Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 22.September 1987 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, Dr. Reisenleitner, Dr. Kuch und Dr. Massauer als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Bachinger als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Anton H*** wegen des Verbrechens nach § 12 Abs 1 und Abs 2 SuchtgiftG sowie anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichtes Korneuburg als Schöffengericht vom 8.April 1987, GZ 11 d Vr 737/86-38, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Scheibenpflug, des Angeklagten und des Verteidigers Dr. Mack zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen unangefochtenen Freispruch enthält, wurde Anton H*** zu A I des Verbrechens nach § 12 Abs 1 und Abs 2 SuchtgiftG (nF), zu A II des Vergehens nach § 16 Abs 1 SuchtgiftG (nF) und zu B des Vergehens der falschen Beweisaussage vor Gericht nach § 288 Abs 1 StGB schuldig erkannt. Die nominell auf § 281 Abs 1 Z 5 und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten richtet sich lediglich gegen die Schuldsprüche in den Fakten A I und A II.
Darnach hat Anton H*** in Langenzersdorf und Wien
in der Zeit zwischen April 1985 und Juli 1986 den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgifte in großen Mengen, und zwar rund 767 Gramm Kokain, rund 455 Gramm Cannabisharz, rund 100 Gramm Marihuana und rund 25 Gramm Heroin, in Verkehr gesetzt, wobei er die Tat gewerbsmäßig beging (A I) sowie
in der Zeit zwischen Ende 1983 und Ende Juli 1986 außer den Fällen der §§ 12 und 14 a SuchtgiftG den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgifte, nämlich rund 75 Gramm Cannabisharz und 30 bis 40 Gramm Kokain, erworben und besessen.
Rechtliche Beurteilung
Zum Faktum A I macht der Angeklagte zunächst Begründungs- (Z 5) und Feststellungsmängel (sachlich Z 11) bezüglich der Annahme gewerbsmäßiger Tatbegehung geltend. Dies indes zu Unrecht:
Gewerbsmäßig begeht eine strafbare Handlung, wer sie in der Absicht vornimmt, sich durch ihre wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (§ 70 StGB). Ein Täter handelt absichtlich, wenn es ihm darauf ankommt, den Umstand oder Erfolg zu verwirklichen, für den das Gesetz absichtliches Handeln voraussetzt (§ 5 Abs 2 StGB).
Wer den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift in einer großen Menge erzeugt, einführt, ausführt oder in Verkehr setzt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren zu bestrafen (§ 12 Abs 1 SuchtgiftG nF). Mit Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren ist zu bestrafen, wer diese Tat gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande begeht (§ 12 Abs 2 SuchtgiftG nF). Voraussetzung für die gewerbsmäßige Tatbegehung iS des § 12 Abs 2 SuchtgiftG nF ist daher, daß der Täter die im § 12 Abs 1 SuchtgiftG nF normierte Tathandlung in der Absicht begeht, sich durch ihre wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen.
Hiezu hat das Schöffengericht festgestellt, daß es dem Angeklagten beim fortgesetzten kleinweisen Vertrieb der Suchtgifte, bei dem er sich des Additionseffektes bewußt war und mit der daraus resultierenden Gefährdung von wenigstens 30 bis 50 Menschen zumindest abfand, vor allem "darum ging", mit dem Erlös laufend den eigenen Suchtgiftbedarf zu finanzieren, daß er durch den Handel mit Suchtgiften aber darüber hinaus auch sonst zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes beitragen wollte, und "letztlich darauf sogar angewiesen" war (US 7, 18/19, 20). Damit umschreibt aber das Erstgericht ganz unmißverständlich auch die nach § 70 StGB für die Annahme gewerbsmäßiger Begehung einer strafbaren Handlung vorauszusetzende Absicht; indem er bei der Behauptung von Feststellungsmängeln hiezu einen Teil dieser Feststellungen übergeht, bringt der Beschwerdeführer die Rechtsrüge (Z 11) nicht zu prozeßordnungsgemäßer Darstellung.
