Index
E6J;Norm
62001CJ0456 Henkel;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Rigler und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Weiss, über die Beschwerde der S in V (Schweiz), vertreten durch Dr. Maximilian Eiselsberg, Dr. Dieter Natlacen, Dr. Georg Walderdorff, Dr. Raimund Cancola, Mag. Claudia Steegmüller, Mag. Wolfgang Kapek, Dr. Martin Prohaska-Marchried, Mag. Martin Eckel und Dr. Alexander Scheitz, Rechtsanwälte in 1030 Wien, Schwarzenbergplatz 7, gegen den Bescheid des Österreichischen Patentamtes, Beschwerdeabteilung, vom 18. Februar 2003, Bm 33/2001- 2, IR 943/96, betreffend Verweigerung des Schutzes einer Marke, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 51,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Österreichischen Patentamtes, Beschwerdeabteilung, vom 18. Februar 2003 wurde der von der Beschwerdeführerin am 26. April 1995 beim Internationalen Büro der Weltorganisation für geistiges Eigentum in Genf hinterlegten Marke Nr. 637 409 der Schutz in Österreich verweigert.
Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Beschwerdeführerin sei Inhaberin der mit Unionspriorität vom 26. März 1995 für näher bezeichnete Waren der Klasse 30 beanspruchten Marke Nr. 637 409, die mit dem Zusatz "Marque plastique" und einer - im angefochtenen Bescheid bildlich wiedergegebenen - Darstellung im internationalen Register eingetragen sei. Bei dieser Marke handle es sich um eine dreidimensionale Marke, wobei zwei Seiten desselben Körpers abgebildet seien. Der "Körper" sei ein weißgrauer Zylinder (hohl zur Aufnahme des zu verpackenden Gutes) in einem Querschnitts-Höhenverhältnis von etwa 1:5 und weise an beiden Enden in die Röhre versenkte Verschlussstopfen auf. Hinsichtlich der Frage der Unterscheidungs- und Kennzeichnungskraft von dreidimensionalen Marken in Form von Verpackungen und Umhüllungen sei festzuhalten, dass Behältnisse nicht die generelle Vermutung für sich hätten, vom Verkehr als Marken angesehen zu werden. Behältnisformen könnten lediglich dann als Unternehmenshinweis angesehen werden, wenn in der betreffenden Branche die Übung, mit der Form dieses Behältnisses die Herkunft aus einem Unternehmen zu kennzeichnen, und die Akzeptanz dieser Übung durch die Zeichenadressaten glaubhaft gemacht werden könnten. Dreidimensionale Zeichen könnten umso weniger herkunftshinweisend sein, je näher sie der Grundform vergleichbarer anderer Verpackungsformen auf dem jeweiligen Warengebiet kämen. Eine Bescheinigung der Verkehrsgeltung könne ausnahmsweise nur dort entfallen, wo die Form des Behältnisses sich überdeutlich von den in der Branche üblichen Formen unterscheide, das hieße besonders eigenartig bzw. nicht technischfunktionell bedingt sei. Der Verpackung einer Ware könne nicht bereits von vornherein jede Unterscheidungskraft abgesprochen werden. Die Verpackung müsse selbst eine hinreichend eigenartige und einprägsame Ausgestaltung aufweisen, also eine Originalität, die von der technischen oder ästhetisch notwendigen oder von der allgemein verwendeten Verpackungsform abweiche. Für die Anerkennung einer Verpackung bzw. eines Behältnisses als Marke sei maßgebend, ob die angesprochenen Verbraucher sich angesichts der originellen Gestaltung dieses Behältnisses auch an deren Form und nicht nur am Etikett orientierten und sie als Hinweis auf die Herkunft des Erzeugnisses auffassten. Die in der von der Beschwerdeführerin angeführten internationalen Marke dargestellte Rolle habe demgegenüber keine Auffälligkeiten an sich, die von den beteiligten Verkehrskreisen anders als technisch-funktionell bedingt oder als bloße Verzierung oder Design angesehen würden bzw. beschreibenden Charakter hätten. Von der Beschwerdeführerin erkannte "charakteristisch formgebende Einzelheiten" könnten nicht erkannt werden. Der in das Körperinnere zurückgezogene Verschluss sei jedenfalls rein technisch-funktionell bedingt, weil nicht zu ersehen sei, wie man eine Röhre verstopfen könne, ohne einen Stopfen in die Röhre hineinragen zu lassen. Es sei davon auszugehen, dass Konsumenten, denen rollenförmige Verpackungen mit Verschlussstopfen insbesondere im Zusammenhang mit dem Versand von Papierwaren bekannt seien, bei der "In-Augenscheinnahme" einer solchen Verpackung eines Süßwarenprodukts grundsätzlich und ausschließlich an "Verpackung" denken würden, nicht