TE OGH 1987/9/22 5Ob574/87

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Veröffentlicht am 22.09.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Jensik, Dr. Zehetner, Dr. Klinger und Dr. Kodek als Richter in der Eheangelegenheit der geschiedenen Eheleute Ägyd M***, Forstarbeiter, Windhof 106, 8102 Semriach, vertreten durch Dr. Leo Kaltenbäck, Dr. Hanspeter Pausch und Dr. Elisabeth Simma, Rechtsanwälte in Graz, und Katharina M***, Stubenmädchen, Windhof 61, 8102 Semriach, vertreten durch Dr. Gottfried Eisenberger und Dr. Jörg Herzog, Rechtsanwälte in Graz, wegen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens, infolge Revisionsrekurses der Katharina M*** gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgerichtes vom 26. Juni 1987, GZ 2 R 215/87-40, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 5. Mai 1987, GZ 31 F 24/86-33, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Text

Begründung:

Die am 20. November 1939 geborene Frau und der am 11. August 1932 geborene Mann sind österreichische Staatsbürger. Sie haben am 20. September 1958 die Ehe geschlossen. Das Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz hat diese Ehe mit dem seit dem 27. Jänner 1986 rechtskräftigen Urteil vom 19. Dezember 1985 mit dem Ausspruch geschieden, daß das Verschulden den Mann trifft. Die Kinder Josef M***, geboren am 10. Jänner 1959, und Kurt M***, geboren am 26. Jänner 1962, erhalten sich selbst. Die geschiedenen Eheleute sind je Hälfteeigentümer der Liegenschaft EZ 376 KG Windhof mit dem von ihnen errichteten Einfamilienhaus. Im Scheidungsprozeß verzichteten die Eheleute wechselseitig auf jeden Unterhalt. Sie konnten sich aber über die Aufteilung des Gebrauchsvermögens nicht einigen.

Am 24. März 1986 beantragte der Mann, ihm gegen Entrichtung einer Ausgleichszahlung den Hälfteanteil der Frau an der gemeinschaftlichen Liegenschaft in sein Eigentum zu übertragen, weil die Frau ausgezogen sei und er das Haus allein benütze. Die Frau trat diesem Antrag entgegen und erklärte sich bereit, den Hälfteanteil des Mannes zu übernehmen und eine Ausgleichszahlung zu entrichten. Der Mann sei an der Scheidung schuldig. Ihm falle es leichter, eine andere Unterkunft zu finden.

Das Erstgericht verfügte, daß der Hälfteanteil der Frau an der gemeinschaftlichen Liegenschaft EZ 376 KG Windhof dem Mann gegen Leistung einer Ausgleichszahlung von S 275.220,-- übertragen werde, verhielt die Frau zur Einwilligung in die Einverleibung des Eigentums des Mannes an der in ihrem Eigentum stehenden Liegenschaftshälfte und den Mann zur Zahlung von S 275.220,-- an die Frau und setzte jeweils eine Frist von zwei Monaten. Das Rekursgericht bestätigte und erklärte in seiner Entscheidung den Rekurs an den Obersten Gerichtshof für zulässig.

Die Vorinstanzen gingen von folgenden Feststellungen aus:

Am 7. Dezember 1970 kauften die Eheleute das Grundstück 140/9 um S 5.000,-- von Angehörigen des Mannes mit Anrechnung auf seinen Erbteil. Bis 1970 war die Frau im Haushalt tätig. Seither arbeitete sie als Aufräumerin und bezog ein Arbeitseinkommen von zuletzt rund S 6.000,-- monatlich. Der Mann arbeitete stets als Forstarbeiter. Sein Einkommen beträgt zuletzt S 10.000,-- im Monat. Im Jahr 1972 begannen die Eheleute mit der Errichtung eines Eigenheimes auf dem gekauften Grundstück. Der Mann wendete an Material- und Arbeitskosten etwa S 600.000,-- auf und leistete die Hauptarbeit. Die Frau trug mit ihrem Einkommen zum Weiterbau bei, sie bezahlte S 40.000,-- für die Stromanschlußkosten, bereitete die Jause für die Arbeiter und half selbst mit. Auch die Kinder verrichteten Arbeiten beim Bau. Die Lebenshaltungskosten trugen die Eheleute gemeinsam.

