Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes HonProf. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Klinger, Dr. Angst und Dr. Bauer als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei Firma Rupert R***, Elektronik, Handel mit elektrischen Geräten und Bauteilen sowie Videokassettenverleih, Leibnitz, Grazerstraße 44, vertreten durch Dr. Wilfried Stenitzer, Rechtsanwalt in Leibnitz, und anderer beigetretener betreibender Parteien wider die verpflichtete Partei Friedrich P***, Gastwirt, Allerheiligen bei Wildon, Siebing 17, vertreten durch Dr. Heinz-Dieter Flesch, Rechtsanwalt in Voitsberg, wegen S 43.875,07 sA und anderer Forderungen, infolge Revisionsrekurses der führenden betreibenden Partei Firma Rupert R*** und der beigetretenen betreibenden Partei R*** L*** reg.Genossenschaft mbH, Leibnitz, Bahnhofstraße 2, ebenfalls vertreten durch Dr. Wilfried Stenitzer, Rechtsanwalt in Leibnitz, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Graz als Rekursgerichtes vom 8.Mai 1987, GZ 4 R 188,245-252/87-88, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Wildon vom 17.Februar 1987, E 2003/85 richtig E 3003/85-83, abgeändert wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben und der angefochtene Beschluß dahin abgeändert, daß der Rekurs des Verpflichteten gegen den Zuschlag zurückgewiesen wird.
Die Kosten des Revisionsrekurses werden für die führende betreibende Partei Firma Rupert R*** mit S 2.436,66 (darin S 221,52 Umsatzsteuer und keine Barauslagen) und für die beigetretene betreibende Partei R*** Leibnitz reg.Genossenschaft mbH mit S 8.157,50 (darin S 741,59 Umsatzsteuer und keine Barauslagen) als weitere Exekutionskosten bestimmt.
Text
Begründung:
Bei dem Versteigerungstermin am 17.2.1987 war unter anderem der Verpflichtete anwesend. Er erhob gegen die Erteilung des Zuschlags an den Meistbietenden nicht Widerspruch, brachte gegen den Beschluß über die Erteilung des Zuschlags jedoch einen Rekurs ein. Diesen stützte er darauf, daß die versteigerte Liegenschaft ein Ausmaß von
9.401 m2 und nicht, wie bei der Schätzung irrtümlich angenommen worden sei, ein solches von 9.301 m2 habe.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs Folge, versagte den Zuschlag an den Meistbietenden und sprach aus, daß in den Verfahren, in denen die betriebene Forderung S 15.000,-- übersteigt, der Rekurs zulässig sei.
Es ging davon aus, daß der Verpflichtete durch die mit dem Rekurs vorgelegten Beilagen sein Rekursvorbringen bewiesen habe. Dieses Vorbringen sei nicht als Neuerung zu werten, weil es schon in einem früheren Rekurs des Verpflichteten enthalten gewesen sei. Damals habe er sein Vorbringen allerdings nicht bescheinigt. Durch die unrichtige Annahme des Flächenausmaßes der Liegenschaft sei sowohl der Schätzwert als auch das geringste Gebot zu niedrig festgesetzt worden. Da nicht ein Teil eines Grundstücks versteigert werden könne, sei der Verpflichtete nicht Eigentümer einer 100 m2 umfassenden Teilfläche der versteigerten Liegenschaft geblieben, zumal deren Lage nicht feststellbar sei. Andererseits bestehe kein Anlaß, dem Ersteher eine Teilfläche in diesem Ausmaß ohne Gegenleistung ins Eigentum zu übertragen. Der nunmehr nachgewiesene Unterschied des tatsächlichen Flächenausmaßes der versteigerten Liegenschaft zu dem das der Schätzung und den Versteigerungsbedingungen zugrundegelegt wurde, komme den im § 187 Abs 1 ausdrücklich genannten Rekursgründen, die in einer Aktenwidrigkeit oder darin gelegen sein könnten, daß sich das Meistbot auf eine andere als die zugeschlagene Liegenschaft beziehe, an Gewicht gleich. Dieser Umstand könne daher mit Rekurs geltend gemacht werden und müsse zur Versagung des Zuschlags führen. Gegen diesen Beschluß richtet sich der Revisionsrekurs der führenden betreibenden Partei Firma Rupert R*** und der beigetretenen betreibenden Partei R*** L*** reg.
