TE OGH 1987/9/16 9ObA91/87

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Veröffentlicht am 16.09.1987
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Der Oberste Gerichtshof hat in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith und Dr. Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Pipin Henzl und Ferdinand Rodinger als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Frank P***, Interessenvertreter, Frankfurt 70, Stegstraße 76, BRD, vertreten durch Dr. Hans Kaska, Rechtsanwalt in St. Pölten, wider die beklagte Partei J.M. V*** Aktiengesellschaft, St. Pölten, Linzer Straße 55, vertreten durch Dr. Hilbert Aubauer, Rechtsanwalt in Wien, wegen 1,918.500 S samt Anhang, infolge Rekurses beider Parteien gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 28. April 1987, GZ 31 Ra 1001/87-45, womit das Urteil des Arbeitsgerichtes St. Pölten vom 14. Dezember 1984, GZ Cr 132/82-33, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Beiden Rekursen wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben. Die Rechtssache wird zur Ergänzung der Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind Kosten des zu ergänzenden Verfahrens.

Text

Begründung:

Mit "Interessenvertretungsvertrag" vom 12. März 1981 wurde der Kläger von der Beklagten für die Zeit vom 1. April 1981 bis 31. März 1984 als "Interessenvertreter" mit der Akquisition, Kontaktpflege und Behandlung von Projekten auf den Sektoren des gesamten Erzeugungsprogrammes der Beklagten in den Vereinigten Arabischen Emiraten (bestehend aus den Emiraten Abu Dhabi, Dubai, Ras al Khaimah, Sharjah, Umm al Qain, Ajman und Fujeira) sowie in Bahrain, Katar, Nord Jemen, Oman, Kuwait und Saudi Arabien betraut. In diesem Vertrag wurde dem Kläger ein Monatsbezug von 58.340 S zwölfmal jährlich, ein Retourflug pro Jahr für den Kläger und seine Gattin von Abu Dhabi nach Europa und die Vergütung diverser Spesen gegen Beleg zugesichert. Die Monate April und Mai sollte der Kläger als Einarbeitungszeit in St. Pölten verbringen. Der Kläger war dem Vertriebsleiter der Beklagten unterstellt, hatte dessen Weisungen zu befolgen und sollte der Beklagten monatlich schriftlich und - falls dies erforderlich ist - dem Vertriebsleiter mündlich in St. Pölten berichten. Weiters wurde mit Artikel 8 des Vertrages vereinbart, daß bei schuldhafter Schädigung der Interessen der Beklagten unbeschadet etwaiger Ersatzansprüche jeglicher Vergütungsanspruch des Klägers erlischt und die Beklagte berechtigt ist, den Vertrag mit sofortiger Wirksamkeit zu kündigen. Als Erfüllungsort für alle Ansprüche aus diesem Vertrag sowie Gerichtsstand für etwaige Streitigkeiten wurde St. Pölten vereinbart. Der Vertrag wurde von der Beklagten unter Berufung auf Artikel 8 zum 31. März 1982 vorzeitig aufgelöst. Der Kläger begehrt vom Beklagten die Zahlung von 1,918.500 S an Entgeltansprüchen für die restliche Vertragslaufzeit sowie Schadenersatzansprüchen und brachte vor, daß die Vertragsauflösung vertrags- und rechtswidrig erfolgt sei. Es sei österreichisches Recht anzuwenden, weil der Vertrag in St. Pölten geschlossen und St. Pölten ausdrücklich als Erfüllungsort und Gerichtsstand genannt sei.

