TE OGH 1987/9/29 15Os115/87

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Veröffentlicht am 29.09.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 29.September 1987 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, Dr. Reisenleitner, Dr. Kuch und Dr. Massauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Bachinger als Schriftführerin in der Strafsache gegen Christian O*** und andere wegen des Verbrechens der Brandstiftung nach § 169 Abs. 1 StGB über die Berufungen der Angeklagten Christian O***, Edwin F*** und Helmut K*** sowie der Staatsanwaltschaft (hinsichtlich aller drei Angeklagten) gegen das Urteil des Kreisgerichtes Wiener Neustadt als Schöffengericht in Jugendstrafsachen vom 19.Mai 1987, GZ 9 Vr 1.655/85-348, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Strasser, der Angeklagten und deren Verteidiger Dr. Herzka, Dr. Spörk und Dr. Kosch zu Recht erkannt:

Spruch

Gemäß § 290 Abs. 1 StPO und § 38 Abs. 1 Z 2 StGB wird dem Angeklagten Christian O*** auch die im Strafverfahren zu AZ 8 E Vr 735/85 des Landesgerichtes Eisenstadt erlittene Vorhaft vom 11.Oktober 1985, 19,30 Uhr, bis 12.Oktober 1985, 8,00 Uhr, und vom 1.November 1985, 18,00 Uhr, bis 23.Dezember 1985, 15,15 Uhr, auf die Freiheitsstrafe angerechnet.

Der Berufung der Staatsanwaltschaft wird dahin Folge gegeben, daß

1. die Freiheitsstrafen wie folgt erhöht werden:

bei Christian O*** auf 4 (vier) Jahre (als Zusatzstrafe), bei Edwin F*** auf 2 1/2 (zweieinhalb) Jahre und

bei Helmut K*** auf 3 (drei) Jahre, und daß

2. bei den Angeklagten Edwin F*** und Helmut K*** jeweils der Ausspruch über die bedingte Strafnachsicht ausgeschaltet wird. Mit ihren Berufungen werden die Angeklagten auf diese Entscheidung verwiesen.

Gemäß § 390 a StPO fallen ihnen auch die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem oben bezeichneten Urteil wurden der am 27.Mai 1966 geborene Christian O***, der am 30.April 1969 geborene Edwin F*** und der am 24.Dezember 1962 geborene Helmut K*** des Verbrechens der Brandstiftung nach § 169 Abs. 1 StGB schuldig erkannt.

Darnach haben sie an fremden Sachen ohne Einwilligung der Eigentümer eine Feuersbrunst verursacht, und zwar

1. am (richtig: in der Nacht zum) 24.August 1983 in Theresienfeld Christian O*** im einverständlichen Zusammenwirken mit (dem insoweit aus dem Grunde des § 10 JGG außer Verfolgung gesetzten) Edwin F***, indem sie ein Strohlager von ca 900 Tonnen des Josef und der Anna M*** mittels eines Benzin/Öl-Gemisches und Streichhölzern entflammten, wodurch dieses Objekt zur Gänze sowie die angrenzende Werkshalle zum Teil abbrannten;

2. am 13.Mai 1985 in Sollenau Christian O***, Edwin F*** und Helmut K*** im einverständlichen Zusammenwirken mit (dem aus dem Grunde des § 10 JGG außer Verfolgung gesetzten) Ali Jonas K***, indem sie das Sägewerksgebäude der W*** KG mittels Heizöls, Nitroverdünnung und Streichhölzern anzündeten, sodaß es zum Großteil zerstört wurde;

3. am 23.Juni 1985 in Theresienfeld Christian O***

und Edwin F*** im einverständlichen Zusammenwirken, indem sie ein Strohlager von ca 700 Tonnen des Josef und der Anna M*** mittels Feuerzeugen entzündeten, sodaß es zur Gänze vernichtet wurde.

Die gegen diesen Schuldspruch von den Angeklagten erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden wurden bereits mit dem Beschluß des Obersten Gerichtshofes vom 15.September 1987, GZ 15 Os 115/87-6, bei einer nichtöffentlichen Beratung zurückgewiesen.

