TE OGH 1987/9/24 7Ob643/87

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Veröffentlicht am 24.09.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Egermann, Dr. Petrag und Dr. Niederreiter als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Verlassenschaft nach dem am 19. April 1985 verstorbenen, zuletzt in Englfing 30 wohnhaft gewesenen Wilhelm E***, vertreten durch Dr. Christoph Rogler, Rechtsanwalt in Steyr, wider die beklagte Partei G*** N*** AN DER V***, vertreten durch Dr. Franz Hitzenberger und Dr. Christian Rumplmayr, Rechtsanwälte in Vöcklabruck, wegen Aufhebung eines Kaufvertrages (Streitwert S 500.000,--) infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 19. März 1987, GZ. 6 R 252/86-25, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Kreisgerichtes Wels vom 24. Juli 1986, GZ. 10 Cg 130/85-14, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 15.874,65 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 1.443,15 USt.) binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Wilhelm E*** hatte am 4.1.1971 von Gabriele W*** die Liegenschaft EZ 395 KG Neukirchen, bestehend aus diversen Grundstücken, darunter auch das Grundstück Nr.1791/2, um S 200.000 gekauft. Mit Kaufvertrag vom 20./23.8.1979 verkaufte er die Liegenschaft an die beklagte Partei um S 2,6 Mill. Am 11.5.1981 wurde von der beklagten Partei der Flächenwidmungsplan geändert, wodurch das Grundstück Nr.1791/2 von Grünland in Bauland umgewidmet wurde.

Die klagende Partei begehrt, gestützt auf § 25 Abs.5 O.ö. ROG die Aufhebung des Kaufvertrages mit der beklagten Partei im Umfang des Grundstückes Nr.1791/2 und mit Eventualbegehren die Aufhebung des ganzen Kaufvertrages unter Einräumung einer Lösungsbefugnis an die beklagte Partei.

Der § 25 Abs.5 des O.ö. ROG hat folgenden Wortlaut: "Wird ein Grundstück im Vertrauen auf die Wirkung eines Flächenwidmungsplanes bzw. eines Bebauungsplanes, der die Bebaubarkeit dieses Grundstückes ausschließt, veräußert und wird die Bebauung des Grundstückes durch eine nachträgliche, innerhalb von 12 Jahren in Kraft getretene Änderung oder Neuerlassung eines Flächenwidmungsplanes bzw. eines Bebauungsplanes zulässig, so hat der Veräußerer das Recht, bei Gericht die Aufhebung des Vertrages und die Herstellung in den vorigen Zustand zu fordern, wenn der vereinbarte Kaufpreis nicht die Hälfte des Kaufpreises erreicht, der angemessen gewesen wäre, wenn die Bebauung des Grundstückes schon zum Zeitpunkt der Veräußerung möglich gewesen wäre. Der Erwerber des Grundstückes kann die Aufhebung des Vertrages nur dadurch abwenden, daß er dem Veräußerer den Unterschied zwischen dem vereinbarten Kaufpreis und jenem Kaufpreis erstattet, der angemessen gewesen wäre, wenn die Bebauung des Grundstückes schon zum Zeitpunkt der Veräußerung möglich gewesen wäre. Das Recht, die Aufhebung des Vertrages und die Herstellung in den vorigen Stand zu fordern, entsteht jedoch nur, wenn der Erwerber des Grundstückes innerhalb der 12jährigen Frist und nach der Änderung oder Neuerlassung des Flächenwidmungsplanes bzw. des Bebauungsplanes das Grundstück wieder veräußert oder eine Bewilligung für die Errichtung eines Baues auf diesem Grundstück rechtskräftig erteilt wird und kann bei sonstigem Verlust nur innerhalb eines Jahres nach der Wiederveräußerung bzw. der Rechtskraft des Baubewilligungsbescheides geltend gemacht werden."

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Nach seinen Feststellungen war bereits in den Siebzigerjahren in einem provisorischen Entwurf eines neuen Flächenwidmungsplanes von der beklagten Partei die Umwidmung eines Teiles der Grundstücke der Liegenschaft EZ 395 KG Neukirchen in Bauland vorgesehen. Die Landesregierung widersprach jedoch der Umwidmung. Voraussetzung der Umwidmung wäre die Schaffung eines an das bereits bestehende Siedlungsgebiet anschließenden Siedlungsgebietes gewesen. Hiezu hätte es auch der Umwidmung des den Ehegatten J*** gehörenden Grundstückes Nr.1800/2 bedurft, was aber damals nicht in Betracht gezogen wurde. Die beklagte Partei war an der Umwidmung interessiert, um Bauland für Interessenten zur Verfügung stellen zu können. Unabhängig von den Bemühungen der beklagten Partei war auch Wilhelm E*** bemüht, eine Umwidmung in Bauland zu erreichen, weil er die Liegenschaft veräußern wollte. Er betrieb ein Fuhrwerksunternehmen, das sich in finanziellen Schwierigkeiten befand. Er war daher bestrebt, die Liegenschaft, die mit einem Pfandrecht der Sparkasse S*** belastet war, zu verkaufen. Da die beklagte Partei an dem Kauf interessiert war, kam es im Jahre 1979 zu Verkaufsverhandlungen zwischen Wilhelm E*** und dem damaligen Bürgermeister der beklagten Partei Josef H*** und dem Vizebürgermeister Franz S***. Bei diesen Verhandlungen teilten Josef H*** und Franz S*** dem Wilhelm E***