Die Beklagte wandte ein, daß der Kläger nach dem Vertrag seine Pflichten ausschließlich in Abu Dhabi zu erfüllen habe, sodaß gemäß § 44 IPRG das Recht dieses Staates anzuwenden sei. Die Beklagte sei zur Auflösung des Vertrages berechtigt gewesen. Der Kläger habe durch sein Verhalten in Abu Dhabi die Interessen der Beklagten geschädigt: Er habe diverse Besprechungstermine nicht eingehalten, die Ratschläge der österreichischen Außenhandelsstelle nicht beachtet und weder einen Sponsor für die Beklagte gefunden noch eine Registrierung der Beklagten erreicht und sich im Hotel und auch sonst so schlecht benommen, daß dies für das Renommee der Beklagten abträglich gewesen sei. Schließlich sei der Kläger entgegen der Weisung der Beklagten nach Dubai übersiedelt. Darüber hinaus habe der Kläger für die Beklagte keinerlei nutzbringende Tätigkeiten entfaltet, insbesondere weder eine brauchbare Marktanalyse erstellt noch ein einziges Projekt genannt, das in das Produktionsprogramm der Beklagten paßte und bei dem Chancen auf Realisierung bestanden; der Kläger habe sich auch längere Zeit entgegen den ihm erteilten Ratschlägen und Weisungen geweigert - abgesehen von einem Blitzbesuch in Kuwait - Reisen in andere Staaten seines Betreuungsgebietes zu unternehmen.

Das Erstgericht wies die Klage ab und stellte folgenden für die Beurteilung der vorliegenden Rechtsmittel wesentlichen Sachverhalt fest:

Der Interssenwahrungsvertrag wurde von der Beklagten formuliert. Über Wunsch des Klägers wurde vermerkt, daß der Dienstsitz Abu Dhabi und das vom Kläger unterschriebene "Budgetproposal" - in dem die präliminierten Kosten für Wohnungsmiete, Fahrzeugbeschaffung etc. mit Schillingbeträgen angesetzt wurden - Basis des Interessenvertretungsvertrages sein sollten. Von Seiten des Klägers wurde zunächst im Einvernehmen mit der Beklagten eine Registrierung der Beklagten in Abu Dhabi angestrebt, aber nicht realisiert. Der Kläger mietete nach längerem Hotelaufenthalt eine Wohnung in Abu Dhabi, das Büro des Klägers war vereinbarungsgemäß in der Niederlassung der Firma E***. Nachdem der Kläger der Beklagten bis dahin keine Informationen über konkrete für die Beklagte in Frage kommende Projekte geliefert, sondern im wesentlichen nur über Schwierigkeiten bei der Wohnungsbeschaffung etc. sowie über die exorbitant gestiegenen Kosten berichtet hatte, forderte ihn sein Vorgesetzter Dr. R*** bei seinem Besuch in Abu Dhabi vom 31. Oktober bis 3. November 1981 auf, seinen Aufgaben aus dem Vertrag nachzukommen - insbesondere eine Marktanalyse zu erstellen - und setzte dem Kläger eine Frist bis 30. März 1982; zu diesem Zeitpunkt werde entschieden, ob die Repräsentanz aufgelassen werde oder ihre Tätigkeit fortsetzen solle. In der Folge mietete der Kläger im Hinblick auf die wesentlich höheren Preise in Abu Dhabi gegen die ausdrückliche Weisung der Beklagten eine Wohnung in Dubai. Am 10. März 1982 reiste der Kläger nach Kuwait, um dort - im Auftrag der Beklagten - Kontaktfirmen zu besuchen bzw. auszuforschen und von dort ein Visum nach Saudi Arabien zu erhalten. Am 18. März 1982 kehrte er wegen des für 22. März 1982 angekündigten Besuches seines Vorgesetzten Dr. R*** nach Abu Dhabei zurück. Bei diesem Besuch sprach Dr. R*** namens der Beklagten die Kündigung des Interessenvertretungsvertrages aus. Der Kläger hatte bis dahin weder ein konkretes für die Beklagte in Frage kommendes Projekt mitgeteilt noch der Beklagten eine Marktanalyse übermittelt.

