Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Hofmann, Dr. Schlosser und Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R*** Ö***, verireten durch die Finanzprokuratur, Wien 1., Singerstraße 17-19, wider die beklagte Partei Helmut L***, Pensionist, Strafvollzugsanstalt Göllersdorf, vertreten durch Dr. Josef Weixelbaum, Rechtsanwalt in Linz, wegen Feststellung (Streitwert S 61.000) infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 1. April 1987, GZ. 2 R 244/86-33, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 1. Oktober 1985, GZ. 1 Cg 117/85-15, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 3.088,50 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Beklagte tötete Wilma A*** am 14. Mai 1982 in Buchkirchen bei Wels unter dem Einfluß eines seine Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustandes durch zahlreiche Messerstiche. Das Geschwornengericht beim Kreisgericht Wels ordnete deshalb mit Urteil vom 4. Mai 1983 gemäß § 21 Abs. 1 StGB seine Unterbringung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher an. Wilma A*** war die Mutter der am 29. Dezember 1979 geborene Simone O***, geborene A***; unehelicher Vater des Kindes ist der Beklagte. Die klagende Republik Österreich begehrt die Feststellung, daß ihr dem Beklagten gegenüber das Recht auf Ersatz aller Aufwendungen zustehe, die sie aus Anlaß des vom Beklagten am 14. Mai 1982 an Wilma A*** verübten Mordes nach den Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 9. Juli 1972, BGBl. Nr. 288, über die Gewährung von Hilfeleistungen an Opfer von Verbrechen (VerbrOHG) an Simone A***, geboren am 29. Dezember 1979, erbringen werde, soweit diese Aufwendungen in den Ersatzansprüchen der Simone A*** ohne Berücksichtigung des im § 12 des genannten Gesetzes vorgesehenen Forderungsüberganges Deckung fänden. Wilma A*** sei für ihre Tochter Simone unterhaltspflichtig gewesen und habe ihr auch tatsächlich Unterhalt gereicht. Derzeit komme Helmut O***, der zum Vormund bestellte Onkel der Minderjährigen, für deren Unterhalt auf. Es könne jedoch nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden, daß die klagende Partei an die Minderjährige nach dem erwähnten Gesetz regreßfähige Leistungen zu erbringen haben werde; in diesem Fall gingen die Ansprüche der Minderjährigen gegen den Beklagten gemäß § 12 VerbrOHG auf die klagende Partei über.
Der Beklagte wendete vor allem ein, Wilma A*** habe zur Tatzeit ihre Tochter nicht alimentiert. Um Hilfeleistungen nach dem genannten Gesetz sei bisher nicht angesucht worden, so daß das Feststellungsinteresse zu verneinen sei. Ein Schadenersatzanspruch der Minderjährigen gegen den Beklagten setze dessen Verschulden voraus; ein solches sei aber angesichts der Anwendung des § 21 StGB zu verneinen.
In der Tagsatzung vom 30. September 1985 brachte die klagende Partei vor, sie behaupte in Anbetracht der Ergebnisse des Strafverfahrens nicht, daß der Beklagte zur Tatzeit zurechnungs- und deliktsfähig gewesen sei. Sie stütze ihr Begehren auf sämtliche in Betracht kommenden gesetzlichen Bestimmungen.
Das Erstgericht wies das Feststellungsbegehren ohne weitere Erörterung des Sachverhaltes und ohne Beweisaufnahmen ab. Aus dem Strafakt ergebe sich, daß der Beklagte Wilma A*** im Zustand der Zurechnungsunfähigkeit getötet habe. Tatsachen, die die Haftung des Beklagten nach § 1310 ABGB nach sich zögen, habe die klagende Partei nicht behauptet. Mangels eines erwiesenen Ersatzanspruches der Simone A*** gegen den Beklagten sei auch ein entsprechender Rückgriffsanspruch der klagenden Partei gegen ihn zu verneinen. Das Berufungsgericht hob im zweiten Rechtsgang das erstgerichtliche Urteil in der Berufungsverhandlung auf, ergänzte gemäß § 496 Abs. 3 ZPO die erstinstanzliche Verhandlung, gab der Berufung der klagenden Partei Folge und deren Feststellungsbegehren mit der Maßgabe, daß im Spruch das Wort "Mord" durch "Tötung" zu ersetzen sei, statt. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes zwar S 60.000, nicht aber S 300.000 übersteige und die Revision zulässig sei.
