Index
001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Rigler, Dr. Bayjones und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Weiss, über die Beschwerde 1) der W in L,
2) der I in B (USA), und 3) des Dr. H in W, alle vertreten durch Dr. Wolfram Wutzel, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Promenade 6, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 7. Juni 2004, Zl. WST1-BA-9915/4, betreffend Genehmigung der Errichtung und des Betriebes einer gewerblichen Betriebsanlage (mitbeteiligte Partei: N GmbH in M, vertreten durch Dr. Herbert Hofbauer, Rechtsanwalt in 3100 St. Pölten, Riemerplatz 1), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die beschwerdeführenden Parteien haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 7. Juni 2004 wurde der von den beschwerdeführenden Parteien gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Lilienfeld vom 22. Dezember 2003, betreffend Genehmigung der Errichtung und des Betriebes einer gewerblichen Betriebsanlage, eines Strangpresswerkes in M, erhobenen Berufung keine Folge gegeben und der erstbehördliche Bescheid bestätigt. Hiezu wurde im Wesentlichen ausgeführt, entgegen der Auffassung der beschwerdeführenden Parteien bestehe kein betrieblicher Zusammenhang zwischen der den Gegenstand des Genehmigungsverfahrens bildenden Anlage und den übrigen Anlagen der Unternehmensgruppe. Es würden zwar in unmittelbarer Nähe weitere Anlagen der Aluminium verarbeitenden Industrie betrieben, daraus alleine könne jedoch ein betrieblicher Zusammenhang nicht abgeleitet werden. Vielmehr werde Rohmaterial (Bolzen) angeliefert und auf einem eigenen Bolzenlagerplatz vorrätig gehalten. Mit dem Bolzen herstellenden Betrieb bestehe keine gemeinsame Betriebsstruktur betreffend die Anlieferung. Auch der Abtransport erfolge unabhängig von den anderen Unternehmen der Gruppe; ein betrieblicher Zusammenhang über eine gemeinsame Transportlogistik sei nicht gegeben. Dass verschiedene Gesellschaften Betreiberinnen des Herstellungs- und des Verarbeitungsbetriebes seien, sei ein (weiteres) Indiz dafür, dass verschiedene Betriebsstrukturen vorlägen. Die den Gegenstand des Genehmigungsverfahrens bildende Anlage müsse demnach - entsprechend dem Genehmigungsantrag der mitbeteiligten Partei - als eigenständige Betriebsanlage beurteilt werden. Entgegen der Auffassung der beschwerdeführenden Parteien bestünden auch keine Unklarheiten betreffend die Identität von Antragsteller und Bescheidadressat. Antragstellerin im Jahre 1998 sei die F GesmbH gewesen. Der Teilbetrieb "Strangpresswerk" sei mit Vertrag vom 18. Mai 1999 in die N GmbH eingebracht worden. Durch diese Umgründung bestehe hinsichtlich des Strangpresswerkes rechtliche Identität zwischen der F GesmbH als Rechtsvorgängerin und der N GmbH als Rechtsnachfolgerin. Der erstinstanzliche Bescheid sei daher richtiger Weise an die N GmbH erlassen worden. Eine "F GmbH" existiere - wie auch in der Berufung ausgeführt - nicht, weshalb an diese Adresse auch keinerlei Rechtsakte seitens der erstinstanzlichen Gewerbebehörde gerichtet worden seien. Was die von den beschwerdeführenden Parteien geltend gemachte unzumutbare und gesundheitsgefährdende Lärmbelastung angehe, sei zunächst zu bemerken, dass es in diesem Punkt auf die Flächenwidmung der betroffenen Grundstücke nicht ankomme. Weiters sei es dem lärmtechnischen Sachverständigen entgegen der Auffassung der beschwerdeführenden Parteien möglich gewesen, auf Grund der Einreichunterlagen und der aufgenommenen Beweise ein Gutachten darüber abzugeben, mit welchen zusätzlichen Lärmemissionen und -immissionen beim Betrieb der Anlage zu rechnen sei. Die beschwerdeführenden Parteien hätten zwar behauptet, dass das von der mitbeteiligten