TE OGH 1987/10/8 6Ob653/87

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Veröffentlicht am 08.10.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Melber, Dr. Schlosser und Dr. Redl als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj. Brigitte N***, geboren am 20. August 1975, und der mj. Heidelinde N***, geboren am 21. Oktober 1977, infolge Revisionsrekurses der Verlassenschaft nach dem ehelichen Vater Ernst N***, gestorben am 7. Juli 1986, Pensionist, zuletzt 4060 Leonding, Gewerbegasse 6, vertreten durch Dr. Peter Wagner, Rechtsanwalt in Linz, gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Steyr als Rekursgerichtes vom 3. April 1987, GZ R 166/86-52, womit der Rekurs gegen den Beschluß des Bezirksgerichtes Enns vom 10. Juli 1986, GZ P 101/85-37, zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben und dem Rekursgericht die Entscheidung in der Sache aufgetragen.

Text

Begründung:

Der eheliche Vater Ernst N*** wurde im Pflegschaftsverfahren seit 10. Februar 1986 (ON 27) von Rechtsanwalt Dr. Peter W*** aufgrund einer diesem am 27. Jänner 1986 erteilten Vollmacht vertreten. Mit Beschluß vom 27. Mai 1986 bestellte das Bezirksgericht Linz-Land für den Vater Reinhard S*** zum Sachwalter zwecks Besorgung aller Angelegenheiten

(§ 273 Abs. 3 Z 3 ABGB). Am 7. Juli 1986 ist der Vater verstorben. Mit Beschluß vom 10. Juli 1987 erhöhte das Erstgericht die monatliche Unterhaltsverpflichtung des Vaters für die mj. Brigitte ab 1. Dezember 1985 von S 1.000,-- auf S 1.515,-- und setzte vom selben Tag an den vom Vater für die mj. Heidelinde zu leistenden Unterhalt mit monatlich S 1.247,-- fest; ein Mehrbegehren der Mutter Klara E***, der die elterlichen Rechte und Pflichten übertragen sind, wies es ab.

Über den von Rechtsanwalt Dr. Peter W*** namens der Verlassenschaft nach dem Vater erhobenen Rekurs gegen diesen Beschluß beauftragte das Gericht zweiter Instanz das Erstgericht mit der Einleitung des Verfahrens gemäß den §§ 6 ff ZPO, weil der Nachlaß prozeßunfähig sei. Namens der im Verlassenschaftsverfahren nach dem Vater erbserklärten Alleinerbin Klara E*** gab deren Machthaber Notar Dr. Hermann S*** die Erklärung ab, daß der Rekurs gegen den Unterhaltsbeschluß nicht genehmigt werde (ON 49). Das Gericht zweiter Instanz wies den Rekurs der Verlassenschaft nach dem Vater zurück. Es führte aus, Rechtsmittelwerber sei der zwar von einem Rechtsanwalt wirksam vertretene, aber noch prozeßunfähige Nachlaß, der somit trotz der Bevollmächtigung eines Rechtsanwaltes einer besonderen Vertretung bedürfe. Ein Verbesserungsversuch sei gescheitert. Es sei daher davon auszugehen, daß das Rechtsmittel von einer prozeßunfähigen Partei erhoben sei. Verfahrensrechtliche Rechtshandlungen der prozeßunfähigen Partei könnten aber - von hier nicht in Betracht zu ziehenden Ausnahmen abgesehen - nicht zu Sachentscheidungen eines Gerichtes führen.

Rechtliche Beurteilung

Der namens der Verlassenschaft nach dem Vater von Rechtsanwalt Dr. Peter W*** gegen den rekursgerichtlichen Beschluß erhobene Revisionsrekurs ist zulässig, weil das Gericht zweiter Instanz eine Sachentscheidung aus verfahrensrechtlichen Gründen abgelehnt hat (EFSlg. 49.906 uva), und auch berechtigt.

Die Bestimmung des § 35 ZPO, wonach die Vollmacht durch den Tod des Machtgebers nicht erlischt (Abs. 1), jedoch von dessen Rechtsnachfolgern jederzeit widerrufen werden kann (Abs. 2), ist im Verfahren außer Streitsachen sinngemäß anzuwenden (EvBl. 1975/110). Der ruhende Nachlaß wird, soweit - wie im vorliegenden Fall - noch kein anderer Vertreter bestellt ist, vom bevollmächtigten Rechtsanwalt noch aufgrund der vom Erblasser erteilten und für die Zeit nach seinem Tode auch für die Erben wirksamen (Prozeß-)Vollmacht uneingeschränkt vertreten, ohne daß es etwa einer abhandlungsgerichtlichen Genehmigung bedürfte (EvBl. 1967/267; EvBl. 1961/96 ua; Ehrenzweig, System2, I/1, 283). Die vom Rekursgericht aufgeworfene Frage nach der Prozeßunfähigkeit des ruhenden Nachlasses stellt sich jedenfalls für das vorliegende Verfahren schon deshalb nicht, weil der Nachlaß im Umfang der Vollmachtserteilung an Rechtsanwalt Dr. Peter W*** ohnedies einen Vertreter hat.

Daß der Erbenmachthaber das Rechtsmittel der Verlassenschaft an die zweite Instanz nicht "genehmigt" hat, läßt die Wirksamkeit des Rekurses unberührt. Der Rekurs war wirksam eingebracht worden und bedurfte keiner Genehmigung. Der erbserklärten Alleinerbin bliebe es lediglich anheimgestellt, die Vollmacht des Einschreiters Rechtsanwalt Dr. Peter W*** zu widerrufen bzw. das Rechtsmittel zurückzunehmen.

Das Gericht zweiter Instanz wird daher über das Rechtsmittel der Verlassenschaft nach dem Vater in der Sache zu entscheiden haben.

Anmerkung

E12090

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0060OB00653.87.1008.000

Dokumentnummer

JJT_19871008_OGH0002_0060OB00653_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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