Rechtlich folgerte das Erstgericht, daß österreichisches Recht anzuwenden sei, weil das Arbeitsverhältnis von Österreich aus seinen Ausgang genommen habe und die Parteien St. Pölten als Gerichtsstand vereinbart hätten. Da der Kläger weder die verlangte Marktanalyse erstellt noch für die Beklagte nützliche Kontakte hergestellt oder Aufträge akquiriert habe, weiters die selbstgestellte Aufgabe der Registrierung nicht erfüllt habe und schließlich entgegen der Weisung der Beklagten eine Wohnung in Dubai über den 31. März 1982 hinaus angemietet habe, sei die vorzeitige Auflösung des Vertrages durch die Beklagte berechtigt gewesen.

Mit dem angefochtenen Beschluß gab das Berufungsgericht der Berufung des Klägers gegen dieses Urteil Folge, hob es unter Setzung eines Rechtskraftvorbehaltes auf und verwies die Sache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Landesgericht St. Pölten in Arbeits- und Sozialrechtssachen zurück. Es prüfte aus Anlaß der vom Kläger erhobenen Rechtsrüge auch die kollisionsrechtliche Beurteilung des Erstgerichtes und vertrat die Auffassung, daß zwar die Frage, ob ein Arbeitsvertrag im Sinne des § 44 Abs. 1 IPRG abgeschlossen worden sei, nach österreichischem Recht zu beurteilen und im Hinblick auf die Verpflichtung des Klägers zu Dienstleistungen in persönlicher Abhängigkeit auch zu bejahen sei; dieser Arbeitsvertrag sei aber nach dem Recht des Staates zu beurteilen, in dem der Arbeitnehmer seine Arbeit gewöhnlich verrichte. Mit der Bestimmung des Dienstsitzes Abu Dhabi hätten die Parteien klargestellt, daß ungeachtet des auch Reisen in andere arabische Länder umfassenden Aufgabengebietes des Klägers Schwerpunkt der Arbeitsleistung und somit der gewöhnliche Arbeitsort Abu Dhabi sein sollte. Das Vertragsverhältnis der Parteien sei daher nach dem Recht dieses Ortes zu beurteilen. Dieses Recht werde das Erstgericht im fortgesetzten Verfahren zu ermitteln und weiters über die bereits vorgenommene Auflistung des Schriftverkehrs hinaus auch konkrete Feststellungen über allfällige Vertragsverletzungen des Klägers zu treffen haben.

Gegen diesen Beschluß richten sich die Rekurse beider Parteien. Die klagende Partei beantragt Aufhebung und Entscheidung in der Sache selbst im Sinne einer Klagestattgebung, in eventu Aufhebung und Rückverweisung der Sache an das Berufungsgericht zur neuerlichen Entscheidung; die beklagte Partei beantragt Aufhebung und eine Sachentscheidung im Sinne einer Klageabweisung, in eventu Aufhebung und Rückverweisung der Sache an die Vorinstanzen zur Verfahrensergänzung und Entscheidung.

Rekursbeantwortungen wurden nicht erstattet.

Rechtliche Beurteilung

Die Rekurse sind berechtigt.

