Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Jensik, Dr. Zehetner, Dr. Klinger und Dr. Kodek als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei V***-T*** Gesellschaft mbH, 5023 Mayrwies-Esch 342, vertreten durch Dr. Michael Graff und Dr. Christian Kuhn, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Dr. Walter W***, Rechtsanwalt in 8600 Bruck/Mur, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der Dipl.Ing. R*** Baugesellschaft mbH, 5020 Salzburg, Sylvester Wagner-Straße 5, wegen Feststellung einer Masseforderung (Streitwert nach dem GGG: 1,191.375,06 S; Streitwert nach dem RATG: 350.000 S) infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 25. März 1987, GZ 2 R 43/87-12, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Kreisgerichtes Leoben vom 20. November 1986, GZ 2 f Cg 41/86-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 11.901,45 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 1.081,95 S an Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die nunmehrige Gemeinschuldnerin, eine Bauunternehmerin, erteilte der klagenden Partei als Subunternehmerin unter anderem im März 1984 zwei Aufträge zur Vornahme von Bohr- und Ankerungsarbeiten. Die klagende Partei hatte diese Aufträge erst zum Teil ausgeführt und die auftraggebende Bauunternehmerin hatte erst Akontozahlungen hiefür geleistet, als über das Vermögen der letzteren am 22. Oktober 1985 zu Sa 25/85 des Erstgerichtes das Ausgleichsverfahren und am 25. Jänner 1985 zu S 72/85 des Erstgerichtes der Anschlußkonkurs eröffnet wurde. Nach der Erklärung der Ausgleichsschuldnerin, von den beiderseits noch nicht vollständig erfüllten Verträgen gemäß § 20 b AO zurückzutreten, legte die klagende Partei am 7. November 1985 vier Rechnungen über die bis dahin durchgeführten Arbeiten; die Rechnung Nr. 1041 lautete auf 8,562.147 S einschließlich 20 % Umsatzsteuer von 1,427.024,50 S. Die klagende Partei meldete im Insolvenzverfahren (unter Berücksichtigung vor allem der erhaltenen Akontozahlungen) eine Gesamtforderung von 5,798.224,06 S an und behauptete, daß 1,191.375,06 S davon auf die von ihr der Gemeinschuldnerin für sämtliche Leistungen in Rechnung gestellte und von ihr (der klagenden Partei) auch bereits an das Finanzamt abgeführte Umsatzsteuer - eine Umsatzsteuerberichtigung im Sinne des § 16 Abs 3 UStG 1972 habe bisher nicht stattgefunden - entfielen, die im Ausgleichsverfahren eine bevorrechtete Forderung und im Konkurs eine Masseforderung darstellten. Der nunmehr beklagte Masseverwalter anerkannte die angemeldete Gesamtforderung zur Gänze als Konkursforderung und bestritt die Qualifikation der auf die Umsatzsteuer entfallenden Teilforderung von 1,191.375,06 S als Masseforderung.
Das Erstgericht wies das von der klagenden Partei erhobene Klagebegehren, die von ihr im Konkursverfahren zu S 72/85 des Erstgerichtes angemeldete Teilforderung von 1,191.375,06 S werde als Masseforderung festgestellt, aus folgenden rechtlichen Erwägungen ab:
Alleiniger Zweck der §§ 23 Abs 1 Z 2 AO und 46 Abs 1 Z 2 (in Verbindung mit Abs 2 Z 1) KO sei es, dem Staat oder den gleichgestellten Gebietskörperschaften oder Körperschaften des öffentlichen Rechts mit ihren im Gesetz genannten Ansprüchen gegenüber dem unmittelbaren Schuldner, über dessen Vermögen ein Ausgleichsverfahren oder ein Konkurs eröffnet worden sei, zum Durchbruch zu verhelfen. Zweck dieser Bestimmungen sei es nicht, sämtlichen wie immer gearteten Steuern, Abgaben und dgl., auch wenn sie Bestandteil einer anderen Leistung seien und von anderen als den vorhin genannten Personen gegenüber dem Gemeinschuldner geltend gemacht würden, ein Vorrecht einzuräumen. In Beachtung dieser Umstände sehe das Gesetz nämlich vor, daß die beispielsweise auf die Forderungen der Arbeitnehmer entfallenden öffentlichen Abgaben nach der Einordnung der Arbeitnehmerforderungen zu beurteilen seien. Wenn bereits dort, wo der Gemeinschuldner als Arbeitgeber unmittelbar Steuerschuldner sein könne, eine Unterscheidung getroffen werde, so müsse dies umso mehr gelten, wenn eine Steuerverpflichtung lediglich mittelbar als Teil einer Rechnungsforderung eines nicht bevorrechteten Gläubigers entstehe. Die darin enthaltene Steuer - wie im vorliegenden Fall die Umsatzsteuer - teile das Schicksal der zugrunde liegenden Hauptforderung.