Partei vorgelegte Schallschutzprojekt nicht den Anforderungen der ÖAL-Richtlinie entspreche. Sie hätten allerdings nicht auch ausgeführt, welche Unterlagen nach ihrer Auffassung konkret fehlten bzw. inwieweit sich das Fehlen dieser Unterlagen auf das gewonnene Ergebnis auswirke. Die Immissionswerte seien primär gemessen und nicht berechnet worden, wie sich aus dem schalltechnischen Gutachten ergebe. Lediglich Änderungen des Projektes, die sich während des Verfahrens ergeben hätten, seien rechnerisch berücksichtigt worden. Die ungünstigste Stunde des Tages ergäbe sich aus den durchgeführten Messungen. Es sei dies jene Stunde, zu der der Grundgeräuschpegel und die zu erwartenden Immissionen am weitesten auseinander klafften. Da beides bekannt sei, bestehe kein vernünftiger Grund für Zweifel, dass dieser Umstand in das eingeholte Gutachten eingeflossen sei. Das Vorbringen der beschwerdeführenden Parteien, es sei nicht abgeklärt worden, auf Grund welcher Oktavbänder die Prognoseberechnung erfolgt sei und es sei keine Auseinandersetzung mit der ungünstigsten Stunde erfolgt, sei daher unzutreffend. Des gleichen bestehe kein nachvollziehbarer Grund für die Auffassung der beschwerdeführenden Parteien, es sei die Richtigkeit der im Emissionsbericht angeführten Emissionsdaten in Zweifel zu ziehen. Die Gutachter hätten dezidiert ausgeführt, dass die Berechnung gemäß ÖAL-Richtlinie Nr. 28 erfolgt sei. Wenn die beschwerdeführenden Parteien diese Aussage bezweifelten, so hätten sie Anhaltspunkte vorbringen müssen, die diese Zweifel berechtigt erscheinen ließen. Dies sei nicht geschehen. Das von ihnen angeführte Gutachten der T GmbH vom 8. Mai 2000 gebe nur Messwerte betreffend die Ist-Situation wieder. Daraus könne keinerlei Aussage darüber getroffen werden, inwieweit durch den Betrieb der verfahrensgegenständlichen Anlage eine zusätzliche Lärmbelastung zu erwarten sei. Bei ihrem Vorbringen, der Ort, an dem die sie beeinträchtigenden Lärmimmissionen gemessen worden seien, sei entgegen den gesetzlichen Vorschriften und zu Ungunsten der beschwerdeführenden Parteien festgelegt worden, weil nicht an der Grundstücksgrenze, sondern unmittelbar vor ihrem Gebäude gemessen worden sei, das von der Grundstücksgrenze ca. 50 m weit entfernt sei, würde übersehen, dass das Grundstück als Grünland gewidmet sei und daher nicht Wohnzwecken diene. Lediglich das Gebäude könne bei flächenwidmungsgemäßer Nutzung bewohnt werden. Nur hier bestehe Anspruch auf Schutz vor unzumutbarer Belästigung bzw. Gesundheitsgefährdung. Die Festlegung des Messpunktes unmittelbar vor dem Gebäude sei daher rechtens erfolgt. Aus diesem Grund könne aus der Festlegung des Messpunktes auch kein Mangel des eingeholten medizinischen Gutachtens erkannt werden, in dem - entgegen der Auffassung der beschwerdeführenden Parteien - auch die Spitzenwerte, gewichtet nach Häufigkeit, Dauer und Charakteristik berücksichtigt worden seien. Schließlich sei das von den beschwerdeführenden Parteien als fehlend erachtete "lärmhygienische" Gutachten Inhalt des eingeholten medizinischen Gutachtens.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete ebenso wie die mitbeteiligte Partei eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wurde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die beschwerdeführenden Parteien erachten sich ihrem gesamten Vorbringen zufolge durch den angefochtenen Bescheid in den ihnen durch die GewO 1994 gewährleisteten Nachbarrechten verletzt. Sie bringen dazu im Wesentlichen vor, die mitbeteiligte Partei habe in mehreren Eingaben ausgeführt, dass es sich bei der in Rede stehenden Anlage um Erweiterungen bzw. Zubauten zu einer bestehenden Betriebsanlage handle. Demnach liege eine Änderung