Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Hon.- Prof. Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith und Dr. Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Harald Foglar-Deinhardstein und Adolf Klement als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Otto S***, Pensionist, Salzburg, Ignaz-Rieder-Kai 59, vertreten durch Dr. Peter Cardona, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei Firma Hans H***, Sesselfabrik, Salzburg, Siezenheimerstraße 39, vertreten durch Dr. Ernst Pallauf, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen 88.770 S brutto sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 19. Mai 1987, GZ 13 Ra 15/87-15, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeitsgerichtes Salzburg vom 17. Dezember 1985, GZ Cr 475/85-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 4.363,80 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 120 S Barauslagen und 385,80 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger ist gelernter Maschinenschlosser und war ab 3. Oktober 1966 bei der Beklagten als Betriebsschlosser beschäftigt. Dieses Arbeitsverhältnis wurde am 23. Mai 1980 vom Arbeitgeber durch Kündigung zum 20. Juni 1980 beendet. Dem Kläger wurde eine Bruttoabfertigung von 12.532,80 S ausbezahlt. Mit 24. Juni 1980 wurde ein weiteres, zunächst auf drei Monate befristetes Arbeitsverhältnis begründet, auf Grund dessen der Kläger wie bisher als Betriebsschlosser weiterarbeitete. Der Kläger kündigte dieses Arbeitsverhältnis wegen Inanspruchnahme der vorzeitigen Alterspension bei langer Versicherungsdauer zum 30. September 1984 auf. Die Pension wurde ihm ab 1. September 1984 zuerkannt. Der letzte Stundenlohn betrug 84,55 S brutto. Eine Abfertigung im Ausmaß von sechs Monatsgehältern würde 101.302,88 S brutto betragen.
§ 17 des Kollektivvertrages für die Arbeiter in der holzverarbeitenden Industrie Österreichs lautet:
"A) Der Anspruch auf Abfertigung richtet sich nach den Bestimmungen des Arbeiterabfertigungsgesetzes (BGBl. Nr. 107/1979) einschließlich der darin enthaltenen Übergangsbestimmungen - im besonderen wird auf den Artikel VII Abs 5 hingewiesen, der lautet:
'Kollektivverträge, Arbeits-(Dienst)Ordnungen oder Arbeitsverträge, die den Anspruch auf Abfertigung für die Arbeitnehmer günstiger regeln, bleiben insoweit unberührt' - mit folgenden Ergänzungen:
a) Beide Varianten (gesetzliche und kollektivvertragliche) sind durchzurechnen.
b) Für die Bemessung der Dauer des ununterbrochenen Arbeitsverhältnisses und die Bemessung des Ausmaßes des Abfertigungsanspruches sind Zeiten eines Arbeitsverhältnisses beim selben Arbeitgeber, die keine längere Unterbrechung als jeweils 120 Tage aufweisen, zusammenzurechnen.
Die Anrechnung gilt nicht für Fälle, in denen das vor der letzten Unterbrechung liegende Arbeitsverhältnis durch eine verschuldete Entlassung im Sinne des § 82 GewO (ausgenommen lit h), durch vorzeitigen Austritt ohne wichtigen Grund, durch Kündigung seitens des Arbeitnehmers sowie durch einvernehmliche Auflösung unter Verzicht auf den Abfertigungsanspruch geendet hat. Vordienstzeiten, für die eine Abfertigung bereits bezahlt wurde, bleiben unberücksichtigt.
B) Nachstehende Bestimmungen finden in jenen Fällen Anwendung,
wo im Günstigkeitsvergleich nach Art. VII Abs 5 ArbAbfG die Bestimmungen nach Punkt B für den Arbeitnehmer günstiger sind.
