Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Gamerith, Dr.Petrag, Dr.Kodek und Dr.Niederreiter als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach der am 10.Mai 1986 verstorbenen Charlotte H***, Pensionistin, zuletzt wohnhaft gewesen 1020 Wien, Rotensterngasse 21, infolge Revisionsrekurses der erbserklärten Erbin Brigitta Beatrix V***, Hausfrau, 1020 Wien, Rotensterngasse 21/8, vertreten durch Dr.Alfred Fürst, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 30.März 1987, GZ. 44 R 28/87-25, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Donaustadt vom 18.Februar 1987, GZ. 3 A 410/86-16, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Die beiden Töchter der Erblasserin haben auf Grund des Testamentes vom 6.Juni 1979 je zur Hälfte des Nachlasses unbedingte Erbserklärungen abgegeben (ON 4), die zu Gericht angenommen wurden (ON 8).
Die Erblasserin war persönlich haftende Gesellschafterin der im Handelsregister des Handelsgerichtes Wien zu HRA 5115 protokollierten KG Jos. S***". Als Kommanditistin und Einzelprokuristin ist ihre Tochter Renate Margot P*** eingetragen; weiterer Einzelprokurist ist Dipl.Ing.Georg P***. Im Testament vom 6.Juni 1979 setzte die Erblasserin ihre beiden Töchter zu gleichen Teilen als Erben ein; außerdem ordnete sie verschiedene Vorausvermächtnisse an. Dabei vermachte sie von ihrem 80 %igen Anteil am Gesellschaftsvermögen der Firma Jos. S*** 35 % ihrer Tochter Renate Margot P***, die dadurch nach Hinzurechnung ihres bisherigen Anteiles von 20 % einen Anteil am Gesellschaftsvermögen von zusammen 55 % haben werde; die restlichen 45 % vermachte sie ihrer Tochter Brigitta Beatrix V*** (Punkt III lit a). Weiters ordnete sie in Pkt.IV. an, daß ihre Tochter Renate Margot P*** (u.a.) bei der Firma Jos. S*** an ihrer Stelle als persönlich haftende Gesellschafterin einzutreten habe (ON 7). Mit der Behauptung, durch die Übertragung des ihr zugefallenen Anteils von 45 % sei eine offene Handelsgesellschaft entstanden, beantragte die Erbin Brigitta Beatrix V*** die Anordnung eines Verlassenschaftsprovisoriums durch Eintragung im Handelsregister des Handelsgerichtes Wien zu HRA 5115, daß die beiden Töchter der Erblasserin gemeinsam zur Vertretung des Gesellschaftsanteiles der Verstorbenen und damit der Firma Jos. S*** berufen seien. Nach § 125 HGB sei jeder Gesellschafter zur Vertretung der offenen Handelsgesellschaft ermächtigt, sofern er nicht durch den Gesellschaftsvertrag hievon ausgeschlossen sei. Derzeit habe die Firma Jos. S*** "keine Vertretung auf Gesellschafterebene" (ON 14).
Das Erstgericht wies diesen Antrag ab (Punkt 1) und trug gleichzeitig den beiden Töchtern der Erblasserin auf, im Sinne des Gesellschaftsvertrages vom 4.November 1971, Punkt VI, einen gemeinsamen Bevollmächtigten zwecks Ausübung der Rechte und Pflichten aus diesem Vertrag betreffend die Firma Jos. S*** namhaft zu machen, widrigenfalls es einen fremden Verwalter für die Anteile der Erblasserin am Gesellschaftsvermögen bestellen werde (Punkt 2). Es stellte zusätzlich zum eingangs wiedergegebenen Sachverhalt fest, daß Punkt VI des (als "Übereinkommen" bezeichneten) Gesellschaftsvertrages vom 4.November 1971 folgenden Wortlaut hat:
"VI. Durch den Tod der Kommanditistin oder auch der persönlich haftenden Gesellschafterin wird die Gesellschaft nicht aufgelöst, sondern gehen die Rechte und Pflichten der Gesellschafter auf deren Erben über. Mehrere Erben können aber die Rechte und Pflichten aus diesem Vertrag nur durch einen gemeinsamen Bevollmächtigten ausüben. Im Falle des Todes der persönlich haftenden Gesellschafterin ist die Kommanditistin berechtigt, die Umwandlung ihrer Rechtsstellung in die eines persönlich haftenden Gesellschafters zu begehren, falls die persönlich haftende Gesellschafterin andere Personen als die Kommanditistin zu Erben beruft."
