Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Angst sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr. Franz Köck und Karl Siegfried Pratscher als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Siegfried J***, Pensionist, 4020 Linz, Makartstraße 25, vertreten durch die Sachwalterin Monika F***, Sozialarbeiterin, 4020 Linz, Starhembergstraße 12, diese vertreten durch Dr. Bruno Binder und Dr. Helmut Blum, Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagte Partei P*** DER A*** (Landesstelle Linz),
1092 Wien, Roßauer Lände 3, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen 1.722 S, infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 29. Jänner 1987, GZ 13 Rs 16/87-9, womit der Beschluß des Schiedsgerichtes der Sozialversicherung für Oberösterreich in Linz vom 18. September 1986, GZ. 10 C 223/86-5 (nunmehr 12 Cgs 162/87 des Landesgerichtes Linz), bestätigt wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei hat die Kosten des Revisionsrekurses selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Der Kläger bezieht von der Beklagten seit 1.12.1985 eine Invaliditätspension, deren Höhe im Jahre 1986 einschließlich der Ausgleichszulage von 819,70 S monatlich brutto 4.672 S, nach Abzug des Krankenversicherungsbeitrages von 140,20 S netto 4.531,80 S betrug.
Im Juni 1986 ersuchte Karl U***, konzessioniertes
Inkassobüro und Auskunftei KG, unter Hinweis auf die vom Kläger zur Abdeckung einer angeblichen Forderung von 29.375,69 S erfolgte Abtretung auch der Pensionsforderung um "Genehmigung dieser freiwilligen Abtretung" und Überweisung der nach dem Lohnpfändungsgesetz pfändbaren Beträge, allenfalls um Vormerkung. Mit an den Kläger zu Handen seiner damaligen einstweiligen Sachwalterin für die Empfangnahme und Verwaltung der Pension, Margit P***, gerichtetem Schreiben vom 30.6. bzw. 1.7.1986 teilte die Beklagte mit, der Kläger habe seine exekutionsfähigen Bezüge dem genannten Inkassobüro abgetreten. Dem Ersuchen des Kreditgebers zur Übertragung der Pensionsbezüge gemäß § 98 Abs 2 ASVG werde stattgegeben. Ab 1.7.1986 erfolge die Überweisung des pfändbaren Teiles der Pension von derzeit monatlich 861 S auf das Konto des Inkassobüros. Die an den Kläger anzuweisende Leistung vermindere sich daher ab 1.7.1986 auf monatlich 3.670,80 S.
Mit einem Schreiben vom selben Tag teilte die Beklagte dem genannten Inkassobüro mit, daß dessen Ersuchen zur Übertragung der Pensionsbezüge gemäß § 98 Abs 2 ASVG stattgegeben und der pfändbare Teil der Pension von derzeit monatlich 861 S ab 1.7.1986 auf das Konto des Inkassobüros überwiesen werde.
Mit Beschluß des Bezirksgerichtes Linz vom 13.6.1986, 2 SW 1/86, wurde Monika F*** gemäß § 273 ABGB zur Sachwalterin des Klägers mit dem Aufgabenkreis ua seiner Einkommens- und Vermögensverwaltung bestellt. Mit der Rechtskraft dieses Beschlusses wurde die einstweilige Sachwalterin Margit P*** ihrer Funktion enthoben. Von diesem Beschluß wurde die Beklagte am 3.7.1986 verständigt. Mit Schreiben vom 10.7.1986 verständigte die Beklagte die Sachwalterin Monika F***, daß die Pensionsleistung, die monatlich (brutto) 4.672 S betrage, wovon der Krankenversicherungsbeitrag von 140,20 S und der "Fremdabzug-Exekution" von 861 S abgezogen würden, weiterhin auf das bisherige Konto anzuweisen sei.