aber an einen Herkunftshinweis. Daher sei keine Unterscheidungskraft gemäß § 4 Abs. 1 Z 3 Markenschutzgesetz gegeben. Die Beschwerdeführerin habe im erstinstanzlichen Verfahren zwar andeutungsweise die Erbringung eines Verkehrsgeltungsnachweises gemäß § 4 Abs. 2 Markenschutzgesetz versucht, diesen Weg im Beschwerdeverfahren aber nicht mehr konsequent weiterverfolgt. Die zum Nachweis der Verkehrsgeltung vorgelegten - näher beschriebenen - Unterlagen seien jedenfalls als Beweismittel nicht ausreichend bzw. überhaupt ungeeignet; weitere Beweismittel habe die Beschwerdeführerin nicht angeboten. Die vorgelegten Unterlagen bezögen sich entweder auf einen Zeitpunkt, der zwei bzw. vier Jahre nach dem relevanten Zeitpunkt liege, oder seien zwar geeignet, ein großes Verkaufs- und Werbevolumen zu dokumentieren, ohne jedoch nachzuweisen, dass die entsprechenden Produkte des Warenverzeichnisses in der markengemäßen Rolle verpackt würden. Es sei vielmehr anzunehmen, dass die von der Beschwerdeführerin im Verkehr verwendeten Verpackungen neben einer Rollenform auch eine zusätzliche schriftbildliche Kennzeichnung aufwiesen und von den Konsumenten anhand der Aufschrift erkannt und von gleichartigen Produkten der Konkurrenten unterschieden würden. Da für die angemeldete Marke weder eine originelle Gestaltung mit einem entsprechenden phantasievollen Überschuss, den die Konsumenten als herkunftsweisend auffassen könnten, festzustellen sei, noch der Nachweis der Verkehrsgeltung gemäß § 4 Abs. 2 Markenschutzgesetz erbracht worden sei, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
1. Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid im "Recht auf Zulassung der angemeldeten internationalen Marke IR 637 409 zur Registrierung im Österreichischen Markenregister" verletzt. Sie bringt hiezu im Wesentlichen vor, auf Grund der Neufassung des § 1 Markenschutzgesetz durch die Markenrechtsnovelle 1999 könnten auch "die Form oder Aufmachung einer Ware" Zeichen und damit Gegenstand einer Marke iSd § 1 Markenschutzgesetz sein. Von der Registrierung seien gemäß § 4 Abs. 1 Z 3 Markenschutzgesetz lediglich solche Zeichen ausgeschlossen, die keine Unterscheidungskraft hätten. Die novellierte Bestimmung entspreche wortgleich Art. 3 Abs. 1 lit. b der Richtlinie 89/104/EWG wie auch Art. 7 Abs. 1 lit. b der Verordnung (EG) Nr. 40/94 über die Gemeinschaftsmarke, wobei davon auszugehen sei, dass die Hauptfunktion der Marke darin bestehe, dem Verbraucher (Endabnehmer) die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Ware zu garantieren. Der Form der Verpackung einer Ware könne daher nicht bereits von sich aus jegliche Unterscheidungskraft abgesprochen werden. Vielmehr müsse nur die Verpackung selbst eine hinreichend eigenartige und einprägsame Ausgestaltung aufweisen, also eine Originalität, die von der technisch oder ästhetisch notwendigen oder der allgemein verwendeten Form abweiche. Der von der belangten Behörde angelegte Maßstab, die Form des Behältnisses müsse sich überdeutlich von den in der Branche üblichen Formen unterscheiden, stehe in einem krassen Widerspruch zur Rechtsprechung des Harmonisierungsamtes für den Binnenmarkt, wo der Maßstab für das Vorliegen von Unterscheidungskraft bedeutend niedriger angelegt worden sei. So sei in einem - näher bezeichneten - Fall ausgesprochen worden, dass eine plastische Form an sich dazu geeignet sein könne, im Verkehr Unterscheidungsfunktion auszuüben. Es reiche aus, wenn die dreidimensionale Form in einem beliebigen theoretisch vorstellbaren Fall zur Unterscheidung geeignet sei. Eine abstrakte Unterscheidungseignung könne einer Marke nur abgesprochen werden, wenn unter allen Umständen ausgeschlossen werden könne, dass das Zeichen in der Lage sei, als Hinweis auf die betriebliche Herkunft von Waren oder Dienstleistungen oder überhaupt zur Produktidentifikation zu dienen. Dass die in Rede stehende Marke der Beschwerdeführerin aber nicht in der Lage wäre, auf die betriebliche Herkunft der damit gekennzeichneten Waren (S-Zuckerl) aus dem Unternehmen der Beschwerdeführerin hinzuweisen, könne nicht gesagt werden. Vielmehr ließen sich hier eindeutige Merkmale feststellen, die der Gestaltungsform der Verpackung herkunftshinweisende Funktion zukommen ließen. So zeige die Verpackung an den Körperenden jeweils einen in das Körperinnere zurückgezogenen