mit, daß die beklagte Partei beabsichtige, ein neues Siedlungsgebiet zu schaffen und zu diesem Zweck einen Teil der Grundstücke der Liegenschaft in Bauland umzuwidmen; weiters, daß eine solche Umwidmung nur möglich sei, wenn die beklagte Partei gegen einen Teil der Grundstücke der Liegenschaft des Wilhelm E*** von dritten Eigentümern diejenigen Grundflächen eintauschen könne, die die Schaffung eines geschlossenen Siedlungsgebietes ermöglichten. Ob diese Tauschverträge tatsächlich zustandekommen werden und ob eine Umwidmung eines Teiles der Grundstücke möglich sei, war zum Zeitpunkt der Verkaufsverhandlungen noch nicht sicher. Der Bürgermeister Josef H*** schätzte, daß aus der Liegenschaft des Wilhelm E*** eine Fläche von etwa 10.000 m2 als Bauland übrig bleiben werde. Diese Schätzung war für die Ermittlung des Kaufpreises von Bedeutung, weil die beklagte Partei nur für die Grundfläche, die voraussichtlich in Bauland umgewidmet werden könne, einen Quadratmeterpreis von S 100, für die übrige Fläche nur einen solchen von S 40 zu bezahlen bereit war. Entscheidend für die Preisvorstellungen der beklagten Partei war es auch, daß sie mit hohen Aufschließungskosten rechnen mußte. Wilhelm E*** forderte ursprünglich S 4 bis 5 Mill. Die beklagte Partei bot ihm einen Kaufpreis von 2,6 Mill., den er nach einigem Überlegen akzeptierte. Ob dem Wilhelm E*** die Überlegungen, die zum Kaufpreisanbot von S 2,6 Mill. geführt haben, erklärt wurden, konnte nicht festgestellt werden. Wilhelm E*** erklärte allerdings mehrfach, er sei an derartigen Überlegungen nicht interessiert. Es interessiere ihn auch nicht, in welcher Form die beklagte Partei über die Liegenschaft verfügen werde, er benötige die Kaufsumme. Der beklagten Partei gelang es in der Folge, im Tauschwege jene Grundstücke zu erwerben, die zur Schaffung eines geschlossenen Siedlungsgebietes erforderlich waren.

Das Erstgericht zog aus der Tatsache, daß dem Wilhelm E*** schon vor Abschluß des Kaufvertrages bekannt war, die beklagte Partei wolle eine Umwidmung eines Teiles der Grundstücke in Bauland durchführen und durch Tauschaktionen die Voraussetzungen hiefür schaffen, die Schlußfolgerung, daß Wilhelm E*** nicht im Vertrauen auf die Wirkung des Flächenwidmungsplanes veräußerte. Mangels Vorliegens einer der wesentlichen Voraussetzungen für eine Vertragsaufhebung nach § 25 Abs. 5 O.ö. ROG verneinte es demgemäß sowohl das Haupt- als auch das Eventualbegehren. Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 300.000 übersteigt. Die gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revision der klagenden Partei ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Entscheidende Bedeutung kommt hier der Abgrenzung zwischen Tat- und Rechtsfrage zu. Die tatsächlichen Umstände und persönlichen Eigenschaften bei Abgabe einer Willenserklärung oder bei Vornahme einer Rechtshandlung sind tatsächlicher Natur und daher irrevisibel, so etwa die Umstände, aus denen die Ernstlichkeit der Erklärung hervorgeht, eine heftige Gemütsbewegung, wie überhaupt der innere seelische Zustand, auch wenn er erst durch Schlußfolgerungen aufgrund äußerer Umstände festgestellt wird (Fasching IV 333). Die Rechtsprechung hat die Parteienabsicht, die Testierabsicht, das Bewußtsein der Zeugen, als Testamentszeugen anwesend zu sein, das Vorhandensein einer Schenkungsabsicht, das Handeln in Benachteiligungsabsicht oder die mit dem Vertrieb einer Zeitung verbundene Absicht, dem Tatsachenbereich zugeordnet (vgl. JBl. 1983, 444; ÖBl. 1980, 94; RZ 1967, 203; Fasching aaO mwN). Auch die Frage, ob jemand im Vertrauen auf bestimmte Umstände handelt oder wie hier im Vertrauen auf die Wirkungen eines Flächenwidmungsplanes ein Grundstück veräußert, betrifft eine persönliche Eigenschaft des Handelnden im Sinne der obigen Darlegungen, ähnlich den obgenannten Fällen aus der Rechtsprechung. Die im vorliegenden Fall von den Vorinstanzen aus bestimmten äußeren Vorgängen gezogene Schlußfolgerung, Wilhelm E*** habe bei Veräußerung der Liegenschaft an die beklagte Partei nicht im Vertrauen auf die Wirkungen des Flächenwidmungsplanes gehandelt, gehört daher dem Tatsachenbereich an und ist irrevisibel. Geht man von dieser Feststellung aus, fehlt es an der Grundvoraussetzung der Vertragsaufhebung nach § 25 Abs.5 O.ö. ROG, auf die, wie die Revision selbst einräumt, die klagende Partei ihren Anspruch ausschließlich gestützt hat. Fehlt es aber schon an dieser Voraussetzung, sind Fragen der Teilaufhebung oder Preisangemessenheit nicht zu erörtern.

Der Revision ist demgemäß ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E11823

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0070OB00643.87.0924.000

Dokumentnummer

JJT_19870924_OGH0002_0070OB00643_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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