TE Vwgh Erkenntnis 2005/9/14 2001/04/0051

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Veröffentlicht am 14.09.2005
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
50/01 Gewerbeordnung;

Norm

GewO 1994 §74 Abs2;
GewO 1994 §77 Abs1;
GewO 1994 §79 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer sowie Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Rigler und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Weiss, über die Beschwerde 1.) der C und 2.) des E, beide in L und vertreten durch Winkler - Heinzle, Rechtsanwaltspartnerschaft in 6900 Bregenz, Gerberstraße 4, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Vorarlberg vom 22. Jänner 2001, Zl. VIb-221/581-1998, betreffend gewerbliche Betriebsanlage (mitbeteiligte Partei: A GmbH in 6890 Lustenau, Kaiser-Franz-Josef-Straße 1), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat den beschwerdeführenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Vorarlberg vom 26. März 1999 wurde die gewerbebehördliche Betriebsanlagengenehmigung für die Ausübung des Gastgewerbes der mitbeteiligten Partei "im Austria-Dorf im Reichshofstadion Lustenau" unter Vorschreibung folgender Auflagen erteilt:

"1. Die Ausübung des Gastgewerbes im 'Austria-Dorf' ist an maximal 18 Tagen pro Jahr sowie jeweils längstens bis 22.00 Uhr zulässig. Eine solche Ausübung des Gastgewerbes liegt dann vor, wenn der Betriebsumfang über die Zeit einer Stunde vor Veranstaltungsbeginn oder einer Stunde nach Veranstaltungsende (beispielsweise Anpfiff/Schlusspfiff eines Fußballspieles) hinausgeht.

2. Von der in Punkt 1. ausgewiesenen Beschränkung sind jene gastgewerblichen Tätigkeiten ausgenommen, die nicht über eine Stunde vor Veranstaltungsbeginn und eine Stunde nach Veranstaltungsende (beispielsweise Anpfiff/Schlusspfiff eines Fußballspieles) hinausgehen.

3. Eine Musikwiedergabe ist im Bereich der Gastgewerbebetriebsanlage nur im Rahmen der unter Punkt 1. erwähnten 18 möglichen Tage, darüber hinaus nur im Rahmen der Betriebszeiten gemäß Punkt 2. zulässig. (siehe oben)"

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wurde den Anträgen der beschwerdeführenden Parteien auf Abänderung von Auflagen des vorbezeichneten Betriebsanlagengenehmigungsbescheides insoweit stattgegeben, als "beim Betrieb des Gastgewerbes im Austriadorf im Reichshofstadion Lustenau (Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn vom 30.10.1998 in der Fassung des Bescheides des Landeshauptmannes von Vorarlberg vom 26.3.1999) folgende zusätzliche Auflage" einzuhalten ist:

"Das Gastgewerbe im Austriadorf darf weiters lediglich aus Anlass der Veranstaltung 'Fußballspiel der Kampfmannschaft' ausgeübt werden."

In der Begründung dieses Bescheides heißt es im Wesentlichen, dass auf Grund der Berufungsausführungen (der beschwerdeführenden Parteien) weitere gewerbetechnische und medizinische Amtssachverständigengutachten einzuholen gewesen seien.

Im gewerbetechnischen Amtssachverständigengutachten vom 4. Mai 2000 sei festgehalten worden, dass