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der klagenden Partei aus nachstehenden Gründen nicht Folge:
Die klagende Partei vertrete die Auffassung, für das Entstehen der Umsatzsteuerpflicht sei die Erklärung des nunmehr beklagten Masseverwalters als damaligen Ausgleichsverwalters maßgebend, gemäß § 20 b AO von den abgeschlossenen Werkverträgen zurückzutreten; der die Steuerpflicht auslösende Sachverhalt sei daher nach Ausgleichseröffnung verwirklicht worden, womit auch die Steuerschuld erst nach diesem Zeitpunkt entstanden sei. Dem Besteller, der nunmehrigen Masse, sei die Verfügungsmacht über das Bauwerk erst mit dieser Rücktrittserklärung verschafft worden, weshalb die daraus resultierende, in der Schlußrechnung geltend gemachte Umsatzsteuerforderung als (im Ausgleich) bevorrechtete Forderung angesehen werden müsse. Dieser Argumentation könne nicht gefolgt werden. Die nunmehrige Gemeinschuldnerin sei der klagenden Partei gegenüber, wie diese selbst ausführe, als Werkbestellerin aufgetreten. Nach der Ausgleichseröffnung habe die Ausgleichsschuldnerin gemäß § 20 b Abs 1 AO - mit Zustimmung des Ausgleichsgerichtes gemäß § 20 b Abs 2 AO die Erklärung abgegeben, vom Vertrag zurückzutreten. Aufgrund dieses Rücktrittes vom Werkvertrag sei die latente Umsatzsteuerschuld nicht erst mit der "vorgesehenen" Fertigstellung des Werkes, aber auch nicht erst mit der Rücktrittserklärung der Bestellerin oder der Schlußrechnungslegung durch die mit der Werkerstellung beauftragte klagende Partei, sondern eben schon vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens verwirklicht worden. Die Rücktrittserklärung habe lediglich bewirkt, daß der Gegenstand der Lieferung nicht das vollendete Werk, sondern das "halbfertige" Werk gewesen sei. Die Gemeinschuldnerin (Werkbestellerin) schulde nunmehr den Werklohn für diese Werkleistung (Lieferung). Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuerschuld sei daher auch nur der tatsächlich erfolgte Leistungsaustausch. Die Bestellerin habe das noch vor der Ausgleichseröffnung "fertiggestellte" (unvollendete) Werk zu bezahlen; auf geleistete Akontierungen komme es nicht an. Der von der Gemeinschuldnerin zu zahlende Werklohn, soweit dieser einbringlich sei, bilde die - allenfalls gemäß § 16 UStG 1972 zu berichtigende - Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer. Deshalb sei nicht nur die Haupt(Werklohn-)Forderung Konkursforderung, sondern ebenso die Umsatzsteuerforderung. Die gegenteilige, von der klagenden Partei nach Werndl (ÖStZ 1983, 98) zitierte Entscheidung des deutschen Bundesfinanzhofs (BFH vom 13. September 1973 - V R 18/73), die eine derartige Forderung als Masseforderung qualifiziere, sei aus den eben erwähnten Gründen für den österreichischen Rechtsbereich abzulehnen, zumal diese Auffassung stillschweigend voraussetze, daß der Masseverwalter das gelieferte Werk bestellt habe. Das treffe aber im hier zu beurteilenden Fall nicht zu. Ein solcher Sachverhalt läge nur dann vor, wenn der Ausgleichsschuldner bzw. der Masseverwalter sich für die weitere Erfüllung des Werkvertrages entschlossen hätte (vgl. Werndl, Insolvenz und Umsatzsteuer, ÖStZ 1983, 99 mwN, insbesondere die dort zitierte Entscheidung des deutschen Bundesfinanzhofs BFH 24. April 1980 - V S 14/79).