Das Berufungsgericht stellte fest, Wilma A*** sei Lehrerin gewesen. Sie habe zuletzt unter Bedachtnahme auf die Sonderzahlungen im Monatsdurchschnitt ca. S 10.978 verdient. Weiters habe sie die Familienbeihilfe für ihre Tochter von monatlich S 1.000 bezogen. Bis Mitte November 1981 habe sie mit dem Beklagten in Lebensgemeinschaft gelebt und sei sodann mit ihrer Tochter in ihr Elternhaus in Krenglbach Nr. 17 zurückgekehrt. Für die Unterbringung und Verpflegung für sich und ihr Kind habe sie ihren Eltern monatlich etwa S 2.000 bezahlt. Während ihrer berufsbedingten Abwesenheit sei das Kind von der Großmutter betreut worden. Der Beklagte habe einen regelmäßigen monatlichen Unterhalt von S 800 geleistet. Der Nachlaß nach Wilma A*** sei ihrer Tochter Simone eingeantwortet worden; der reine Nachlaß habe S 60.887,17 betragen. Das im wesentlichen aus den Nachlaßaktiven bestehende Vermögen des Kindes sei zum Erwerb eines Hälfteanteils an der Liegenschaft EZ 1148
KG Schärding-Vorstadt (Grundstück 737/34 Wiese - Bauplatz im Ausmaß von 1156 m2) angelegt worden. Mit Beschluß des Bezirksgerichts Wels vom 27. Dezember 1982 sei der vom Beklagten für die mj. Simone zu leistende Unterhalt ab 1. Mai 1982 auf S 1.230 erhöht worden. Der Beklagte beziehe von der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter Invaliditätspension. Von dieser Anstalt werde der monatliche Unterhaltsbetrag von S 1.230 (14 mal jährlich) überwiesen. Zusätzlich werde ein Kinderzuschuß ausbezahlt. Vom Amt der oö. Landesregierung erhalte die Minderjährige nach ihrer Mutter eine Waisenrente angewiesen. Diese habe im Jahre 1983 unter anteiliger Bedachtnahme auf Sonderzahlungen im Monatsdurchschnitt S 1.105,97 betragen. Auf Grund dieses Pensionsbezuges sei das Kind krankenversichert. Die Minderjährige lebe bei den Pflegeeltern Helmut und Christine O*** in Schärding. Mit Bescheid des Landeshauptmanns von Oberösterreich vom 8. Februar 1985 sei der Familienname der Minderjährigen in "O***" geändert worden. Der Beklagte sei Eigentümer einer Wohnung in Wels. Es könne nicht ausgeschlossen werden, daß die Minderjährige Simone O*** in Hinkunft auf Unterhalts- und Beistandsleistungen ihrer Mutter, die ihr durch deren Tod entgingen und durch ihr zukommende Versorgungsleistungen nicht gedeckt sind, angewiesen wäre. Es könne ferner nicht ausgeschlossen werden, daß der Kläger in Zukunft bei Vergleich seiner Vermögens- und Einkommensverhältnisse und jener der Minderjährigen die infolge dieses Entganges erforderlichen Aufwendungen ganz oder teilweise leichter tragen kann als diese. Schließlich könne nicht ausgeschlossen werden, daß Simone O*** in Zukunft Hilfeleistungen nach dem VerbrOHG beanspruchen werde. In rechtlicher Hinsicht führte das Berufungsgericht aus, der Oberste Gerichtshof habe das Feststellungsinteresse wiederholt bejaht, wenn die Möglichkeit künftigen Entganges nicht ausgeschlossen werden könne. Da sich die Ersatzpflicht nach § 1327 ABGB auch auf Unterhaltsansprüche erstrecke, die vom Getöteten erst später und nach Eintritt einer Bedingung zu erfüllen wären, sei auf die Behauptung des Beklagten, Wilma A*** habe ihrer Tochter Simone tatsächlich den Unterhalt nicht