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stets versucht worden sei, Annahmen zu treffen, welche einen häufig vorkommenden Belastungsfall darstellen. Bei den Daten aus dem Jahre 1998 sei bald klar geworden, dass hiebei von einem eher geringen Umtrieb ausgegangen wurde. Die zitierten Messergebnisse vom 21.7. 1999 entstammten wiederum von einem äußerst gut besuchten Spiel mit überdurchschnittlichem Besucherzustrom. Es habe sich gezeigt, dass in diesem besonderen Fall die zu erwartenden Immissionen je nach Spiel beträchtlich voneinander abweichen können, obwohl sich der Sachverhalt auf Grund der Beschreibungsunterlagen nicht unterscheide. Eine neuerliche Messung würde daher voraussichtlich zu keinen neuen Erkenntnissen führen, da die Ergebnisse im Bereich zwischen den Daten vom 2.4.1998 und 21.7.1999 liegen würden. Von einer Änderung des Sachverhaltes auf Grund der Schwankungsbreite der Messergebnisse werde aus lärmtechnischer Sicht nicht ausgegangen. Es sei festzuhalten, dass auf Grund des Behördenauftrages die Auswirkungen des gewerblichen Anlagenteiles zu beurteilen gewesen seien. Die im Berufungsschreiben angeführten Dauerschallpegel von 78,5 dB bzw. 75,3 dB seien jedoch zu einem beträchtlichen Teil der Veranstaltung zuzuordnen. Im Gutachten vom 8.11.1999 seien Beurteilungspegel von 71 dB für die Betriebsanlage abgeleitet worden. Im Vergleich zum Ergebnis vom 2.4.1998 unterschieden sich die Beurteilungspegel daher um 6 dB und nicht um 11 bis 15 dB.

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in der Berufung bemängelt werde, dass die Rheinland-Pfälzische Richtlinie zur Beurteilung der durch Freizeitanlagen verursachten Geräusche nicht geeignet sei, um die Auswirkungen der gewerblichen Tätigkeiten im Austriadorf zu beurteilen. Hiezu werde nochmals deutlich darauf hingewiesen, dass für die Anwendung der genannten Richtlinien nicht die Art der Quelle, sondern deren Seltenheitscharakter ausschlaggebend gewesen sei. Für die Beurteilung seltener Geräusche würden österreichische Richtlinien, welche auf diese Besonderheit eingehen, fehlen.

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durch den Abzug von 3 dB an den Immissionsdaten versucht werde, aus den Messdaten des überdurchschnittlich gut besuchten Spieles vom 21.7.1999 einen häufig auftretenden Fall nachzubilden. Hiezu werde bemerkt, dass dem Sachverständigen die Ausführungen der Antragstellerin glaubhaft erschienen, wonach dieses Spiel eine Ausnahmesituation dargestellt habe. Die erhobenen Daten könnten somit als typisch für den vereinzelt auftretenden ungünstigsten Fall angesehen werden, jedoch nicht als repräsentativ für den Großteil der Veranstaltungen. Sofern sämtliche Spiele einen solchen Publikumszustrom hervorrufen wie am 21.7.1999, wäre der Abzug von 3 dB nicht gerechtfertigt."

Im Gutachten der medizinischen Amtssachverständigen vom 4. August 2000 komme diese zum Schluss, dass keine neuen Fakten aufschienen, die ihr (im Betriebsanlagengenehmigungsverfahren erstatteten) Gutachten vom 15. Februar 1999 ändern würden. Von der medizinischen Sachverständigen seien lediglich die Auswirkungen des Gastgewerbes zu beurteilen. Es verhalte sich zum Leidwesen der Nachbarn so, dass der Lärm des Gastgewerbebetriebes während der sportlichen Veranstaltungen, falls sie - wie die Messungen ergeben hätten - einen Beurteilungspegel von 68 dB in der Astraße 1 sowie einen Beurteilungspegel von 84 dB in der Sstraße 2 hervorriefen, überdeckt werde. Somit könne der Gastgewerbebetrieb nicht störend auf die Anrainer wirken. In welcher Anzahl und in welcher zeitlichen Ausdehnung solche Veranstaltungen von der Gemeinde Lustenau bewilligt würden, könne von der medizinischen Amtssachverständigen nicht beeinflusst werden. Sollten diese "Randspiele" jedoch wesentlich schlechter besucht sein und dadurch geringe Lärmemissionen hervorgerufen werden, könne der Gastbetrieb insbesondere nach 22.00 Uhr durchaus störend wirken. Der medizinischen Sachverständigen würden jedoch keine Messwerte vorliegen, die diese Annahme bestätigen könnten. Zusammenfassend sei festgestellt worden, dass durch das ergänzende gewerbetechnische Gutachten keine Änderung im medizinischen Sachverständigengutachten eingetreten sei.