Begründungsmängel (Z 5) in Ansehung der eben angeführten Feststellungen sind dem Erstgericht gleichfalls nicht unterlaufen. Die Konstatierung, daß der Angeklagte durch den Handel mit Suchtgiften über die Finanzierung seines eigenen Konsums hinaus auch zu seinem Lebensunterhalt beitragen wollte und daß er letztlich sogar darauf angewiesen war, hat das Schöffengericht logisch und empirisch durchaus unbedenklich darauf gestützt, daß er während des gesamten Deliktszeitraumes arbeitslos war, nur zeitweise eine verhältnismäßig geringe Arbeitslosenunterstützung bezog und entgegen seiner Darstellung, von Ersparnissen gelebt zu haben, finanziell zumindest teilweise von seiner Freundin und seiner Mutter abhängig war; mit seinem Einwand, diese "Begleitumstände" sprächen weder für noch gegen eine Gewerbsmäßigkeit, ficht der Beschwerdeführer in Wahrheit nur in unzulässiger Weise die schöffengerichtliche Beweiswürdigung an.
Zu seiner - ersichtlich gegen die Annahme des Tatbestandsmerkmals "große Menge" gerichteten - Behauptung aber, die nach den Feststellungen des Erstgerichtes von ihm in Verkehr gesetzte gesamte Suchtgiftmenge könne "nicht nachvollzogen werden", weil sie "auf Grund der allgemein bekannten Suchtgiftpreise weit mehr als eine Million Schilling hätte betragen müssen", wogegen er nach weiteren Urteilsannahmen nur" an einigen Tagen pro Woche um einige hundert Schilling an einen Freundeskreis von wechselnder Größe (3 - 8 Personen) über einen Zeitraum von cirka einem Jahr" Suchtgift vertrieben habe, genügt es, ihn auf die Entscheidungsgründe (US 9) zu verweisen, in denen durchaus nachvollziehbar dargetan wird, auf welche Weise das Schöffengericht zu den im Spruch genannten Suchtgiftmengen gelangte; mit seinen Gegenargumenten unternimmt der Angeklagte abermals nur einen unbeachtlichen Angriff gegen die - eingehend begründete (US 9 bis 15) - erstinstanzliche Beweiswürdigung.
Die Rechtsrüge hinwieder, daß die Tat im Hinblick auf jene Feststellungen, wonach er sich durch deren wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme lediglich verschaffen "wollte" - womit er die bereits erörterte Feststellung seiner darauf gerichteten "Absicht" negiert - und wonach er weiters dem Suchtgiftmißbrauch ergeben war und die Einnahme aus dem Suchtgifthandel zur Finanzierung des eigenen Suchtgiftkonsums benötigte, gemäß § 12 Abs 2 zweiter Satz SuchtgiftG nur nach Abs 1 dieser Gesetzesstelle hätte bestraft werden dürfen (der Sache nach Z 11), schlägt nicht durch.
Gemäß § 12 Abs 2 SuchtgiftG zweiter Satz ist nämlich trotz gewerbsmäßigen Handelns - sodaß die prozeßordnungswidrige Negierung dieser Annahme auf sich beruhen kann - nur derjenige nach Abs 1, also milder zu bestrafen, der selbst dem Mißbrauch eines Suchtgifts ergeben ist und die Tat ausschließlich deshalb begeht, um sich für den eigenen Gebrauch Suchtgift oder die Mittel zu dessen Erwerb zu verschaffen. Insoweit übergeht aber der Beschwerdeführer (überdies), daß das Erstgericht keineswegs festgestellt hat, er habe die zu A I näher umschriebene Tat ausschließlich deshalb begangen, um sich für den eigenen Gebrauch Suchtgift oder die Mittel zu dessen Erwerb zu verschaffen, sondern vielmehr als erwiesen annahm, daß er durch den Handel mit Suchtgift darüber hinaus auch sonst zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes beitragen wollte (US 7, 18, 20). Verfehlt ist ferner die Beschwerdeansicht (Z 10), das Erstgericht habe die teils vor und teils nach dem Inkrafttreten der SuchtgiftG-Nov 1985 begangenen Tathandlungen im Faktum A I zu Unrecht dem § 12 SuchtgiftG nF unterstellt, da diese Strafbestimmung in der vor dem 1.September 1985 in Geltung gestandenen Fassung das für ihn günstigere Recht gewesen sei.