Die Liegenschaft mit dem Einfamilienhaus ist S 550.440,-- wert. Die Frau zog Ende 1983 aus dem Haus aus. Sie nächtigte noch vor der Scheidung beim Landwirt Vinzenz K*** und lebt mit ihm seit Ende 1985 in Lebensgemeinschaft. Sie führt auf seinem Hof den gemeinsamen Haushalt und verrichtet alle in Haus und Hof anfallenden Arbeiten. Das Erstgericht meinte, es sei zweckmäßiger, das Einfamilienhaus dem Mann zu überlassen, weil er zur Schaffung dieses Vermögens mehr beigetragen habe als die Frau, selbst wenn die Führung des Haushaltes und die Erziehung der Kinder und der finanzielle Beitrag der Frau berücksichtigt werden. So habe für den Kauf des Grundstücks wegen der Berücksichtigung der Erbteilsansprüche des Mannes nur ein geringer Preis bezahlt werden müssen. Die Frau lebe bei einem anderen Mann, sie kümmere sich um den Haushalt, bereite Mahlzeiten und betreue auch dessen Landwirtschaft. Sie sei daher gegen angemessene Ausgleichszahlung zur Übertragung ihres Anteilseigentums an den Mann zu verpflichten.

Das Rekursgericht hielt den Rekurs der Frau, die in erster Linie einen Aufhebungsantrag und nur hilfsweise einen Abänderungsantrag dahin gestellt hatte, daß ihr die gemeinsame Liegenschaft gegen die Ausgleichszahlung von S 275.220,-- zugesprochen werde, für unbegründet. Es ergänzte die Feststellungen des Erstgerichtes aus den Scheidungsakten, meinte, daß für die nach Billigkeit zu treffende Entscheidung weder die Höhe des finanziellen Aufwandes des Mannes noch des in Geld zur Verfügung gestellten Beitrages der Frau maßgebend sei und hatte keine Bedenken gegen die weiteren Feststellungen des Erstgerichtes. In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Rekursgericht aus, die Eheleute hätten in den letzten fünfzehn Jahren ihrer Ehe durch Berufstätigkeit Geldeinkommen erzielt und seien so in der Lage gewesen, das gemeinsame Heim zu schaffen. Vorher sei die Frau durch die Pflege und Erziehung der gemeinsamen Kinder von einer Berufsausübung abgehalten gewesen. Auch wenn der Mann beim Hausbau mehr gearbeitet habe und sein Einkommen etwas höher war als das der Frau, stehe der Beitrag der Frau, die neben ihrer Berufsausübung den Haushalt führte und die Kinder betreute, dem des Mannes an Gewicht gleich. Das Ziel der Aufteilung, daß sich die Lebensbereiche der geschiedenen Eheleute in Zukunft möglichst wenig berühren, lasse sich nur dadurch erreichen, daß einem der Miteigentümer der Liegenschaft das Alleineigentum gegen Ausgleichszahlung verschafft werde.