Unter Bezugnahme auf die Schreiben der Beklagten vom 30.6./1.7.1986 und 10.7.1986 teilte die Sachwalterin der Beklagten mit einem am 24.7.1986 eingegangenen Schreiben vom 17.7.1986 mit, daß sie dem Abtretungsvertrag nicht zustimme, weil der Kläger geschäftsunfähig gewesen sei. Sie ersuchte, den gesamten Pensionsbetrag auf das vom Gericht bestimmte Konto zu überweisen. Am 28.7.1986 teilte die Beklagte der Sachwalterin telefonisch mit, daß sie die Zustimmung zur Übertragung der Pensionsbezüge gemäß § 98 Abs 2 ASVG erteilt habe und daher die Abzüge weiterhin tätigen müsse. Die Zustimmung sei im Interesse des Pensionisten erfolgt, um Exekutionskosten zu vermeiden. Eine Einstellung könne nur durch Gerichtsbeschluß oder mit Zustimmung des Inkassobüros erfolgen. Die Sachwalterin erklärte, sie werde weitere Schritte unternehmen. Am 18.8.1986 brachte der durch die Sachwalterin vertretene Pensionist gegen die Beklagte beim Schiedsgericht der Sozialversicherung für Oberösterreich in Linz eine Klage auf Zahlung von 1.722 S ein. Die Beklagte habe im Juli und August 1986 von seiner Invaliditätspension je 861 S nicht ihm ausgezahlt, sondern unter Anerkennung einer unwirksamen Zession an das Inkassobüro Karl U*** überwiesen.
Das Schiedsgericht wies das Klagebegehren zurück, weil es die in den Einwendungen der Beklagten vertretene Rechtsmeinung teilte, daß es sich um keine Leistungssache im Sinne des § 354 ASVG handle. Seinen auf Aufhebung dieses Zurückweisungsbeschlusses gerichteten Rekurs begründete der Kläger im wesentlichen damit, die von der Beklagten vorgenommenen Abzüge hätten den Umfang seiner Pension verringert, weshalb es sich um eine Leistungssache im Sinne des § 354 Z 1 ASVG handle.
Das Oberlandesgericht Linz als Rekursgericht gab dem Rekurs nicht Folge.
Nach seiner Meinung geht es nicht um die Feststellung des Bestandes, des Umfanges oder des Ruhens eines Anspruchs auf die Invaliditätspension, sondern bloß um Auszahlungsmodalitäten, weshalb es sich nicht um eine Leistungssache im Sinne des § 354 Z 1 ASVG handle. Die Klage sei aber auch deshalb unzulässig, weil eine bescheidmäßige Erledigung nach § 383 Abs 2 lit a ASVG fehle. Das Erstgericht habe daher die Klage mangels sachlicher Zuständigkeit mit Recht zurückgewiesen.
Aufgrund des hg. Beschlusses vom 16.6.1987, 10 Ob S 5/87, berichtigte das Oberlandesgericht Linz seinen Beschluß am 30.7.1987 durch den Ausspruch, daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof nach § 46 Abs 2 Z 1 ASGG zulässig ist und begründete dies damit, daß der im Gesetz nicht eindeutig gelösten entscheidenden Rechtsfrage wegen der fehlenden Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs erhebliche Bedeutung zukomme.
Gegen den Beschluß des Rekursgerichtes richtet sich der auf Abänderung, allenfalls Aufhebung abzielende Revisionsrekurs des Klägers.
Das Rechtsmittel ist zulässig, weil die Voraussetzungen des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO bzw. des § 46 Abs 2 Z 1 ASGG vorliegen.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist aber nicht berechtigt.
Leistungssachen sind nach § 354 Z 1 ASVG die Angelegenheiten, in denen es sich um die Feststellung des Bestandes, des Umfanges oder des Ruhens eines Anspruches auf eine Versicherungsleistung.......handelt.