Im Gerichtstag war daher nur noch über die Berufungen der Angeklagten sowie der Staatsanwaltschaft (hinsichtlich aller drei Angeklagten) zu entscheiden.

Das Jugendschöffengericht verurteilte sie nach § 169 Abs. 1 StGB zu folgenden Freiheitsstrafen:

Christian O*** unter Bedachtnahme gemäß §§ 31, 40 StGB auf die Urteile des Landesgerichtes Eisenstadt vom 23.Dezember 1985, AZ 8 E Vr 735/85 (4 Monate Freiheitsstrafe bedingt), des Bezirksgerichtes Wiener Neustadt vom 11.Februar 1986, AZ 5 U 2099/86 (40 Tagessätze = 20 Tage Ersatzfreiheitsstrafe) und des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 12.Februar 1987, AZ 3 e E Vr 58/86 (7 Monate und 10 Tage Zusatz-Freiheitsstrafe unter Bedachtnahme auf die beiden vorerwähnten Urteile) zu 3 Jahren Zusatz-Freiheitsstrafe;

Edwin F*** unter Anwendung des § 11 Z 1 JGG zu 2 Jahren Freiheitsstrafe, die es gemäß § 43 Abs. 1 StGB in Verbindung mit § 11 Z 3 JGG für eine Probezeit von 3 Jahren bedingt nachsah;

Helmut K*** zu 2 Jahren Freiheitsstrafe, die es gemäß § 43 Abs. 2 StGB für eine Probezeit von 3 Jahren bedingt nachsah. Bei der Strafbemessung wertete es

bei Christian O*** eine einschlägige Vorstrafe wegen § 125 StGB (Sachbeschädigung durch Brandlegung), die Begehung mehrerer strafbarer Handlungen derselben und (im Hinblick auf die gemäß §§ 31, 40 StGB berücksichtigten Verurteilungen) verschiedener Art sowie den hohen Schaden als erschwerend; als mildernd das Alter unter 21 Jahren;

bei Edwin F*** die Tatwiederholung und den hohen Schaden als erschwerend; als mildernd die bisherige gerichtliche Unbescholtenheit sowie seine unzureichende Erziehung;

bei Helmut K*** den hohen Schaden als erschwerend; als mildernd den bisher ordentlichen Lebenswandel.

Die Angeklagten streben mit ihren Berufungen jeweils eine Herabsetzung der über sie verhängten Freiheitsstrafen, Christian O*** überdies deren bedingte Nachsicht an. Die Staatsanwaltschaft hingegen begehrt mit ihrer Berufung in Ansehung aller Angeklagten eine Erhöhung des Strafausmaßes, bei den Angeklagten Edwin F*** und Helmut K*** zudem die Ausschaltung des Ausspruchs über die bedingte Strafnachsicht.

Rechtliche Beurteilung

Nur der Berufung der Staatsanwaltschaft kommt Berechtigung zu. Der Berufungswerberin ist vor allem darin beizupflichten, daß schon der außergewöhnlich hohe Schaden von 50 Millionen Schilling bzw (unter Hinzurechnung der Folgeschäden, insbesondere durch Produktionsausfall) von 80 Millionen Schilling, der durch die von allen drei Angeklagten zu vertretende Brandstiftung im Sägewerk der W*** KG (Faktum 2) entstanden (US 21) und - den Berufungsausführungen des Angeklagten K*** zuwider - keineswegs mit jeder Feuersbrunst notwendigerweise verbunden und daher nicht schon vom Tatbestandsunrecht erfaßt ist, derart schwer wiegt, daß eine Anhebung des Strafausmaßes bei allen drei Angeklagten in den mittleren Bereich der jeweils aktuellen Strafdrohungen gerechtfertigt ist.

