TE OGH 1987/9/30 9ObA107/87

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Veröffentlicht am 30.09.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith und Dr. Maier sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Günther Schön und Mag. Wilhelm Patzold als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dr. Jürgen B***, Angestellter, Aldrans, Hinterrinnweg 15, vertreten durch Dr. Gert Kastner und Dr. Hermann Tscharre, Rechtsanwälte in Innsbruck, wider die beklagte Partei K*** F*** A*** UND A*** für Tirol, Innsbruck, Maximilianstraße 7, vertreten durch Dr. Christine Brandl und Dr. Georg Gschnitzer, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen S 84.880 s.A und Feststellung (S 100.000), infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck vom 24.Juli 1987, GZ Jv 2139-1/87-43, womit der Ablehnungsantrag der klagenden Partei gegen den bestellten fachkundigen Laienrichter Wilfried D*** zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat seine Rekurskosten selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Mit der beim Arbeitsgericht Innsbruck eingebrachten Klage begehrt der Kläger die Feststellung, daß er seit 1.April 1985 Kammeramtsdirektor der K*** F*** A*** UND A*** für Tirol sei, sowie die Zahlung von S 76.656 brutto s.A und

S 7.394 netto s.A. Weiters stellte er noch Eventualfeststellungsbegehren. In einem mit ihm geschlossenen Sondervertrag sei vereinbart worden, daß er mit dem Tag des Ausscheidens des bisherigen Kammeramtsdirektors Dr. Josef R*** zum Kammeramtsdirektor bestellt sei. Dr. R*** habe sein Arbeitsverhältnis zur Beklagten mit 31.März 1985 aufgelöst. Die Beklagte beantragte, die Klagebegehren abzuweisen. Der vom Kläger genannte Sondervertrag sei von den zuständigen Organen nie genehmigt worden. Eine Nachfolgeklausel sei für die Beklagte nicht bindend; nicht der Kläger, sondern Mag.Martin H*** sei mit Genehmigung des Österreichischen Arbeiterkammertages zum Kammeramtsdirektor bestellt worden.

Das Arbeitsgericht Innsbruck wies sämtliche Klagebegehren ab. Gegen diese Entscheidung erhob der Kläger Berufung, in welcher er das Leistungsbegehren auf insgesamt S 84.880 s.A ausdehnte. Nachdem das Landesgericht Innsbruck bereits begonnen hatte, das Verfahren gemäß § 25 Abs. 1 Z 3 ArbGG neu durchzuführen, übersandte es die Rechtssache im Hinblick auf die gemäß § 101 Abs. 1 Z 3 ASGG kraft Gesetzes eingetretene Überweisung an das Oberlandesgericht Innsbruck als nunmehr zuständiges Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen.

Nach Anordnung einer mündlichen Berufungsverhandlung erklärte der Kläger, den zur Verhandlung geladenen fachkundigen Laienrichter Wilfried D*** als befangen abzulehnen (§ 19 Z 2 JN). Das Erstgericht habe dem Kläger parteipolitische Absichten zur Erlangung der Stelle des Kammeramtsdirektors unterstellt und habe die Nachfolgeklausel als sittenwidrig und nichtig angesehen. Der Kläger, der Mitglied der SPÖ sei, zweifle daran, daß Wilfried D*** als Mitglieder der ÖVP und Personalvertreter im öffentlichen Dienst eine wertfreie Entscheidung treffen könne.

Der abgelehnte fachkundige Laienrichter, der vom Beruf Kriminalbeamter ist, äußerte sich dahin, daß er sich nicht befangen fühle und den Kläger persönlich nicht kenne. Seine Mitgliedschaft bei der ÖVP und seine Tätigkeit in der Personalvertretung bei der Bundespolizeidirektion Innsbruck böten nicht den geringsten Anlaß, seine Objektivität in Zweifel zu ziehen.

Mit dem angefochtenen Beschluß wies das Oberlandesgericht Innsbruck die Ablehnungserklärung zurück. Es vertrat die Rechtsauffassung, der Kläger habe keinerlei konkrete Gründe geltend gemacht, aus denen sich die Besorgnis ableiten ließe, daß sich der abgelehnte Laienrichter bei seiner Entscheidung von anderen als sachlichen Gründen werde leiten lassen. Dessen bloße Zugehörigkeit zu einer politischen Partei sei kein Ablehnungsgrund. Was vorerst die Senatsbesetzung für eine Entscheidung über eine beim Berufungsgericht eingebrachte Ablehnungserklärung in Arbeits- und Sozialrechtssachen betrifft, ist davon auszugehen, daß im ASGG keine Sonderregelung über das Ablehnungsverfahren getroffen wurde. Es gelten gemäß § 2 Abs. 1 ASGG die Vorschriften der §§ 21 bis 24 JN und demnach für die Gerichtsbesetzung § 8 Abs. 1 JN (Feitzinger-Tades, ASGG § 34 Anm. 3). Die Entscheidung erfolgt ohne Beiziehung fachkundiger Laienrichter durch den in der Geschäftsverteilung dazu vorgesehenen Senat (Kuderna, Kommentar zum ASGG § 34 Anm. 1, Abs. 3 und 6, S 152 f). Für den Obersten Gerichtshof ist mangels Zutreffens der Ausnahmebestimmung des § 7 OGHG für die Senatsbesetzung § 6 OGHG maßgeblich, dessen Absatz 3 vorerst durch die Novelle vom 4.März 1983, BGBl. Nr. 135 von Entscheidungen über Revisionen auf Entscheidungen über Rechtsmittel in arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten nach § 26 ArbGG (§ 519 Abs. 1 Z 3 ZPO) ausgedehnt, durch § 99 Z 2 lit. c ASGG aber aufgehoben wurde. Daraus ergibt sich gemäß § 6 Abs. 1 OGHG die Zuständigkeit des einfachen Senates, der sich in Arbeits- und Sozialrechtssachen aus drei Berufsrichtern und zwei fachkundigen Laienrichtern zusammensetzt (§ 11 Abs. 1 ASGG). Dieser Senat hat nunmehr über alle an den Obersten Gerichtshof gerichteten Rekurse zu entscheiden (Kuderna aaO § 11 Anm. 4 S 94; im Ergebnis auch 10 Ob S 3/87).

