Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Klinger und Dr. Angst als Richter in der Exekutionssache der betreibenden Parteien 1. mj. Thomas G***, geboren am 14. Oktober 1969, und 2. mj. Sylvia G***, geboren am 4. August 1972, beide Schüler, 2120 Wolkersdorf, Waldgasse 18, und vertreten durch den Vater Arpad G***, Angestellter ebendort, dieser vertreten durch Dr. Manfred Melzer und Dr. Erich Kafka, Rechtsanwälte in Wien, wider die verpflichtete Partei Leopoldine K***, Invaliditätspensionistin, 1220 Wien, Kartouschgasse 4/13/6, vertreten durch Dr. Ivo Reidinger, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 44.859,10 sA, infolge Revisionsrekurses der betreibenden Parteien gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 12. Mai 1987, GZ 46 R 184/87-25, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Donaustadt vom 21. Jänner 1987, GZ 13 E 9906/86-21, abgeändert wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die betreibenden Parteien haben die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Den betreibenden Parteien wurde am 14. Dezember 1984 vom Exekutionsgericht zur Hereinbringung ihrer vollstreckbaren Geldforderung an Prozeßkosten von S 44.859,10 die Pfändung und Einziehungsüberweisung der Bezüge der Verpflichteten an Invaliditätspension gegen die P*** DER
A*** als Drittschuldner bewilligt.
Das Erstgericht bestimmte auf Antrag der betreibenden Parteien, daß "der Naturalanspruch der Verpflichteten gegen ihren Ehemann in der Höhe von 40 % seines Einkommens mit ihrem eigenen Einkommen (Invalidenpension) zusammengerechnet" wird, und wies die P*** DER A*** an, den Gesamtbezug der Verpflichteten (außer dem Hilflosenzuschuß) ohne Rücksichtnahme auf das Existenzminimum bis zur Berichtigung der hereinzubringenden Forderung den betreibenden Parteien zu überweisen. Das Erstgericht meinte, nach § 7 Abs 3 LPfG seien zur Ermittlung des pfändbaren Teils des Arbeitseinkommens (§ 5 LPfG) auch Naturalbezüge zu bewerten und anzurechnen. Die Verpflichtete habe bei aufrechter Ehe einen Unterhaltsanspruch gegen ihren Ehemann, der durchschnittlich monatlich rund S 19.000,-- verdiene. Er habe den auf 40 % des Familieneinkommens fehlenden Unterschiedsbetrag zu den Einkünften der Frau an Invaliditätspension von rund S 2.800,-- in Naturalien zu leisten. Durch diese Naturalleistungen werde der unpfändbare Teil des Gesamteinkommens der Verpflichteten abgedeckt. Der Geldbezug an Invaliditätspension unterliege daher nach § 7 Abs 3 und § 5 LPfG voll der Pfändung.
Das Rekursgericht änderte diesen Beschluß über Rekurs der Verpflichteten dahin ab, daß es den Zusammenrechnungsantrag der betreibenden Parteien abwies. Eine Zusammenrechnung finde nach § 7 Abs 3 LPfG nur statt, wenn Arbeitseinkommen zum Teil in Geld, zum Teil in Form von Naturalien gewährt werde, nicht aber bei Zusammentreffen einer Invaliditätspension und eines Anspruches eines Ehegatten auf Naturalunterhalt. Das Rekursgericht sprach aus, daß der Revisionsrekurs zulässig sei, weil zu dem Rechtsproblem keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes vorliege. Die betreibenden Parteien bekämpfen den abändernden Beschluß des Gerichtes zweiter Instanz mit dem Antrag auf Wiederherstellung der Entscheidung des Erstgerichtes und hilfsweise auf Aufhebung und Erteilung des Auftrages zur Verfahrensergänzung und neuen Entscheidung.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist nach § 78 EO, § 528 Abs 2 ZPO und § 502 Abs 4 Z 1 ZPO zulässig. Die Entscheidung über den Zusammenrechnungsantrag der betreibenden Parteien hängt nämlich davon ab, ob mit der Vorschrift des § 7 Abs 3 LPfG nur Naturalbezüge aus einem Arbeitsverhältnis erfaßt werden. Dazu hat der Oberste Gerichtshof, soweit überblickbar, bisher nicht Stellung genommen.