Demgegenüber vermag keiner der Angeklagten in seiner Berufung zusätzliche Milderungsgründe aufzuzeigen, die diesen entscheidenden Erschwerungsgrund, dem das Jugendschöffengericht doch zu wenig Beachtung geschenkt hat, einigermaßen aufwiegen könnten. Zwar kann ihren Geständnissen im Vorverfahren, die einen wesentlichen Beitrag zur Wahrheitsfindung darstellten, auf dem das Erstgericht auch seinen Schuldspruch aufbauen konnte, eine mildernde Wirkung nicht abgesprochen werden, doch wird diese weitgehend dadurch abgeschwächt, daß die Angeklagten durch die Art ihrer Verantwortung in der Hauptverhandlung der Sachverhaltsaufklärung gezielt (US 24) entgegenzuwirken trachteten.

Der Angeklagte O***, der bei den Taten noch nicht 21 Jahre, bei der ersten Brandstiftung sogar noch Jugendlicher war, hat bis zu seiner Verhaftung trotz seiner Jugend eine bedenkliche kriminelle Entwicklung genommen, sodaß er innerhalb von knapp zwei Jahren wegen verschiedener Delikte insgesamt viermal verurteilt werden mußte. Zwar ist nur die erste in der Reihe dieser Verurteilungen als Vorstrafe zu werten - auf die übrigen war gemäß §§ 31, 40 StGB Bedacht zu nehmen - und sie wiegt auch angesichts des geringfügigen Schadens, der dabei durch das Verbrennen von Stroh auf dem Felde entstanden ist, an sich nicht besonders schwer; sie gewinnt indes insofern an Gewicht, als der Angeklagte ihrer ungeachtet bereits wenige Wochen später die beiden Brände im Sägewerk W*** und (nunmehr schon zum zweiten Male) im Strohlager der Firma M*** legte. Dieser Umstand (eines äußerst raschen, auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden Rückfalls) und die Tatsache, daß er an allen drei verfahrensgegenständlichen Brandlegungen beteiligt war, läßt mit Rücksicht auf die eingangs dargelegten Erwägungen eine Erhöhung der vom Erstgericht verhängten Zusatzstrafe auf vier Jahre der tat- und persönlichkeitsbezogenen Schuld dieses Angeklagten als angemessen erscheinen.

Ergänzend sei zu seinem Berufungsvorbringen bemerkt, daß die Bedachtnahme gemäß §§ 31, 40 StGB (auch) auf das Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt vom 23.Dezember 1985, AZ 8 E Vr 735/85, zu Recht erfolgt ist, weil die hier aktuellen Straftaten nach der Zeit ihrer Begehung schon in dem erwähnten Vorverfahren hätten abgeurteilt werden können. Insoweit führt der Angeklagte O*** seine Berufung zudem gar nicht zu seinen Gunsten aus. Gemäß § 290 Abs. 1 StPO war allerdings die Vorhaft des Angeklagten aus jenen Verfahren, in dem ihm bedingte Strafnachsicht gewährt worden war, weshalb diese Haft weder in jenem, aber auch nicht in einem anderen Verfahren eine Strafhaft faktisch substituiert hat, entsprechend der Bestimmung des § 38 Abs. 1 Z 2 StGB auch hier anzurechnen (ÖJZ-LSK 1976/122 zu § 38 StGB). Beim (zur Tatzeit jugendlichen) Angeklagten F*** hat der Milderungsgrund der "unzureichenden Erziehung" zu entfallen, da nur eine sehr vernachlässigte Erziehung als mildernd zu berücksichtigen ist (§ 34 Z 1 StGB), wovon aber nach dem Inhalt der Jugenderhebungen (ON 152/II) keine Rede sein kann. Im übrigen erachtete der Oberste Gerichtshof auch bei diesem Angeklagten wegen des außergewöhnlich hohen Grades seiner unrechtsbezogenen Schuld eine Erhöhung der Strafe auf die Hälfte des durch § 11 Z 1 JGG reduzierten Strafrahmens für notwendig.

