TE OGH 1987/9/30 14Os144/87

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Veröffentlicht am 30.09.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 30.September 1987 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak, Dr. Reisenleitner, Dr. Lachner und Dr. Massauer als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Bernscherer als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Ing.Herbert O*** wegen des Verbrechens der teils

vollendeten, teils versuchten Untreue nach §§ 153 Abs. 1 und Abs. 2 zweiter Deliktsfall, 15 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz vom 12.August 1987, AZ 9 Bs 280/87, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Tschulik, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Beschluß des Oberlandesgerichtess Linz vom 12.August 1987, AZ 9 Bs 280/87, mit welchem der Einspruch des Beschuldigten Ing.Herbert O*** gegen die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Salzburg vom 5.Februar 1987, 6 St 276/84, zurückgewiesen wurde, verletzt das Gesetz in der Bestimmung des § 43 a StPO.

Dieser Beschluß wird aufgehoben und dem Oberlandesgericht Linz aufgetragen, über den Einspruch des Beschuldigten Ing.Herbert O*** gemäß § 210 Abs. 3 StPO meritorisch zu entscheiden.

Text

Gründe:

Am 5.Februar 1987 erhob im Verfahren 27 Vr 328/85 des Landesgerichtes Salzburg die dortige Staatsanwaltschaft gegen den Kaufmann Ing.Herbert O*** Anklage wegen Verbrechens der teils vollendeten, teils versuchten Untreue nach §§ 153 Abs. 1 und Abs. 2 zweiter Deliktsfall, 15 StGB, sowie wegen Vergehens der fahrlässigen Krida nach § 159 Z 2 StGB. Diese Anklageschrift wurde dem Beschuldigten am 20.März 1987 mit Rechtsbelehrung zu eigenen Handen zugestellt. Mit Eingabe vom 23.März 1987 begehrte Ing.O*** die Beistellung eines Verfahrenshelfers, worauf ihm der Untersuchungsrichter einen Verteidiger gemäß § 41 Abs. 2 StPO beigab, der Ausschuß der Rechtsanwaltskammer für Salzburg einen Verfahrenshelfer in der Person des Rechtsanwaltes Dr.Helmut R*** bestellte und diesem die Anklageschrift am 31.März 1987 zugestellt wurde. Über sein Ersuchen wurde Dr.R*** jedoch mit Beschluß des Untersuchungsrichters vom 1.April 1987 von seiner Aufgabe entbunden und dem Beschuldigten gleichzeitig ein anderer Verteidiger, und zwar Rechtsanwalt Dr.Berthold T***-H***, gemäß § 41 Abs. 2 StPO beigegeben, der sodann gegen die ihm am 7.April 1987 zugestellte Anklageschrift Einspruch erhob. Dieser wurde zunächst vom Untersuchungsrichter als verspätet zurückgewiesen, seine Entscheidung aber von der Ratskammer des Landesgerichtes Salzburg am 29. Juli 1987 aufgehoben und der Einspruch als rechtzeitig erhoben dem Oberlandesgericht Linz zur weiteren Entscheidung vorgelegt. Der Beschuldigte hatte nämlich nachgewiesen, daß die Beigebung des Verteidigers nach § 41 Abs. 2 StPO, die infolge unzutreffender Ausfüllung des betreffenden Formblattes ursprünglich nur für die "Vertretung während der Zeit, die der Beschuldigte noch in Untersuchungshaft angehalten wird", gelten sollte

(vgl Band III/S 331, 337 d.A), obwohl Ing.Herbert O*** sich in diesem Verfahren gar nicht in Untersuchungshaft befunden hatte, vom Untersuchungsrichter nach einer Vorsprache des Verteidigers am 9. April 1987 (nachträglich) "für das gesamte Verfahren" verfügt wurde, worauf die Rechtsanwaltskammer für Salzburg ihren Bescheid mit - beim Verteidiger am 15.April 1987 eingelangten - Schreiben vom 13. April 1987 entsprechend ergänzte (vgl Band III/, Beilagen zu ON 54 und S 359 d.A).

Dessen ungeachtet wurde der Einspruch des Ing.O*** mit Entscheidung des Oberlandesgerichtes Linz vom 12.August 1987, AZ 9 Bs 280/87, als unzulässig zurückgewiesen. Das Beschwerdegericht vertrat die Ansicht, daß die Einspruchsfrist bereits mit der Zustellung der Anklageschrift an den Beschuldigten persönlich am 20. März 1987 zu laufen begonnen habe und durch dessen Begehren auf Beigebung eines Verteidigers gemäß § 41 Abs. 2 StPO eine Verlängerung dieser Frist nicht eingetreten sei, weil der Beschuldigte weder ausdrücklich noch implicite zum Ausdruck gebracht habe, Einspruch gegen die Anklageschrift erheben zu wollen und hiefür die Beigebung eines Verteidigers zu beantragen. Aus § 43 a StPO in Verbindung mit § 41 Abs. 2 StPO ergebe sich nämlich, daß der Antragsteller einen Bezug zwischen der beantragten Beigebung eines Verteidigers und der laufenden Rechtsmittelfrist herstellen müsse. Demnach erachtete das Oberlandesgericht Linz den (erst) am 28. April 1987 zur Post gegebenen Einspruch gegen die Anklageschrift als verspätet.

