Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Eveline Gabriele M***, kaufmännische Angestellte, Josef-Reiter-Straße 2, 4210 Gallneukirchen, vertreten durch Dr. Alfred Haslinger, DDr. Heinz Mück und Dr. Peter Wagner, Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagte Partei Josef S***, Chemiearbeiter, Riedmarktstraße 2, 4210 Gallneukirchen, vertreten durch Dr. Christian Slana und Dr. Günter Tews, Rechtsanwälte in Linz, wegen Feststellung der Unwirksamkeit eines Vergleiches (Streitwert S 30.000,--), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 11. März 1987, GZ 18 R 116/87-12, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Urfahr-Umgebung vom 15. Dezember 1986, GZ 2 C 219/86-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 2.829,75 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin Umsatzsteuer von S 257,25, keine Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Streitteile waren verheiratet. In dem zu Sch 5/85 des Erstgerichtes anhängig gewesenen Verfahren über die Scheidung ihrer Ehe nach § 55 a EheG schlossen sie in der Tagsatzung zur mündlichen Verhandlung vom 23. Jänner 1985 eine Vereinbarung im Sinne des § 55 a Abs 2 EheG. Mit in dieser Tagsatzung verkündetem Beschluß wurde die Ehe der Streitteile geschieden; beide Streitteile verzichteten auf Rechtsmittel. Das Protokoll über diese Tagsatzung wurde mittels Schallträger abgefaßt. Die (nicht anwaltlich vertretenen) Parteien unterfertigten den in Vollschrift aufgenommenen Teil des Verhandlungsprotokolles, in dem aber die getroffene Vereinbarung nicht wiedergegeben wurde. Diese ist erst in der nur vom Richter unterfertigten Übertragung des auf Tonband aufgenommenen Verhandlungsprotokolles wiedergegeben, die dem in Vollschrift aufgenommenen Teil des Protokolles als Beilage angefügt wurde.
Im vorliegenden Rechtsstreit (die Klage wurde am 19. September 1986 eingebracht) begehrte die Klägerin die Feststellung der Unwirksamkeit dieses am 23. Jänner 1985 protokollierten Vergleiches, weil er wegen Unterlassung der Protokollierung in Vollschrift und mangels Unterfertigung des in Vollschrift protokollierten Vergleiches durch die Parteien nicht rechtswirksam zustandegekommen sei. Im übrigen sei die Klägerin bei Vergleichsabschluß nicht geschäftsfähig gewesen und habe sich in einem Zustand der Sinnesverwirrung befunden, der die Ernstlichkeit ihrer Erklärung ausgeschlossen habe und auch dem Beklagten erkennbar gewesen sei. Der Vergleich werde auch wegen Verkürzung über die Hälfte und wegen eines durch den Beklagten verursachten Irrtums angefochten. Der Beklagte bestritt das Vorliegen der von der Klägerin behaupteten Anfechtungsgründe und wendete ein, daß der Scheidungsvergleich im Sinne der ständigen Übung des Gerichtes nicht sofort in Vollschrift protokolliert, sondern auf Tonband aufgenommen worden sei. Die Streitteile hätten sich unmittelbar mit der Protokollierung (auf Tonband) an den Vergleich gebunden erachtet, womit sie schlüssig auf die schriftliche Errichtung des Vergleiches und die Unterfertigung desselben in der Verhandlung verzichtet hätten, sodaß der Vergleich rechtswirksam geworden sei. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.