In weiterer Folge hätten die beschwerdeführenden Parteien eine Äußerung erstattet, wonach dem bisherigen Gutachten der medizinischen Amtssachverständigen die Annahme zu Grunde liege, dass die Richtlinie der Gewerbeaufsicht Rheinland-Pfalz "Beurteilung der durch Freizeitanlagen verursachten Geräusche" vom 26. April 1988 aufrecht sei, aus einer Stellungnahme des Amtsarztes der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn vom 4. September 2000 in einem anderen die gegenständliche Betriebsanlage betreffenden Verfahren aber hervorgehe, diese Richtlinie sei durch die "technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm" vom 28. August 1998 des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Deutschlands aufgehoben worden. In dieser technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm sei zwar unverändert ein Grenzwert von 70 dB unter Tags als Emissionsrichtwert für seltene Ereignisse angeführt. Der Grenzwert für die Häufigkeit dieser Ereignisse sei jedoch auf maximal 10 Veranstaltungen pro Jahr festgesetzt.

In ihrem Ergänzungsgutachten vom 25. Oktober 2000 habe die Amtssachverständige im Wesentlichen ausgeführt, in ihrem Gutachten vom 15. Februar 1999 sei festgestellt worden, dass der gewerbetechnische Amtssachverständige auf Grund des Fehlens einer österreichischen Richtlinie seiner Beurteilung eine Richtlinie der Gewerbeaufsicht Rheinland-Pfalz zu Grunde gelegt habe, in der festgeschrieben sei, dass nicht öfter als in maximal 5 % der Tage oder Nächte derartige Veranstaltungen unter zusätzlicher Einhaltung von maximal zulässigen Beurteilungspegeln gestattet werden könnten. Es sei damals von der medizinischen Amtssachverständigen bereits festgestellt worden, dass die Sportereignisse 5 % der Tage oder Nächte überschritten, das heißt, dass diese Richtlinie nicht mehr angewendet werden könne. Der medizinische Amtssachverständigen sei damals die neue Richtlinie vom 28. August 1998 bekannt gewesen, eine Beurteilung nach dieser Richtlinie sei aus oben angeführten Gründen nicht möglich, weil auf die Sportereignisse kein Einfluss genommen werden könne. Es sei daher von der medizinischen Amtssachverständigen die Zumutbarkeit festzustellen, wobei die Anzahl der 18 Heimspiele zufällig der in der "alten" Richtlinie angegebenen 5 % der Tages- oder Nachtstunden entspräche. Bei der Beurteilung der Lärmbelästigung sei es von ausschlaggebender Bedeutung, ob die Lärmbelästigung während der Tagesstunden bis 22.00 Uhr oder während der Nachtstunden von 22.00 Uhr bis 06.00 Uhr erfolge. Bei bereits vorhandener, seitens der Behörde nicht beeinflussbarer Lärmstörung während des Tages erscheine eine zusätzliche, darüber hinausgehende Belästigung bis 22.00 Uhr für die Anzahl der 18 Heimspiele zumutbar, weil die Nachtruhe erhalten bleibe. Keinesfalls geduldet könne diese Lärmbelästigung während der Nachtstunden werden, weil Schlafstörungen eine höhere gesundheitliche Relevanz aufwiesen als Lärmstörungen bei Tag. Es sei jedoch seitens der Behörde dafür Sorge zu tragen, dass die Auflagen streng eingehalten würden und nicht durch "Umgehungsspiele" zunichte gemacht würden. Die unter Punkt 2. der Auflagen des ärztlichen Gutachtens angeführte zulässige gastgewerbliche Tätigkeit, die nicht über eine Stunde vor Veranstaltungsbeginn und eine Stunde nach Veranstaltungsende hinausgehe, gelte selbstverständlich nur für Sportveranstaltungen, die auf Grund ihrer hohen Besucherzahl eine höhere Lärmemission aufwiesen als der Gastgewerbebetrieb, sodass die Lärmemissionen des Gastgewerbebetriebes voll in den Lärmemissionen des Sportbetriebes untergehen und somit nicht störend wirken könnten. Unter Einhaltung dieser Auflagen sei die medizinische Amtssachverständige der Ansicht, dass der Gastgewerbebetrieb bis 22.00 Uhr an 18 Tagen im Jahr die Zumutbarkeitsgrenze für die Nachbarn nicht übersteige.

