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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
GewO 1994 §74 Abs2 Z2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Rigler, Dr. Bayjones und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Weiss, über die Beschwerde der C in W, vertreten durch Dr. Longin Josef Kempf und Dr. Josef Maier, Rechtsanwälte in 4722 Peuerbach, Steegenstraße 3, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 12. März 2004, VwSen-530073/2/Kon/Ni, betreffend Genehmigung der Änderung einer gewerblichen Betriebsanlage (mitbeteiligte Partei: Lagerhausgenossenschaft E reg. Gen m.b.H. in E), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 12. März 2004 wurde der mitbeteiligten Partei die gewerbebehördliche Genehmigung für die Änderung und den nachfolgenden Betrieb einer näher beschriebenen gewerblichen Betriebsanlage (Lagerhausbetriebsanlage) durch Errichtung einer öffentlichen Tankstelle, einer Getreide- und Baustofflagerhalle sowie einer Verkürzung des Anschlussgleises einer Lokalbahn nach Maßgabe näher bezeichneter Projektunterlagen unter Einhaltung von im Einzelnen genannten Auflagen erteilt. Hiezu wurde nach Darstellung des Verfahrensganges im Wesentlichen ausgeführt, die von der Erstbehörde eingeholten Gutachten eines lärm-, maschinenbau- und luftreinhaltetechnischen sowie eines medizinischen Amtssachverständigen seien nachvollziehbar und schlüssig. Eine Beeinträchtigung der durch die GewO 1994 geschützten Interessen sei demnach nicht zu erwarten, die beantragte Änderung der Betriebsanlage daher genehmigungsfähig. Die Einwände der Beschwerdeführerin seien durch keine - im Verhältnis zu den Gutachten - gleichwertigen Argumente gedeckt und könnten keine Zweifel an der Richtigkeit der gutachtlichen Aussagen der beigezogenen Amtssachverständigen hervorrufen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte. Die mitbeteiligte Partei beteiligte sich am verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in den ihr durch die GewO 1994 gewährleisteten Nachbarrechten verletzt. Sie bringt hiezu im Wesentlichen vor, die belangte Behörde habe ihrer Beurteilung nicht sämtliche auf den Betrieb der geänderten Betriebsanlage zurückzuführende Immissionen zu Grunde gelegt. So sei nicht berücksichtigt worden, dass sich im Einfahrtsbereich der Tankstelle kein ausreichender Rückstauraum befinde, sodass es vielfach zu Staus auf der B 129 mit der Folge erhöhter Lärm- und Abgasemissionen kommen werde. Nicht berücksichtigt habe die belangte Behörde auch den Summationseffekt, zu dem es durch den gleichzeitigen Betrieb des (bewilligten) Baumarktes, der Lagerhallen und der Tankstelle kommen werde. Da die Betankung von Lastkraftfahrzeugen Spitzenwerte von bis zu 76 dB erzeugten, hätte diese Betankung zwischen 18.00 Uhr und 6.00 Uhr früh jedenfalls untersagt werden müssen. Die belangte Behörde hätte die zu erwartende Lärmbelastung im Übrigen auch nicht aus den Angaben der mitbeteiligten Partei betreffend die Umsatzzahlen bzw. betreffend die Verkehrsfrequenz auf der B 129 erschließen dürfen. Maßgeblich sei vielmehr die Gesamtverkehrsfrequenz, die auch durch den Verkaufsmarkt und die Getreide- und Lagerhalle verursacht werde. Nicht ersichtlich sei, ob die Bewilligung nur zur Errichtung oder auch zum Betrieb der geänderten Anlage erteilt worden sei, ob auch die Lärmschutzwand, die dem Schutz der Liegenschaft der Beschwerdeführerin diene, ebenso wie die gegenüberliegende Lärmschutzwand eine Durchflussöffnung aufweisen müsse, und ob die geänderte Anlage in einem Betriebsbaugebiet oder einem Mischbaugebiet gelegen sei. Auflagen zum Schutz der Nachbarn vor der Gefahr einer Explosion fehlten ebenso wie Maßnahmen zum Schutz der Nachbarn vor Gewässerverunreinigungen im Fall eines Eishochwassers oder Hochwassers. Bereits wenige Liter austretenden Mineralöls seien ausreichend, um den Hausbrunnen der Beschwerdeführerin zu verunreinigen sowie um ihr Mauerwerk zu beeinträchtigen. Zum Schutz der Nachbarn wäre es auch notwendig gewesen, die Höhe der Lärmschutzwände festzulegen; dabei wäre eine Höhe von mindestens 2,5 m vorzuschreiben und Öffnungen zur Liegenschaft der Beschwerdeführerin auszuschließen gewesen. Ein Zulieferbetrieb in der Zeit zwischen 18.00 Uhr und 7.00 Uhr früh sei den Nachbarn sowohl in Bezug auf die Tankstelle als auch in Bezug auf die Lagerhallen nicht zumutbar. Die Betriebszeiten der Lagerhallen seien allerdings weder im Projekt noch im angefochtenen Bescheid ausreichend festgelegt worden. Unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung von Verfahrensvorschriften rügte die Beschwerde noch, die belangte Behörde habe trotz eines entsprechenden Antrages ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung entschieden. Bei Ermittlung der Lärmemissionen seien die mit der Errichtung von Lärmschutzwänden verbundenen Reflexionen unberücksichtigt geblieben. Die Lärmmessungen hätten sich weiters auf ein Haus bezogen, das seit längerer Zeit nicht mehr existiere. Auch würden Lärmspitzen dem Bahnbetrieb zugeordnet, obwohl kein Bahnbetrieb vorhanden gewesen sei. Die Prämissen des Amtssachverständigen betreffend die zu erwartende Verkehrsfrequenz seien nicht nachvollziehbar und es sei schließlich bereits das eingereichte Projekt mangelhaft gewesen.