gereicht, nicht näher einzugehen. Der Anspruch auf Ersatz des durch eine Handlung im Sinne des § 1 Abs. 2 VerbrOHG erwachsenen Schadens auf Grund anderer gesetzlicher Vorschrift gehe insoweit auf den Bund über, als dieser Leistungen nach diesem Gesetz erbringe. § 12 VerbrOHG lasse anders als § 332 ASVG den Ersatzanspruch nur insoweit übergehen, als der Bund dem Opfer den Schaden ersetze und dies dem Schädiger bekannt mache. Der Bund werde somit nicht schon wie ein Sozialversicherungsträger mit dem Schadensfall, sondern erst mit der Leistung und Verständigung Rechtsnachfolger. Bis zum Ersatz und der Verständigung des Schädigers durch den Bund könne der Geschädigte den Ersatzanspruch im Wege der Leistungs- oder Feststellungsklage geltend machen. Dennoch sei der klagenden Partei bereits vor Forderungsübergang ein rechtliches Interesse an der Feststellung der Ersatzpflicht zuzugestehen. Durch die Legalzession ändere sich weder die Rechtsnatur des Anspruchs noch die Verjährungszeit, der Zeitpunkt des Eintritts der nachfolgenden Legalzession sei für die Frage der Verjährung ohne Belang. Die Verjährungszeit betrage bloß drei Jahre. Das Feststellungsinteresse der klagenden Partei erstrecke sich auch auf die Ersatzpflicht ihr gegenüber als Legalzessionar für den Fall künftiger Inanspruchnahme und Leistung, weil auch bedingte Rechte Gegenstand einer Feststellungsklage sein könnten und schon die bloße Möglichkeit, daß weitere Regreßansprüche des Legalzessionars gegen den Ersatzpflichtigen entstehen könnten, eine auf den Ausschluß der Verjährung künftiger Ansprüche abzielende Feststellungsklage rechtfertige. Das gelte auch für die Frage der Tragfähigkeit im Sinne des § 1310 dritter Fall ABGB, die erst im Leistungsfall zu beurteilen sei. Auf die drohende Verjährung bleibe letzteres ohne Einfluß, weil Anspruchsgrundlage nicht die Tragfähigkeit, sondern das fehlende Eingriffsrecht sei. Der Beschränkung ihres Anspruchs auf den dritten Fall des § 1310 ABGB habe die klagende Partei dadurch Rechnung getragen, daß sie in ihrem Begehren den Anspruch mit dem Deckungsfonds begrenzte. Es genüge somit, daß die Tragfähigkeit des Beklagten im Sinne des § 1310 ABGB im Falle künftiger Leistung nicht ausgeschlossen sei. Auch daß der Beklagte Vater des Kindes und als solcher nach dem Tod der Mutter allein primär unterhaltspflichtig sei, habe auf das Feststellungsinteresse der klagenden Partei keinen Einfluß. Künftige Ansprüche des Kindes gegen ihn beruhten auf den miteinander konkurrierenden Rechtsgründen des Schadenersatzes und des Unterhaltes. Aus § 3 Abs. 2 letzter Satz VerbrOHG ergebe sich die Subsidiarität der Unterhaltsleistungen, welche auf Grund einer Handlung im Sinne des § 1 Abs. 2 VerbrOHG geleistet werden, gegenüber der Schadenersatzleistung. Bei dem im Falle einer Leistung nach dem VerbrOHG auf die klagende Partei übergehenden Anspruch handle es sich somit um einen Schadenersatzanspruch, der durch den daneben bestehenden Unterhaltsanspruch des Kindes nicht verdrängt werde.