Index
L55003 Baumschutz Landschaftsschutz Naturschutz Niederösterreich;Norm
NatSchG NÖ 2000 §12 Abs8;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Stöberl und Dr. Köhler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hofer, über die Beschwerde der I GmbH in M, vertreten durch Dr. Manfred Lampelmayer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Elisabethstraße 15, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 20. Dezember 2001, Zl. RU5-B-227/000, betreffend Antrag auf Widerruf einer Erklärung zum Naturdenkmal, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die beschwerdeführende Gesellschaft hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 29. Dezember 1995 wurde - in Bestätigung des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha (BH) - gemäß § 9 Abs. 1 des Niederösterreichischen Naturschutzgesetzes, LGBl. 5500-3, das auf näher genannten Grundstücken der KG E. vorhandene Naturgebilde einer "Trockenrasengesellschaft" zum Naturdenkmal erklärt. Ferner wurden im Spruch die Außengrenzen des Naturdenkmales umschrieben sowie Ausnahmen vom gesetzlichen Veränderungs- und Eingriffsverbot und eine Reihe von im Einzelnen näher dargestellten sichernden Maßnahmen bestimmt.
Nach der Begründung habe die Niederösterreichische Umweltanwaltschaft mit Schreiben vom 1. Oktober 1991 bei der BH die Einleitung eines Naturdenkmalverfahrens betreffend ein Biotop auf den genannten Grundstücken beantragt. Bei den Grundstücken handle es sich um eine aufgelassene Materialgewinnungsstätte in der KG E. Die beschwerdeführende Gesellschaft (sie ist u. a. Eigentümerin der genannten Grundstücke) habe einen Antrag auf Errichtung einer Bauschutt- und Erdaushubdeponie auf diesem Areal gestellt. Nach den eingeholten Sachverständigengutachten hätte sich auf den Grundstücken eine Trockenrasengesellschaft ausgebildet. Die Lehmstellwände hätten sich vorzüglich für die Anlage von Bruthöhlen für den Bienenfresser geeignet. Bei diesem handle es sich über eine überaus seltene, mit dem Eisvogel verwandte Vogelart. Die gegenständliche Grube biete ideale Voraussetzungen für die Habitatsansprüche dieser Vogelart. Einerseits finde der Bienenfresser die von ihm unbedingt benötigten senkrechten Lehmwände für die Anlage seiner Bruthöhlen vor, andererseits böten die Trockenrasenflächen mit ihrer reichen Insektenfauna sowie die ebenfalls in den Lehmwänden grabenden Wespen- und Bienenarten ein vielfältiges Nahrungsangebot. Einzelne abgestorbene Bäume dienten als Sitzwarten, von denen aus die kurzen Jagdflüge auf Insekten gestartet werden könnten. Die Lehmgrube habe sich durch ihre große Strukturvielfalt, insbesondere aber das Vorkommen von Lehmsteilwänden, zu einem höchst interessanten Lebensraum entwickelt. Dieses Naturgebilde werde von verschiedenen bereits seltenen Pflanzen und Tieren bewohnt; so beherbergten etwa die Trocken- und Halbtrockenrasen in und an den Rändern der Grube verschiedene näher aufgezählte seltene Arten. Auf Grund des Vorkommens der genannten seltenen Tier- und Pflanzenarten, insbesondere aber der Trockenrasen als Lebensraum für diese Tierarten bzw. der Lehmwände als Brutplätze für die Bienenfresser, besitze das gegenständliche Naturgebilde einen unschätzbaren ökologischen Wert. Darüber hinaus biete sich die Möglichkeit, wissenschaftliche Daten über seltene Tier- und Pflanzenarten zu erheben bzw. bereits gewonnene Erkenntnisse aus naturwissenschaftlicher Arbeit zu überprüfen und zu bestätigen. Abgesehen von der besonderen wissenschaftlichen Bedeutung des gegenständlichen Naturgebildes sei auch sein Wert als gestaltendes Element des Landschaftsbildes nicht zu unterschätzen. Auf den dem Akt beiliegenden Fotos seien die eindrucksvollen, teilweise verwitterten, oft turmartig ausgeprägten Lehmformationen erkennbar, die auch von der B 60 aus wahrnehmbar seien. Die bizarren Formen stellten somit auch ein prägendes Element der Landschaft dar.