Es stellte im wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:
Im Rahmen der Scheidungsverhandlung vom 23. Jänner 1985 zu Sch 5/85 des Bezirksgerichtes Urfahr-Umgebung schlossen die Streitteile nach ausführlicher Erörterung und Besprechung der einzelnen Vergleichspunkte mit dem Verhandlungsrichter Mag. T*** den aus dem Scheidungsakt ersichtlichen Vergleich. Im Anschluß daran verkündete der Richter den Beschluß über die Scheidung im Einvernehmen. Das Verhandlungsprotokoll mit dem Vergleich wurde vom Richter auf Tonband diktiert. Der Richter machte die Parteien darauf aufmerksam, daß der Vergleich auf Tonband protokolliert und der schriftliche Vergleich erst mit dem Scheidungsbeschluß zugestellt wird. Damit waren die Parteien einverstanden. Ein ausdrücklicher Verzicht auf die schriftliche Abfassung des Vergleiches wurde von den Parteien nicht abgegeben. Ende Jänner 1985 wurde beiden Parteien eine Protokollabschrift mit dem protokollierten Vergleich, eine Vergleichsausfertigung und der Scheidungsbeschluß zugestellt. Zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses war die Klägerin nicht geschäftsunfähig; die gegebene Situation war ihr bewußt. Sie war offenbar selbst sehr an der Scheidung interessiert und hatte deshalb Anlaß, Kompromisse zu schließen. Die Waschneurose der Klägerin ist eine Neurose leichter Art und hat keinen Bezug zu den Gegenständen des Vergleichsinhaltes. Auch aus der Krankengeschichte der Klägerin ergibt sich, daß keine Denkstörungen vorhanden waren. Der Klägerin geht es nur darum, die durch den Vergleich geschaffene Lage nachträglich zu ändern. Rechtlich beurteilte das Erstgericht den festgestellten Sachverhalt im wesentlichen dahin, daß die Parteien bei Vereinbarung eines gerichtlichen Vergleiches in der Regel nicht vor Leistung der Unterschrift gebunden sein wollten. Die Gesamtumstände im vorliegenden Fall könnten jedoch nicht anders gedeutet werden, als daß sich die Klägerin an den Vergleich gebunden erachtet habe. Die Bekämpfung eines Vergleiches unter Heranziehung eines formellen Grundes eineinhalb Jahre nach der Scheidung würde zu unbilligen und unabsehbaren Konsequenzen führen. Es verstoße gegen Treu und Glauben, einerseits die Wirksamkeit der Scheidung zu bejahen und andererseits unter Heranziehung eines formalen Grundes die Rechtsunwirksamkeit des der Scheidung vorangehenden Vergleiches zu verlangen. Eine Geschäftsunfähigkeit der Klägerin sei nicht erweislich gewesen. Inwiefern die Klägerin in Irrtum geführt worden sein solle, sei nicht ersichtlich.
Der gegen diese Entscheidung gerichteten Berufung der Klägerin gab das Berufungsgericht mit dem angefochtenen Urteil keine Folge. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden hat, S 300.000,-- übersteigt.
Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als unbedenklich und führte rechtlich im wesentlichen aus, in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes sei die Rechtsansicht vertreten worden, daß auch bei Verwendung eines Schallträgers davon auszugehen sei, daß die Parteien bei der Vereinbarung eines gerichtlichen Vergleiches in der Regel nicht vor Leistung der Unterschrift gebunden sein wollten. Die Unterschrift der Parteien bzw. ihrer Prozeßbevollmächtigten auf dem auch bei Verwendung eines Schallträgers gemäß § 212 a Abs 1 zweiter Satz ZPO in Vollschrift aufzunehmenden Teil des Verhandlungsprotokolles reiche zur Einhaltung der als vereinbart anzunehmenden Schriftform nicht aus, wenn dieser Teil nicht den Vergleichstext in Vollschrift enthalte.
