TE OGH 1987/10/27 15Os134/87

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Veröffentlicht am 27.10.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 27.Oktober 1987 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, Dr. Reisenleitner, Dr. Kuch und Dr. Massauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Bachinger als Schriftführerin in der Strafsache gegen Berndt L*** und Ingolf L*** wegen des Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127 Abs. 1 und 2 Z 1, 128 Abs. 2, 129 Z 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Staatsanwaltschaft betreffend den Angeklagten Berndt L*** gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Schöffengericht vom 11.Juni 1987, GZ 17 Vr 2757/86-70, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Bassler, und des Verteidigers Dr. Witt, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten Berndt L*** zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das hinsichtlich des Angeklagten Berndt L*** im übrigen unberührt bleibt, im Freispruch dieses Angeklagten von der Anklage wegen Verleumdung und in dem ihn betreffenden Strafausspruch (einschließlich des Ausspruches über die Anrechnung der Vorhaft) aufgehoben sowie die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen. Mit ihrer den genannten Angeklagten betreffenden Berufung wird die Staatsanwaltschaft darauf verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem erstgerichtlichen Urteil wurden die Brüder Berndt (in den Akten auch: Bernd) L*** und Ingolf L*** jeweils (unangefochten) mehrerer strafbarer Handlungen schuldig erkannt und - Ingolf L*** gleichfalls unangefochten - von je einem Anklagevorwurf gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen. Gegenstand der von der Staatsanwaltschaft aus der Z 9 lit a des § 281 Abs. 1 StPO ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde ist allein der Freispruch des Berndt L*** von der Anklage, er habe am 10. Oktober 1986 in Salzburg durch die vor Beamten der Bundespolizeidirektion erhobene Behauptung, Manfred W*** habe (in anderen Anklagepunkten näher bezeichnete) Urkunden des Dr.Thomas K***, des Dieter S*** und der Paula G*** bei ihm zurückgelassen, jenen einer von Amts wegen zu verfolgenden mit Strafe bedrohten Handlung, nämlich des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs. 1 StGB, falsch verdächtigt, wobei er wußte, daß die Verdächtigung falsch war.

Der Beschwerde kommt insoweit Berechtigung zu, als damit (hilfsweise) Feststellungsmängel geltend gemacht werden.

Rechtliche Beurteilung

Die oben bezeichneten, aus Kraftfahrzeugen weggenommenen Urkunden wurden in einem Wohnbus des Angeklagten Berndt L*** sichergestellt (S 159, 161, 185/I, ON 26). Dieser behauptete bei seiner Vernehmung durch die Polizei am 9.Oktober 1986 vorerst, sie seien von einem in der Seeuferstraße wohnhaften "Fredl W***" - verwahrt in einer Tasche, die dieser bei ihm vergessen habe - zurückgelassen worden (S 167/I). Anläßlich seiner Ausführung dorthin am 10.Oktober 1986 änderte er seine Angaben, indem er nunmehr einen "Fredl W*** oder ähnlich" als jene Person bezeichnete, die Polizeibeamten zum Haus in Salzburg, Triebenbachstraße 6, führte und unter Bezugnahme auf ein dort befindliches Namensschild "W***" behauptete, es handle sich um "Fredl W***" (S 331/I). Die Polizeibeamten nahmen nach Ermittlungen in dieser Wohnung an, es handle sich um Manfred W*** (S 332/I), von dem zwar eine andere Adresse bekannt war, der aber (auch) bei seiner Mutter in der Triebenbachstraße 6 aufzufinden ist (S 341/I), in der Folge jeden Zusammenhang von sich wies und erklärte, Berndt L*** gar nicht zu kommen (S 333, 357/I). Vor dem Untersuchungsrichter brachte der Angeklagte zunächst vor, die Papiere seien von Alfred W*** bei ihm vergessen worden (S 203 c/I oben); nach Vorhalt der Angaben des Manfred W*** bekräftigte er sodann nichtsdestoweniger seine Angaben "betreffend Manfred W*** vor der Polizei bzw im Rahmen der gerichtlichen Einvernahme" als richtig, doch bezeichnete er die damit gemeinte Person im unmittelbaren Anschluß daran wieder als "Alfred W***", den er unter dem Vornamen "Fredl" kenne (S 203 c/I unten).