Nach dem bis 31.12.1986 geltenden § 371 Z 1 ASVG waren die Schiedsgerichte in erster Instanz ausschließlich zur Entscheidung über Streitigkeiten in Leistungssachen nach § 354 ASVG zuständig. Nach § 65 Abs 1 Z 1 ASGG sind Sozialrechtssachen Rechtsstreitigkeiten über den Bestand, den Umfang oder das Ruhen eines Anspruchs auf Versicherungsleistungen....
Nach dem bis 31.12.1986 geltenden § 383 Abs 2 ASVG konnte eine Klage in einer Leistungssache nach § 354 Z 1 leg.cit. nur erhoben werden, a) wenn der Versicherungsträger über den gegenständlichen Anspruch.....bereits mit Bescheid entschieden hatte oder b) wenn er den Bescheid....innerhalb von 9 Monaten .....nach Einbringung des Antrages auf Zuerkennung von Leistungen....nicht erlassen hatte. Auch nach dem seit 1.1.1987 geltenden § 67 Abs 1 ASGG darf in einer Leistungssache nach § 65 Abs 1 Z 1....
leg.cit. - vorbehaltlich des (hier nicht in Frage kommenden) § 68 ASGG - vom Versicherten eine Klage nur erhoben werden, wenn der Versicherungsträger 1. darüber bereits mit Bescheid entschieden hat oder 2. den Bescheid nicht innerhalb von 6 Monaten - handelt es sich um Leistungen aus der Krankenversicherung nicht innerhalb von 3 Monaten - erlassen hat a) nach dem Eingang des Antrags auf Erlassung eines Bescheides, wenn ein solcher nur auf ausdrückliches Verlangen zu erlassen ist (§ 367 Abs 1 Z 2 ASVG); b) sonst nach dem Eingang des Antrags auf Zuerkennung der Leistung bzw. auf Feststellung von Versicherungszeiten der Pensionsversicherung. Mangels der im § 383 Abs 2 ASVG genannten Klage-(Prozeß-)Voraussetzungen war die Klage wegen Unzulässigkeit des schiedsgerichtlichen Rechtsweges in jeder Lage des Verfahrens mit Beschluß zurückzuweisen.
Wird eine Klage erhoben, obwohl unter anderem die im § 67 Abs 1 ASGG genannten Voraussetzungen nicht vorliegen, so ist sie nach § 73 ASGG in jeder Lage des Verfahrens mangels der Verfahrensvoraussetzung der Rechtswegzulässigkeit zurückzuweisen (Kuderna, ASGG § 67 Erl.5, § 73 Erl.1 und 2).
In diesem Rechtsstreit geht es nicht um den Bestand, den Umfang oder das Ruhen der dem Kläger seit 1.12.1985 zuerkannten Invaliditätspension und damit nicht um die vom beklagten Versicherungsträger bescheidmäßig zu entscheidende Kernfrage der Gewährung oder Nichtgewährung dieser Versicherungsleistung (Tomandl, Grundriß des österreichischen Sozialrechts3 Rz 265). Es geht vielmehr ausschließlich um die Frage, ob ein Teil der dem Grunde und der Höhe nach unbestrittenen Pension des Klägers diesem bzw. seiner Sachwalterin oder einem allfälligen Zessionar auszuzahlen ist. Die Überprüfung der Auszahlung einer zuerkannten Leistung ist aber keine Leistungssache (Kuderna, ASGG § 65 Erl.3; ähnlich Fasching in Tomandl, SV-System 3.ErgLfg 710; OLG Wien 9.6.1961 SSV 1/122; ähnlich auch OLG Wien 22.11.1963, SSV 3/174). Schon deshalb hat das Rekursgericht dem gegen die Zurückweisung seiner Klage gerichteten Rekurs des Klägers mit Recht nicht Folge gegeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.
Anmerkung
E12407European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1987:010OBS00069.87.1020.000Dokumentnummer
JJT_19871020_OGH0002_010OBS00069_8700000_000