Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Jensik, Dr.Zehetner, Dr.Klinger und Dr.Kodek als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Margarethe P***, Hausfrau, Seefeld, Klosterwald 674, vertreten durch Dr.Albert Heiss, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Dieter P***, Angestellter, Seefeld, Klosterwald 674, vertreten durch Dr.Christoph Rittler, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Ehescheidung, infolge Revision der klagenden Partei gegen des Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 12. März 1987, GZ. 2 R 15/87-23, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 21.Oktober 1986, GZ. 11 Cg 425/85-17, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung
1.) den
B e s c h l u ß
gefaßt:
Spruch
Der Antrag der klagenden Partei, das Revisionsverfahren bis zur rechtskräftigen Beendigung des zwischen den Streitteilen beim Erstgericht anhängigen Verfahrens über die Wiederaufnahmsklage der klagenden Partei zu unterbrechen, wird abgewiesen.
2.) zu Recht erkannt:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 3.397,50 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 308,85 an Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die am 20.Dezember 1941 geborene Klägerin und der am 16. Oktober 1944 geborene Beklagte haben am 3.August 1968 miteinander die beiderseits erste Ehe geschlossen, welcher der am 13.August 1969 geborene Günther und der am 27.Jänner 1972 geborene Frank entstammen. Mit der am 10.Oktober 1985 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrte die Klägerin die Scheidung der Ehe aus dem Alleinverschulden des Beklagten gemäß § 49 EheG. Sie brachte im wesentlichen vor, daß sich der Beklagte ihr und den Kindern gegenüber schon seit Jahren interesse- und lieblos verhalte und einer Verletzung der Unterhaltspflicht schuldig mache. Der Beklagte gestand die unheilbare Zerrüttung der Ehe zu, bestritt das Klagevorbringen im übrigen und beantragte den Ausspruch einer überwiegenden Mitschuld der Klägerin. Diese verweigere schon seit Jahren grundlos den ehelichen Verkehr und habe im Jahre 1984 ein Eheanbahnungsinstitut mit der Partnersuche beauftragt. Sie habe weder für seine berufliche Situation noch für seine Hobbies Interesse gezeigt, seine Autorität den Kindern gegenüber untergraben, Mitte 1985 in ungewohnter Weise sehr hohe Beträge vom Konto des Beklagten abgehoben, ihm teilweise kein Essen gekocht und sein Zimmer nicht mehr aufgeräumt, immer dann den gemeinsamen PKW benützt, wenn sie vermutet habe, daß er wegfahren wolle, und im Bekanntenkreis fälschlich herumerzählt, daß er ein Verhältnis mit einer anderen Frau habe und Vaterfreuden entgegensehe. Das Erstgericht schied die Ehe der Streitteile aus dem überwiegenden Verschulden des Beklagten. Es stellte im wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:
Der Beklagte hatte immer schon ein sehr großes Interesse an sportlichen Aktivitäten, insbesondere am Schifahren. Obwohl die Klägerin Mitglied im selben Schiverein wie der Beklagte war, interessierte sie sich nicht für die sportlichen Interessen und Aktivitäten ihres Mannes.