Denn zum einen führt der Günstigkeitsvergleich iS des § 61 StGB, der stets an Hand des konkreten Falles vorzunehmen ist (ÖJZ-LSK 1975/103, EvBl 1961/331), hier ohnedies zur Anwendung des neuen Rechtes. Kein Unterschied findet sich nämlich in den hier aktuellen Freiheitsstrafdrohungen nach § 12 Abs 1 SuchtgiftG aF und § 12 Abs 2 SuchtgiftG nF; reicht doch in beiden Fällen der Strafsatz von einem bis zu 10 Jahren Freiheitsstrafe. Die Obergrenze der daneben fakultativ angedrohten Geldstrafe aber war zwar im § 12 Abs 1 SuchtgiftG aF niedriger als nunmehr in § 12 Abs 5 SuchtgiftG nF, doch kann von der Verhängung einer derartigen Geldstrafe ebenso wie vom Ausspruch einer nach § 13 Abs 2 SuchtgiftG nF gleichermaßen wie vormals nach § 12 Abs 4 SuchtgiftG aF für den hier gegebenen Fall, daß das Suchtgift nicht eingezogen werden kann und auch der Erlös nicht greifbar ist, zwingend vorgeschriebenen Wertersatzstrafe nach §§ 12 Abs 5 vierter Satz, 13 Abs 2 zweiter Satz SuchtgiftG abgesehen werden, wenn diese Wiedereingliederung eines dem Mißbrauch eines Suchtgiftes ergebenen Verurteilten gefährden würden: im gegenständlichen Verfahren hat das Erstgericht diese "Härteklausel" (§ 12 Abs 5 vierter Satz SuchtgiftG) tatsächlich angewendet und von der Verhängung einer Geld- sowie einer Wertersatzstrafe abgesehen. Im konkreten Fall erweist sich daher das SuchtgiftG in der seit dem 1.September 1985 geltenden Fassung sehr wohl als das für den Angeklagten günstigere Strafgesetz, so daß in dessen Anwendung schon deshalb eine Urteilsnichtigkeit nicht erblickt werden kann.
Davon abgesehen kam aber eine Anwendung des § 12 SuchtgiftG aF auf die vor dem 1.September 1985 begangenen Tathandlungen auch deshalb nicht in Betracht, weil diese mit den nachher gesetzten und demgemäß jedenfalls nach neuem Recht zu beurteilenden Taten im Hinblick auf den vom Tätervorsatz erfaßten Additionseffekt eine am einheitlichen Gefahrenbegriff (§ 12 Abs 1 vierter Satz SuchtgiftG nF, § 12 Abs 1 SuchtgiftG aF) orientierte rechtliche Einheit bilden, ohne daß es einer Prüfung bedurfte, ob alle Voraussetzungen eines sogenannten "fortgesetzten Deliktes" vorliegen (vgl RZ 1979/73, JBl 1982, 160 ua). Soweit die Rechtsrüge gegen die darauf bezogenen Urteilsannahmen gerichtet ist, geht sie demnach ins Leere.