Rechtliche Beurteilung

Der gegen die Entscheidung des Oberlandesgerichtes Innsbruck gerichtete Rekurs ist zulässig (§ 24 Abs. 2 JN); er ist aber nicht begründet.

Die Bestimmungen der §§ 19 ff JN gelten sinngemäß auch für die Ablehnung fachkundiger Laienrichter (Kuderna aaO § 34 Anm. 1 Abs. 4, S 153). Nach § 19 Z 2 JN kann ein Richter in bürgerlichen Rechtssachen abgelehnt werden, wenn ein zureichender Grund vorliegt, seine Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen. Nach ständiger Rechtsprechung ist ein Richter dann als befangen anzusehen, wenn Umstände vorliegen, die es nach objektiver Prüfung und Beurteilung rechtfertigen, seine Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen. Das Wesen der Befangenheit besteht in der Hemmung einer unparteiischen Entschließung durch unsachliche psychologische Motive. Es genügt, daß eine solche Befangenheit mit Grund befürchtet werden muß (Fasching Kommentar I 200; ZPR Rz 164; SZ 43/104; JBl. 1968, 94; RZ 1984/81 mwH). Die bloße Zugehörigkeit eines Richters zu einer politischen Partei ist kein Ablehnungsgrund, soweit sich dieser nicht in der Öffentlichkeit zu der im Streit entscheidenden Frage bereits so eindeutig festgelegt hat, daß seine Stellungnahme ernstlich die Möglichkeit nahelegt, seine Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen (Fasching Kommentar I 200 f; ZPR Rz 164 Abs. 2). In seiner nur allgemein gehaltenen Ablehnungserklärung hat der Kläger keinerlei derartige Stellungnahme oder auch nur Äußerung des abgelehnten fachkundigen Laienrichters, die eine Befangenheit befürchten lassen könnten, aufgezeigt. Auch im Rekurs beschränkt sich der Kläger darauf, auf die Parteimitgliedschaft Wilfried D*** hinzuweisen und daß in Veranstaltungen des ÖAAB und der FCG eine pauschale "Parteihetze" gegen ihn stattgefunden habe. Er muß aber einräumen, daß er nicht wisse, ob sich D*** an dieser Hetze persönlich beteiligt habe. Die Behauptung, D*** sei einseitig informiert worden und er habe ein Interesse daran, daß der Rechtsstreit im Interesse seiner Partei und Fraktion erledigt werde, ist nach wie vor nicht konkret begründet worden. Mit der Ansicht, es gebe in Tirol für ihn überhaupt keine unbefangenen Laienrichter, versucht der Kläger die Institution der Mitwirkung fachkundiger Laien an der Gerichtsbarkeit im Sinne der §§ 15 ff ASGG und insbesondere die Bedeutung des Gelöbnisses nach § 29 Abs. 1 ASGG lediglich pauschal in Frage zu stellen.

Der weitere Einwand, der Vorsitzende des Berufungssenates sei von einer Mitwirkung in dem durch die Geschäftsverteilung bestimmten Ablehnungssenat ausgeschlossen, weil er Wilfried D*** trotz eines "voraussichtlichen" Befangenheitsantrages zum fachkundigen Laienrichter bestellt habe, ist schon deshalb verfehlt, weil eine Ladung gemäß § 12 Abs. 1 ASGG nicht einer Vorentscheidung über eine möglicherweise erst zu erstattende Ablehnungserklärung gleichkommt. Soweit der Kläger gestützt auf Wresounig in ÖJZ 1982, 349 ff generell verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Heranziehung von Laienrichtern geltend macht, ist er auf die durch das ASGG geschaffene verfassungskonforme Rechtslage zu verweisen (Kuderna aaO § 10, Anm. 2 mwH; § 11 Anm. 1 S 93 und 94; Kuderna in DRdA 1966 149 ff, 159; Loebenstein in ÖJZ 1968 9 ff; RZ 1979/31). Dem Rekurs mußte daher ein Erfolg versagt bleiben.

Die Kostenentscheidung ist in den §§ 40 und 50 ZPO begründet.

Anmerkung

E12156

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:009OBA00107.87.0930.000

Dokumentnummer

JJT_19870930_OGH0002_009OBA00107_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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