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen das berufungsgerichtliche Urteil vom Beklagten erhobene Revision ist im Ergebnis nicht berechtigt. Der Bund hat österreichischen Staatsbürgern Hilfe zu leisten, wenn mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, daß sie durch eine mit einer mehr als sechsmonatigen Freiheitsstrafe bedrohte rechtswidrige und vorsätzliche Handlung eine Körperverletzung oder eine Gesundheitsschädigung erlitten haben (§ 1 Abs. 2 Z 1 VerbrOHG). Hilfe ist auch dann zu leisten, wenn die mit Strafe bedrohte Handlung im Zustand der Zurechnungsunfähigkeit begangen worden ist (§ 1 Abs. 3 Z 1 erster Fall VerbrOHG). Hatte die Handlung im Sinne des § 1 Abs. 2 VerbrOHG den Tod eines Menschen zur Folge, ist den Hinterbliebenen, für deren Unterhalt der Getötete nach dem Gesetz zu sorgen hatte, Hilfe zu leisten, wenn sie österreichische Staatsbürger sind und ihnen durch den Tod der Unterhalt entgangen ist (§ 1 Abs. 5 VerbrOHG). Das Geschwornengericht beim Kreisgericht Wels hat mit Urteil vom 4. Mai 1983 ausgesprochen, daß der Beklagte am 14. Mai 1982 eine Tat begangen hat, die ihm - wäre er zur Tatzeit zurechnungsfähig gewesen - als Verbrechen des Mordes nach § 75 StGB zuzurechnen gewesen wäre. Es liegen demnach - was selbst der Beklagte nicht bestreitet - die Voraussetzungen für die Verpflichtung des Bundes zur Hilfeleistung an die mj. Simone O*** vor. § 12 VerbrOHG ordnet zugunsten des Bundes insofern eine Legalzession an, als er den Übergang auf Grund anderer gesetzlicher Vorschriften bestehender Ansprüche der durch im § 1 Abs. 2 VerbrOHG umschriebene Handlungen Geschädigten in dem Umfang, als der Bund Leistungen erbringt, an diesen vorsieht. Der Beklagte bestreitet die Berechtigung des Klagsanspruches, weil § 12 VerbrOHG nur auf § 1 Abs. 2 VerbrOHG Bezug nehme, die Handlung des Beklagten jedoch § 1 Abs. 3 Z 1 VerbrOHG zu unterstellen sei. Diesen Ausführungen ist entgegenzuhalten, daß § 1 Abs. 3 VerbrOHG nicht etwa vom § 1 Abs. 2 Z 1 VerbrOHG gesonderte Anspruchsgründe vorsieht, sondern nur verdeutlichen soll, daß die im § 1 Abs. 2 VerbrOHG umschriebene, mit Strafe bedrohte Handlung auch dann alle in diesem Gesetz angeordneten Rechtsfolgen auslösen soll, wenn der Täter wegen Vorliegens der im § 1 Abs. 3 VerbrOHG aufgezählten Gründe nicht verfolgt oder nicht bestraft werden kann. Dies kann bei den im § 1 Abs. 3 Z 2 und 3 VerbrOHG genannten Fällen (wenn die strafgerichtliche Verfolgung des Täters wegen seines Todes, wegen Verjährung oder aus einem anderen Grund - zB Immunität - unzulässig ist oder der Täter nicht bekannt oder wegen seiner Abwesenheit nicht verfolgt werden kann) nicht zweifelhaft sein, weil die dort aufgezählten Verfolgungshindernisse am Wesen der im § 1 Abs. 2 Z 1 VerbrOHG umschriebenen rechtswidrigen und vorsätzlichen Handlung nichts ändern; gleiches muß auch für den im § 1 Abs. 3 Z 1 VerbrOHG umschriebenen Fall der Notstandshandlung gelten, weil auch dieser strafrechtliche Entschuldigungsgrund den Tätervorsatz nicht in Frage stellt (vgl. Leukauf-Steininger, StGB2 § 10 Rz 28). Dagegen könnte immerhin behauptet werden, daß die im Zustand der Zurechnungsunfähigkeit begangene, mit Strafe bedrohte Handlung nicht als vorsätzliche Handlung beurteilt werden dürfe, so daß zumindest in diesem Fall eine gegenüber § 1 Abs. 2 VerbrOHG geänderte Anspruchsgrundlage anzunehmen