Letztlich schlägt auch die Rechtsrüge zum Faktum A II, mit welcher der Beschwerdeführer mit Bezug (auf § 61 StGB und) auf den von Ende 1983 bis Ende Juli 1986 reichenden Deliktszeitraum die gänzliche oder teilweise Anwendung des angeblich günstigeren § 16 Abs 1 Z 2 SuchtgiftG aF reklamiert (Z 10), nicht durch, weil diese Strafbestimmung in ihrer Gesamtauswirkung nicht günstiger war als § 16 Abs 1 SuchtgiftG nF (jeweilige Strafdrohung: Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen). Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.
Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten nach § 12 Abs 2 SuchtgiftG nF unter Bedachtnahme auf § 28 Abs 1 StGB eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren. Es wertete bei der Strafbemessung als erschwerend das Zusammentreffen eines Verbrechens mit zwei Vergehen, die erhebliche Überschreitung der Grenzmenge beim Kokain und den Umstand, daß im Fall des Zeugen J*** das Suchtgift an einen Minderjährigen abgegeben wurde, mildernd hingegen den bisherigen ordentlichen Lebenswandel, die teilweise Begehung der zu A II genannten Tathandlungen vor der Vollendung des 21. Lebensjahres und das reumütige Geständnis hinsichtlich der Fakten A II und B. Mit seiner Berufung begehrt der Angeklagte die Herabsetzung der Freiheitsstrafe oder (und) deren bedingte Nachsicht.
Die Berufung ist nicht begründet, zumal der Angeklagte keine weiteren bisher unberücksichtigt gebliebenen Milderungsgründe aufzuzeigen vermag.
Daß der Angeklagte bereits "geraume Zeit" vor Beginn der Erhebungen der Sicherheitsbehörde nicht mehr in Suchtgiftkreisen verkehrt und er kein Suchtgift mehr konsumiert oder weitergegeben hätte, trifft nach der Aktenlage nicht zu, weil seine Suchtgiftdelinquenz erst im Juli 1986 endete und er nur wenig später, nämlich schon am 20.August 1986 deswegen verhaftet wurde. Nicht zutreffend ist daher die weitere Behauptung, er habe schon seit Beginn des Jahres 1986 keinen Kontakt mit der Suchtgiftszene gehabt. Mit seiner eigenen Verantwortung im Widerspruch steht das Vorbringen in der Berufung, er habe schon seit Beginn des Jahres 1986 Arbeit bei der V*** gefunden; vor der Sicherheitsbehörde (S 241) hat er nämlich vorgebracht, erst seit August 1986 diese Beschäftigung ausgeübt zu haben.
Nicht zielführend ist angesichts der festgestellten gewerbsmäßigen Tatbegehung der Berufungseinwand, von einem "profihaften Suchtgifthandel" könne nicht die Rede sein. Dem steht aber auch der vom Erstgericht festgestellte Umstand entgegen, daß der Angeklagte während eines Zeitraumes von rund fünfzehn Monaten nicht nur seinen Freundeskreis, sondern darüber hinaus auch einen weiteren "Kreis von Laufkundschaft" regelmäßig mit Suchtgift versorgte. Des weiteren aber erhöht jedenfalls auch die überaus beachtliche Menge der verfahrensgegenständlichen Suchtgifte den Schuldgehalt des dem Angeklagten angelasteten Verbrechens nach dem SuchtgiftG, sodaß zu einer Herabsetzung der vom Erstgericht (auf Grund vollständig angeführter und auch zutreffend gewürdigter Strafbemessungsgründe) keineswegs überhöht ausgemessenen Freiheitsstrafe keine Veranlassung besteht.
Mangels besonderer Gründe, die Gewähr für künftiges Wohlverhalten des Angeklagten bieten, war vorliegend für die Anwendung des § 43 Abs 2 StGB kein Raum, zumal nach Lage des Falles auch generalpräventive Belange der Gewährung dieser Rechtswohltat entgegenstehen.
Anmerkung
E11691European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1987:0150OS00088.87.0922.000Dokumentnummer
JJT_19870922_OGH0002_0150OS00088_8700000_000