Darüber hinaus sprechen aber sowohl spezial- gleichwie generalpräventive Erwägungen gegen die Gewährung bedingter Strafnachsicht. Wie die Staatsanwaltschaft zu Recht bemerkt, ist dem Angeklagten F*** spätestens durch die im Jahre 1984 gegen ihn wegen Verdachtes mehrfacher Brandlegungen geführten Gendarmerieerhebungen (vgl S 37 ff im Akt 10 Vr 1.672/84 des Kreisgerichtes Wr.Neustadt) klar das Unrecht seiner Mitwirkung an derartigen Aktionen zu Bewußtsein gebracht worden. Davon unbeeindruckt hat er jedoch kaum ein halbes Jahr danach an den beiden ihm hier zum Vorwurf gemachten Brandstiftungen zum Teil größten Ausmaßes mitgewirkt. Diese augenscheinliche Uneinsichtigkeit und beachtliche kriminelle Energie rechtfertigt nicht mehr die Annahme (§ 43 Abs. 1 StGB, § 11 Z 3 JGG), daß die bloße Androhung der Vollziehung einer Freiheitsstrafe allein oder in Verbindung mit anderen Maßnahmen, etwa der vom Erstgericht ins Auge gefaßten Anordnung der Bewährungshilfe, genügen werde, um ihn von der Begehung weiterer strafbarer Handlungen abzuhalten, zumal auch das nur relativ kurze Zeit verspürte Übel des Freiheitsentzuges (in Form der Untersuchungshaft in diesem Verfahren) in diese Richtung hin keinen sicheren Anhaltspunkt für eine günstige Prognose bietet. Im übrigen dürfen gerade bei Brandlegungen im ländlichen Bereich Aspekte der allgemeinen Verbrechensvorbeugung nicht ganz außer acht gelassen werden.

Was schließlich den Angeklagten K*** anlangt, der auch schon zur Tatzeit älter als 21 Jahre war, so rechtfertigt zwar sein bisher untadelhafter Lebenswandel und seine Beteiligung an nur einer Tat eine deutliche Abhebung von dem immerhin wesentlich jüngeren Angeklagten O***, doch läßt auch bei ihm die Mitwirkung gerade an der folgenschwersten Brandstiftung eine Freiheitsstrafe von weniger als drei Jahren nicht gerechtfertigt erscheinen.

Seinem Berufungsvorbringen ist zu erwidern, daß - wie schon an anderer Stelle bemerkt - der außergewöhnlich hohe Schaden im Sägewerk W*** keineswegs schon vom Tatbestand erfaßt wird. Eine gewisse Einwirkung durch O*** und F*** ist nach der Aktenlage jedenfalls nicht auszuschließen, doch wird dieser Umstand bei weitem dadurch aufgewogen, daß der Angeklagte sich zur Brandstiftung gerade bei seinem Arbeitgeber bereit fand, nur aus Bequemlichkeit von einer weiteren Mitwirkung an der Tat nicht abstand (S 137/II) und sogar eine führende Rolle übernahm, indem er seinen Komplizen gezeigt hat, an welchen Stellen im Sägewerk erfolgversprechend Feuer gelegt werden kann (S 135/II, S 318/II). Aus diesem Grund kann auch keine Rede davon sein, daß er an der Tat nur in untergeordneter Weise beteiligt gewesen wäre, zumal er auch selbst versucht hat, Feuer zu legen (S 124/II, S 316/II). Darauf, daß er sich nur unter der Einwirkung der ihm von den beiden anderen Angeklagten spendierten alkoholischen Getränke zur Tat habe hinreißen lassen, hat sich der Angeklagte K*** im Rahmen seiner geständigen Verantwortung im Vorverfahren niemals berufen. Sein Vorbringen ist daher insgesamt nicht dazu angetan, seine Tat in einem günstigeren Lichte erscheinen zu lassen.

Somit war der Berufung der Staatsanwaltschaft Folge zu geben und wie aus dem Spruch ersichtlich zu entscheiden. Mit ihren Berufungen waren die Angeklagten darauf zu verweisen.

Anmerkung

E11990

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0150OS00115.87.0929.000

Dokumentnummer

JJT_19870929_OGH0002_0150OS00115_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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