Gegen das Berufungsurteil richtet sich die auf den Revisionsgrund des § 503 Abs 1 Z 4 ZPO gestützte Revision der klagenden Partei mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne der Klage abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Der beklagte Masseverwalter beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Die klagende Partei führt in ihrer Revision zusammengefaßt aus:
Bei Werkverträgen entstehe die Umsatzsteuerpflicht erst mit der Fertigstellung des Werkes und der Übertragung desselben in die Verfügungsmacht des Bestellers. Für den Fall der Nichtfertigstellung des Werkes aufgrund einer Rücktrittserklärung des Ausgleichs- oder Masseverwalters eines der Vertragspartner sei der Zeitpunkt dieser Erklärung für das Entstehen der Umsatzsteuer maßgeblich, da damit das halbfertige Werk in die Verfügungsmacht des vom Ausgleich betroffenen Vermögens oder der Masse übergehe. Soferne der Gesetzeswortlaut für die Interpretation einer Bestimmung nicht ausreiche, sei der Bedeutungszusammenhang zu betrachten und danach die Methode der subjektiven und objektiven Auslegung, also die Interpretation am Zweck der Regelung selbst, heranzuziehen. Ziel der Bestimmung des § 23 AO bzw. des § 46 KO sei es wohl, zum einen eine Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger zu erreichen und zum anderen all jene Gläubiger, deren finanzielle Ansprüche durch Rechtshandlungen des Masse- oder Ausgleichsverwalters betroffen seien, so zu stellen, wie wenn das Insolvenzverfahren nicht eröffnet worden wäre. Durch die Rechtsauffassung des Erst- und auch des Berufungsgerichtes könne eine Gleichbehandlung der Gläubiger aber nicht sichergestellt werden, weil die Steuerlast, die im Fall der Fertigstellung des Baues das gemeinschuldnerische Unternehmen oder die Masse treffen würde, vom Gläubiger eben dieses Unternehmens getragen werde. Richtigerweise müßte die gesamte Umsatzsteuerforderung in voller Höhe aus der Masse berichtigt werden, also als Masseforderung anerkannt werden, lediglich die im Konkurs angemeldeten Nettoforderungen seien quotenmäßig zu befriedigen, somit als Konkursforderung zu behandeln. Soferne der Ausgleichsverwalter die klagende Partei mit der Fortführung des Projektes beauftragt hätte, hätte diese nach Fertigstellung des Werkes ebenfalls während des aufrechten Insolvenzverfahrens eine Schlußrechnung gelegt. Die gesamte Schlußrechnung inklusive der Umsatzsteuerforderung, also auch jener Teil der Umsatzsteuer, der auf die bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens akontierten Nettoleistungen entfallen wäre, wäre zweifellos in voller Höhe als Masseforderung anerkannt und auch berichtigt worden. Es sei nicht begründbar, weshalb im Fall der Rücktrittserklärung durch den Masseverwalter die Umsatzsteuer aufgrund einer sogenannten "latenten Steuerschuld" anders als im Fall der Fortführung des Baues durch den Masseverwalter behandelt werden solle. Insbesondere gelte es zu bedenken, daß der Masse in voller Höhe der Vorsteuerabzug zustehe, was zu einer Minderung der Umsatzsteuerzahllast führe. Auch die vom Masseverwalter vertretene Rechtsauffassung, daß ein Umsatzsteuerberichtigungsantrag zulässig sei, wobei die Bemessungsgrundlage unter Berücksichtigung sämtlicher vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens und aus der Masse erhaltenen Zahlungen zu berechnen sei, vermöge an dieser Tatsache nichts zu ändern, abgesehen davon, daß nicht gesichert sei, daß von den Finanzbehörden eine solche Vorgangsweise anerkannt werde. Im übrigen wäre ein Auftragnehmer eines insolventen Bauunternehmens, wie eben auch die klagende Partei, auch bei einer solchen Vorgangsweise finanziell schlechter gestellt als im Fall der Fortführung des Auftrages im Insolvenzverfahren oder bei Behandlung der Umsatzsteuerforderung nach der von der klagenden Partei vertretenen Rechtsauffassung.