Auf Grund der eingeholten Gutachten vertrat die belangte Behörde schließlich die Auffassung, dass das Naturgebilde einer Trockenrasengesellschaft auf der im Spruch genannten Fläche besondere wissenschaftliche Bedeutung habe. Darüber hinaus komme dem Naturgebilde besondere Bedeutung als prägendes Element der Landschaft zu. Das verfahrensgegenständliche Naturgebilde erfülle daher - unabhängig von einer Bruttätigkeit der Bienenfresser in diesem Areal - die Voraussetzungen zur Erklärung zum Naturdenkmal.
Mit Eingabe vom 19. Februar 2001 stellte die beschwerdeführende Gesellschaft bei der BH einen Antrag auf Widerruf der Naturdenkmalerklärung. Nach der Begründung habe die beschwerdeführende Gesellschaft Prof. Josef R. als Sachverständigen für Artenschutz ersucht, die verfahrensrelevanten Gegebenheiten in dem zum Naturdenkmal erklärten Bereich zu erheben. Daraus ergebe sich, dass die für die seinerzeitige Naturdenkmalerklärung herangezogenen Umstände bezüglich des Bienenfressers zumindest seit Sommer 1999 nicht mehr gegeben seien. Die beabsichtigten sowie teilweise bereits vorgenommenen Biotoppflegemaßnahmen zugunsten dieser Vogelart hätten den angestrebten Erfolg nicht erreichen können. Die beschwerdeführende Gesellschaft befürwortete daher eine Nutzung als Bauschutt- bzw. Bodenaushubdeponie. Nach dem eingeholten Gutachten lasse sich im Übrigen das Bienenfresservorkommen mit einem Deponiebetrieb vereinbaren.
Der Amtssachverständige für Naturschutz wies in seiner Stellungnahme darauf hin, dass die Erklärung zum Naturdenkmal aus mehreren wissenschaftlichen, aber auch aus landschaftsästhetischen Gründen erfolgt sei. Die Lebensraumeignung für den Bienenfresser bzw. der traditionelle Brutplatz hätten dabei nur einen Teil der Begründung eingenommen. Das von der beschwerdeführenden Gesellschaft vorgelegte Privatgutachten behandle daher nur einen für die Unterschutzstellung relevanten Teilaspekt.
Der beschwerdeführenden Gesellschaft wurde die Stellungnahme des Amtssachverständigen im Rahmen des Parteiengehörs übermittelt. Mit Schriftsatz vom 16. August 2001 legte die beschwerdeführende Gesellschaft daraufhin eine weitere Stellungnahme von Prof. Josef R. vor, wonach die in Deutschland beobachteten Brutvorkommen der Bienenfresser, die sich ausnahmslos in noch in Betrieb stehenden Abbauflächen befänden, im besten Einvernehmen mit den Betreibern unmittelbar geschützt seien und bislang keiner benutzungseinschränkenden Schutzmaßnahmen bedurft hätten. Dies bestätige den bislang eingenommenen Standpunkt, wonach bei der vorgesehenen Grubenverfüllung die Brutvoraussetzungen für den Bienenfresser in keiner Weise beeinträchtigt, sondern durch eine derartige Grubenverwendung die Anflug- sowie Brutvoraussetzungen sogar gefördert würden.
Mit Bescheid der BH vom 18. September 2001 wurde der Antrag der beschwerdeführenden Gesellschaft auf Widerruf der Naturdenkmalerklärung gemäß § 12 Abs. 8 des Niederösterreichischen Naturschutzgesetzes, LGBl. 5500-0 (in der Folge: NÖ NatSchG), abgewiesen.
Der dagegen erhobenen Berufung der beschwerdeführenden Gesellschaft wurde mit dem angefochtenen Bescheid vom 20. Dezember 2001 keine Folge gegeben und der Bescheid der BH bestätigt.