Übereinstimmend wenden sich die Rekurswerber gegen die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, nicht österreichisches Recht sondern das in Abu Dhabi geltende Recht sei anzuwenden. Gemäß § 44 Abs. 1 IPRG ist für die Beurteilung von Arbeitsverträgen in erster Linie das Recht des Staates maßgebend, in dem der Arbeitnehmer seine Arbeit gewöhnlich verrichtet; dieses Recht bleibt auch dann maßgebend, wenn der Arbeitnehmer an einen Arbeitsort in einem anderen Staat entsendet wird. Da der Kläger in St. Pölten lediglich eingeschult wurde und eine Weiterbeschäftigung des Klägers in Österreich nach dem Ende der vereinbarten Auslandstätigkeit nicht vorgesehen war, kommt die Anwendung österreichischen Rechtes nach dieser Gesetzesbestimmung entgegen der Ansicht des Klägers nicht in Frage. Gemäß § 44 Abs. 3 IPRG ist nur eine ausdrückliche Rechtswahl beachtlich, sodaß dem Kläger nicht beizupflichten ist, soweit er aus der Vertragsklausel "Erfüllungsort für alle Ansprüche aus diesem Vertrag sowie Gerichtsstand für etwaige Streitigkeiten ist St. Pölten" auf eine wirksame Wahl österreichischen Rechtes schließt (vgl. WBl. 1987, 193). Im Hinblick darauf, daß sich die Tätigkeit des Klägers nach dem abgeschlossenen "Interessenvertretungsvertrag" auf mehrere Staaten erstreckte, bleibt zu prüfen, ob nicht eine Anknüpfung nach § 44 Abs. 2 IPRG in Betracht kommt. Danach ist das Recht des Sitzes des Arbeitgebers maßgebend, wenn der Arbeitnehmer seine Arbeit gewöhnlich in mehr als einem Staat verrichtet oder keinen gewöhnlichen Arbeitsort hat. Folgt man den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage (EB zu § 44 IPRG in RV 784 BlgNR 14.GP, 57), dann kommt eine Anknüpfung nach § 44 Abs. 2 IPRG dann in Frage, wenn der Arbeitnehmer ständig in mehreren Staaten arbeitet, ohne daß der Tätigkeit in einem davon das Übergewicht zukommt (vgl. auch Schwimann in Rummel ABGB Rz 4 zu § 44 IPRG, der Unternehmensrepräsentanten im ständigen grenzüberschreitenden Außendienst als Beispiel für die Anknüpfung nach Abs. 2 dieser Gesetzesstelle nennt). Eine bloße ständige lokale Bindung im Sinne eines Dienstsitzes, von dem aus der Unternehmensrepräsentant die Staaten seines Betreuungsgebietes zu bereisen hat, schließt die Anwendung von § 4 Abs. 2 IPRG nicht aus. Beiden Revisionswerbern ist daher darin beizupflichten, daß allein daraus, daß im "Interessenvertretungsvertrag" als Dienstsitz Abu Dhabi vereinbart war und der Kläger dann tatsächlich dort eine Wohnung gemietet hat, noch nicht darauf geschlossen werden kann, daß der Tätigkeit in Abu Dhabi bzw. in den Vereinigten Arabischen Emiraten das Übergewicht zukommen sollte. Zieht man in Betracht, daß sich die Tätigkeit des Klägers auch noch auf die weiteren Staaten Bahrein, Katar, Nord Jemen, Oman, Kuwait und Saudi Arabien erstrecken und mit Reisen in diese Länder verbunden sein sollte, dann kommt - geht man von den Verpflichtungen des Klägers aus dem gegenständlichen Arbeitsvertrag aus - der in Abu Dhabi zu verrichtenden Tätigkeit nicht das Übergewicht gegenüber jenen Aufgaben zu, die der Kläger in sämtlichen anderen Staaten des Betreuungsgebietes insgesamt zu besorgen hatte, sodaß nicht gesagt werden kann, daß der Kläger seine Arbeit gewöhnlich in Abu Dhabi zu verrichten hatte. Gemäß § 44 Abs. 2 IPRG ist daher an das Recht des Staates anzuknüpfen, in dem der Arbeitgeber seinen Sitz hat und damit der vorliegende Arbeitsvertrag nach österreichischem Recht zu beurteilen.

Im fortgesetzten Verfahren wird sich das Berufungsgericht unter Anwendung materiellen österreichischen Rechtes mit den bisher nicht behandelten Berufungsausführungen der klagenden Partei auseinanderzusetzen haben.

Dem Rekurs war daher Folge zu geben und spruchgemäß zu entscheiden.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

Anmerkung

E11867

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:009OBA00091.87.0916.000

Dokumentnummer

JJT_19870916_OGH0002_009OBA00091_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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