sei, an welche die ausdrücklich auf Handlungen im Sinne des § 1 Abs. 2 VerbrOHG abstellende Legalzession gemäß § 12 VerbrOHG nicht anzuknüpfen sei. Nach der auch vom Obersten Gerichtshof (SSt. 55/15 u.v.a.) vertretenen modernen Strafrechtslehre ist jedoch der für die Zurechnung der Tat als strafbare Handlung erforderliche Vorsatz nicht als Element der Schuld, sondern als Teil des Tatbestandes (subjektiver Tatbestand) aufzufassen, so daß die fehlende Schuld das vorsätzliche Handeln nicht ausschließt. Vorsätzlich handeln kann demnach jeder strafrechtlich Handlungsfähige, also auch ein zurechnungsunfähiger Täter (wie der im Vollrausch Befindliche und der Strafunmündige, aber auch der Geisteskranke), so daß auch bei diesem ein tatbestandsbezogenes Wollen vorliegen kann. Daraus folgt aber, daß auch in den Fällen des § 1 Abs. 3 Z 1 VerbrOHG eine rechtswidrige und vorsätzliche Handlung im Sinne des § 1 Abs. 2 VerbrOHG anzunehmen ist. Dieses Ergebnis war vom Gesetzgeber auch beabsichtigt: In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (40 BlgNR 13. GP 8) wird ausdrücklich festgehalten, daß es nicht darauf ankommen soll, ob der Täter verfolgt oder bestraft werden darf; die staatliche Unterstützung soll dem Opfer solcher Verbrechen auch zuteil werden, bei denen der Täter wegen Zurechnungsunfähigkeit nicht bestraft werden kann. In dem mit der Regierungsvorlage dem Parlament vorgelegten Entwurf (§ 13) war demgemäß die Legalzession an den Ersatz des Schadens, der den Opfern durch die Handlung im Sinn des § 1 erwachsen ist, geknüpft. Erst durch den Ausschuß für soziale Verwaltung (388 BlgNR 13. GP) wurde die Bestimmung des § 1 VerbrOHG neben der Einführung eines klagbaren Rechtsanspruchs auf Grund einer Auslobung durch den Bund im Abs. 1 (vgl. Ernst-Prakesch, Die Gewährung von Hilfeleistungen an Opfer von Verbrechen, 11 f), aber ohne beabsichtigte weitere inhaltliche Änderung neu gefaßt, um eine Novellierung des Gesetzes nach Inkrafttreten der Strafrechtsreform zu vermeiden (Ernst-Prakesch a.a.O. 13). Die Fassung des § 12, der sonst § 13 des Entwurfs im Wortlaut entspricht, wurde zwar in der Umschreibung der den Schadenersatzanspruch des Opfers auslösenden "Handlung im Sinne des § 1" durch Einfügung der Zitierung "Abs. 2" geändert, doch war damit nicht beabsichtigt, in den im § 1 Abs. 3 VerbrOHG genannten Fällen einen gesonderten Anspruchsgrund zu schaffen, bei dem an Hilfeleistungen des Bundes an Opfer von Verbrechen die im § 12 VerbrOHG vorgesehene Legalzession nicht geknüpft sein sollte. Dieses Ergebnis folgt schon aus dem Vergleich mit § 1 Abs. 5 VerbrOHG: Dort ist die Verpflichtung des Bundes zur Hilfeleistung an die Hinterbliebenen des Opfers gleichfalls an Handlungen im Sinne des § 1 Abs. 2 VerbrOHG geknüpft, ohne daß es zweifelhaft sein kann, daß die Hinterbliebenen in den Anspruchsvoraussetzungen nicht schlechter gestellt sein sollten als das überlebende Verbrechensopfer. Der Übergang der Ersatzforderung des Geschädigten nach § 12 VerbrOHG setzt lediglich voraus, daß das Opfer wegen der nach § 1 Abs. 2 VerbrOHG zu beurteilenden Handlung auf Grund anderer gesetzlicher Vorschrift (zB §§ 1295 ff. ABGB; Ernst-Prakesch a.a.O.