einer bestehenden Betriebsanlage vor, sodass nur eine solche - unter Bedachtnahme auf den Altbestand - genehmigt, nicht aber eine neue Genehmigung erteilt werden dürfe. Dass die in Rede stehende Anlage mit anderen Betriebsanlagenteilen eine untrennbare wirtschaftliche, organisatorische und technische Einheit bilde, ergäbe sich auch aus anderen Gewerbeverfahren und den dort vorgelegten Projektunterlagen, so aus dem Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 4. März 2004, mit dem der erstinstanzliche Genehmigungsbescheid betreffend eine Änderung einer am selben Standort bestehenden Betriebsanlage aufgehoben worden sei; in diesem Verfahren seien Unterlagen vorgelegt worden, die (auch) das verfahrensgegenständliche Strangpresswerk umfasst hätten. Im Übrigen habe die mitbeteiligte Partei zwar die Gesamtanlage "Strangpresswerk" zur Genehmigung beantragt, aber keine detaillierten prüffähigen Angaben bzw. detaillierten Projektunterlagen betreffend diese Gesamtanlage vorgelegt. Eine ordnungsgemäße Überprüfung des Genehmigungsantrages sei daher nicht möglich. Die zur Genehmigung beantragte Anlage sei weder im Genehmigungsantrag, noch sonst verbal beschrieben worden; die im Sinn des § 356a GewO 1994 erforderlichen Eingaben lägen nicht vor. Es sei den beschwerdeführenden Parteien daher zu keinem Zeitpunkt möglich gewesen, gegen ein konkretes, exakt beschriebenes und dokumentiertes Projekt Einwendungen zu erheben. Zufolge der von Anfang an unklaren und widersprüchlichen Angaben der mitbeteiligten Partei, der zahlreichen Änderungen der diversen Anträge und der verschiedenen Projekte sei nicht nachvollziehbar, welches konkrete Projekt dem in Rede stehenden Genehmigungsverfahren zu Grunde gelegen sei. Weder die räumliche Ausdehnung des Projektes sei nachvollziehbar und durch konkrete Angaben der mitbeteiligten Partei definiert, noch seien die technischen Daten des Projektes erkennbar. Es sei daher die Sache, über die im Sinne des § 66 AVG zu entscheiden gewesen sei, nicht im gesetzmäßig vorgeschriebenen Ausmaß definiert worden. Vollkommen unübersichtlich werde die Situation allerdings dadurch, dass der ursprüngliche Genehmigungsantrag von der F GesmbH eingebracht worden sei, der Antrag vom 27. Februar 2003 jedoch von der "F GesmbH bzw F GmbH", während der Genehmigungsbescheid an die mitbeteiligte Partei (N GmbH) adressiert worden sei. Die mitbeteiligte Partei sei am Genehmigungsverfahren überhaupt nicht beteiligt gewesen; die Behauptung der belangten Behörde, es läge Rechtsnachfolge vor, hätte von der mitbeteiligten Partei aufgestellt bzw. belegt werden müssen. Nach Auffassung der beschwerdeführenden Parteien stelle weiters die Übereinstimmung des Projektes der mitbeteiligten Partei mit der Flächenwidmung eine wesentliche Voraussetzung für die Erteilung der beantragten Genehmigung dar. Diese Voraussetzung sei - wie näher dargestellt - im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Schließlich hätten die beschwerdeführenden Parteien im Verfahren mehrmals eingewendet, dass von der Betriebsanlage der mitbeteiligten Partei Lärmemissionen ausgingen, die zu einer Gesundheitsgefährdung bzw. zu einer unzumutbaren Belästigung der Nachbarn führten. Dies, weil entgegen den in der ÖAL-Richtlinie Nr. 10,
