TE OGH 1987/10/22 12Os108/87

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Veröffentlicht am 22.10.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 22.Oktober 1987 durch den Präsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Melnizky als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Hörburger und Dr. Rzeszut als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Bernscherer als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Johann W*** wegen des Vergehens der versuchten Täuschung nach §§ 15, 108 Abs. 1 und Abs. 2 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Johann W*** gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Jugendschöffengericht vom 3.Juni 1987, GZ 3 a Vr 1009/87-14, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Gemäß § 290 Abs. 1 StPO wird das Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit seiner Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Johann W*** des Vergehens der versuchten Täuschung nach §§ 15, 108 Abs. 1 und Abs. 2 StGB schuldig erkannt. Darnach hat er in der Zeit zwischen 20. und 24. Februar 1987 sowie zwischen 25.Februar 1987 und 24.März 1987 in Weiz dem Staat in seinem Recht auf Ausschluß von nicht zugelassenen Kraftfahrzeugen vom öffentlichen Straßenverkehr dadurch absichtlich einen Schaden zuzufügen versucht, daß er auf dem nicht zum Verkehr zugelassenen Motorfahrrad Puch Monza 6 SL das nicht für dieses Kraftfahrzeug ausgegebene Kennzeichen St 447.666 montierte und sodann mit dem genannten Motorfahrrad öffentliche Straßen befuhr, wobei er die zur Überwachung des Straßenverkehrs berufenen Straßenaufsichtsorgane in Beziehung auf ihr Amtsgeschäft zu einer Duldung, die den Schaden herbeiführen sollte, nämlich zur Gestattung der Benützung öffentlicher Verkehrsflächen mit einem nicht zum Verkehr zugelassenen Fahrzeug zu verleiten suchte.

Rechtliche Beurteilung

Dieser Schuldspruch ist mit einem (nicht gerügten) Feststellungsmangel im Sinne des Nichtigkeitsgrundes der Z 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO behaftet, der aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde von Amts wegen wahrzunehmen war (§ 290 Abs. 1 StPO).

Bei richtiger rechtlicher Beurteilung ist nämlich davon auszugehen, daß ein Verstoß gegen den Schutzzweck der Bestimmungen des Kraftfahrgesetzes über die Zulassung von Kraftfahrzeugen und die Ausgabe von Kennzeichentafeln - sohin die Schädigung eines konkreten Rechtes des Staates im Sinne des § 108 Abs. 1 StGB - im allgemeinen nur dann vorliegt, wenn das Fahrzeug nicht alle materiellen Voraussetzungen des § 37 Abs. 2 KFG erfüllt

(9 Os 130/77 = ÖJZ-LSK 1983/3, 12 Os 28, 29/87; Leukauf-Steininger, Komm zum StGB2 RN 9 und 10 zu § 108; vgl auch ÖJZ-LSK 1987/71).

Hiezu ist festzuhalten:

Motorfahrräder sind Krafträder (§ 2 Z 14 KFG). Krafträder sind Kraftfahrzeuge iS § 2 Z 1 KFG (§ 2 Z 4 KFG). Daher finden auf Motorfahrräder die Vorschriften über die Zulassung zum Verkehr und über Kennzeichen (IV.Abschn des KFG) Anwendung, soweit gesetzliche Vorschriften nichts anderes bestimmen (vgl die für Motorfahrräder geltende Ausnahme von der Kraftfahrzeugsteuerpflicht: § 2 Abs. 1 Z 7 KFzStG BGBl 1952/110 idgF).

Gemäß § 36 KFG dürfen Kraftfahrzeuge (und damit auch Motorfahrräder iS § 2 Z 14 KFG) auf Straßen mit öffentlichem Verkehr nur verwendet werden, wenn sie (ua)

a) zum Verkehr zugelassen sind (§§ 37 bis 39 KFG) (§ 36 lit a KFG),

b) das behördliche Kennzeichen (§ 48 KFG) führen (§ 36 lit b KFG) und

c) ordnungsgemäß haftpflichtversichert (§§ 59 ff KFG) sind (§ 36 lit d KFG).