Bereits nach 3 bis 4 Ehejahren kam es zu Spannungen zwischen den Streitteilen, die ihre Hauptursache in der Höhe des Wirtschaftsgeldes hatten, das der Beklagte der Klägerin zur Verfügung stellte. Die Klägerin erachtete die finanziellen Mittel als nicht ausreichend und beklagte sich sehr oft bei ihren Kindern, daß sie nur S 1.000,-- bis S 2.000,-- monatlich an Wirtschaftsgeld bekomme. Wenn die Klägerin sich deshalb an den Beklagten wendete, reagierte dieser unwirsch und machte die Bemerkung "schon wieder". So stellte der Beklagte der Klägerin bei einem monatlichen Nettoeinkommen von rund S 25.000,-- im August 1985 S 5.400,--, im September 1985 S 6.000,--, im Oktober 1985 S 1.000,--, im November 1985 S 2.000,--, im Dezember 1985 S 7.500,-- und erst ab Jänner 1986 S 9.000,-- zur Verfügung. Der Beklagte achtete sehr genau darauf, daß die Kinder beim Essen nicht zuviel Wurst auf ihre Brote legten. Er genehmigte maximal zwei Scheiben Wurst je Brot. Der Beklagte kümmerte sich - insbesondere in den letzten Jahren - nur wenig um die Erziehung und den Unterhalt der Kinder. Wohl unterstützte er die Kinder ab und zu finanziell bei der Anschaffung von Sportbekleidung, nicht aber bei der Anschaffung von Schulsachen. Die Kinder hatten überhaupt nur wenig Kontakt zum Beklagten, weshalb sie sich bei Problemen schulischer Art stets an die Klägerin wendeten. Der Beklagte hat die Kinder auch oft zusammengeschrien. Allerdings nahm er sie im Winter 1985/86 vier- bis fünfmal zum Schifahren mit und besuchte mit ihnen öfters Fußballveranstaltungen. In der Regel ging er aber an den Wochenenden allein zum Schifahren oder Langlaufen und kümmerte sich nicht um die Familie. Die Söhne Günther und Frank wurden von ihm öfter geschlagen, Günther einmal mit einem Gürtel. Dem Sohn Günther versetzte der Beklagte einmal auch einen derartigen Schlag, daß dieser gegen einen Türstock fiel und benommen war.
Der Beklagte zeigte sich gegenüber seiner Familie interesselos. Bei den Auseinandersetzungen mit der Klägerin trat er als der aggressivere Teil auf, der meistens mit den Streitigkeiten begonnen hat. Des öfteren bezeichnete er die Klägerin als Egoistin und hielt ihr vor, daß er fast nie etwas zu essen bekomme.
In den letzten Jahren kam es häufig vor, daß der Beklagte an Wochenenden weggeblieben ist, ohne seiner Familie vorher mitzuteilen, wo er sich befinde. In letzter Zeit kam es vor, daß der Beklagte betrunken nach Hause kam. In diesem Zustand begann er regelmäßig mit der Klägerin eine Auseinandersetzung. Der Umstand, daß die Klägerin dem Beklagten kein Frühstück richtet, ist auf deren gesundheitlichen Zustand (Kreislaufprobleme) zurückzuführen. Davon abgesehen versorgte die Klägerin den Haushalt ordentlich.
Ein Teil der Streitigkeiten wurde auch von der Klägerin begonnen. Unter anderem hat sie den Beklagten als Geizkragen beschimpft. Vor rund 3 oder 4 Jahren begab sich die Klägerin zum Eheanbahnungsinstitut "Patricia" und beauftragte dieses mit einer Partnervermittlung. Es kann nicht festgestellt werden, ob die Klägerin damals gegenüber dem Institut angegeben habe, daß sie getrennt lebe und eine Eigentumswohnung besitze. Die Klägerin suchte jedenfalls einen Partner, weil sie jemanden zum Reden finden wollte. Seit rund 4 Jahren verweigert die Klägerin den ehelichen Verkehr, weil sie von einer Lueserkrankung ihrer Schwiegermutter erfahren hatte. Da sie glaubte, daß auch der Beklagte infiziert sein könnte, ersuchte sie diesen, sich untersuchen zu lassen. Der Beklagte suchte daraufhin einen Arzt auf und teilte der Klägerin dann mit, daß die Untersuchung ein negatives Ergebnis erbracht hätte. Ein Attest über das Untersuchungsergebnis zeigte der Beklagte der Klägerin nicht. Ein weiterer Grund für die Verweigerung des ehelichen Verkehrs war auch der Umstand, daß sich der Beklagte nicht entsprechend um die Klägerin bemüht hat.