3. Ausgabe 10/1986, vorgegebenen Grundlagen erforderliche Projektunterlagen in ihrer "Vielzahl" nicht vorhanden gewesen seien. Das Schallprojekt sei daher unvollständig geblieben und nicht nachvollziehbar, was es auch unmöglich gemacht habe, darauf aufbauend zu einer objektiven Beurteilung der von der Betriebsanlage ausgehenden Schallimmissionen zu gelangen. Die mitbeteiligte Partei habe das Projekt mittlerweile weitestgehend fertig gestellt; die Betriebsanlage sei seit Beginn des Jahres 2000 in Betrieb. Die dadurch mögliche Beurteilung der Lärmimmissionen sowie deren Auswirkung auf die beschwerdeführenden Parteien sei daher möglich. Sie sei im Auftrag der beschwerdeführenden Parteien von der Firma T GmbH vorgenommen worden und zum Ergebnis gelangt, dass die örtliche Ist-Situation im Bereich der Liegenschaft der beschwerdeführenden Parteien ausschließlich durch die Geräusche der nördlich gelegenen Betriebsanlage geprägt werde. Die entsprechend der Baulandwidmung der betroffenen Grundstücke in Betracht zu ziehenden Immissionsgrenzwerte von 55 dB zur Tagzeit und 45 dB zur Nachtzeit würden ebenso wie die im schalltechnischen Projekt angegebenen Prognosewerte um ein Vielfaches überschritten. Die Überschreitungen seien so massiv, dass auch nach Errichtung der noch fehlenden Lärmschutzwand eine Reduktion auf ein zulässiges bzw. zumutbares und nicht gesundheitsgefährdendes Ausmaß ausgeschlossen erscheine. Diesen Darlegungen des lärmtechnischen Prüfberichts sei von der Behörde nicht durch ein umfassendes, in sich geschlossenes und nachvollziehbares Gutachten eines lärmtechnischen bzw. immissionsschutztechnischen Amtssachverständigen auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten worden. Im Übrigen habe sich die Beurteilung von Lärmimmissionen auf das gesamte Nachbargrundstück, also auch auf den Bereich der Grundstücksgrenze zu beziehen. Dass das Grundstück der beschwerdeführenden Parteien mittlerweile als Grünland gewidmet worden sei, ändere nichts daran, dass die gesamte Liegenschaft zu Wohnzwecken genutzt werde; das Wohnhaus sei als erhaltenswürdiges Gebäude im Grünland festgestellt worden. Demnach sei der auf die beschwerdeführenden Parteien einwirkende Lärm nicht an der Grundstücksgrenze, sondern unmittelbar vor dem Wohnhaus gemessen worden, das von der Grundstücksgrenze ca. 50 m entfernt sei. Es sei daher nicht möglich, zu überprüfen, ob an der Grundstücksgrenze Lärmimmissionen gegeben seien, die ein gesundheitsgefährdendes oder unzumutbares Ausmaß erreichten. Die belangte Behörde habe kein lärmhygienisches Gutachten eingeholt, in dem unter Einbeziehung des aktuellen Kenntnisstandes der Lärmwirkungsforschung die Auswirkungen auf den Menschen beurteilt werden. Das eingeholte medizinische Gutachten basiere schließlich zufolge des "objektiv unrichtigen lärmtechnischen Projektes" sowie der darauf aufbauenden Aussagen des lärmtechnischen Amtssachverständigen auf unzutreffenden Grundlagen. Überdies missachte die darin erfolgte Begutachtung den Umstand, dass der Nachbar einer Betriebsanlage nicht auf die Möglichkeit verwiesen werden dürfe, die Wohnungsfenster zu schließen bzw. zu kippen. Bei geöffneten Fenstern aber werde der während der Nachtstunden zulässige Dauerschallpegel von 35 dB um mindestens 10 dB überschritten, sodass von einer zu erwartenden Gesundheitsgefährdung, jedenfalls aber unzumutbaren Belästigung ausgegangen werden müsse. Darüber hinaus habe sich der medizinische Amtssachverständige in keiner Weise mit den Spitzenwerten auseinander gesetzt. Diese schienen in dem schalltechnischen Projekt der mitbeteiligten Partei allerdings auch nicht auf, zumindest nicht in einer für die medizinische Beurteilung geeigneten und nachvollziehbaren Art und Weise. Auch der medizinischen Begutachtung, die sich offenbar auf die ÖAL-Richtlinie Nr. 6/18 stützte, lägen krasse Fehler zu Grunde, wie sich aus einem Vergleich der laut ÖAL-Richtlinie Nr. 6/18 vorgegebenen Kriterien und den amtssachverständigen Ausführungen ergäbe. Da diese Fehler auch für jeden Laien deutlich erkennbar seien, bedürfe es keines weiteren Sachverständigengutachtens, um den amtssachverständigen Darlegungen auf gleicher fachlicher Ebene entgegenzutreten.