In rechtlicher Hinsicht wird im angefochtenen Bescheid ausgeführt:

"Unter Zugrundelegung der oben auszugsweise wiedergegebenen gesetzlichen Bestimmungen kommt die Berufungsbehörde auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens zum Schluss, dass mit Ausnahme der im Spruch dieses Bescheides zusätzlich vorgeschriebenen Auflage, wonach das Gastgewerbe im Austriadorf lediglich aus Anlass von Fußballspielen der Kampfmannschaft des SC Austria Lustenau ausgeübt wird, keine darüber hinausgehenden zusätzlichen Auflagen bzw Abänderungen der Auflagen des gewerbebehördlichen Genehmigungsbescheides der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn vom 30.10.1998 in der Fassung des Berufungsbescheides des Landeshauptmannes von Vorarlberg vom 26.3.1999 erforderlich sind. Die gemäß § 74 Abs 2 GewO 1994 wahrzunehmenden Interessen werden nämlich unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der vom eigentlichen Fußballspiel verursachte Lärm, insbesondere auch Zuschauerlärm als Veranstaltungslärm und nicht als von der Betriebsanlage 'Gastgewerbe-Austriadorf' ausgehender und dieser sohin nicht zuzurechnender Lärm anzusehen ist, sowie der schlüssigen, in sich widerspruchsfreien Ausführungen der dem Berufungsverfahren zugezogenen gewerbetechnischen und medizinischen Amtsgutachtern, denen sich die Berufungsbehörde vollinhaltlich anschließt, bei Einhaltung der im Genehmigungsbescheid vorgeschriebenen Auflagen und der im nunmehrigen Berufungsbescheid zusätzlich vorgeschriebenen Auflage hinreichend geschützt.

Die oben erwähnte und im Spruch dieses Bescheides ausgewiesene zusätzliche Auflagenvorschreibung ist aus folgenden Gründen erforderlich:

Der ursprüngliche Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn vom 30.10.1998 in der Fassung des Berufungsbescheides des Landeshauptmannes von Vorarlberg vom 26.3.1999 enthält keine ausdrückliche Konkretisierung, anlässlich welcher Art von Veranstaltung die Ausübung des Gastgewerbes im Austriadorf zulässig sein soll, wobei allerdings festzuhalten ist, dass bereits anlässlich der seinerzeitigen Auflagenvorschreibung (vgl etwa Auflage 2. des Bescheides des Amtes der Landesregierung vom 26.3.1999 sowie die dortigen, einschlägigen Begründungsausführungen) davon ausgegangen wurde, dass auf Grund der großen Besucherzahlen der Veranstaltung (Fußballspiel) während der Veranstaltung (Fußballspiel) sowie während längstens einer Stunde vor Beginn und einer Stunde nach Ende der Veranstaltung der Lärm aus der Betriebsanlage 'Gastgewerbe Austria-Dorf' im Veranstaltungslärm untergeht.