Der Revisionsrekurs ist aber nicht berechtigt.
Inwieweit die Exekution auf Bezüge aus Dienst- und Arbeitsverhältnissen und auf andere Geldforderungen Beschränkungen unterliegt, bestimmte zunächst die Exekutionsordnung im zweiten Abschnitt, zweiter Titel, zweite Abteilung. Mit Wirkung vom 1. Dezember 1940 wurden die Bestimmungen über den Pfändungsschutz für Arbeitseinkommen durch die in der Folge wiederholt geänderten Vorschriften der LohnpfändungsV vom 30. Oktober 1940, DRGBl. 1940 I, 1451 abgelöst, an deren Stelle mit 31. März 1955 das LohnpfändungsG BGBl. 1955/51 trat (Wiederverlautbarung BGBl. 1985/450). In der Bundesrepublik Deutschland wurden die im wesentlichen gleichlautenden Bestimmungen der LohnpfändungsV in die Zivilprozeßordnung aufgenommen (§§ 850 a bis 850 i dZPO). Bei der Anwendung des LohnpfändungsG können daher auch Schrifttum und Judikatur in der Bundesrepublik Deutschland vergleichsweise herangezogen werden (Heller-Berger-Stix 1939 ff).
Nach § 290 EO unterliegen das in Geld zahlbare Einkommen der Beamten, Angestellten und Arbeiter aus Dienst- oder Arbeitsverhältnissen sowie ähnliche Bezüge der Pfändung nur in dem durch das LPfG festgesetzten Umfang. Als Arbeitseinkommen sind alle Bezüge aus einer derzeitigen oder früheren Arbeit anzusehen (§ 1 Abs 2 LPfG). Dem Arbeitseinkommen werden im § 2 LPfG auch Bezüge gleichgestellt, die nicht für eine geleistete Arbeit zustehen, aber in Geld zahlbar sind, wie Zahlungen zum Ausgleich für Wettbewerbsbeschränkungen nach Beendigung eines Dienstverhältnisses, Versorgungsrenten aus Versicherungsverträgen und ohne Rechtsanspruch gewährte Zuwendungen, Zulagen und Versorgungsgenüsse. Nach § 3 LPfG sind bestimmte Bezüge unpfändbar, so etwa der im Rahmen der Sozialversicherung bezogene Hilflosenzuschuß (§ 3 Z 7 LPfG; EvBl 1983/139). Durch die Vorschrift über die bedingt pfändbaren Bezüge regelt § 4 LPfG den Pfändungsschutz von Geldforderungen, die mit einem Arbeitseinkommen oder einem diesem gleichgestellten Bezug nichts zu tun haben: So sind Renten, die wegen einer Körperverletzung zu entrichten sind, Unterhaltsrenten, die auf gesetzlicher Vorschrift beruhen, fortlaufende Einkünfte des Verpflichteten aus Stiftungen oder auf Grund der Fürsorge oder auf Grund eines Ausgedingsvertrages und zu Unterstützungszwecken gewährte fortlaufende Bezüge aus Witwen-, Sterbe-, Hilfs- und Krankenkassen grundsätzlich unpfändbar. Sie können jedoch nach den für Arbeitseinkommen geltenden Vorschriften gepfändet werden, wenn die Pfändung nach den Umständen des Falles der Billigkeit entspricht (§ 4 Abs 2 LPfG). Nach dieser in einem Gesetz über den Pfändungsschutz von Arbeitseinkommen nicht zu erwartenden Regelung im § 4 LPfG ordnet § 5 LPfG an, mit welchen Teilen Arbeitseinkommen nicht der Pfändung unterliegt, durchbricht diese Beschränkung aber im § 6 LPfG zugunsten gesetzlicher Unterhaltsforderungen naher Angehöriger.