Gemäß § 74 Abs. 1 GewO 1994 ist unter einer gewerblichen Betriebsanlage jede örtlich gebundene Einrichtung zu verstehen, die der Entfaltung einer gewerblichen Tätigkeit regelmäßig zu dienen bestimmt ist.
Gemäß § 74 Abs. 2 GewO 1994 dürfen gewerbliche Betriebsanlagen nur mit Genehmigung der Behörde errichtet oder betrieben werden, wenn sie wegen der Verwendung von Maschinen und Geräten, wegen ihrer Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst geeignet sind,
1. das Leben oder die Gesundheit des Gewerbetreibenden, der nicht den Bestimmungen des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes, BGBl. Nr. 450/1994, in der jeweils geltenden Fassung, unterliegenden mittätigen Familienangehörigen, der Nachbarn oder der Kunden, die die Betriebsanlage der Art des Betriebes gemäß aufsuchen, oder das Eigentum oder sonstige dingliche Rechte der Nachbarn zu gefährden; als dingliche Rechte im Sinne dieses Bundesgesetzes gelten auch die im § 2 Abs. 1 Z. 4 lit. g angeführten Nutzungsrechte,
2. die Nachbarn durch Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterung oder in anderer Weise zu belästigen, ...
Die Betriebsanlage ist gemäß § 77 Abs. 1 GewO 1994 zu genehmigen, wenn nach dem Stand der Technik (§ 71a) und dem Stand der medizinischen und der sonst in Betracht kommenden Wissenschaften zu erwarten ist, dass überhaupt oder bei Einhaltung der erforderlichenfalls vorzuschreibenden bestimmten geeigneten Auflagen die nach den Umständen des Einzelfalles voraussehbaren Gefährdungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1 vermieden und Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 2 bis 5 auf ein zumutbares Maß beschränkt werden.
Gemäß § 81 Abs. 1 GewO 1994 bedarf auch die Änderung einer genehmigten Betriebsanlage einer Genehmigung im Sinne der vorstehenden Bestimmungen, die Genehmigung hat auch die bereits genehmigte Anlage so weit zu umfassen, als wegen der Änderung zur Wahrung der in § 74 Abs. 2 umschriebenen Interessen gegenüber der bereits genehmigten Anlage erforderlich ist.
Unter einer gewerblichen Betriebsanlage im Sinne der §§ 74 f GewO 1994 ist nach ständiger hg. Judikatur die Gesamtheit jener Einrichtungen zu verstehen, die dem Zweck des Betriebes eines Unternehmens gewidmet sind und in einem örtlichen Zusammenhang stehen. Nicht die einzelnen Maschinen, Geräte oder die beim Betrieb vorkommenden Tätigkeiten bilden den Gegenstand der behördlichen Genehmigung, sondern die gesamte gewerbliche Betriebsanlage, die eine Einheit darstellt. Einrichtungen, die unter Bedachtnahme auf die Kriterien des § 74 Abs. 2 Einleitungssatz GewO 1994 mit einer gewerblichen Betriebsanlage in einem sachlichen (betrieblichen) und örtlichen Zusammenhang stehen, zählen zu dieser Betriebsanlage. Sie können, weil die GewO 1994 nicht vorsieht, dass für eine Betriebsanlage Genehmigungen mehrfach nebeneinander erteilt werden können, nicht "abgesondert" genehmigt werden. Vielmehr bewirkt die Errichtung oder Inbetriebnahme einer mit einer rechtskräftig genehmigten Betriebsanlage in einem solchen Zusammenhang stehenden Einrichtung bei Erfüllung der Tatbestandsmerkmale des § 81 GewO 1994 eine genehmigungspflichtige Änderung der genehmigten Anlage, wobei die Genehmigung auch die bereits genehmigte Anlage so weit zu umfassen hat, als es wegen der Änderung zur Wahrung der in § 74 Abs. 2 GewO 1994 umschriebenen Interessen gegenüber der bereits genehmigten Anlage erforderlich ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. März 2003, Zl. 2001/04/0167, und die dort zitierte Vorjudikatur).