In späteren Entscheidungen habe der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, daß dann, wenn das Verhandlungsprotokoll mittels Schallträger abgefaßt werde, ein gerichtlicher Vergleich auf dem Schallträger protokolliert werden könne, wenn die Parteien Protokollausfertigungen beantragt hätten. Für den Eintritt der prozeßbeendenden Wirkung des gerichtlichen Vergleiches sei es nicht nötig, daß seine Übertragung in Vollschrift neben dem Richter auch von den Parteien unterschrieben werde. Die im § 212 Abs 5 ZPO vorgeschriebene Übertragung in Vollschrift entfalle, wenn die Rechtssache durch Vergleich, Zurücknahme der Klage oder Anerkenntnisurteil bei dieser Tagsatzung erledigt und keine Protokollabschrift begehrt worden sei. Der Vergleich, die Erklärung der Zurücknahme der Klage und das Anerkenntnis seien in solchem Falle in Vollschrift zu protokollieren (§ 212 Abs 6 ZPO, bei Verwendung eines Schallträgers i.V.m. § 212 a Abs 2 ZPO). Aus der Formulierung "in solchem Falle" ergebe sich eindeutig, daß durch den zweiten Satz die Protokollierung in Vollschrift nur angeordnet sei, falls keine Protokollabschrift begehrt worden sei. Nur wenn die Übertragung in Vollschrift entfalle, sei somit der Vergleich in Vollschrift zu protokollieren. Die Unterschrift der Parteien bzw. ihrer Vertreter auf dem nach § 212 a Abs 1 ZPO sofort in Vollschrift aufgenommenen Teil des in der Tagsatzung gesetzmäßig aufgenommenen Verhandlungsprotokolles könne auch als Vollendung der für den gerichtlichen Vergleich vereinbarten Schriftform angesehen werden, ohne deren Erfüllung die Parteien mangels anderwärtiger Vereinbarung nicht gebunden sein wollten.
Letzteres treffe auch im vorliegenden Fall zu, zumal sich aus dem Umstand, daß der Richter nach Übertragung des Schallträgerprotokolles und des Scheidungsbeschlusses die Zustellung von Protokollausfertigungen an die Antragsteller verfügt habe, ergebe, daß beide Antragsteller bei der Tagsatzung eine Abschrift der Übertragung der Schallträgeraufnahme beantragt hätten. In der Tagsatzung zur Scheidung im Einvernehmen sei ein Verhandlungsprotokoll aufgenommen worden, das in Vollschrift die im § 207 Abs 1 Z 1, Z 2 und Z 3 ZPO vorgeschriebenen Angaben und den Beschluß auf Absehen von der Beiziehung eines Schriftführers gemäß dem § 207 Abs 3 ZPO und auf Abfassung des Protokolles mittels Schallträger gemäß § 212 a Abs 1 ZPO enthalten habe. Weiters sei darin in Vollschrift bekundet, daß die Parteien ihr Einverständnis erklärten, daß die Aufnahme auf dem Schallträger nach Ablauf der Widerspruchsfrist des § 212 Abs 5 ZPO gelöscht wird, ausdrücklich auf die einmonatige Frist des § 212 a Abs 3 ZPO verzichten und daß das Protokoll gemäß § 212 a Abs 2 und § 212 Abs 1 ZPO nach Verzicht auf Wiedergabe der Aufnahme gefertigt wurde. Dieses Protokoll sei von den Antragstellern und vom Richter unterschrieben worden. Gemäß § 222 AußStrG fänden die Bestimmungen der Zivilprozeßordnung über Protokolle und Vergleiche im außerstreitigen Verfahren in Eheangelegenheiten Anwendung. Die Protokollierung des Vergleiches vom 23. Jänner 1985 habe der ZPO entsprochen. Soweit in der Rechtsrüge der Versuch unternommen werde, mangelnde Geschäftsfähigkeit der Klägerin bei Abschluß des Vergleiches darzutun, gehe die Berufung nicht vom festgestellten Sachverhalt aus. Soweit sich die Berufung auf die Anfechtung des Vergleiches wegen Verkürzung über die Hälfte des wahren Wertes im Sinne des § 934 ABGB berufe, sei ihr entgegenzuhalten, daß gemäß § 1386 ABGB aus diesem Grund ein redlich errichteter Vergleich nicht angefochten werden könne. Wenn in der Berufung letztlich Sittenwidrigkeit und Wucher geltend gemacht werde, verstoße dies gegen das Neuerungsverbot. Auf einen vom Beklagten verursachten Irrtum berufe sich die Klägerin nicht mehr, wobei sie es aber bereits in erster Instanz unterlassen habe, darzulegen, worin die Irreführung gelegen sein solle.
Insgesamt sei daher der Berufung der Klägerin ein Erfolg zu versagen.