1. Arbeitnehmer erhalten nach einer mindestens 10jährigen ununterbrochenen Betriebszugehörigkeit eine Entschädigung (Abfertigung), wenn sie
a) vom Arbeitgeber gekündigt werden, nicht jedoch, wenn der Arbeitgeber eine Wiedereinstellung innerhalb von 120 Tagen zu den ursprünglichen Lohnbedingungen schriftlich zusichert,
b)
unverschuldet entlassen werden,
c)
mit einem wichtigen Grund (§ 82 a GewO) austreten,
d)
aus dem Betrieb wegen Invalidität ausscheiden,
e)
wegen Inanspruchnahme der Alterspension - Männer bei Erreichung des 65., Frauen bei Erreichung des 60. Lebensjahres - ihr Dienstverhältnis lösen oder
f) wegen der vorzeitigen Alterspension bei langer Versicherungsdauer (§ 253 b ASVG) oder wegen Inanspruchnahme der Invaliditätspension (§ 254 ASVG) ihr Dienstverhältnis lösen.
............
4. Für die Bemessung der Dauer der ununterbrochenen
Betriebszugehörigkeit im Sinne der Z 1 und 2 sind Dienstzeiten, die
keine längere Unterbrechung als jeweils 120 Tage aufweisen,
zusammenzurechnen. Nicht anzurechnen sind Zeiten von
Dienstverhältnissen, die durch Entlassung im Sinne des § 82 GewO
(ausgenommen lit h) oder durch vorzeitigen Austritt ohne wichtigen
Grund gelöst wurden, sowie Zeiten, für die bereits Abfertigung
bezahlt wurde.
...........".
Der Kläger begehrte - unter Berücksichtigung der gezahlten Abfertigung von 12.532,80 S - die Zahlung von 88.770 S brutto an Abfertigung. Die in beiden Arbeitsverhältnissen zurückgelegten Zeiten seien zusammenzurechnen. Bei der seinerzeitigen Kündigung sei mitgeteilt worden, er könnte im Betrieb weiterarbeiten, er müsse nur einen Tag daheim bleiben und dann einen anderen Vertrag unterschreiben.
Die Beklagte wandte ein, daß mit 24. Juni 1980 ein neues Arbeitsverhältnis begründet worden sei. Außerdem seien nach § 17 des Kollektivvertrages für Arbeiter der holzverarbeitenden Industrie Vordienstzeiten, für die bereits eine Abfertigung gezahlt worden sei, nicht mehr zu berücksichtigen. Der Kläger habe bei Abschluß des neuen Vertrages auf die bis dahin entstandenen Anwartschaften verzichtet. Das erste Arbeitsverhältnis sei gelöst worden, weil sich der Kläger beharrlich geweigert habe, die Weisung des Arbeitgebers zur Führung von Arbeitsaufzeichnungen zu befolgen; dies hätte den Arbeitgeber zur Entlassung berechtigt. Weiters wandte die Beklagte für den Fall des Zuspruches der Klagsforderung eine Gegenforderung von 2.000 S als Zinsvorteil aus der in diesem Fall rechtsgrundlos im Jahre 1980 gezahlten Abfertigung ein.
Das Erstgericht gab der Klage statt und verneinte den Bestand der Gegenforderung. Es stellte über den eingangs angeführten Sachverhalt hinaus folgendes fest:
Die Kündigung vom 23. Mai 1980 erfolgte ohne Anführung eines Grundes. Noch während der Kündigungsfrist wurden auf Initiative des Klägers zwischen den Streitteilen Gespräche über die Weiterbeschäftigung des Klägers geführt. Bei diesen Gesprächen wies der Kläger auf sein Alter und die Schwierigkeiten hin, einen neuen Arbeitsplatz zu finden, er wäre froh, bei der Beklagten weiter arbeiten zu können. Vor dem 24. Juni 1980 wurde dem Kläger vom Geschäftsführer der Beklagten Johann H*** jun. mitgeteilt, daß er weiterarbeiten könne. Anläßlich dieses Gespräches wurde vom Kläger eine Dienstvereinbarung unterfertigt, die unter anderem folgendes enthält:
"Dieses Dienstverhältnis wurde im gegenseitigen Einverständnis auf drei Monate befristet. Dies ist vom 24. Juni 1980 bis 24. September 1980, davon gilt das erste Monat als Probezeit........
Arbeitsbeginn: 24. Juni 1980.......