Dem angefochtenen Bescheid liegt die aus dem Genehmigungsantrag und aus den Projektunterlagen gewonnene Auffassung zu Grunde, der Gegenstand des Genehmigungsantrages der mitbeteiligten Partei, ein Strangpresswerk, befinde sich zwar in örtlicher Nähe zu anderen Anlagen der Aluminium verarbeitenden Industrie. Das Strangpresswerk stehe jedoch mit diesen Anlagen in keinem betrieblichen Zusammenhang, sondern sei selbständig betreibbar und werde auch selbständig betrieben. Es bestünden mit den anderen Anlagen weder gemeinsame Einrichtungen noch gemeinsame Betriebsabläufe.
In ihrem dagegen erhobenen Vorbringen behaupten die beschwerdeführenden Parteien zwar, es handle sich beim Strangpresswerk lediglich um einen Teil einer wirtschaftlichen, organisatorischen und technischen Einheit, die daher nicht für sich genehmigt werden könne. Konkrete Umstände, die geeignet wären, die Richtigkeit der von der belangten Behörde vertretenen Auffassung in Zweifel zu setzen, zeigen sie jedoch nicht auf. Dass nämlich, wie die beschwerdeführenden Parteien behaupten, in der Vergangenheit die Absicht bestanden habe, die in örtlicher Nähe bestehende Betriebsanlage um ein Strangpresswerk zu erweitern, besagt für sich noch nichts über die Qualifikation der in Rede stehenden Anlage. Was aber den konkret angesprochenen Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 4. März 2004 betrifft, so lässt sich - abgesehen davon, dass hier nicht über einen Genehmigungsantrag der mitbeteiligten Partei abgesprochen wurde - aus dem darin enthaltenen Hinweis, dass sich die vorgelegten Unterlagen "auch auf Teile anderer Betriebsanlagen (so z. B. Strangpresswerk)" beziehen, eine zuverlässige Aussage dahin, das verfahrensgegenständliche Strangpresswerk komme lediglich als Bestandteil einer anderen Betriebsanlage in Betracht, nicht gewinnen. Schließlich behaupten die beschwerdeführenden Parteien auch nicht, dass entgegen den in der Verhandlung vom 28. August 2003 behördlicherseits explizit getroffenen Feststellungen das Strangpresswerk bzw. Teile davon bereits den Gegenstand einer rechtskräftigen Betriebsanlagengenehmigung gebildet hätten.
Auf dem Boden der von der belangten Behörde somit in nicht als unschlüssig zu erkennender Weise getroffenen tatsächlichen Annahmen besteht allerdings die Auffassung, das von der mitbeteiligten Partei zur Genehmigung beantragte Strangpresswerk sei (für sich) als gewerbliche Betriebsanlage im Sinn der §§ 74 ff GewO 1994 zu qualifizieren, zu Recht.
Der Beschwerdevorwurf, die Sache "im Sinne von § 66 AVG" sei "nicht im gesetzmäßig vorgeschriebenen Ausmaß definiert", ist schon angesichts der Umschreibung der in Rede stehenden Betriebsanlage im erstinstanzlichen Bescheid unzutreffend. Zur Rüge jedoch, die zur Genehmigung beantragte Betriebsanlage sei im Genehmigungsantrag verbal nicht so deutlich dargestellt worden, dass es den beschwerdeführenden Parteien möglich gewesen wäre, Einwendungen gegen ein "konkretes, exakt beschriebenes und exakt dokumentiertes Projekt" zu erheben, ist zunächst auf die hg. Judikatur zu verweisen, wonach ein Antrag im Sinne des § 353 GewO 1994 im Hinblick auf die Berechtigung der Nachbarn zur Erhebung von Einwendungen einen (verbalen) Inhalt aufzuweisen hat, der als solcher - unabhängig von den weiteren einem derartigen Ansuchen anzuschließenden und dieses detaillierenden Unterlagen und Plänen - Art und Umfang der beantragten Genehmigung eindeutig erkennen lässt (vgl. die bei Grabler/Stolzlechner/Wendl, GewO2 (2003), S. 1160 f, dargestellte Judikatur).
Nun behaupten die beschwerdeführenden Parteien zwar, dass der Genehmigungsantrag der mitbeteiligten Partei die - genehmigte - Betriebsanlage nicht hinreichend deutlich beschrieben habe. Sie legen aber weder dar, welche Umstände ihrer Auffassung nach in die von der mitbeteiligten Partei vorgenommene Beschreibung der Anlage zusätzlich aufzunehmen gewesen wären, noch welche Einwendungen sie diesfalls - über die von ihnen ohnedies erhobenen Einwendungen hinaus - konkret erhoben hätten. Auch dieses Beschwerdevorbringen ist daher nicht geeignet, eine zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führende Rechtswidrigkeit aufzuzeigen.