Verschluss, der zwar, wie die meisten Verpackungen, auch funktionalen Charakter besitze. Der dadurch bewirkte Gesamteindruck diene jedoch dazu, die charakteristische S-Verpackung von den Verpackungsformen der Mitbewerber zu unterscheiden. Die Mitbewerber hätten die Eigenart und Unterscheidungsfähigkeit der S-Verpackung für die Produkte der Beschwerdeführerin erkannt und davon abgesehen, für ihre Erzeugnisse eine ähnliche Verpackung zu wählen. Die Ausführungen der belangten Behörde, dass der Verschluss rein technischfunktional bedingt sei, weil nicht zu ersehen sei, wie man eine Röhre verstopfen könne, ohne einen Stopfen in die Röhre hineinragen zu lassen, übersehe, dass andere - näher genannte - Verschlussmöglichkeiten denkbar seien. Der von der Beschwerdeführerin gewählte, ins Körperinnere zurückgezogene Verschluss sei in Design und Gestaltung einzigartig und nicht bloß technisch-funktional zu bewerten. Gerade in der Markenartikelbranche und im Besonderen bei Lebensmitteln sei es üblich, dass mit der Form einer Verpackung auch die Herkunft aus einem Unternehmen gekennzeichnet werde. Dies wüssten und akzeptierten die beteiligten Verkehrskreise. An Hand der charakteristischen Aufmachung würden schon Kleinkinder erkennen, dass es sich bei der in der gegenständlichen Marke abgebildeten Verpackung um jene der " S-Zuckerln" handle. Auch nach den Erläuterungen zur Markenrechtsnovelle 1999 reiche schon eine geringe Unterscheidungskraft aus, die Registrierbarkeit eines Zeichens zu begründen. Infolge der unrichtigen rechtlichen Beurteilung der in § 4 Abs. 1 Z 3 Markenschutzgesetz angesprochenen Unterscheidungskraft habe die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet.
3. Gemäß § 4 Abs. 1 Z 3 Markenschutzgesetz sind Zeichen, die keine Unterscheidungskraft haben, von der Registrierung ausgeschlossen.
Gemäß § 4 Abs. 2 Markenschutzgesetz wird die Registrierung jedoch im Fall des Abs. 1 Z 3 leg. cit. zugelassen, wenn das Zeichen innerhalb der beteiligten Verkehrskreise vor der Anmeldung infolge seiner Benutzung Unterscheidungskraft im Inland erworben hat.
4. Hinsichtlich § 4 Abs. 1 Z 3 Markenschutzgesetz gleicht der vorliegende Beschwerdefall in den für die Entscheidung relevanten Umständen jenem, der bereits mit hg. Erkenntnis vom 23. April 2003, Zl. 2001/04/0105, entschieden wurde.
Aus der zwischenzeitlich ergangenen Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) hat sich keine Änderung der Rechtslage ergeben (vgl. etwa das Urteil des EuGH vom 29. April 2004 in den verbundenen Rechtssachen C-743/01 P und C-474/01 P, Procter & Gamble, Slg. 2004, Rn. 32 und 33, sowie ebenso vom 29. April 2004 in den verbundenen Rechtssachen C- 456/01 P und C-457/01 P, Henkel, Slg. 2004, Rn. 34 und 35, und vom 7. Oktober 2004 in der Rechtssache C-136/02 P, Mag Instrument, Slg. 2004, Rn. 19 und 20).
Daher kann gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf die Begründung des zitierten hg. Erkenntnisses vom 23. April 2003 verwiesen werden. Nach dieser ist auch im vorliegenden Fall der Auffassung der Beschwerdeführerin, der Verschluss (der als dreidimensionale Marke beantragten Rolle) bewirke einen Gesamteindruck der Verpackung, der diese als eine für die Waren der Beschwerdeführerin charakteristische und von Verpackungen der Mitbewerber unterscheidbare Verpackungsform erkennen lasse, nicht zu folgen, zumal der im dortigen Beschwerdefall relevante Aufdruck farbiger linsenförmiger Körper auf der in der Marke dargestellten Rolle (dem vom Verwaltungsgerichtshof die Eignung, den Verbraucher auf die Herkunft der solcher Art aufgemachten Ware hinzuweisen, nicht abgesprochen werden konnte) im vorliegenden Fall nicht Teil der beantragten dreidimensionalen Marke ist.
5. Was schließlich die Frage des Verkehrsgeltungsnachweises nach § 4 Abs. 2 Markenschutzgesetz anbelangt, so lässt die Beschwerde jegliches Vorbringen zu den Ausführungen der belangten Behörde, die von der Beschwerdeführerin im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegten Beweismittel für den Nachweis der Verkehrsgeltung seien nicht ausreichend bzw. geeignet gewesen, vermissen.
6. Die sich somit als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 14. September 2005
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2005:2003040073.X00Im RIS seit
18.10.2005Zuletzt aktualisiert am
31.10.2011