Im Frühsommer 1985, als sich der Beklagte in Hamburg befand, hat die Klägerin S 18.000,-- vom Gehaltskonto des Beklagten abgehoben. Dieses Geld verbrauchte sie für den Haushalt und eine Fahrt mit den Kindern in die Steiermark. Diese Kontoabhebung erfolgte ohne Wissen des Beklagten aus Zorn darüber, daß er Beklagte - wie die Klägerin meinte, alles für sich verbraucht und sie finanziell schlecht stellt. Bereits im Mai 1985 hatte die Klägerin S 12.000,-- für die Bezahlung von Internatskosten für das Kind Günther abgehoben. Aufgrund dieser Umstände widerrief der Beklagte die Zeichnungsberechtigung der Klägerin für sein Gehaltskonto. Zweimal kam es vor, daß die Klägerin, obwohl sie wußte, daß der Beklagte zur selben Zeit zur Schützengilde mußte, mit dem gemeinsamen PKW weggefahren ist.
Zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt hatte die Klägerin in einem Innsbrucker Cafehaus ein Gespräch von Arbeitskollegen des Beklagten mitverfolgt, wonach ein Herr Prantl von einer Arbeitskollegin ein Kind erwarte. Ohne Anhaltspunkte dafür zu haben, daß dieses Gerücht stimme, glaubte die Klägerin an die Richtigkeit dieses Gespräches und erzählte es einer gemeinsamen Bekannten weiter. Später hielt sie auch dem Beklagten vor, daß dieser ein Verhältnis mit einer anderen Frau gehabt habe und diese Frau ein Kind von ihm bekäme.
Einmal hat die Klägerin einen Fernseher vom Zimmer des Beklagten in das Wohnzimmer gestellt, weil das dortige Gerät beschädigt war und die Klägerin im Wohnzimmer fernsehen wollte.
Diesen Sachverhalt unterzog das Erstgericht nachstehender rechtlichen Beurteilung:
Beide Streitteile hätten sich Eheverfehlungen zuschulden kommen lassen, die zu einer unheilbaren Zerrüttung der Ehe geführt hätten. Das eigenmächtige Abheben von Spareinlagen, die kleinliche Behandlung von Wirtschaftsfragen, die grobe Vernachlässigung der Pflege und Erziehung der Kinder, das überwiegende Alleinlassen des anderen Ehegatten, auch in der Freizeit, der Umstand, daß mit dem Ehepartner keine Fühlung gesucht und nur den eigenen Interessen gelebt wird, die grundlose Beschuldigung ehewidriger Beziehungen, häufige bis in die Morgenstunden dauernde Gasthausbesuche, häufiges beharrliches Schweigen, die Unterlassung des ernstlichen Versuches, das im § 91 ABGB verlangte Einvernehmen herzustellen, sowie Verstöße gegen die Pflicht zur anständigen Begegnung wie Grüßen, Ansprache, Respektieren beiderseitiger Rechte seien als schwere Eheverfehlungen im Sinne des § 49 EheG zu werten. Zur Verweigerung des ehelichen Verkehrs durch die Klägerin sei anzuführen, daß nur eine beharrliche grundlose derartige Verweigerung eine schwere Eheverfehlung darstelle. Im gegenständlichen Fall sei zu beachten, daß ein Grund für die Verweigerung der Umstand war, daß die Mutter des Beklagten an Lues erkrankt war. Da sich der Beklagte zwar untersuchen ließ, der Klägerin aber kein Attest über das Ergebnis dieser Untersuchung vorlegte, sei die Abneigung der Klägerin verständlich. Schon deshalb könne von einer grundlosen Verweigerung des ehelichen Verkehrs nicht gesprochen werden. Das Aufsuchen des Partnerinstitutes "Patricia" durch die Klägerin sei als Reaktionshandlung auf das ehewidrige Verhalten des Beklagten zu beurteilen und daher keine schuldhafte Eheverfehlung. Da der Beklagte sich an den Wochenenden in der Regel nicht um die Familie kümmerte und weder um die Erziehung der Kinder sorgte noch am Familienleben teilnahm, liege ein unmittelbarer zeitlicher Zusammenhang zwischen seinen Eheverfehlungen und der Reaktionshandlung der Klägerin vor.