Rechtliche Beurteilung

Der Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz vom 12.August 1987 steht, wie die Generalprokuratur zutreffend aufzeigt, mit dem Gesetz nicht im Einklang.

Gemäß § 43 a StPO beginnt, wenn der Beschuldigte (Angeklagte) innerhalb der für die Ausführung eines Rechtsmittels oder für eine sonstige Prozeßhandlung offenstehenden Frist die Beigebung eines Verteidigers (§ 41 Abs. 2) beantragt, diese Frist mit der Zustellung des Bescheides über die Verteidigerbestellung sowie des Aktenstückes, das die Frist sonst in Lauf setzt, an den Verteidiger, oder mit der Zustellung des den Antrag abweisenden Beschlusses an den Beschuldigten von neuem zu laufen. Mit dieser durch Art I Z 12 Strafprozeßanpassungsgesetz (StPAG), BGBl Nr 423/1974, in die StPO eingefügten Bestimmung sollte sichergestellt werden, daß die dem Beschuldigten (Angeklagten) für die Ausführung eines Rechtsmittels oder eines Rechtsbehelfes nach den Verfahrensvorschriften offenstehenden Fristen auch dann zur Gänze für diese Zwecke zur Verfügung stehen, wenn der Beschuldigte erst innerhalb einer solchen Frist die Beigebung eines Verfahrenshelfers beantragt (vgl 1257 d Blg z d StenProt d NR, XIII. GP). Weder aus dem Wortlaut dieser Bestimmung und der ihr zugrundeliegenden ratio legis, noch aus § 41 Abs. 2 StPO läßt sich ableiten, daß ein Beschuldigter, der während einer ihm für eine Prozeßhandlung offenstehenden Frist die Beigebung eines Verteidigers verlangt, zwingend seine Absicht zum Ausdruck bringen müßte, durch diesen ein Rechtsmittel ausführen oder gegen die Anklageschrift Einspruch erheben zu lassen. Stellt ein Beschuldigter daher innerhalb offener Einspruchsfrist ohne nähere Präzisierung einen Antrag gemäß § 41 Abs. 2 StPO, so beinhaltet dieser im Zweifel das Begehren auf Bestellung eines Verteidigers für sämtliche Prozeßhandlungen, für welche Verfahrenshilfe zulässig ist, mithin auch für die Erhebung eines Einspruchs gegen die Anklageschrift. Dem Gericht obliegt es sodann, nach Klärung allfälliger Zweifelsfragen über Umfang und Bedeutung des gestellten Antrages (§ 3 StPO) darüber zu entscheiden, ob es im Interesse der Rechtspflege, vor allem im Interesse einer zweckentsprechenden Verteidigung gelegen ist, dem Begehren im vollen Umfang stattzugeben oder ob die Verteidigerbestellung nur für die Erhebung eines Einspruches gegen die Anklageschrift oder nur für die Hauptverhandlung und das anschließende Rechtsmittelverfahren zu erfolgen hat. Die gegenteilige Ansicht des Oberlandesgerichtes Linz, daß schon aus dem Antrag gemäß § 43 a StPO ein Bezug zwischen der beantragten Beigebung eines Verteidigers und der laufenden Rechtsmittelfrist hervorgehen müsse und mangels eines Hinweises auf die beabsichtigte Erhebung eines Einspruches gegen die Anklageschrift ein solcher Antrag demnach bloß auf die Hauptverhandlung und das anschließende Rechtsmittelverfahren zu beziehen sei, findet sohin im Gesetz keine Deckung. Im vorliegenden Fall ist demnach davon auszugehen, daß die gemäß § 43 a StPO neu in Gang gesetzte 14-tägige Frist des § 209 Abs. 2 StPO erst mit der Zustellung des maßgeblichen Bescheides an den Verteidiger Rechtsanwalt Dr.Berthold T***-H*** begonnen hat und im Zeitpunkt der Erhebung des Einspruches gegen die Anklageschrift am 28.April 1987 noch nicht versäumt gewesen ist, weshalb in Stattgebung der von der Generalprokuratur gemäß § 33 Abs. 2 StPO erhobene Beschwerde spruchgemäß zu erkennen war.

Anmerkung

E11969

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0140OS00144.87.0930.000

Dokumentnummer

JJT_19870930_OGH0002_0140OS00144_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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