Auf Grund der von den Berufungswerbern im Gegenstande aber geübten Kritik sowie der weiteren diesbezüglichen Ausführungen der medizinischen Amtssachverständigen im Gutachten vom 25.10.2000, dass die unter Punkt 2. der Auflagen des ärztlichen Gutachtens (gemeint ist das Gutachten vom 15.2.1999) angeführte zulässige gastgewerbliche Tätigkeit, die nicht über eine Stunde vor Veranstaltungsbeginn und eine Stunde nach Veranstaltungsende hinausgeht, nur für solche Veranstaltungen gelte, die auf Grund ihrer hohen Besucherzahl eine höhere Lärmemission aufweisen als der Gastgewerbebetrieb, sodass die Lärmemissionen des Gastgewerbebetriebes voll in den Lärmemissionen des Sportbetriebes untergehen und somit nicht störend wirken können, sah sich das Amt der Landesregierung veranlasst, die Art der Veranstaltungen zu konkretisieren, bei denen seitens der A GesmbH die Ausübung des Gastgewerbes im 'Austria-Dorf' vorgesehen ist. Im hiezu erhaltenen und dem Parteiengehör unterworfenen Schreiben der A GesmbH vom 7.12.2000 ist hiezu ausdrücklich ausgeführt, dass das Gastgewerbe im Austria-Dorf lediglich bei den Fußballspielen der Kampfmannschaft ausgeübt werde. Ausgehend von der erwähnten Konkretisierung der A GesmbH sowie der Ausführungen der Gutachter in den erwähnten Gutachten war es zur Wahrung der Nachbarinteressen erforderlich, die im Spruch ausgewiesene zusätzliche Auflage vorzuschreiben.

Was das Vorbringen der Berufungswerber in ihrer Äußerung vom 14.11.2000 betrifft, die medizinische Amtssachverständige habe nicht begründet, aus welchem Grund sie im Einzelfall auf die 5 % der Tages- oder Nachtstunden bei der Beurteilung der Zumutbarkeit gekommen sei und sich nicht an die fundierte Meinung eines Sachverständigengremiums in der technischen Anleitung vom 28.8.1998 gehalten habe, ist zu bemerken, dass die Sachverständige in ihrem Ergänzungsgutachten vom 25.10.2000 dargelegt hat, dass im gegenständlichen Fall weder die "alte" Richtlinie der Gewerbeaufsicht Rheinland-Pfalz noch die 'neue' technische Anleitung angewendet werden konnten. Die Amtssachverständige erläuterte weiters in schlüssiger und nachvollziehbarer Weise, es sei bei der Beurteilung der Lärmbelästigung von ausschlaggebender Bedeutung, ob die Lärmbelästigung während der Tagesstunden bis 22.00 Uhr oder während der Nachtstunden von 22.00 bis 6.00 Uhr erfolgt. Bei bereits vorhandener, seitens der Behörde nicht beeinflussbarer Lärmstörung während des Tages, erscheine eine zusätzliche darüber hinausgehende Belästigung bis 22.00 Uhr für die Anzahl von 18 Heimspielen zumutbar, da die Nachtruhe erhalten bleibe.

Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass es sich bei den in Rede stehenden Richtlinien nicht um bei der Beurteilung durch einen Sachverständigen verpflichtend anzuwendende Normen, sondern eben nur um Richtlinien handelt. Der Sachverständige hat die Grundlagen seiner Beurteilung jeweils im Einzelfall zu begründen; eine Begründungspflicht, weshalb er seiner Begutachtung eine bestimmte Richtlinie nicht zugrunde gelegt hat, besteht aber nicht.

Zum Einwand der Berufungswerber, die Amtssachverständige sollte klar darlegen, welche Lärmemissionen den Antragstellern insgesamt pro Jahr zuzumuten sind, ohne zu unterscheiden, von welchen Lärmverursachern diese stammen und welche Behörden für die Regelung jeweils zuständig sind, ist zu bemerken, dass dies keineswegs Aufgabe der Gewerbebehörde und sohin auch der medizinischen Amtssachverständigen im gewerbebehördlichen Genehmigungsverfahren ist. In einem solchen Verfahren kann, wie bereits oben dargelegt, lediglich der durch die gewerbliche Tätigkeit verursachte bzw hervorgerufene, nicht aber Lärm von dem Veranstaltungsrecht unterliegenden Sportveranstaltungen überprüft bzw eingeschränkt werden; vielmehr ist, was im gegenständlichen Verfahren auch geschehen ist, ein solcher bestehender 'Veranstaltungslärm' im gewerbebehördlichen Verfahren zu berücksichtigen, dh diesem zu Grunde zu legen. Die Lärmemissionen, die von Sportveranstaltungen ausgehen, sind daher nicht von der Gewerbebehörde, sondern von der Veranstaltungsbehörde einer allfälligen Überprüfung zu unterziehen.