Zu Unrecht rügen die beschwerdeführenden Parteien weiters, es fehle an der erforderlichen Identität zwischen Antragsteller und Bescheidadressat. Grundlage der der mitbeteiligten Partei erteilten Genehmigung war nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten der Genehmigungsantrag vom 18. Juli 2003, wo im Gegensatz zu den Ausführungen der beschwerdeführenden Parteien (ausschließlich) die mitbeteiligte Partei als Genehmigungswerberin aufscheint. Ob vor diesem Antrag Genehmigungsanträge von anderen Personen (Gesellschaften) gestellt wurden, ist für die aufgeworfene Frage unerheblich.
Im Gegensatz zur Auffassung der beschwerdeführenden Parteien ist die Gewerbebehörde weiters nicht ermächtigt, die Übereinstimmung einer gewerblichen Betriebsanlage mit den im Standort geltenden raumordnungsrechtlichen Vorschriften im Genehmigungsverfahren nach § 77 GewO 1994 zu beurteilen. Ein allenfalls gegebener Widerspruch zu raumordnungsrechtlichen Vorschriften kann daher im gewerbebehördlichen Genehmigungsverfahren von den Nachbarn auch nicht mit Erfolg geltend gemacht werden (vgl. die bei Grabler/Stolzlechner/Wendl, a. a.O., S. 559 f, dargestellte Judikatur).
Schließlich zeigen die beschwerdeführenden Parteien auch mit ihrem gegen die amtssachverständige Begutachtung der zur Genehmigung beantragten Betriebsanlage erhobenen Vorbringen keine zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führende Rechtswidrigkeit auf. Soweit sie nämlich eine Unvollständigkeit der Projektunterlagen mit Hinweis auf die ÖAL-Richtlinie Nr. 10,
3. Ausgabe Nr. 10/1986, rügen, übersehen sie zunächst, dass die erwähnte Richtlinie keine Rechtsvorschrift darstellt, denen ein Genehmigungsantrag im Sinn des § 353 GewO 1994 jedenfalls entsprechen müsste, und weiters, dass der lärmtechnische Amtssachverständige die vorgelegten Unterlagen als ausreichend erachtet hat, um ein Gutachten betreffend die zu erwartenden Lärmimmissionen zu erstatten. Die beschwerdeführenden Parteien haben dem gegenüber wohl behauptet, es fehle an einer "Vielzahl unbedingt notwendiger Unterlagen". Sie haben es jedoch unterlassen, die Relevanz des Fehlens dieser Unterlagen für das Verfahrensergebnis konkret darzulegen.
Der schalltechnische Prüfbericht der TGmbH stellt - wie die Beschwerde selbst vorbringt - die Situation zum Messzeitpunkt (26. April 2000) dar. Die damals bestehenden, Immissionen verursachenden Anlagen wurden nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten jedoch zwischenzeitig durch einen Großbrand weitgehend zerstört. Schon mangels Identität der damaligen Anlagen mit der verfahrensgegenständlichen Betriebsanlage ist daher der Hinweis auf den Prüfbericht für sich nicht geeignet, Mängel in der lärmtechnischen Begutachtung der den Gegenstand des vorliegenden Verfahrens bildenden Betriebsanlage aufzuzeigen. Wenn die belangte Behörde somit den Standpunkt vertritt, der erwähnte Prüfbericht gebe zum Beweisthema keine Auskunft, so ist dies nicht als rechtswidrig zu beanstanden.