72) vom Schädiger Ersatz beanspruchen kann. Trifft das - wie hier - zu, weil sich die Geschädigte auf § 1310 ABGB stützen könnte, tritt die im § 12 VerbrOHG vorgesehene Legalzession im Umfang der erbrachten kongruenten Leistungen ein.
Der Beklagte bestreitet auch die Berechtigung der Feststellungsklage des Bundes, weil diesem mangels bisher erbrachter oder wenigstens bereits begehrter Leistungen nach dem VerbrOHG das Feststellungsinteresse abzusprechen sei. Ein Rechtsverhältnis im Sinne des § 228 ZPO kann auch im Bestehen einer Schadenersatzpflicht gelegen sein. Das rechtliche Interesse an der Feststellung, der Schädiger hafte für alle Nachteile, die sich in Hinkunft aus dem schädigenden Ereignis ergeben, wird von der Rechtsprechung regelmäßig schon dann bejaht, wenn die Möglichkeit offenbleibt, daß das schädigende Ereignis einen künftigen Schadenseintritt verursachen kann (SZ 56/38; ZVR 1980/289; ZVR 1978/30; JBl. 1976, 315; SZ 45/78; SZ 41/153; SZ 37/82; zuletzt wieder 1 Ob 26/83). Es ist nicht erforderlich, daß bis zum Schluß der Verhandlung in erster Instanz bereits ein Schaden eingetreten ist, sondern es genügt, daß sich ein Vorfall, durch den ein konkreter Schaden eintreten hätte können, bereits ereignete und wiederholen kann (in diesem Sinne SZ 56/38) oder wenigstens in Zukunft ein Schaden auch ohne weiteres Zutun des Schädigers eintreten kann (ÖBl. 1978, 37; ZVR 1974/252; SZ 37/82). So wurde etwa das rechtliche Interesse der Tochter der Getöteten an der Feststellung der Haftung des Täters für künftige Schäden bejaht, weil sie möglicherweise der Getöteten gegenüber deren - nach damaliger Rechtslage noch
subsidiäre - Unterhaltspflicht der Mutter geltend zu machen genötigt sein werde (SZ 41/153); ebenso wurde das Feststellungsinteresse der noch nicht der Dürftigkeit verfallenen Mutter anerkannt, weil nicht auszuschließen sei, daß sie - obwohl derzeit nicht bedürftig - in Zukunft in Dürftigkeit verfallen könnte (SZ 37/82). Daß das schädigende Ereignis für einen künftigen Schadenseintritt ursächlich sein könnte, reicht zur Begründung des Feststellungsinteresses aus. Der Unterhalt von Simone O*** wird, soweit er nicht durch die Unterhaltsleistungen des Beklagten bzw. aus der ihr zuerkannten Waisenrente gedeckt ist, derzeit ohne gesetzliche Verpflichtung von den Eheleuten O*** bestritten, Simone O*** ist damit bereits Schaden entstanden, der nur bisher von ihren Verwandten ohne Stellung von Ansprüchen gegen die klagende Partei gedeckt wurde. Unter diesen Umständen müssen Schadenersatzansprüche dem Beklagten gegenüber schon derzeit dem Grunde nach geltend gemacht werden können. Dieser Grundsatz muß auch dann Geltung haben, wenn Ersatzansprüche nicht unmittelbar vom Geschädigten, sondern von dessen Legalzessionar geltend gemacht werden können (vgl. ZVR 1978/200 u.v.a.).