Gemäß § 81 Abs. 1 GewO 1994 bedarf auch die Änderung einer genehmigten Betriebsanlage einer Genehmigung im Sinne der vorstehenden Bestimmungen, wenn es zur Wahrung der im § 74 Abs. 2 GewO 1994 umschriebenen Interessen erforderlich ist. Diese Genehmigung hat auch die bereits genehmigte Anlage soweit zu umfassen, als es wegen der Änderung zur Wahrung der im § 74 Abs. 2 GewO 1994 umschriebenen Interessen gegenüber der bereits genehmigten Anlage erforderlich ist.
Gemäß § 74 Abs. 2 GewO 1994 dürfen gewerbliche Betriebsanlagen nur mit Genehmigung der Behörde errichtet oder betrieben werden, wenn sie wegen der Verwendung von Maschinen und Geräten, wegen ihrer Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst geeignet sind,
1. das Leben oder die Gesundheit des Gewerbetreibenden, der nicht den Bestimmungen des Arbeitnehmerinnenschutzgesetzes, BGBl. Nr. 450/1994 in der jeweils geltenden Fassung, unterliegenden mittätigen Familienangehörigen, der Nachbarn oder der Kunden, die die Betriebsanlage der Art des Betriebes gemäß aufsuchen, oder das Eigentum oder sonstige dingliche Rechte der Nachbarn zu gefährden; als dingliche Rechte im Sinne dieses Bundesgesetzes gelten auch die im § 2 Abs. 1 Z. 4 lit. g angeführten Nutzungsrechte,
2. die Nachbarn durch Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterung oder in anderer Weise zu belästigen ...
Die Genehmigungsvoraussetzungen nach § 81 GewO 1994 sind keine anderen als jene, an die das Gesetz im § 77 die Errichtung und den Betrieb einer Anlage knüpft (vgl. die bei Grabler/Stolzlechner/Wendl, GewO2 (2003) S. 654 dargestellte Judikatur).
Gemäß § 77 Abs. 1 GewO 1994 ist die Betriebsanlage zu genehmigen, wenn nach dem Stand der Technik (§ 71a) und dem Stand der medizinischen und der sonst in Betracht kommenden Wissenschaften zu erwarten ist, dass überhaupt oder bei Einhaltung der erforderlichenfalls vorzuschreibenden bestimmten geeigneten Auflagen die nach den Umständen des Einzelfalles voraussehbaren Gefährdungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1 vermieden und Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 2 bis 5 auf ein zumutbares Maß beschränkt werden.
Die Auswirkungen der zu genehmigenden Betriebsanlage bzw. der zu genehmigenden Änderung einer genehmigten Betriebsanlage sind unter Zugrundelegung jener Situation zu beurteilen, in der die Immissionen für die Nachbarn am ungünstigsten, d.h. am belastendsten sind. Ist daher zu erwarten, dass von einer Betriebsanlage bei unterschiedlichen Betriebssituationen unterschiedlich hohe Immissionen auf die Nachbarn einwirken, so ist der Beurteilung im Rahmen der Prüfung des Genehmigungsantrages jene Betriebssituation zu Grunde zu legen, die bei den Nachbarn die höchsten Immissionen erwarten lässt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. Juni 2005, Zl. 2004/04/0066 und die dort zitierte Vorjudikatur).
Im angefochtenen Bescheid legte die belangte Behörde ihrer Beurteilung der Genehmigungsvoraussetzungen die Annahme zu Grunde, "die Kapazität der Emissionen beim Tankstellenbetrieb mit der Zufahrt von Kraftfahrzeugen" bestimme sich "mit 10 PKW und einem LKW je Stunde sowie 160 PKW und 60 LKW je Tag." Diese Annahme beruhte auf der - aus der durchschnittlichen täglichen Verkehrsfrequenz auf der B 129 (von 5062 PKW und 264 LKW) ermittelten - stündlichen Verkehrsstärke von 329 PKW und 17 LKW, wobei ohne nähere Begründung von einem maximalen Anteil von 3 % des auf der B 129 herrschenden durchschnittlichen Verkehrs ausgegangen wurde, der zur Tankstelle zufahren werde (vgl. Punkt 4.3 des schalltechnischen Projekts vom 8. September 2003 sowie die Darlegungen des lärmtechnischen Amtssachverständigen in der Verhandlung vom 29. September 2003).
Die belangte Behörde hat ihrer Beurteilung der Genehmigungsvoraussetzungen somit eine Betriebssituation der geänderten Betriebsanlage der mitbeteiligten Partei zu Grunde gelegt, die bei den Nachbarn durchschnittlich hohe Immissionen erwarten lässt, nicht aber jene Betriebssituation, die nach der beantragten Ausstattung und Betriebsweise der geänderten Anlage möglich ist und bei den Nachbarn die höchsten Immissionen erwarten lässt. Sie hat solcherart verkannt, dass bei Prüfung des Genehmigungsantrages die den Nachbarn am meisten belastende Betriebssituation beurteilt werden muss.
Schon aus diesem Grunde erweist sich der angefochtene Bescheid als mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet. Er war daher - ohne auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen - gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil die Umsatzsteuer im pauschalierten Aufwandersatz in der in der genannten Verordnung festgesetzten Höhe bereits enthalten ist. Weiters besteht kein Anspruch der Beschwerdeführerin auf einen Ersatz von Gebühren außer der Pauschalgebühr nach § 24 Abs. 3 VwGG.
Wien, am 14. September 2005
Schlagworte
Besondere RechtsgebieteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2005:2004040165.X00Im RIS seit
18.10.2005Zuletzt aktualisiert am
23.10.2015