Rechtlich vertrat das Erstgericht die Auffassung, die Erblasserin habe rechtsgültig nur über ihren 80 %igen Gesellschaftsanteil verfügen können, während der 20 %ige Anteil der Tochter Renate Margot P*** unberührt geblieben sei. Durch den Tod der Erblasserin habe somit keine offene Handelsgesellschaft anstelle der bisherigen Kommanditgesellschaft entstehen können. Selbst wenn § 125 HGB anzuwenden wäre, könnte dem Antrag der Erbin Brigitta Beatrix V*** nicht stattgegeben werden, bestimme doch der Gesellschaftsvertrag, daß mehrere Erben, wie sie hier vorhanden seien, die Rechte und Pflichten aus dem Vertrag nur durch einen gemeinsamen Bevollmächtigten ausüben könnten. Daher sei den beiden Töchtern die Bestellung eines solchen Bevollmächtigten aufzutragen, die Eintragung eines Abhandlungsprovisoriums jedoch abzulehnen, weil die Gesellschaft nicht nur noch durch einen überlebenden Gesellschafter geschäftsfähig sei, sondern auch unbestrittenermaßen durch die Einzelprokuristen Dipl.Ing.Georg P*** und Renate Margot P*** vertreten werde.
Infolge Rekurses beider Miterbinnen hob das Gericht zweiter Instanz den in Punkt 2 des erstgerichtlichen Beschlusses enthaltenen Auftrag zur Namhaftmachung eines gemeinsamen Bevollmächtigten ersatzlos auf; den Ausspruch, mit dem die Anordnung eines Verlassenschaftsprovisoriums abgewiesen wurde (Punkt 1), bestätigte es hingegen. Rechtlich führte es aus:
Das Vorausvermächtnis, aus dem die erbserklärten Erbinnen ihre Befugnisse betreffend die Firma Jos.S*** ableiteten, weise ihnen nicht nur bestimmte Anteile am Gesellschaftsvermögen zu, sondern ordne auch an, daß Renate Margot P*** anstelle der Erblasserin als persönlich haftende Gesellschafterin einzutreten habe. Daraus sei zu schließen, daß Brigitta Beatrix V*** nicht als persönlich haftende Gesellschafterin nachfolgen, sondern die Stellung einer Kommanditistin einnehmen solle. Als solcher stehe ihr die Vertretung der Gesellschaft nicht zu; diese habe keineswegs in eine OHG umgewandelt werden sollen. Da demnach keine Rechtsgrundlage für die Eintragung einer Vertretungsbefugnis der Erbin Brigitta Beatrix V*** im Handelsregister bestehe, sei der Antrag auf Anordnung eines Verlassenschaftsprovisoriums abzuweisen. Der Auftrag zur Bevollmächtigung eines Vertreters sei aber ersatzlos zu beheben, weil hiefür alle rechtlichen Voraussetzungen fehlten und er im übrigen von vornherein zwecklos sei.
Der gegen den bestätigenden Teil der Rekursentscheidung von Brigitta Beatrix V*** erhobene Revisionsrekurs ist unzulässig. An dem bestätigenden Charakter des angefochtenen Teils der Entscheidung zweiter Instanz ändert auch der Umstand nichts, daß das Rekursgericht den erstrichterlichen Beschluß im übrigen, nämlich in Punkt 2, abgeändert hat. Die Rechtsprechung, daß der zweite Rechtssatz des Jud.56 neu (= SZ 24/335), wonach ein bloß teilweise bestätigendes Urteil nicht als bestätigend im Sinne des § 502 Abs 3 aF ZPO zu gelten habe, auch im Verfahren außer Streitsachen Anwendung zu finden habe (SZ 44/149 uva), wird seit dem Inkrafttreten der ZVN 1983 nicht mehr aufrechterhalten. Nachdem der Gesetzgeber bewußt die Geltung des Jud.56 neu für den Bereich der Zivilprozeßordnung beseitigt hat, kann auch eine Auslegung der Bestimmungen der §§ 14 und 16 AußStrG, die ausschließlich auf die analoge Anwendung der Rechtssätze dieses Judikates gestützt wurde, keinen weiteren Bestand mehr haben. Nach § 14 Abs 1 AußStrG richtet sich der Revisionsrekurs dagegen, daß der Beschluß abgeändert - oder aufgehoben (Jud.203 alt) - wurde; jede andere Entscheidung muß demnach als bestätigend angesehen werden (SZ 57/119; EFSlg 49.920; 6 Ob 669/85 ua).