Genossenschaft mbH mit dem Antrag, ihn dahin abzuändern, daß dem Rekurs des Verpflichteten keine Folge gegeben wird.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist berechtigt.
Gemäß § 187 Abs 1 EO kann der Beschluß, durch welchen der Zuschlag erteilt wird, nur von denjenigen Personen mit Rekurs angefochten werden, die im Versteigerungstermin anwesend und wegen Erhebung des Widerspruchs zu befragen waren. Die Anfechtung kann auf einen der im § 184 EO angeführten Umstände oder darauf gegründet werden, daß der Zuschlag mit dem Inhalt des über den Versteigerungstermin aufgenommenen Protokolles oder anderer nach Vorschrift der EO bei der Entscheidung über den Zuschlag zu berücksichtigender Akten nicht übereinstimmt, oder daß sich das Meistbot auf ein anderes Grundstück bezieht. Wegen der im § 184 EO angeführten Mängel Rekurs einzulegen sind nur jene Personen befugt, die wegen dieser Mängel im Versteigerungstermin erfolglos Widerspruch erhoben haben. Der im § 184 Abs 1 Z 3 EO angeführte Mangel kann innerhalb einer Frist von 14 Tagen nach dem Versteigerungstermin von den gemäß § 171 Abs 1 EO von der Versteigerung zu verständigenden Personen auch dann mit Rekurs geltend gemacht werden, wenn sie im Versteigerungstermin nicht anwesend waren.
Die Überlegung des Rekursgerichtes, daß dem Ersteher nicht eine Teilfläche ohne Gegenleistung ins Eigentum übertragen werden dürfe, ist insofern unrichtig, als der Ersteher ein Meistbot zu zahlen hat und dieses sich auf das ganze Grundstück bezieht. Das Flächenausmaß ist nicht dafür ausschlaggebend, in welchem Umfang der Ersteher Eigentum erwirbt. Zwar sind bei der Prüfung dieser Frage auch das Schätzungsprotokoll und die Versteigerungsbedingungen heranzuziehen (vgl. JBl 1987, 308). Es kommen jedoch jeweils nur Angaben über den Grenzverlauf in Betracht. Aus den Angaben über das Flächenausmaß ist hingegen über den Verlauf der Grenzen des Grundstücks nichts zu gewinnen. Dies gilt auch, wenn das von der Zwangsversteigerung betroffene Grundstück im Grenzkataster eingetragen ist, weil auch dort das Flächenausmaß für den Verlauf der Grenzen der Grundstücke nicht maßgebend ist (vgl. § 8 VermG und Angst, Das neue Vermessungsgesetz, ÖJZ 1969, 337 f). Es wäre daher für den Umfang des Eigentumserwerbes des Erstehers nicht von Bedeutung, wenn das Flächenausmaß, das im Schätzungsprotokoll, in den Versteigerungsbedingungen oder in dem sie genehmigenden Beschluß enthalten ist, unrichtig sein sollte.
In Betracht käme nur, daß der Ersteher nicht jenen Betrag bezahlen muß, unter dem eine Liegenschaft nach den aus den Bestimmungen über das geringste Gebot (§ 151 EO) abzuleitenden Willen des Gesetzgebers nicht versteigert werden soll. Ob auf diesen Fall (der hier vermutlich nicht vorliegt, weil das Meistbot erheblich über dem geringsten Gebot lag,) der Widerspruchsgrund nach § 184 Abs 1 Z 6 EO sinngemäß anzuwenden ist, muß nicht geprüft werden, weil dann der Rekurs nur zulässig wäre, wenn der Rekurswerber gegen den Zuschlag erfolglos Widerspruch erhoben hätte. Diese Voraussetzung ist hier aber nicht erfüllt.