In der Anklageschrift (ON 48) wird die Verleumdung ohne Erwähnung dieser Divergenzen auf "Manfred W***" bezogen. Nach der Vorführung des Zeugen Manfred W*** in der Hauptverhandlung vom 11.Juni 1987 erklärte der Angeklagte, bei diesem handle es sich nicht um jenen "Fredl W***", der die Tasche mit den Urkunden in seinem Bus vergessen habe (S 27/II), sondern um dessen in der Triebenbachstraße 6 wohnhaften Bruder Alfred W*** (S 38/II); nach dessen sofortiger Vorladung unter dieser Adresse durch Polizeiorgane beharrte er auf der Richtigkeit seiner von letzterem bestrittenen Darstellung (S 46/II). Das Schöffengericht erachtete die Verantwortung des Angeklagten Berndt L***, der Zeuge Alfred W*** habe die Urkunden im Wohnbus zurückgelassen, als widerlegt (US 13, 15 f.), gelangte aber in Ansehung des Verleumdungs-Vorwurfs dennoch zum Freispruch, weil seine Rechtfertigung, er habe nicht Manfred W*** - wie ihm die Anklage vorwerfe - als jenen "bezeichnet bzw bezeichnen wollen", der die Urkunden bei ihm zurückgelassen habe, sondern dessen Bruder Alfred W***, nicht widerlegt sei; daraus, daß er den Namen des Urkunden-Überbringers mehrmals gewechselt hatte, leitete es ab, daß er "nicht ausdrücklich den in der Anklage genannten "Manfred W***" habe bezichtigen wollen, sodaß "eine eindeutige unverwechselbare Bezeichnung der Person, ..., die falsch verdächtigt werden sollte" nicht vorliege.

Mit Recht hält die Anklagebehörde dem darauf gegründeten Freispruch entgegen, daß zur Verwirklichung des Tatbestands der Verleumdung nach § 297 Abs. 1 StGB keineswegs eine exakte namentliche Bezeichnung jener Person erforderlich ist, die durch die Äußerung des falschen Verdachts einer von Amts wegen zu verfolgenden strafbedrohten Handlung der Gefahr einer behördlichen Verfolgung ausgesetzt wird oder - sofern es beim Versuch bleibt - ausgesetzt werden soll : genug daran, daß der solcherart Verleumdete durch auf ihn passende Merkmale (hier : Familienname, abgekürzter Vorname, Wohnadresse und persönliche Bekanntschaft) derart beschrieben wird, daß der gegen ihn erhobenen Vorwurf die konkrete Eignung aufweist, ihn dieser Gefahr auszusetzen; treffen jene Merkmale innerhalb eines überschaubaren Kreises auf mehrere Personen zu, dann haftet der Täter nach Maßgabe seines (zumindest bedingten) Vorsatzes für die Gefährdung eines jeden von ihnen (vgl Leukauf-Steininger, Komm2, RN 7; Pallin Im WK, Rz 8 b; Foregger-Serini, MKK3, Anm II - jeweils zu § 297 StGB).

Im vorliegenden Fall reichte die inkriminierte Bezichtigung des "Fredl W***" selbst dann, wenn sie der Angeklagte - worüber das Urteil keine klare Feststellung enthält - nicht ohnehin mit wenigstens bedingtem Vorsatz auch auf Manfred W*** gemünzt haben sollte, nach der Aktenlage jedenfalls dazu aus, Alfred W*** der konkreten Gefahr einer behördlichen Verfolgung (zumindest) wegen des Verdachts der Urkundenunterdrückung auszusetzen; daran ändert auch der Umstand nichts, daß sich die polizeilichen Ermittlungen vorerst nur gegen Manfred W*** richteten. Hierüber (gleichwie über den tatbestandsmäßigen Gefährdungsvorsatz) hat jedoch das Erstgericht, von der irrigen Rechtsansicht ausgehend, die Annahme einer Verleumdung setze im gegebenen Fall die eindeutige und unverwechselbare Bezeichnung einer wissentlich zu Unrecht verdächtigten einzigen Person voraus, die nach den Verfahrensergebnissen indizierten Feststellungen, die der Oberste Gerichtshof aus prozessualen Gründen nicht nachzuholen vermag, zu treffen unterlassen.

In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist insoweit klarstellend zu vermerken, daß die Anklage, welche die Verleumdung eines in der Triebenbachstraße 6 aufzufindenden, dem Angeklagten persönlich bekannt gewesenen "Fredl" W*** betrifft, ungeachtet dessen, daß die Staatsanwaltschaft - den polizeilichen Erhebungen folgend - annahm, die inkriminierte Falschbezichtigung sei auf Manfred W*** gemünzt gewesen, sehr wohl auch eine Sachverhaltsvariante umfaßte, derzufolge sich jene Äußerung auf Alfred W*** bezog (§ 267 StPO).

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde war demnach der bekämpfte Freispruch aufzuheben und in diesem Umfang die Verfahrenserneuerung anzuordnen.

Im Hinblick darauf, daß beim Angeklagten Berndt L*** die Verhängung einer einzigen Strafe für alle verfahrensgegenständlichen strafbaren Handlungen angebracht erscheint (§ 28 StGB), war auch der ihn betreffende Strafausspruch (einschließlich des darauf beruhenden Ausspruches über die Anrechnung der Vorhaft) aufzuheben und die Staatsanwaltschaft mit ihrer dagegen erhobenen Berufung auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.

Anmerkung

E12500

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0150OS00134.87.1027.000

Dokumentnummer

JJT_19871027_OGH0002_0150OS00134_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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