In dem folgenden § 7 LPfG wird bestimmt, welche Bezüge bei der Berechnung des pfändbaren Arbeitseinkommens nicht mitzurechnen (Z 1), und daß mehrere Arbeitseinkommen (Z 2) sowie Geld- und Naturalleistungen (Z 3) zusammenzurechnen sind, wenn der Verpflichtete neben seinem in Geld zahlbaren Einkommen auch Naturalleistungen erhält. In diesem Fall ist der in Geld zahlbare Betrag insoweit pfändbar, als der nach § 5 LPfG unpfändbare Teil des Gesamteinkommens durch den Wert der dem Verpflichteten verbleibenden Naturalleistungen gedeckt ist.
Zur Frage der Zusammenrechnung hat der Oberste Gerichtshof in SZ 34/9 ausgesprochen, daß Bezüge, die nach § 4 LPfG bedingt pfändbar sind, ebenso wie Arbeitseinkommen aus mehreren Dienstverhältnissen zusammenzurechnen sind (dort ging es um das Zusammentreffen von Handgeld aus einem Leibrentenvertrag mit einer Blindenrente und einer Elternrente nach dem KOVG). In SZ 39/68 wurde zu § 7 Z 2 LPfG klargestellt, daß die Zusammenrechnung mehrerer Arbeitseinkommen zur Errechnung des pfändungsfreien Teils der Bezüge auch dann stattfindet, wenn nur auf ein Arbeitseinkommen Exekution geführt wird, daß es sich aber, um eine Zusammenrechnung vornehmen zu können, um ein (weiteres) Arbeitseinkommen im Sinne des § 1 Abs 2 LPfG handeln müsse. Die Zusammenrechnung von Geld- und Naturalbezügen (§ 7 Z 3 LPfG) war nur in SZ 13/87 bedeutsam, dort allerdings noch unter der Geltung des § 289 c Abs 2 und § 289 a EO (Reinigungsgeld und Dienstwohnung eines Hausbesorgers). Die im § 7 Z 2 und Z 3 LPfG getroffenen Anordnungen für das Zusammentreffen mehrerer Bezüge sind dahin zu verstehen, daß hier nur von Arbeitseinkommen die Rede ist, mag auch das LPfG systemwidrig in anderen Bestimmungen Regelungen getroffen haben, die mit dem Pfändungsschutz von Arbeitseinkommen nicht in Zusammenhang stehen, also etwa die bedingte Pfändbarkeit gesetzlicher Unterhaltsgeldrenten im § 4 Abs 1 Z 2 LPfG mit dem Pfändungsschutz des § 5 LPfG. Der Regelungszweck des § 7 Z 2 LPfG liegt darin, daß der Gesetzgeber dem Verpflichteten nicht von jedem Arbeitseinkommen erneut den vollen Freibetrag nach § 5 LPfG unpfändbar belassen wollte, sondern nur jenen Betrag, der auch freizulassen wäre, wenn der Verpflichtete nicht mehrere Bezüge, sondern ein einheitliches Arbeitseinkommen hätte. Heller-Berger-Stix (2051) meinen, unter Arbeitseinkommen im Sinne des § 7 Z 2 Satz 1 LPfG seien nicht bloß die in den §§ 1 und 2 LPfG angeführten Bezüge zu verstehen, sondern auch die pfändbaren Bezugsteile nach § 3 LPfG und die Bezüge im Sinne des § 4 Abs 1 LPfG. Die Frage der Zusammenrechnung mehrerer Geldbezüge ist hier aber nicht zu beantworten.