Bei der Beurteilung des gesamten Verhaltens der Ehegatten in seinem Zusammenhang sei zu berücksichtigen, daß zwar die Klägerin ebenfalls Handlungen begangen habe, die, für sich allein betrachtet, als schwere Eheverfehlungen zu bezeichnen seien, so insbesondere die grundlose Beschuldigung ehewidriger Beziehungen oder das eigenmächtige Abheben von Spareinlagen vom gemeinsamen Konto. Dieses Verhalten der Klägerin habe jedoch erst eingesetzt, als die Ehe durch Verfehlungen des Beklagten bereits weitgehend zerrüttet war. Der Beklagte sei es gewesen, der durch seine Abwendung von der Klägerin und den Kindern und durch die "fast extreme Ausübung" seiner Freizeitinteressen mit der schuldhaften Zerrüttung der Ehe den Anfang gemacht habe. Diese Verfehlungen des Beklagten hätten das folgende ehewidrige Verhalten der Klägerin ausgelöst. Die Verfehlungen des Beklagten seien daher für die Entwicklung der Ehe wesentlich bedeutender gewesen als die Eheverfehlungen der Klägerin, weshalb die dieser anzulastenden schweren Verfehlungen dem Ausspruch eines überwiegenden Verschuldens des Beklagten nicht entgegenstünden. Wie bereits oben dargelegt, sei die Verweigerung des ehelichen Verkehrs durch die Klägerin nicht völlig grundlos erfolgt; das Aufsuchen des Eheanbahnungsinstitutes sei als übertriebene Reaktionshandlung anzusehen.
Das Berufungsgericht gab der den Ausspruch der überwiegenden Mitschuld der Klägerin anstrebenden Berufung des Beklagten teilweise Folge, schied die Ehe der Streitteile aus dem Verschulden des Beklagten und sprach aus, daß die Klägerin eine Mitschuld treffe. Es übernahm die erstrichterlichen Feststellungen als Ergebnis eines mängelfreien Verfahrens sowie einer unbedenklichen Beweiswürdigung und führte zur Rechtsrüge des Beklagten aus:
Nach ständiger Rechtsprechung sei der Ausspruch einer überwiegenden Mitschuld eines Ehegatten an der Zerrüttung der Ehe nur dann gerechtfertigt, wenn die Schuld des einen Teils erheblich überwiege und die des anderen fast völlig in den Hintergrund trete. Der Unterschied der Verschuldensanteile müsse augenscheinlich sein und offenkundig hervortreten, um den Ausspruch einer überwiegenden Mitschuld zu rechtfertigen. Wenn auch dem Beklagten eine Reihe schwerer Eheverfehlungen anzulasten sei, so könne doch nicht gesagt werden, daß diese gegenüber den Eheverfehlungen der Klägerin erheblich überwiegen und jene der Klägerin dabei fast völlig in den Hintergrund treten. Der Klägerin seien folgende Eheverfehlungen anzulasten:
a) Sie verweigere seit rund 4 Jahren dem Beklagten grundlos den ehelichen Verkehr. Abgesehen davon, daß nicht erkennbar sei, aus welchen Gründen eine Luesinfektion der Mutter des Beklagten diesen infiziert haben solle, habe sich der Beklagte über Wunsch der Klägerin ja ärztlich untersuchen lassen und dieser das negative Untersuchungsergebnis auch mitgeteilt. Für die Klägerin habe daher kein Anlaß bestanden, dem Beklagten den Verkehr zu verweigern.
b) Die Klägerin habe ebenfalls teilweise Streitigkeiten begonnen und dabei den Beklagten beschimpft.
c) Sie habe im Frühjahr 1985 vom Gehaltskonto des Beklagten
S 12.000,-- und S 18.000,-- ohne Wissen des Beklagten "aus Zorn" abgehoben.
d) Vor 3 oder 4 Jahren habe die Klägerin dem Eheanbahnungsinstitut "Patricia" den Auftrag zu einer Ehepartnervermittlung erteilt.
e) Die Klägerin habe ungeprüft ein Cafehausgespräch weitergegeben und dem Beklagten unberechtigt vorgeworfen, ein Verhältnis mit einer anderen Frau zu haben und von dieser ein Kind zu bekommen.
f) Die Klägerin habe zweimal den gemeinsamen PKW benützt, obwohl sie wußte, daß der Beklagte, der unterschenkelamputiert ist, eine Versammlung der Schützengilde besuchen sollte.