Da sich zusammenfassend aus Sicht der Berufungsbehörde somit keine über das erfolgte Maß hinausgehende Notwendigkeit der Vorschreibung zusätzlicher Auflagen ergab, war spruchgemäß zu entscheiden."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Ergibt sich nach Genehmigung der Anlage, dass die gemäß § 74 Abs. 2 wahrzunehmenden Interessen trotz Einhaltung der im Genehmigungsbescheid vorgeschriebenen Auflagen nicht hinreichend geschützt sind, so hat gemäß § 79 Abs. 1 GewO 1994 (in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung) die Behörde (§§ 333, 334, 335) die nach dem Stand der Technik (§ 71a) und dem Stand der medizinischen und der sonst in Betracht kommenden Wissenschaften zur Erreichung dieses Schutzes erforderlichen anderen oder zusätzlichen Auflagen (§ 77 Abs. 1) vorzuschreiben; die Auflagen haben gegebenenfalls auch die zur Erreichung dieses Schutzes erforderliche Beseitigung eingetretener Folgen von Auswirkungen der Anlage zu umfassen; die Behörde hat festzulegen, dass bestimmte Auflagen erst nach Ablauf einer angemessenen, höchstens drei Jahre, in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen (zB bei Betriebsübernahmen) höchstens fünf Jahre, betragenden Frist eingehalten werden müssen, wenn der Inhaber der Betriebsanlage nachweist, dass ihm (zB wegen der mit der Übernahme des Betriebes verbundenen Kosten) die Einhaltung dieser Auflagen erst innerhalb dieser Frist wirtschaftlich zumutbar ist, und gegen die Fristeinräumung keine Bedenken vom Standpunkt des Schutzes der im § 74 Abs. 2 umschriebenen Interessen bestehen. Die Behörde hat solche Auflagen nicht vorzuschreiben, wenn sie unverhältnismäßig sind, vor allem wenn der mit der Erfüllung der Auflagen verbundene Aufwand außer Verhältnis zu dem mit den Auflagen angestrebten Erfolg steht. Dabei sind insbesondere Art, Menge und Gefährlichkeit der von der Anlage ausgehenden Emissionen und der von ihr verursachten Immissionen sowie die Nutzungsdauer und die technischen Besonderheiten der Anlage zu berücksichtigen.

Vorauszuschicken ist, dass die Auflagenvorschreibung eine solche ist, dass die Ausübung des Gastgewerbes in zweierlei Arten erfolgen kann. Einerseits nach Auflagenpunkt 1. - an maximal 18 Tagen pro Jahr und jeweils längstens bis 22.00 Uhr - anlässlich einer Veranstaltung (bezogen auf den angefochtenen Bescheid: einer Veranstaltung "Fußballspiel der Kampfmannschaft"), wobei der (zeitliche) Betriebsumfang vom Beginn und vom Ende der Veranstaltung unabhängig ist (also ein Betrieb auch mehrere Stunden nach Ende der Veranstaltung - bis 22.00 Uhr - zulässig ist). Nach der im Auflagenpunkt 2. vorgesehenen (anderen) Betriebszeitenregelung ist - ohne Begrenzung auf eine maximale Zahl von Veranstaltungen und einer absoluten Begrenzung der Betriebszeit mit einer bestimmten Uhrzeit - die Ausübung des Gastgewerbes innerhalb des Zeitraumes von einer Stunde vor Beginn der Veranstaltung bis eine Stunde nach Ende der Veranstaltung (bezogen auf den angefochtenen Bescheid: einer Veranstaltung "Fußballspiel der Kampfmannschaft") zulässig.