Das Verschulden an der Scheidung sei zwar nicht ganz ohne Belang. Wesentlich seien die Umstände, die zur Auflösung der Ehe führten, wenn sie für die vermögensrechtliche Entwicklung während der Ehe bedeutsam waren. Die Aufteilung sollte nicht zu einem Instrument der Bestrafung für ehewidriges oder der Belohnung für ehegerechtes Verhalten werden. Im Prozeß um die Scheidung habe der Mann seine Widerklage zurückgezogen und den auf liebloses und interesseloses Verhalten eingeschränkten Vorwurf der Frau zugestanden. Der Aufteilungswunsch des an der Auflösung der Ehe schuldlosen Teiles solle zwar Anerkennung finden, wenn nicht schwerwiegende Gründe eine andere Regelung erfordern, doch habe die Frau schon eine andere Wohnmöglichkeit, die sich der Mann erst beschaffen müßte. Sie sei daher auf die Benützung des Hauses weniger angewiesen als der Mann und habe auch nicht dargetan, wie sie ohne Ersparnisse mit einem Arbeitseinkommen von nur rund S 6.000,-- die zur Ausgleichszahlung erforderlichen Geldmittel aufbringen könnte. Gegen den bestätigenden Beschluß des Rekursgerichtes über die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens richtet sich der zugelassene Revisionsrekurs der Frau, der nach § 232 Abs. 2 AußStrG nur darauf gegründet werden kann, daß die Entscheidung des Rekursgerichtes auf einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung der Sache beruht. Die Revisionsrekurswerberin strebt die Abänderung der Entscheidungen der Vorinstanzen dahin an, daß ihr das Wahlrecht eingeräumt werde, entweder die Hälfte des Mannes gegen die Ausgleichszahlung von S 275.220,-- zu erwerben oder ihre Hälfte dem Mann gegen Zahlung von S 275.220,-- zu übertragen, damit entweder sie oder der Mann Alleineigentümer der gemeinschaftlichen Liegenschaft werde. Dieses Wahlrecht stehe ihr zu, weil die Ehe aus Verschulden des Mannes geschieden worden sei. Ihr fiele eine Wohnversorgung, weil sie nur ein Untermietzimmer benütze, schwerer als der Mann eine Ersatzunterkunft beschaffen könnte. Sie sei auch in der Lage, den Geldbetrag von S 275.220,-- zu bezahlen. Der Mann beantragt, dem Revisionsrekurs der Frau nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Das Rechtsmittel der Frau ist nicht berechtigt.

In diesem Verfahrensabschnitt besteht Übereinstimmung darin, daß der Aufteilung nur die gemeinschaftliche Liegenschaft mit dem früher als Ehewohnung benützten Einfamilienhaus zu unterwerfen ist und daß ein Teil den Hälfteanteil des anderen dazu erhalten und S 275.220,-- zum Ausgleich zahlen soll. Hatten bisher beide Teile einen Übertragungsanspruch behauptet, so strebt die Frau nun im Revisionsrekurs ausdrücklich das Wahlrecht an, ohne schon davon Gebrauch zu machen. Sie deutet nicht einmal an, warum sie sich nicht schon jetzt entscheiden kann, oder von welchen Umständen die Ausübung der Wahl abhängig sei. Schon dies läuft der erkennbaren Zielsetzung zuwider, die nacheheliche Vermögensaufteilung nicht aufzuschieben (vgl. § 95 EheG) und durch die dann zulässige Übertragung von Eigentum an unbeweglichen körperlichen Sachen von einem auf den anderen Ehegatten, wenn anders eine billige Regelung nicht zu erzielen ist, alsbald klare Rechtsverhältnisse zu schaffen, damit sich die Lebensbereiche der Ehegatten künftig möglichst wenig berühren (vgl. § 84 EheG). Mit der Entscheidung vom 16. Jänner 1986 zu 7 Ob 695/85 hat der Oberste Gerichtshof wohl in Abänderung der Entscheidungen der Vorinstanzen einer Frau ein Wahlrecht auf die ehemalige Ehewohnung eingeräumt, doch ging es dort darum, daß die Frau die Eigentumswohnung des Mannes bewohnte, der schon eine andere Wohnmöglichkeit in einem Untermietzimmer hatte, daß aber die Zuteilung der Wohnung an die Frau an der Unsicherheit scheiterte, ob sie die Ausgleichszahlung von S 300.000,-- aufbringen könne. Es sollte ihr in einer festgesetzten Frist Gelegenheit geboten werden, die Geldmittel zu beschaffen, oder aber hinzunehmen, daß sie gegen eine Ausgleichszahlung weichen muß.