Gegen diese Entscheidung des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision der Klägerin. Sie bekämpft sie aus den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens, der Aktenwidrigkeit und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne der vollinhaltlichen Stattgebung des Klagebegehrens anzuändern; hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag.
Der Beklagte hat eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag erstattet, der Revision keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist im Hinblick auf die Bewertung des Streitgegenstandes durch das Berufungsgericht ohne die im § 503 Abs 2 ZPO normierte Einschränkung der Revisionsgründe zulässig, sachlich aber nicht berechtigt.
Die Revisionsgründe der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der Aktenwidrigkeit liegen nicht vor, was nicht näher zu begründen ist (§ 510 Abs 3 ZPO).
Aber auch die Rechtsrüge ist unbegründet.
Gemäß § 222 Abs 1 AußStrG sind im Verfahren über die Scheidung einer Ehe nach § 55 a EheG die Bestimmungen der ZPO über die Protokolle und, soweit es sich um eine Vereinbarung im Sinne des § 55 a Abs 2 EheG handelt, über den Vergleich anzuwenden. Ein derartiger Scheidungsvergleich kann nach den Bestimmungen des bürgerlichen Rechtes angefochten werden, ohne das dies auf die Wirksamkeit des Scheidungsbeschlusses Einfluß hätte (JBl 1986, 777 mwN).
Ein gerichtlicher Vergleich hat zugleich den Charakter einer Prozeßhandlung und eines zivilrechtlichen Vertrages. Nach der herrschenden Lehre von der sogenannten Doppelnatur (oder dem sogenannten Doppeltatbestand) eines gerichtlichen Vergleiches ist streng zwischen seiner materiellen und seiner prozessualen Funktion zu unterscheiden, nämlich einerseits dem ihm innewohnenden materiellrechtlichen Vertrag und andererseits seinen prozessualen Wirkungen, wie etwa Verfahrensbeendigung oder Eignung als Exekutionstitel. Ein gerichtlicher Vergleich kann in diesem Sinn prozessual unwirksam, als materielles Rechtsgeschäft aber wirksam sein und umgekehrt (EvBl 1981/100; SZ 56/98 ua.).
Im vorliegenden Rechtsstreit geht es nicht um allfällige prozessuale Wirkungen des zwischen den Streitteilen am 23. Jänner 1985 geschlossenen Scheidungsvergleiches, sondern um die Frage, ob die Parteien an diese Vereinbarung gebunden sind, ob ihr also nach bürgerlichem Recht zu beurteilende Mängel anhaften, die die Unwirksamkeit dieser zwischen den Streitteilen getroffenen Vereinbarung zur Folge haben.
Die Klägerin leitet in der in ihrer Revision ausgeführten Rechtsrüge die von ihr behauptete Unwirksamkeit des Vergleiches sinngemäß nur mehr daraus ab, daß er entgegen § 212 Abs 6 ZPO nicht in Vollschrift protokolliert und unterfertigt wurde. Für das Vorliegen die Gültigkeit des Vergleiches beeinträchtigender Willensmängel oder anderer Anfechtungstatbestände ergibt sich aus den Feststellungen der Vorinstanzen kein Anhaltspunkt; derartiges wird auch in der in der Revision ausgeführten Rechtsrüge nicht behauptet. Auf die in erster Instanz behaupete Geschäftsunfähigkeit der Klägerin wird nur im Rahmen des Revisionsgrundes der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens Bezug genommen; daß dieser Revisionsgrund nicht vorliegt, wurde bereits oben ausgeführt. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes finden auf den gerichtlichen Vergleich auch die Vorschriften über die Form der Verträge und damit auch die Bestimmungen des § 884 ABGB Anwendung. Sind die Parteien übereingekommen, einen gerichtlichen Vergleich im Sinne des § 204 ZPO zu schließen, dann liegt darin grundsätzlich die Vereinbarung der Schriftform. Es wird daher mangels anderweitiger Vereinbarung, also im Zweifel, vermutet, daß sie vor Erfüllung dieser Form nicht gebunden sein wollen. Es muß somit in der Regel - mangels anderweitiger Vereinbarung - eine Absicht der Parteien, auch bei einem gerichtlichen Vergleich nicht vor Leistung der Unterschrift gebunden sein zu wollen, unterstellt werden (SZ 42/61). Dies gilt auch bei Verwendung eines Schallträgers für die Protokollierung (JBl 1986, 465). Die vom Berufungsgericht zitierten oberstgerichtlichen Entscheidungen 3 Ob 116/86 und JBl 1987, 122 befassen sich mit prozessualen Wirkungen des gerichtlichen Vergleiches und stellen überdies die Richtigkeit der wiedergegebenen Rechtssätze nicht in Frage. Auf die weiteren in diesen Entscheidungen erörterten Fragen, ob bei Aufnahme eines Tonbandprotokolles auf eine Protokollierung des Vergleiches in Vollschrift verzichtet werden kann, wenn die Parteien Protokollabschriften beantragten und ob die Unterschrift der Parteien auf dem nach § 212 a Abs 1 ZPO sofort in Vollschrift aufgenommenen Teil des Protokolles, in dem der geschlossene Vergleich nicht wiedergegeben wurde, genügt, um eine vereinbarte Schriftform zu erfüllen, braucht im vorliegenden Fall aus folgenden Erwägungen nicht eingegangen zu werden:
Wie bereits ausgeführt, gilt die Vermutung, daß die Parteien bei Abschluß eines gerichtlichen Vergleiches vor dessen Unterfertigung nicht gebunden sein wollen, nur im Zweifel, wenn ihnen also keine anderslautende Vereinbarung zu unterstellen ist.
Im vorliegenden Fall wurden die Streitteile nach den Feststellungen der Vorinstanzen in der Verhandlung vom 23. Jänner 1985, nachdem der die Verhandlung leitende Richter den von den Parteien geschlossenen Vergleich auf Tonband diktiert hatte, von diesem ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht, daß der Vergleich auf Tonband protokolliert und seine schriftliche Ausfertigung erst mit dem Scheidungsbeschluß zugestellt werde. Ob diese Vorgangsweise den Vorschriften der ZPO über die Verhandlungsprotokolle entsprach, ist hier nicht näher zu untersuchen. Wenn sich die Parteien aber mit dieser Vorgangsweise einverstanden erklärten, dann kann dies nur als schlüssiger Verzicht auf die Einhaltung der Schriftform gewertet werden. Denn gemäß § 55 a Abs 2 EheG hatte die von beiden Streitteilen gemeinsam angestrebte Ehescheidung den Abschluß einer wirksamen Vereinbarung im Sinne dieser Gesetzesstelle zur Voraussetzung. Wenn nun die Parteien ihr Einverständnis damit erklärten, daß der von ihnen geschlossene Vergleich zunächst nur auf Tonband aufgenommen und ihnen eine schriftliche Vergleichsausfertigung erst zusammen mit dem Scheidungsbeschluß, also nach dessen Fällung, zugestellt werde, kann dies unter Überlegung aller Umstände nur bedeuten, daß sie an den von ihnen geschlossenen Vergleich - als Voraussetzung für die von ihnen beiden angestrebte Scheidung der Ehe - sofort gebunden sein wollten und damit von der Erfüllung der Schriftform für diese Vereinbarung Abstand nahmen. Anders hätte nämlich die im § 55 a Abs 2 EheG normierte Voraussetzung für die von ihnen angestrebte einvernehmliche Ehescheidung nicht geschaffen werden können. Damit wurde aber der von den Parteien geschlossene Vergleich bereits mit der Willenseinigung als Vertrag wirksam; der Einhaltung der Schriftform bedurfte es unter diesen Umständen nicht. Mit Recht haben daher die Vorinstanzen das Klagebegehren abgewiesen. Der Revision der Klägerin muß somit ein Erfolg versagt bleiben.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
Anmerkung
E12361European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1987:0080OB00579.87.1021.000Dokumentnummer
JJT_19871021_OGH0002_0080OB00579_8700000_000