil es sich nur um für H*** unbedeutende Vorkommnisse gehandelt habe. Dem ist entgegenzuhalten, daß bei der Wirkung einer Drohung auf den Bedrohten ein Durchschnittsmaßstab (objektiver Maßstab) anzulegen ist, wobei übertriebene Ängstlichkeit ebenso wie außergewöhnlicher Gleichmut unberücksichtigt bleiben (Foregger-Serini MKK.3 S. 193 m.w.N.). Den vom Erstgericht festgestellten Todesdrohungen kam unter diesem Blickwinkel in Verbindung mit der ausgeübten Gewalt die vom Gesetz geforderte Eignung, begründete Besorgnis zu erregen, förmlich modellhaft zu. Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.
Das Schöffengericht verurteilte Helmut K*** nach § 145 Abs 1 StGB zu einer einjährigen Freiheitsstrafe. Als Erschwerungsgründe wurden genannt: das Zusammentreffen von zwei Verbrechen mit einem Vergehen, die wiederholte Begehung der strafbaren Handlungen, der rasche Rückfall nach der letzten Aburteilung am 20.Oktober 1986 und die vielen, auf derselben schädlichen Neigung beruhenden Vorstrafen. Als mildernd wurden gezählt: das teilweise Geständnis, der Umstand, daß die schwere Erpressung nur beim Versuch geblieben ist sowie der Umstand, daß Gertrud H*** dem Angeklagten verziehen haben dürfte, zumal sie sich der Aussage entschlug.
Der Angeklagte beruft gegen das Strafmaß und die Nichtgewährung bedingter Strafnachsicht.
Der ständige Alkoholgenuß des mittellosen Angeklagten als Mitursache seiner Straftaten ist diesem nach der Lage des Falls vorzuwerfen und damit nicht als mildernd anzurechnen (§ 35 StGB). Eine besondere Gefährlichkeit des Berufungswerbers wurde offenkundig gar nicht angenommen, wie die Verhängung der Mindeststrafe zeigt. Der gefundenen Strafdauer, die ohnehin (siehe § 145 StGB) nur ein Zehntel des gesetzlichen Rahmens beträgt, und des unmittelbaren Strafvollzugs bedarf es aber angesichts der zahlreichen samt und sonders fruchtlos gebliebenen, zu § 144 StGB und zu § 83 StGB einschlägigen Abstrafungen dieses hartnäckigen Rückfällers, wegen Vermögensdelikten und wegen Körperverletzung, soll ihm die Einkehr in einen rechtschaffenen Lebenswandel mittels erzieherischer Beeinflussung (§§ 20, 56 u.a. StVG) noch offengehalten werden.
Anmerkung
E11933European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1987:0130OS00064.87.0910.000Dokumentnummer
JJT_19870910_OGH0002_0130OS00064_8700000_000