Diesen Ausführungen ist folgendes entgegenzuhalten:
Wird der Konkurs - wie hier - als Anschlußkonkurs eröffnet, so sind gemäß § 46 Abs 2 Z 1 KO Masseforderungen unter anderem die im § 46 Abs 1 Z 2 KO sowie die im § 23 Abs 1 Z 2 AO bezeichneten Forderungen. Darunter fallen unter anderem die das unter Ausgleichsverwaltung stehende Vermögen und (nach Eröffnung des Anschlußkonkurses) die Masse treffenden Steuern, wenn und soweit der die Abgabepflicht auslösende Sachverhalt nach der Eröffnung des Ausgleichsverfahrens und (nach Eröffnung des Anschlußkonkurses) während des Konkursverfahrens verwirklicht wird. Steuerschuldner muß der Gemeinschuldner sein (vgl. Bartsch-Pollak3 I 278 f Anm. 19 zu §§ 46, 47 KO sowie SZ 52/150).
Im gegenständlichen Fall ist gemäß § 1 Abs 1 Z 1, § 19 Abs 1 UStG 1972 die klagende Partei Steuerschuldnerin (siehe SZ 52/150 mwN). Im Verhältnis zwischen der klagenden Partei als Werkunternehmerin und der Gemeinschuldnerin als Werkbestellerin ist die von ersterer dem Staat geschuldete Umsatzsteuer Teil des von letzterer der klagenden Partei geschuldeten Werklohns (SZ 52/42; JBl 1983, 595 ua). Die klagende Partei kann daher schon deshalb den ihr für das unfertige Werk gegenüber der Gemeinschuldnerin zustehenden Werklohn auch nicht hinsichtlich jenes Teils, der auf die von ihr geschuldete (und entrichtete) Umsatzsteuer entfällt, unter Berufung auf die Bestimmungen der §§ 23 AO und 46 KO als Masseforderung geltend machen (vgl. die zur Rechtslage vor dem Insolvenzrechtsänderungsgesetz BGBl. 1982/370 ergangene Entscheidung SZ 52/150, wonach nicht einmal dann, wenn der Gemeinschuldner durch privatrechtliche Vereinbarung mit einem Unternehmer die Bürgschaft oder eine sonstige Haftung für dessen Umsatzsteuerschuld übernommen hat, die Forderung auf Ersatz des ungeachtet dieser Verpflichtung doch vom Unternehmer Geleisteten in die II. Klasse der Konkursforderungen fällt).
Die Qualifizierung der Umsatzsteuerforderung des Fiskus als Masseforderung oder als Konkursforderung im Falle von zweiseitigen Verträgen, die im Zeitpunkt der Eröffnung des Ausgleichsverfahrens (Konkurses) vom Ausgleichsschuldner (Gemeinschuldner) und vom anderen Teil noch nicht oder nicht vollständig erfüllt worden sind, wenn der Ausgleichsschuldner (der Masseverwalter anstelle des Gemeinschuldners) den Vertrag erfüllt und vom anderen Teil Erfüllung verlangt oder vom Vertrag zurücktritt (vgl. dazu Werndl, ÖStZ 1983, 98 ff; Gessler, Steuern bei Konkurs und Ausgleich2, 122 ff; Chalupsky-Ennöckl-Holzapfel, Handbuch des österreichischen Insolvenzrechts 367 ff), ist demnach für die Entscheidung des gegenständlichen Rechtsstreites ebensowenig von Bedeutung wie die umsatzsteuerrechtlichen Folgen der (allenfalls bloß teilweisen) Uneinbringlichkeit des Werklohnes im Sinne des § 16 Abs 3 UStG 1972 (Berichtigung des von der klagenden Partei geschuldeten Steuerbetrages im Sinne des § 16 Abs 1 Z 1 UStG 1972; Berichtigung des von der Gemeinschuldnerin in Anspruch genommenen Vorsteuerabzuges im Sinne des § 16 Abs 1 Z 2 UStG 1972; vgl. dazu Werndl aaO 87 ff; Gessler aaO 111 f; Chalupsky-Ennöckl-Holzapfel aaO 359 f; Achatz, WBl 1987, 205 f).
Es war daher der Revision ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
Anmerkung
E12336European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1987:0050OB00343.87.0922.000Dokumentnummer
JJT_19870922_OGH0002_0050OB00343_8700000_000