Nach der Begründung sei gemäß § 12 Abs. 8 NÖ NatSchG die Erklärung zum Naturdenkmal zu widerrufen, wenn der Zustand des Naturdenkmales eine Gefährdung für Personen oder Sachen darstelle, eine wesentliche Änderung der Eigenschaften, die zur Erklärung zum Naturdenkmal geführt hätten, eingetreten sei oder wenn das geschützte Objekt nicht mehr bestehe. Aus dem von der beschwerdeführenden Gesellschaft vorgelegten Gutachten ergebe sich, dass bei allen drei Untersuchungszeiten Bienenfresser im streitgegenständlichen Areal angetroffen worden seien. Der Gutachter vertrete die Auffassung, dass sich das Bienenfresservorkommen mit einem Deponiebetrieb vereinbaren lasse. Zu diesem Vorbringen sei bereits von der BH ein Gutachten eines Amtssachverständigen für Naturschutz eingeholt worden. Der Gutachter habe sich dabei gegen die Aufhebung des Naturdenkmales ausgesprochen. Wenn die beschwerdeführende Gesellschaft in der Berufung bemängle, dass sich die BH mit der weiteren Stellungnahme des Gutachters zu wenig auseinandergesetzt habe, so müsse dem entgegen gehalten werden, dass selbst ein "Obergutachten" nicht klären würde, ob das Naturdenkmal widerrufen werden könne, da der Antrag an den gesetzlichen Voraussetzungen vorbeigehe. Es sei nämlich nicht einmal behauptet worden, dass der Zustand des Naturdenkmales eine Gefährdung für Personen oder Sachen darstelle, dass sich eine wesentliche Änderung der Eigenschaften eingestellt habe oder dass das geschützte Objekt nicht mehr bestehe. Die Voraussetzungen für einen Widerruf der Naturdenkmalerklärung lägen daher nicht vor.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 12 Abs. 8 NÖ NatSchG ist die Erklärung zum Naturdenkmal zu widerrufen, wenn der Zustand des Naturdenkmals eine Gefährdung für Personen oder Sachen darstellt, eine wesentliche Änderung der Eigenschaften, die zur Erklärung zum Naturdenkmal geführt haben, eingetreten ist oder wenn das geschützte Objekt nicht mehr besteht.
Dem angefochtenen Bescheid liegt die Auffassung zugrunde, dass das Naturgebilde einer Trockenrasengesellschaft mit Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 29. Dezember 1995 im Wesentlichen deshalb zum Naturdenkmal erklärt worden sei, weil in diesem Biotop verschiedene seltene Pflanzen und Tiere vorkämen. Eines dieser seltenen Tiere sei die Vogelart des Bienenfressers, der dort seinen Lebensraum fände. In dem Naturgebilde seien jedoch eine Reihe anderer verschiedener näher genannter seltenen Pflanzen und Tiere zu finden. Abgesehen von der besonderen wissenschaftlichen Bedeutung des Naturgebildes komme diesem auch besondere Bedeutung als gestaltendes Element des Landschaftsbildes zu. Da die Vogelart des Bienenfressers nur einer der Gründe für die Unterschutzstellung des Areals als Naturdenkmal gewesen sei, gehe der Antrag an den gesetzlichen Voraussetzungen vorbei. Die beschwerdeführende Gesellschaft habe somit nicht dargelegt, dass sich eine wesentliche Änderung der Eigenschaften im Sinne des § 12 Abs. 8 NÖ NatschG eingestellt hätte.
Die Beschwerde vertritt demgegenüber die Auffassung, die belangte Behörde habe sich mit den vorgelegten Privatgutachten nicht ausreichend auseinander gesetzt. Auf Grund dieser Gutachten sei davon auszugehen, dass sich die Situation, die seinerzeit zur Naturdenkmalerklärung geführt habe, so wesentlich geändert habe, dass das Naturdenkmal zu widerrufen sei. So sei eine nachhaltige Bruttätigkeit des Bienenfressers in dem streitgegenständlichen Areal nicht nachweisbar bzw. ein Deponiebetrieb mit einem Bienenfresservorkommen zu vereinbaren.
Mit diesem Vorbringen übersieht die beschwerdeführende Gesellschaft allerdings, dass sie im Verwaltungsverfahren nicht dargetan hat, dass nach § 12 Abs. 8 NÖ NatSchG eine wesentliche Änderung der Eigenschaften, die zur Erklärung zum Naturdenkmal geführt haben, vorliegt. Mit dem auf das von ihr eingeholte Privatgutachten gegründeten Vorbringen, dass auch ein Deponiebetrieb die Brutvoraussetzungen für den Bienenfresser nicht beeinträchtige, wird nämlich keine wesentliche Änderung des Sachverhaltes, der zur Unterschutzstellung geführt hat, aufgezeigt. Damit wird vielmehr - wenngleich verspätet - die Unterschutzstellung als solche angegriffen. Es kann daher nicht als rechtswidrig erkannt werden, wenn die belangte Behörde die Auffassung vertreten hat, die beschwerdeführende Gesellschaft habe nichts vorgebracht, was unter dem Begriff der wesentlichen Änderung im Sinne des § 12 Abs. 8 leg. cit. subsumiert werden könnte.
Die vorliegende Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Kostenersatzverordnung 2003.
Wien, am 12. September 2005
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2005:2002100016.X00Im RIS seit
04.11.2005Zuletzt aktualisiert am
19.07.2009