Diese Eheverfehlungen der Klägerin könnten auch nicht als Reaktionshandlungen angesehen werden und träten gegenüber den Eheverfehlungen des Beklagten (zu wenig Interesse an seiner Familie, Geiz gegenüber den Kindern, häufiges Wegbleiben an den Wochenenden, spätes Nach-Hause-Kommen, häufig in betrunkenem Zustand, Züchtigung der Kinder, überwiegendes Vom-Zaun-Brechen von Streitigkeiten mit der Klägerin und Beschimpfungen der Klägerin) nicht so in den Hintergrund, daß die Feststellung einer überwiegenden Mitschuld des Beklagten gerechtfertigt wäre. Es könne aber auch nicht davon ausgegangen werden, daß die schweren Eheverfehlungen des Beklagten gegenüber jenen der Klägerin in den Hintergrund träten, weshalb von einem annähernd gleichteiligen Verschulden an der Zerrüttung der Ehe auszugehen sei.
Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die auf den Revisionsgrund des § 503 Abs 1 Z 4 ZPO gestützte Revision der Klägerin mit dem Antrag auf Wiederherstellung des Ersturteils. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Zugleich beantragt die Klägerin die Unterbrechung des Revisionsverfahrens, weil sie inzwischen beim Erstgericht eine Wiederaufnahmsklage eingebracht habe. Sie habe nämlich von einer Bekannten erfahren, daß der Beklagte seit mehr als einem halben Jahr ein ehewidriges Verhältnis zu Hildegund G*** unterhalte.
Der Beklagte beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Der Unterbrechungsantrag der Klägerin war abzuweisen, weil eine Unterbrechung des Revisionsverfahrens gemäß § 545 ZPO nur von dem Gericht, bei welchem die Wiederaufnahmsklage angebracht wurde, angeordnet werden könnte und einer Unterbrechung des Revisionsverfahrens gemäß § 190 ZPO durch den Obersten Gerichtshof selbst schon der Umstand entgegensteht, daß die Wiederaufnahmsklage im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Intanz im gegenständlichen Prozeß noch nicht anhängig war (Fasching, Kommentar II 917 und IV 561; SZ 47/100, 1 Ob 521/81 ua).
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Gegenstand des Revisionsverfahrens ist ausschließlich die Frage, ob der von den Vorinstanzen festgestellte Sachverhalt den Ausspruch rechtfertigt, daß die Schuld des Beklagten überwiegt. Ein solcher Ausspruch setzt - wie das Berufungsgericht zutreffend hervorgehoben hat - nach ständiger Rechtsprechung (EFSlg 48.832 ff ua) voraus, daß bei Beurteilung des gesamten Verhaltens beider Ehegatten (EFSlg 48.816 f) die Schuld des einen erheblich schwerer ist und die Schuld des anderen fast völlig in den Hintergrund tritt; der Unterschied muß offenkundig, augenscheinlich hervortreten; es muß sich um einen sehr erheblichen graduellen Unterschied handeln. Der Gesetzgeber hat dem Richter nicht die Pflicht auferlegt, hinsichtlich des Verschuldensausmaßes subtile Abwägungen vorzunehmen; nur das erheblich schwerere Verschulden eines Teiles soll im Scheidungsurteil zum Ausdruck kommen. Diese Voraussetzung ist hier, wie dem Berufungsgericht beizupflichten ist, nicht gegeben, selbst wenn man nicht außer acht läßt, daß vor allem zu berücksichtigen ist, wer mit der schuldhaften Zerrüttung der Ehe den Anfang machte und wie weit spätere Eheverfehlungen des einen Gatten die Folge der bereits durch das Verschulden des anderen eingeleiteten Zerrüttung der Ehe waren (EFSlg 48.820 ua). Was die seit ungefähr 4 Jahren andauernde Verweigerung des ehelichen Verkehrs durch die Klägerin betrifft, so weist das Berufungsgericht zutreffend darauf hin, daß - abgesehen davon, daß nicht erkennbar ist, aus welchen Gründen eine