Auch wenn die Begründungsdarlegungen des angefochtenen Bescheides eine klare Trennung bzw. Auseinandersetzung mit diesen beiden Formen der Betriebszeitenregelung des Genehmigungsbescheides vermissen lassen, ist der angefochtene Bescheid doch dahin gehend zu verstehen, dass mit dem ersten Teil der Erwägungsgründe die Betriebszeitenregelung im Grunde des Auflagenpunktes 2. des Genehmigungsbescheides angesprochen werden.

Dabei ist Ausgangspunkt der rechtlichen Überlegungen der belangten Behörde (offenkundig), dass bei der normativen Bezugnahme auf die "tatsächlichen örtlichen Verhältnisse" die Lärmimmissionen des Gastgewerbebetriebes "voll in den Lärmemissionen des Sportbetriebes untergehen und somit nicht störend wirken können". Diese Beurteilung ist vor dem Hintergrund des Beschwerdevorbringens an sich nicht zu beanstanden (vgl. dazu auch das hg. Erkenntnis vom 28. Jänner 1993, Zl. 92/04/0197); dies jedoch mit einer Einschränkung:

Wie in der Beschwerde zutreffend aufgezeigt wird, hat sich die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid mit dem Vorbringen der beschwerdeführenden Parteien im Verwaltungsverfahren, dass auch in der Stunde vor Spielbeginn und in der ersten Stunde nach Spielende relevante Lärmbeeinträchtigungen durch die Gastgewerbeausübung hervorgerufen würden, weil sich auf Grund des Gastgewerbebetriebes die Zustrom- und Abwanderungsphase der Zuschauer entsprechend verlagere (Berufung vom 2. März 2000), nicht auseinander gesetzt. Dem genannten Beschwerdeeinwand kann auch nicht die rechtliche Relevanz abgesprochen werden. Sollte es nämlich zutreffen, dass die Zustrom- und Abwanderungsphase der Zuschauer durch den Gastgewerbebetrieb verändert (verlängert) wird, so kann diese durch den Gastgewerbebetrieb verursachte Veränderung (Verlängerung) der Zustrom- und Abwanderungsphase insofern nicht mehr den "tatsächlichen Verhältnissen" zugerechnet werden, weil im Ausmaß der durch den Gewerbebetrieb verursachten Veränderungen nicht nur von den tatsächlichen sachverhaltsmäßigen Gegebenheiten (vgl. nochmals das schon zitierte hg. Erkenntnis vom 28. Jänner 1993) gesprochen werden kann; diesbezüglich würde daher das Argument der belangten Behörde, dass die Lärmimmissionen des Gastgewerbebetriebes "voll in den Lärmemissionen des Sportbetriebes untergehen und somit nicht störend wirken können", nicht mehr tragfähig sein.

Die Behörde hat es aber auch, wie in der Beschwerde weiters gerügt wird, unterlassen, sich mit dem Vorbringen der beschwerdeführenden Parteien in der Äußerung vom 14. November 2000 auseinander zu setzen, wonach die Abwanderungsphase auch bei stark besuchten Spielen lediglich ca. eine Viertelstunde betrage. Dieser Beschwerdevorwurf steht zwar in einem Spannungsverhältnis zum oben genannten Argument der Beschwerdeführer über eine "Verlagerung der Zustrom- und Abwanderungsphase der Zuschauer durch den Gastgewerbebetrieb", was aber nichts daran ändert, dass sich die belangte Behörde damit hätte auseinandersetzen müssen, zumal bei Nichtzutreffen des Arguments über eine "Verlagerung der Zustrom- und Abwanderungsphase" und Zutreffens der Behauptung einer bloß viertelstündigen Abwanderungsphase, der Standpunkt der belangten Behörde (ebenfalls) verfehlt wäre, die Lärmimmissionen des Gastgewerbebetriebes würden (hinsichtlich des restlichen Zeitraumes) "voll in den Lärmemissionen des Sportbetriebes untergehen und somit nicht störend wirken können".

Die Beschwerde ist aber auch im Recht, wenn sie sich gegen die Beurteilung der belangten Behörde hinsichtlich der Betriebszeitenbeschränkung nach Auflagenpunkt 1. des Genehmigungsbescheides richtet, wonach bis maximal 22.00 Uhr und für maximal 18 Tage pro Jahr unabhängig von Beginn und Ende der Veranstaltung ein Gastgewerbebetrieb stattfinden kann.