Zum Arbeitseinkommen gehören neben dem in Geld zahlbaren Einkommen auch Naturalleistungen des Dienstgebers. Die Naturalbezüge, soweit sie nicht der Pfändung entzogen sind (vgl. etwa § 291 EO zu Naturalvergütungen der Landarbeiter), sind bei der Berechnung des Freibetrages nach § 5 LPfG zu berücksichtigen, obwohl die Gehaltsexekution als Exekution auf Geldforderungen nicht unmittelbar auf die Sachbezüge geführt wird (Heller-Berger-Stix 2001). Damit soll ebenso wie im § 7 Z 2 LPfG erreicht werden, daß der Pfändungsschutz des § 5 LPfG nicht über Gebühr zukommt. Bezieht der Verpflichtete mehrere Arbeitseinkommen, so ist er bei einer Exekutionsführung auch auf nur einen seiner Bezüge so zu stellen, als hätte er ein einheitliches Einkommen, das sich aus der Zusammenrechnung seiner Einkünfte ergibt. Bezieht der Verpflichtete Arbeitseinkommen in Geld und Naturalien, so wird er bei der Exekution auf den Geldbezug so gestellt, daß der Wert der Naturalleistungen der Geldleistung zugeschlagen wird und sein Geldbezug insoweit pfändbar ist, als der unpfändbare Teil des Gesamteinkommens durch den Wert der ihm verbleibenden Naturalleistungen gedeckt ist (§ 7 Z 3 LPfG).
Nicht nach § 7 Z 2 LPfG zusammenzurechnen sind aber Arbeitseinkommen und andere Einkünfte, etwa aus selbständiger Tätigkeit, Gewerbeausübung oder Kapital. Ebensowenig kann nach § 7 Z 3 LPfG eine Zusammenrechnung von in Geld zahlbarem Einkommen, hier der Invaliditätspension der Verpflichteten, mit Naturalleistungen stattfinden, die sie nicht im Zusammenhang mit einem Arbeitseinkommen, sondern auf Grund des § 94 ABGB erhält oder beanspruchen kann, nachdem weiterhin der Ehegattenunterhalt bei aufrechter Haushaltsgemeinschaft vor allem durch Naturalleistung zu gewähren ist. Es handelt sich dabei nicht um eine nach § 4 Abs 1 Z 2 LPfG unter bestimmten Voraussetzungen (§ 4 Abs 2 LPfG) pfändbare Unterhaltsrente. Es kann hier offen bleiben, ob sonst eine Zusammenrechnung bei Zusammentreffen eines Arbeitseinkommens mit einem Geldbezug nach § 4 Abs 1 LPfG stattzufinden hat.
Durch § 7 Z 3 LPfG werden nur solche Naturalleistungen bei Errechnung des pfändungsfreien Teils des Geldeinkommens berücksichtigt, die aus einem Arbeitsverhältnis stammen, nicht aber der Naturalunterhalt auf Grund eherechtlichen Anspruches. Auch im deutschen Schrifttum wird zu der dem § 7 Z 3 LPfG fast wortgleichen Vorschrift des § 850 e Z 3 dZPO keine andere Meinung vertreten, als daß Geld- und Naturalleistungen, die von einem oder mehreren Arbeitgebern geleistet werden, bei der Berechnung zusammen berücksichtigt werden (vgl. Baumbach-Lauterbach-Albers-Hartmann, dZPO45 § 850 e Z 3 dZPO Bem. 3; Stein-Jonas,
dZPO20 § 850 e Z 3 dZPO Rz 71; Stöber, Forderungspfändung7 Rz 1165). Nur zu der Frage, inwieweit der Taschengeldanspruch des nicht erwerbstätigen Ehegatten gegen den anderen pfändbar ist und ob dann die Naturalleistung bei der Berechnung der Pfändungsfreigrenzen zu veranschlagen ist, besteht in der deutschen Lehre und Rechtsprechung ein Meinungsstreit (vgl. Anm. von Ackmann in dFamRZ 1983, 520). Bei der Exekution auf Arbeitseinkommen des Verpflichteten sind demnach Naturalbezüge an Ehegattenunterhalt auf den pfändungsfreien Teil des Bezuges ebensowenig anzurechnen wie sonstige Vorteile, die dem Verpflichteten zufließen, die aber nicht zu den vom Pfändungsschutz des LPfG erfaßten Bezügen gehören.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 78 EO und den §§ 40 und 50 ZPO.
Anmerkung
E12045European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1987:0030OB00106.87.1007.000Dokumentnummer
JJT_19871007_OGH0002_0030OB00106_8700000_000