Das von der Revisionsrekurswerberin in den Vordergrund gestellte Verschulden des Mannes an der Ehescheidung, von dem wegen des Ausspruches nach § 60 Abs. 1 EheG im rechtskräftigen Scheidungsurteil auszugehen ist, kann bei der Entscheidung, welchem Teil die Liegenschaftshälfte des anderen gegen Ausgleichszahlung zu übertragen ist, nicht allein maßgebend sein. Die Rechtsprechung ist von der Ansicht, weil das Gesetz das Verschulden an der Scheidung im Rahmen der Aufteilungsgrundsätze unerwähnt lasse, komme es darauf nicht an, abgerückt und in Übereinstimmung mit der Ansicht von Schwind, EheR2, 321 und Familienrecht, 118, die Aufzählung der Konkretisierungselemente der Billigkeit im § 83 Abs. 1 EheG sei nicht erschöpfend, zur Auffassung gelangt, daß im Rahmen der Billigkeitsabwägungen das Verschulden am Scheitern der Ehe nicht außer Betracht bleiben kann (so auch Gschnitzer-Faistenberger, FamR2, 55; EFSlg. 48.948; EFSlg. 46.363; EFSlg. 43.770 ua.). So können etwa die Umstände, die zur Auflösung der Ehe führten, beachtlich sein (EFSlg. 48.949). Der Schuldlose soll nicht infolge der durch das ehewidrige Verhalten des anderen Teils ausgelösten Aufteilung des Gebrauchsvermögens in unzumutbare wirtschaftliche Schwierigkeiten kommen (EFSlg. 48.952 ua.). Es ist auch zulässig, dem schuldlosen Teil gewisse Optionsmöglichkeiten einzuräumen (Schwind, FamR, 119; EFSlg. 48.953; EFSlg. 48.954 ua.). Der Aufteilungswunsch des völlig schuldlosen Teiles kann aber nur dann Berücksichtigung finden, wenn nicht Umstände des Einzelfalles eine andere Regelung billig erscheinen lassen. Auf keinen Fall soll der Schuldlose zu einer empfindlichen Einschränkung seines Lebensstandards gezwungen oder zu Leisungen verhalten werden, deren Aufbringung ihm nicht möglich oder unzumutbar ist. Der Mann hat dargetan, daß er zur unverzüglichen Leistung der Ausgleichszahlung ein Darlehen in Anspruch nehmen kann. Die Frau hat zwar behauptet, auch sie könne dem Mann den Betrag zahlen. Wie ihr dies bei einem Einkommen von S 6.000,-- aber möglich wäre, klärt sie nicht auf. Die von ihr angestrebte Lösung birgt daher die Gefahr in sich, daß die Liegenschaft mit dem gemeinsam errichteten Haus veräußert werden muß.

In der von der Revisionsrekurswerberin erwähnten Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 16. Jänner 1986 zu 7 Ob 695/85 wurde die Einräumung des Gläubigerwahlrechts auch nicht mit dem Verschulden des anderen Teiles an der Ehescheidung sondern mit dem Billigkeitsgebot begründet.

Da kein wesentlicher Unterschied besteht, ob sich die 47-jährige Frau oder der 55-jährige Mann eine andere Wohnmöglichkeit beschaffen muß und der weichende Teil jedenfalls vom anderen Geldmittel erhält, die eine Wohnungsbeschaffung erleichtern, kommt es nur darauf an, daß die Frau nach den bindenden Feststellungen zur Zeit schon eine Wohnmöglichkeit hat und nicht zu erkennen ist, wie sie den Geldbetrag von S 275.220,-- aufbringen könnte, ohne eine unzumutbare und einschneidende Einschränkung ihres Lebensbedarfes hinnehmen zu müssen. Die Billigkeit spricht daher tatsächlich dafür, dem Mann die Zahlung des Ausgleichsbetrages aufzuerlegen, weil ihm die Abstattung einer Kreditverbindlichkeit bei sparsamer Lebensweise nach seinen Einkommensverhältnissen möglich ist.

Dem Revisionsrekurs der Frau ist nicht stattzugeben. Die Kostenentscheidung beruht auf § 234 AußStrG. Die Kostenaufhebung entspricht auch hier der Billigkeit.

Anmerkung

E11801

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0050OB00574.87.0922.000

Dokumentnummer

JJT_19870922_OGH0002_0050OB00574_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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