Unter welchen Voraussetzungen ein Kraftfahrzeug zuzulassen ist, ergibt sich aus § 37 KFG. Bezogen auf den vorliegenden Fall folgt daraus, daß das verfahrensgegenständliche Motorfahrrad nur dann zum Verkehr zuzulassen ist, wenn (§ 37 Abs. 2 KFG)

1.

der rechtmäßige Fahrzeugbesitz glaubhaft gemacht wird,

2.

der Zulassungswerber seinen ordentlichen Wohnsitz im Bundesgebiet hat (§ 37 Abs. 2 erster Halbsatz KFG) und folgende Nachweise erbracht werden:

              a)              der Typenschein oder der Einzelgenehmigungsbescheid (§ 37 Abs. 2 lit a KFG),

              b)              eine Versicherungsbestätigung für das Fahrzeug (§ 37 Abs. 2 lit b KFG) über den aufrechten Bestand der vorgeschriebenen Haftpflichtversicherung,

              c)              das letzte für das Fahrzeug ausgestellte Gutachten gemäß § 57 a Abs. 4 KFG, sofern bereits eine wiederkehrende Begutachtung fällig geworden ist (§ 37 Abs. 2 lit h KFG; ist das Gutachten bereits abgelaufen, dh auch die Toleranzfrist verstrichen, so ist ein neues Gutachten auf Grund eines Verfahrens gemäß § 57 a Abs. 9 KFG zu erstellen; vgl Anm 11 und 11 a zu § 37 bei Grubmann KFG3).

Den aufrechten Bestand einer Haftpflichtversicherung und die nachgewiesene Verkehrs- und Betriebssicherheit (§ 37 Abs. 2 lit b und lit h KFG) hat die Judikatur zu § 108 StGB seit langem als materielle Zulassungsvoraussetzungen gewertet, bei deren Fehlen die Verwendung des (nicht zugelassenen) Fahrzeugs auf Straßen mit öffentlichem Verkehr unter Anbringung der Kennzeichen eines anderen Fahrzeugs dem Tatbestand des § 108 StGB zu unterstellen ist (vgl EvBl 1976/290 = ZVR 1977/32; ZVR 1978/65; ZVR 1978/97; 10 Os 42/79; 11 Os 5/86; ebenso auch SSt 54/43 und 13 Os 56/87 = ÖJZ-LSK 1987/71); mitunter wurde auch noch das Erfordernis rechtmäßigen Fahrzeugbesitzes als materielle Zulassungsvoraussetzung gewertet (ZVR 1978/97; 12 Os 160/80) und als Schutzzweck der Zulassungs- bzw Kennzeichenvorschriften auch die Ermittelbarkeit des jeweiligen Fahrzeuglenkers angesehen (12 Os 160/80; vgl zum Ganzen auch Leukauf-Steininger Komm2 § 108 RN 9 ff; Kienapfel BT I2 § 108 Rz 32 f).

Im Sinne der herrschenden Judikatur ist bei Kennzeichenmanipulationen der verfahrensgegenständlichen Art die Schädigung eines konkreten (staatlichen) Rechts iS § 108 StGB zu verneinen, wenn das Fahrzeug, das mit fremden Kennzeichen verwendet wird, jedenfalls die Zulassungsvoraussetzungen der Verkehrs- und Betriebssicherheit und des aufrechten Bestandes einer Haftpflichtversicherung erfüllt (zumal das Fehlen einer dieser beiden Voraussetzungen obligatorisch die Aufhebung der Zulassung zur Folge hat; vgl § 44 Abs. 1 lit a, lit b und lit c KFG). Auf dieser Linie liegen insb auch die Entscheidungen SSt 54/43 und ÖJZ-LSK 1987/71, in welchen der Oberste Gerichtshof deshalb zum Freispruch gelangte, weil diese beiden Zulassungsvoraussetzungen gegeben waren.

Im vorliegenden Fall bietet die Aktenlage keine Anhaltspunkte dafür, daß das Motorfahrrad aufrecht haftpflichtversichert und verkehrs- und betriebssicher gewesen ist; ein sofortiger Freispruch kommt daher nicht in Betracht. Andererseits kann aber auch nicht ausgeschlossen werden, daß die erwähnten materiellen Zulassungsvoraussetzungen vorlagen. Es bedarf daher diesbezüglich der Ergänzung des Verfahrens in erster Instanz, weshalb ohne Erörterung des Beschwerdevorbringens nach Anhörung der Generalprokuratur bereits bei einer nichtöffentlichen Sitzung wie im Spruche zu erkennen war.

Anmerkung

E11915

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0120OS00108.87.1022.000

Dokumentnummer

JJT_19871022_OGH0002_0120OS00108_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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