Liegt aber eine bestätigende Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz vor, so kann diese nur wegen offenbarer Gesetz- oder Aktenwidrigkeit der Entscheidung oder wegen Nichtigkeit ("Nullität") angefochten werden (§ 16 Abs 1 AußStrG).
Rechtliche Beurteilung
Die Revisionsrekurswerberin, die den angefochtenen Beschluß als rechtsirrig bezeichnet, vertritt den Standpunkt, das Rekursgericht habe die Anordnung der Erblasserin unrichtig ausgelegt; diese habe keinesfalls zum Ausdruck gebracht, daß sie, die Rechtsmittelwerberin, nur Kommanditistin sein sollte. Durch den "anteiligen" Übergang des Gesellschaftsanteils der Erblasserin auf ihre beiden Töchter sei zwischen diesen ein Gesellschaftsverhältnis mit gleichen Rechten und Pflichten entstanden. Da die beiden Schwestern wegen der ablehnenden Haltung der Renate Margot P*** nicht zusammenarbeiten könnten, sei die Bestimmung eines Verlassenschaftsprovisoriums im Sinne der Entscheidungen SZ 23/150 und SZ 28/110 notwendig.
Mit diesen Rechtsmittelausführungen wird weder eine Aktenwidrigkeit noch irgendein Verfahrensverstoß, geschweige denn eine Nichtigkeit geltend gemacht. Aber auch eine offenbare Gesetzwidrigkeit wird nicht aufgezeigt: Eine solche liegt nach ständiger Rechtsprechung nur dann vor, wenn ein Fall im Gesetz ausdrücklich und so klar gelöst ist, daß kein Zweifel über die Absicht des Gesetzgebers aufkommen kann, und trotzdem eine damit in Widerspruch stehende Entscheidung gefällt wird; nicht jede unrichtige rechtliche Beurteilung begründet daher eine offenbare Gesetzwidrigkeit (SZ 49/76 uva).
Die im Revisionsrekurs behandelte Frage, ob das Rekursgericht die Anordnungen der Erblasserin richtig ausgelegt hat, kann mit einem Rechtsmittel nach § 16 AußStrG nicht an den Obersten Gerichtshof herangetragen werden. Die der Entscheidung der Vorinstanzen zugrunde liegende Rechtsmeinung, die Fa.Jos.S*** sei nicht auf Grund des Testamentes der Komplementärin mit deren Tod ipso iure aus einer Kommanditgesellschaft zu einer offenen Handelsgesellschaft geworden, steht zweifellos mit keiner ausdrücklichen gesetzlichen Bestimmung im Widerspruch. Soweit die Rechtsmittelwerberin ihre Vertretungsbefugnis für die Fa.Jos.S*** auf § 125 HGB stützt, übersieht sie, daß sie derzeit keinesfalls (offene) Gesellschafterin dieser Gesellschaft ist. Mangels Einantwortung ist sie noch nicht Erbin; das zu ihren Gunsten verfügte Vorausvermächtnis (§ 648 ABGB) gewährt ihr nur neben ihrem Erbrecht ein Forderungsrecht als Legatarin (Welser in Rummel, ABGB Rz 1 zu § 648), macht sie aber nicht schon mit dem Tod der Erblasserin zur Eigentümerin der vermachten Sachen und Rechte. Die Gesellschaft kann mittlerweile nur mit der Verlassenschaft fortbestehen (§ 139 Abs 1 HGB; Demelius, Tod des Gesellschafters, NZ 1954, 113 ff 114).
Ob in dieser Lage ein Abhandlungsprovisorium anzuordnen wäre, ist hier einer Überprüfung durch den Obersten Gerichtshofes entzogen: Das Abhandlungs- oder Verlassenschaftsprovisorium ist gesetzlich überhaupt nicht geregelt; vielmehr wird es als Handelsgewohnheitsrecht angesehen (Hämmerle-Wünsch3 I 39; Kastner, Grundriß des österr. Gesellschaftsrechts4, 39; Koppensteiner in Straube, HGB Rz 11 zu § 139; GesRZ 1978,128 ua). Die Ablehnung (oder Anordnung) eines solchen Provisoriums kann demnach schon begrifflich nicht offenbar gesetzwidrig sein.
Aus diesen Erwägungen war der Revisionsrekurs zurückzuweisen.
Anmerkung
E11765European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1987:0040OB00548.87.0915.000Dokumentnummer
JJT_19870915_OGH0002_0040OB00548_8700000_000