Der Dienstnehmer nimmt zur Kenntnis, daß eine Zusammenrechnung der Dienstzeiten bei der Firma Hans H*** nicht erfolgt, da das vom 3. Oktober 1966 bis 20. Juni 1980 bestandene Dienstverhältnis ordnungsgemäß beendet und seitens des Dienstgebers die Abfertigungsansprüche geleistet wurden.
Alle Ansprüche aus dem Dienstverhältnis, die von der Dauer der Betriebszugehörigkeit abhängig sind, beginnen daher mit dem Neuantritt am 24. Juni 1980 neu zu laufen."
Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß gemäß § 23 Abs 1 AngG alle Anwartschaften aus aufeinanderfolgenden Arbeitsverhältnissen zusammenzurechnen seien. Auf Grund des in Artikel VII Abs 5 ArbAbfG normierten Günstigkeitsprinzips gelange § 17 B des obzitierten Kollektivvertrages nicht zur Anwendung, wonach Zeiten, für die bereits eine Abfertigung gezahlt sei, bei Berechnung der Dauer der Betriebszugehörigkeit nicht zu berücksichtigen seien. Ob der Kläger vor Kündigung des vorangehenden Arbeitsverhältnisses einen Entlassungsgrund gesetzt habe, sei unerheblich, weil davon nicht Gebrauch gemacht worden sei. Der Verzicht des Klägers auf die Zusammenrechnung sei nicht wirksam. Ein Anspruch der Beklagten auf Zinsenersatz sei zu verneinen, weil es sich um eine freiwillige Vorauszahlung zur Erfüllung einer gesetzlichen Verpflichtung gehandelt habe.
Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil, übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und billigte dessen rechtliche Beurteilung. Bei der Zusammenrechnung werde nur auf den zeitlichen Konnex abgestellt, die Gründe für die Beendigung des vorangehenden Arbeitsverhältnisses seien bedeutungslos. Die Übergangsbestimmung des Artikel VII Abs 3 ArbAbfG stelle auf den Bestand und die Erfüllung eines Abfertigungsanspruches vor Inkrafttreten des Gesetzes ab und sei daher auf die an den Kläger erst im Jahre 1980 ausgezahlte Abfertigung nicht anzuwenden. Der Verzicht des Klägers auf Berücksichtigung der Zeit des vorausgegangenen Dienstverhältnisses sei ein unzulässiger Verzicht auf künftige Ansprüche. Zinsen für die gezahlte Abfertigung könnten schon deswegen nicht gefordert werden, weil die Beklagte die Rückzahlung während der Dauer des zweiten Arbeitsverhältnisses nicht einmal gefordert habe.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne einer Klageabweisung abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Der Ansicht der Revisionswerberin, Artikel VII Abs 3 ArbAbfG sei auch auf nach Inkrafttreten dieses Gesetzes (und auf Grund dieses Gesetzes) ausgezahlte Abfertigungen anzuwenden, kann nicht beigepflichtet werden. Das ArbAbfG ist am 1. Juli 1979 in Kraft getreten. Ansprüche auf Abfertigung nach den Bestimmungen dieses Gesetzes können zwar erst bei Erfüllung der Voraussetzungen zu oder nach diesem Zeitpunkt erworben werden, doch wirken auch vor Inkrafttreten des Gesetzes liegende Anwartschaften anspruchsbegründend. Da nun auf Grund einzelvertraglicher oder kollektivvertraglicher Regelungen vor dem ArbAbfG auch andere Personen als Angestellte in den Genuß von Abfertigungen gelangen konnten, war es zufolge der rückwirkenden Einbeziehung der vor Inkrafttreten des Gesetzes liegenden Anwartschaftszeiten erforderlich, die Auswirkung dieser nach der damaligen Rechtslage - Fehlen eines gesetzlichen Abfertigungsanspruches - für den Arbeitnehmer günstigen Abfertigungsregelungen auf die Vordienstzeitenanrechnung zu regeln (Migsch, Abfertigung für Arbeiter und Angestellte, Rz 415 und 421). Nicht nur aus dem Zweck der Regelung, sondern auch aus ihrer ausdrücklichen Bezeichnung als Übergangsbestimmung ergibt sich, daß sie nur auf bis zum Inkrafttreten des ArbAbfG entstandene und erfüllte Abfertigungsansprüche anzuwenden ist (siehe Migsch aaO, Rz 422, 423; Martinek-Schwarz, Abfertigung, Auflösung des Arbeitsverhältnisses, 425 sowie den Ausschußbericht 1215 BlgNR 14.GP, wonach diese Übergangsregelung für Abfertigungen gelten sollte, die - auf Grund individueller Zusagen oder kollektivvertraglicher Normen - anläßlich vor Inkrafttreten des Gesetzes zustandegekommener Vertragsänderungen geleistet wurden). Zu Recht haben die Vorinstanzen daher diese Übergangsregelung nicht auf die erst nach Inkrafttreten des ArbAbfG erfolgte Abfertigung anläßlich der Auflösung des Arbeitsverhältnisses zum 20. Juni 1980 angewendet. Damit ist die gesetzliche Regelung für den Kläger günstiger als die im § 17 B des Kollektivvertrages, nach dessen Ziffer 4 Zeiten, für die bereits Abfertigung gezahlt wurde, nicht anzurechnen sind. Nach dem - überdies in Abs 1 der zitierten Kollektivvertragsbestimmung ausdrücklich vorgesehenen - Günstigkeitsvergleich ist daher die im ArbAbfG getroffene gesetzliche Regelung anzuwenden und die vom Kläger im Zeitraum vom 3. Oktober 1966 bis 20. Juni 1980 erworbene Anwartschaftszeit bei Bemessung der Abfertigung zum 30. September 1984 anzurechnen, sofern eine unmittelbare Aufeinanderfolge der beiden Arbeitsverhältnisse im Sinne des § 23 Abs 1 AngG angenommen wird.
Wie die Vorinstanzen richtig erkannt haben, ist eine derartige unmittelbare Aufeinanderfolge schon im Hinblick darauf anzunehmen, daß zwischen dem Ende des ersten und dem Beginn des zweiten Arbeitsverhältnisses nur drei Tage - darunter nur ein Arbeitstag - liegen. Angesichts dieser nahezu lückenlosen Aufeinanderfolge ist es unerheblich, aus welchen Gründen das vorangehende Arbeitsverhältnis beendet wurde, weil durch den alsbaldigen Neuabschluß auch jene Situation bereinigt wird, in der der Gesetzgeber Abfertigungsansprüche versagt (vgl. Arb. 10.383, Migsch aaO, Rz 225 und 226 sowie Martinek-Schwarz aaO, 320). Wenn daher selbst die Beendigung des vorhergehenden Arbeitsverhältnisses durch Entlassung nicht schadet, ist die Frage, ob bei Beendigung dieses Arbeitsverhältnisses Gründe vorlagen, die zu einer - tatsächlich nicht ausgesprochenen - Entlassung berechtigt hätten, ohne jede Bedeutung für die Anrechnung der durch dieses Arbeitsverhältnis erworbenen Anwartschaftszeiten.
Der Verzicht des Klägers auf die Berücksichtigung der erworbenen Anwartschaftszeiten für die Ausmessung der künftigen Abfertigung bei Begründung des neuen Arbeitsverhältnisses ist schon auf Grund der ausdrücklichen Vorschrift des Artikels I § 3 ArbAbfG unwirksam (vgl. Martinek-Schwarz aaO, 299 ff).
Zur Gegenforderung der Beklagten sei darauf hingewiesen, daß der Kläger bezüglich der gezahlten Abfertigung jedenfalls als redlicher Besitzer anzusehen war, sodaß er schon gemäß § 1437 iVm § 330 ABGB nicht verpflichtet ist, Zinsen zu vergüten (vgl. Mayer-Maly, Österreichisches Arbeitsrecht I, 132 sowie RdW 1987, 325 mwH). Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
Anmerkung
E12176European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1987:009OBA00098.87.1021.000Dokumentnummer
JJT_19871021_OGH0002_009OBA00098_8700000_000