Zu Recht sind die beschwerdeführenden Parteien der Auffassung, dass der Schutz der Nachbarn im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1 und 2 GewO 1994 vor sie gefährdenden oder unzumutbaren Lärmeinwirkungen nicht auf bestehende Gebäude oder Teile von diesen eingeschränkt ist. Vielmehr hat die Beurteilung der Lärmeinwirkung auf jenen der Lärmquelle am nächsten liegenden Teil des Nachbargrundstückes abzustellen, der bei Bedachtnahme auf die - im Entscheidungszeitpunkt geltenden Vorschriften insbesondere auf dem Gebiet des Baurechts - dem regelmäßigen Aufenthalt der Nachbarn, sei es in einem Gebäude, sei es außerhalb eines Gebäudes dienen kann (vgl. die bei Grabler/Stolzlechner/Wendl, a.a.O., S. 581 f, dargestellte Judikatur). Auch hängt die Beurteilung, ob von einer Betriebsanlage ausgehende Immissionen eine Gefährdung oder unzumutbare Belästigung im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1 und 2 GewO 1994 bewirken, nicht von der Flächenwidmung der betroffenen Grundstücke ab (vgl. die bei Grabler/Stolzlechner/Wendl, a.a.O., S. 560 f, dargestellte Judikatur).
Die Grünlandwidmung des Grundstücks der beschwerdeführenden Parteien ist daher für die erwähnte Beurteilung ohne Belang. Dennoch ist mit dem Vorbringen, die Beurteilung der Lärmimmissionen sei von unzutreffenden Grundlagen ausgegangen, weil die Lärmmessungen nicht an der Grundstücksgrenze, sondern unmittelbar vor dem 50 m davon entfernten Gebäude vorgenommen worden seien, für die Beschwerde nichts gewonnen. Denn es fällt die Wahl der Messpunkte in den fachlichen Verantwortungsbereich des Sachverständigen; sie kann daher, soweit sie nach allgemeinem Erfahrungsgut nicht bereits als unschlüssig zu erachten ist - wofür im vorliegenden Fall kein Anhaltspunkt besteht - nur durch ein auf gleicher fachlicher Ebene stehendes Vorbringen entkräftet werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 2. Juni 1999, Zl. 99/04/0022).
Ein solches Vorbringen haben die beschwerdeführenden Parteien jedoch nicht erstattet; sie haben in diesem Sinn insbesondere nicht dargelegt, dass eine Lärmmessung unmittelbar an der Grundstücksgrenze zu entscheidend anderen Verfahrensergebnissen geführt hätte. Lediglich am Rande sei in diesem Zusammenhang noch erwähnt, dass bei Erstellung des Gutachtens betreffend die auf die Liegenschaft der beschwerdeführenden Parteien einwirkenden Immissionen auf jene Messdaten zurückgegriffen wurde, die "auf Veranlassung der Familie G im Bereich ihres Grundstückes bzw. Wohnhauses vorgenommen wurden".
Bei ihrer Rüge, es hätte ein lärmhygienischer Sachverständiger beigezogen werden müssen, übersehen die beschwerdeführenden Parteien, dass die Behörde ein medizinisches Gutachten eingeholt hat, in dem die Auswirkungen der in Rede stehenden Betriebsanlage auf die Nachbarn in gesundheitlicher Hinsicht beurteilt wurden. Soweit dieses Gutachten in der Beschwerde mit Hinweis auf die ÖAL-Richtlinie Nr. 6/18 als mangelhaft beurteilt wird, sind die beschwerdeführenden Parteien auf die obigen Darlegungen zur Rechtsqualität von Richtlinien zu verweisen. Soweit sie jedoch behaupten, die medizinische Prognose beruhe auf der Annahme gekippter Wohnungsfenster, obwohl von Nachbarn ein bestimmtes immissionsminderndes Verhalten nicht verlangt werden könne, so übersehen sie, dass die medizinische Amtssachverständige ihr Gutachten in der Verhandlung vom 24. November 2003 dahin verdeutlicht hat, dass die von ihr getroffene Prognose auch bei geöffneten Fenstern Geltung besitze. Dass sich die medizinische Amtssachverständige mit den zu erwartenden Lärmspitzen nicht auseinander gesetzt habe, ist gleichfalls unzutreffend; heißt es doch im medizinischen Gutachten vom 28. Oktober 2003, dass auch die prognostizierten Spitzenschallereignisse im Bereich der Toleranz blieben.
Die sich somit als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Von der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 14. September 2005
Schlagworte
Verwaltungsrecht allgemein Rechtsquellen VwRallg1sachliche ZuständigkeitBeschwerdepunkt Beschwerdebegehren Rechtslage Rechtsgrundlage RechtsquellenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2005:2004040131.X00Im RIS seit
14.10.2005Zuletzt aktualisiert am
23.01.2017