Die EO enthält mehrere Bestimmungen, die einer Verschleuderung der zu versteigernden Liegenschaft entgegenwirken und die Erzielung eines möglichst hohen Meistbotes sicherstellen sollen. Wenn der Gesetzgeber die Verletzung einzelner dieser Bestimmungen als Widerspruchsgrund vorsah (vgl. § 184 Abs 1 Z 1 bis 3, 5, 6 und 8 EO), so muß daraus geschlossen werden, daß andere Umstände nicht mit Widerspruch und umsoweniger mit einem Rekurs, ohne vorherige Erhebung eines Widerspruchs geltend gemacht werden können. Ein Rechtssatz, daß der Zuschlag immer dann zu versagen ist, wenn die Möglichkeit besteht, daß unter gewissen Umständen ein höheres Meistbot erzielt worden wäre, ist der EO nicht zu entnehmen. Schon diese Überlegungen stehen der Richtigkeit der Ansicht des Rekursgerichtes entgegen, daß der vom Verpflichteten im Rekurs geltend gemachte Umstand den im § 187 Abs 1 EO genannten Rekursgründen der Aktenwidrigkeit und der unrichtigen Bezeichnung der vom Meistbot betroffenen Liegenschaft gleichgehalten werden könne. Das Vorbringen im Rekurs des Verpflichteten kann aber auch nicht unmittelbar einem dieser Rekursgründe unterstellt werden, die allerdings, wie das Rekursgericht richtig erkannte, auch geltend gemacht werden können, ohne daß gegen den Zuschlag erfolglos Widerspruch erhoben wurde (Heller-Berger-Stix II 1372 und 1381). Eine Aktenwidrigkeit kann schon deshalb nicht vorliegen, weil im Beschluß über die Erteilung des Zuschlags kein Flächenausmaß enthalten ist. Ferner bezieht sich das Meistbot nicht auf ein anderes Grundstück, weil damit nur ein ganzes Grundstück, also jener Teil einer Katastralgemeinde, der im Grenzkataster oder im Grundsteuerkataster als solcher mit einer eigenen Nummer bezeichnet ist (§ 7 a Abs 1 VermG), gemeint sein kann. Es genügt daher nicht, daß das Grundstück, auf das sich das Meistbot bezieht, ein anderes Flächenausmaß als jenes hat, welches der Bestimmung des Schätzwertes zugrundegelegt wurde.
Zu bedenken ist auch, daß das Flächenausmaß der versteigerten Liegenschaft an sich nur für die Bestimmung des Schätzwertes und nur als Folge davon auch für diejenigen Bestimmungen der Versteigerungsbedingungen von Bedeutung ist, die sich nach dem Schätzwert richten. Die Unrichtigkeit des Flächenausmaßes kann daher nur im Zusammenhang mit einer Änderung des Schätzwertes wahrgenommen werden. Zu einer neuen Bestimmung des Schätzwertes kann es aber nur kommen, wenn aktenkundig ist, daß das der Schätzung zugrundegelegte Flächenausmaß unrichtig sein könnte. Ist dies der Fall und kommt es dennoch nicht zu einer Neubestimmung des Schätzwertes, so geht es nicht an, den Beteiligten die Möglichkeit zu geben, diese neue Bestimmung im Wege eines Rekurses gegen den Beschluß über die Erteilung des Zuschlages zu erreichen. Ist die Möglichkeit, daß der Bestimmung des Schätzwertes ein unrichtiges Flächenausmaß zugrundeliegt, hingegen nicht aktenkundig, so hindert schon das Neuerungsverbot, daß dieser Umstand mit Rekurs gegen den Beschluß über die Erteilung des Zuschlags geltend gemacht wird. Auch aus diesem Grund erweist sich die Ansicht des Rekursgerichtes, daß der Verpflichtete seinen Rekurs auf die Unrichtigkeit des Flächenausmaßes gründen konnte, als nicht richtig. Ebensowenig kann deshalb der vom Rekursgericht zitierten, im übrigen nicht ein Exekutionsverfahren betreffenden Entscheidung des Oberlandesgerichtes Graz, ZBl. 1935/213, gefolgt werden, aus der sich ohne nähere Begründung obiter dieselbe Auffassung ergibt. Da sich somit der Rekurs des Verpflichteten auch auf keinen der Gründe stützt, aus denen der Beschluß über die Erteilung des Zuschlags ohne Erhebung eines Widerspruchs angefochten werden kann, war er unzulässig und ist daher in Abänderung des angefochtenen Beschlusses zurückzuweisen.
Der Ausspruch über die Rekurskosten gründet sich auf § 74 EO. Die den betreibenden Parteien bisher zugesprochenen Prozeß- und Exekutionskosten wurden entgegen § 13 Abs 2 RATG bei der Verzeichnung der Rekurskosten nicht einzeln angegeben und konnten daher bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage nicht berücksichtigt werden.
Anmerkung
E12043European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1987:0030OB00089.87.0923.000Dokumentnummer
JJT_19870923_OGH0002_0030OB00089_8700000_000