Fraglich könnte es sein, ob sich diese Rechtsauffassung auch auf eine Klage auf Feststellung der Haftung des Schädigers für künftige Nachteile gemäß § 1310 dritter Fall ABGB - allein auf diese Haftungsnorm beruft sich die klagende Partei noch (ON 16, S. 50) - übertragen läßt, weil die Frage, ob der Schädiger mit Rücksicht auf das beiderseitige Vermögen den Schaden leichter tragen könne als der Geschädigte, erst auf Grund der Sachlage im Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung erster Instanz im Leistungsprozeß zu prüfen ist (vgl. Reischauer in Rummel, ABGB, § 1310 Rz 9; vgl. auch Ehrenzweig2 II/1 679 f). Das nicht aus dem bürgerlichen Recht, sondern aus § 228 ZPO abzuleitende Feststellungsinteresse ist jedoch auch in diesem Fall zu bejahen. Der Oberste Gerichtshof hat in nach § 1310 ABGB zu beurteilenden Fällen schon wiederholt (z.B. 5 Ob 110/71; 6 Ob 311/70 und 5 Ob 178/68) neben dem Leistungs- auch ein Feststellungsbegehren zugelassen. Das muß auch für die Fälle gelten, in denen Feststellungsansprüche allein zulässig sind. Der Beklagte macht in der Revision noch geltend, sein Fall sei besonders gelagert, weil er zugleich Unterhaltspflichtiger und Schädiger ist und daher der im § 3 Abs. 2 letzter Satz VerbrOHG verankerte Grundsatz, daß der Schadenersatzanspruch dem Unterhaltsanspruch vorgehe, ihm gegenüber nicht angewendet werden könne. Die Minderjährige könne nur dann vom Entgang des ihr von ihrer Mutter zu reichenden Unterhalts betroffen sein, wenn er außerstande wäre, ihren Unterhaltsbedarf als nun allein unterhaltspflichtiger Elternteil zu decken; es sei aber nicht zulässig, ihn über § 12 VerbrOHG und § 1310 ABGB zu Unterhaltsleistungen zu verhalten, von welchen er mangels Leistungsfähigkeit sogar als Unterhaltspflichtiger befreit sei. Ob dem Beklagten im Rahmen seiner der Billigkeit unterworfenen Haftung nach § 1310 dritter Fall ABGB solche Schadenersatzleistungen überhaupt auferlegt werden können, ist jedoch erst im Leistungsprozeß zu prüfen. Dem Revisionswerber ist zwar zuzugeben, daß eine solche nach Billigkeitsgrundsätzen vorgenommene Prüfung im allgemeinen eine im Verhältnis zu seinen Unterhaltspflichten als Vater weiterreichende Schadenersatzpflicht gegenüber seiner Tochter ausschließen wird, jedoch nicht unter allen denkbaren Umständen, z. B. bei Ansprüchen für die Vergangenheit. Zutreffend hat schon das Berufungsgericht dargelegt, daß der Beschränkung der Ersatzpflicht nach § 1310 ABGB durch die Bezugnahme auf den Deckungsfonds ausreichend Rechnung getragen wird.
Soweit der Beklagte erstmals in der Revision behauptet, daß die Ersatzansprüche der Minderjährigen bereits verjährt seien, so daß nach § 12 VerbrOHG nur verjährte Ansprüche auf die klagende Partei übergehen könnten, macht er eine unbeachtliche Neuerung geltend, weil er derartiges weder im erstinstanzlichen noch im vom Berufungsgericht gemäß § 496 Abs. 3 ZPO ergänzten Verfahren vorgebracht hat.
Da das Berufungsgericht die Berechtigung der Feststellungsklage zutreffend bejaht hat, ist der Revision des Beklagten ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.
Anmerkung
E12250European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1987:0010OB00648.87.0923.000Dokumentnummer
JJT_19870923_OGH0002_0010OB00648_8700000_000