Soweit diesbezüglich in der Beschwerde auf die Richtlinie der Gewerbeaufsicht Rheinland-Pfalz "Beurteilung der durch Freizeitanlagen verursachten Geräusche vom 26.4.1988" sowie darauf, dass diese nicht mehr aufrecht sei, Bezug genommen wird und daraus eine Unschlüssigkeit des Ergänzungsgutachtens der medizinischen Amtssachverständigen vom 28. Oktober 2000 abzuleiten gesucht wird, so vermag damit eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides zwar nicht aufgezeigt zu werden.

Die belangte Behörde ging nämlich, was nicht zu beanstanden ist, bei ihrer rechtlichen Beurteilung davon aus, dass im gegenständlichen Fall weder die "alte" Richtlinie der Gewerbeaufsicht Rheinland-Pfalz noch die "neue" technische Anleitung angewendet habe werden können, wobei es sich bei diesen Richtlinien nicht um verpflichtend anzuwendende Normen handle, der Sachverständige vielmehr die Grundlagen seiner Beurteilung jeweils im Einzelfall zu begründen habe.

Gerade diese Beurteilung wird in der Beschwerde, insbesondere hinsichtlich der Beurteilung der Zumutbarkeit während der Tageszeit (bis 22.00 Uhr), aber (auch) bekämpft. So wird vorgebracht, die medizinische Amtssachverständige habe sich hinsichtlich der Auswirkungen der zu erwartenden Immissionen auf den menschlichen Organismus lediglich auf ihr Gutachten vom 15. Februar 1999 berufen, wobei dort lediglich ausgeführt worden sei, dass die Auswirkungen von Lärm "während der Tagesstunden" insbesondere als störend empfunden würden, wenn die Kommunikation gestört würde. Zu einer guten Verständigung müsse der Störpegel 10 dB unter dem Sprachpegel (dieser liege im Bereich von 50 dB bis 50 dB (wohl richtig: 60 dB)) liegen. Des Weiteren komme es zu einer echten Beeinträchtigung des Wohlbefindens, wenn die Lärmimmissionen zu einer signifikanten Änderung des bestehenden gewohnten Umgebungsgeräuschniveaus führten.

Es ist den beschwerdeführenden Parteien insofern zu folgen, als die medizinische Amtssachverständige im Ergänzungsgutachten vom 25. Oktober 2000 lediglich ausgeführt hat, es erscheine "bei bereits vorhandener, seitens der Behörde nicht beeinflussbarer Lärmstörung während des Tages ... eine zusätzliche darüber hinausgehende Belästigung bis 22.00 Uhr für die Anzahl der 18 Heimspiele zumutbar", weil die Nachtruhe erhalten bleibe. Eine nachvollziehbare Auseinandersetzung mit den Auswirkungen der zu erwartenden Immissionen auf den menschlichen Organismus während der "Tagesstunden" - insbesondere hinsichtlich jener Zeiträume vor der Zustrom- und nach der Abwanderungsphase der Zuschauer der Veranstaltung (zur allfälligen Bedingtheit dieser durch den Gastgewerbebetrieb siehe oben) - fehlt. Aber auch im Gutachten vom 15. Februar 1999 fehlt eine nachvollziehbare, fallbezogene Auseinandersetzung der medizinischen Amtssachverständigen über das Vorliegen oder Nichtvorliegen der dort bloß abstrakt dargestellten Beeinträchtigungen des Wohlbefindens.

Schon aus den dargestellten Gründen war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333, insbesondere auf deren Art. III Abs. 2. Die Umrechnung beruht auf § 3 Abs. 2 Z. 2 Eurogesetz, BGBl. I Nr. 72/2000.

Wien, am 14. September 2005

Schlagworte

"zu einem anderen Bescheid" Besondere Rechtsgebiete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2001040051.X00

Im RIS seit

13.10.2005
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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