Luesinfektion der Mutter des Beklagten diesen infiziert haben sollte - der Beklagte sich ohnehin über Wunsch der Klägerin ärztlich untersuchen ließ und dieser das negative Untersuchungsergebnis mitteilte. Wenn das Erstgericht auch als weiteren Grund für die Verweigerung des ehelichen Verkehrs den Umstand feststellte, daß sich der Beklagte nicht entsprechend um die Klägerin bemühte, so geht aus dem festgestellten Gesamtverhalten der Streitteile doch hervor, daß auch die Klägerin nicht gebührend um die Aufrechterhaltung bzw. Wiederherstellung der ehelichen Beziehungen bemüht war. Daß die von der Klägerin begonnenen Streitigkeiten gegenüber den vom Beklagten herbeigeführten Streitigkeiten fast völlig in den Hintergrund getreten wären, ist den Feststellungen nicht zu entnehmen. Die im Frühsommer 1985 von der Klägerin aus Zorn darüber, daß der Beklagte - wie die Klägerin meinte - alles für sich verbrauche und sie finanziell schlechter stelle, ohne Wissen des Beklagten getätigten größeren Abhebungen von dessen Gehaltskonto wurden von den Vorinstanzen mit Recht als schwere Eheverfehlung gewertet. Die Vorgangsweise der Klägerin wird durch das Verhalten des Beklagten, der von der Klägerin über die getätigten Ausgaben genaue Rechenschaft verlangte, nicht entschuldigt. Daß die Klägerin vor 3 oder 4 Jahren das Eheanbahnungsinstitut "Patricia" mit einer Partnervermittlung betraut hat, geht über eine zulässige Reaktion auf die Vernachlässigung durch den Beklagten hinaus. Auch der Umstand, daß die Klägerin das Gerücht, der Beklagte erwarte von einer Arbeitskollegin ein Kind, ohne Anhaltspunkte für dessen Richtigkeit zu haben, einer gemeinsamen Bekannten weitererzählte, läßt sich nicht entschuldigen. Das in diesem Zusammenhang erstattete Revisionsvorbringen, die Klägerin habe nunmehr von einer Bekannten erfahren, daß der Beklagte seit mehr als einem halben Jahr ein ehewidriges Verhältnis zu Hildegund G*** unterhalte, muß in diesem Verfahren als Neuerung unbeachtet bleiben. Daß die Klägerin zweimal den gemeinsamen PKW benützte, obwohl sie wußte, daß der unterschenkelamputierte Beklagte eine Versammlung der Schützengilde besuchen sollte, kann gleichfalls nicht damit abgetan werden, daß auch der Beklagte wiederholt diesen PKW in Kenntnis dessen benützte, daß ihn die Klägerin benötigen würde.
Da die Klägerin somit eine Reihe von schweren Eheverfehlungen gesetzt hat, die durchaus nicht alle erst dann einsetzten, als die Ehe bereits durch das Verhalten des Beklagten weitgehend zerrüttet war - noch im Sommer 1985 kam es nach der Parteiaussage der Klägerin (AS 104) zu einem Gespräch zwischen den Streitteilen, in dessen Verlauf der Beklagte Besserung versprach, die allerdings nicht lange andauerte (vgl. auch die Zeugenaussage des Stiefsohns des Beklagten Werner vom 10.April 1986, AS 59, der von einer vor 2 1/2 Jahren stattgefundenen Aussprache aller Familienmitglieder berichtet, die zu einer allerdings nur vorübergehenden Besserung der Verhältnisse führte) -, kann nicht gesagt werden, diese Eheverfehlungen träten gegenüber den dem Beklagten anzulastenden schweren Eheverfehlungen fast völlig in den Hintergrund. In der Ablehnung des Ausspruches eines Überwiegens des Verschuldens des Beklagten durch das Berufungsgericht ist daher eine rechtliche Fehlbeurteilung nicht zu erblicken.
Der Revision war demnach ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
Anmerkung
E12079European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1987:0050OB00565.87.0922.000Dokumentnummer
JJT_19870922_OGH0002_0050OB00565_8700000_000