Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Melber, Dr. Kropfitsch und Dr. Huber als Richter in der Pflegschaftssache der mj. Andrea S***, geboren 14. August 1968, und mj. Reinhard S***, geboren 2. November 1969, infolge Revisionsrekurses des Vaters Rudolf S***, Pensionist, 1170 Wien, Balderichgasse 3, vertreten durch Dr. Gerd Hartung und Dr. Hildegard Hartung, Rechtsanwälte in Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgerichtes vom 3. September 1987, GZ 47 R 662/87-46, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Döbling vom 8. Juli 1987, GZ 1 P 59/86-40, bestätigt wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Das Erstgericht verpflichtete den Vater zusätzlich zu dem mit Beschluß vom 21. Mai 1986, ON 6, festgesetzten Unterhalt von S 1.750,-- für die damals noch mj. Andrea S*** ab 11. April 1986 bis 29. Juni 1986 weitere S 1.250,-- und ab 1. September 1986 bis zur Selbsterhaltungsfähigkeit weitere S 2.450,--, insgesamt somit monatlich S 4.200,-- zu bezahlen. Das Mehrbegehren von S 300,-- ab 22. Juli 1986 wurde abgewiesen, ebenso der Antrag des mj. Reinhard, den Vater zu einer den monatlichen Betrag von S 1.750,-- übersteigenden Unterhaltsleistung zu verhalten.
Es ging dabei von folgendem Sachverhalt aus:
Die Eltern der beiden Kinder leben in aufrechter Ehe, jedoch getrennt. Andrea S*** hat 1986 maturiert und im Herbst desselben Jahres das Studium an der Wirtschaftsuniversität Wien begonnen. Als Ferialpraktikantin hat sie in der Zeit vom 30. Juni bis 31. August 1986 über S 8.000,-- netto monatlich verdient, seither ist sie zur Krankenversicherung nicht gemeldet.
Der Vater Rudolf S*** bezieht von der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten eine Pension von monatlich durchschnittlich rund S 13.400,-- und ist mit einem Stammkapital von S 250.000,-- alleiniger Gesellschafter der Firma HLG Haus- und Liegenschaftsvermittlungsgesellschaft mbH, HRB 32.066 des Handelsgerichtes Wien. Neben seiner Sorgepflicht für die beiden Kinder hat er seine Ehefrau Elisabeth mit monatlich S 2.000,-- zu alimentieren.
Die Mutter der Kinder war bis 18. Juni 1986 Geschäftsführerin der Firma HLG Haus- und Liegenschaftsvermittlungsgesellschaft mbH. Seitdem ist der Vater zum Geschäftsführer bestellt. Die Mutter schätzte das Einkommen des Vaters aus der genannten Firma auf wenigstens S 9.000,-- monatlich. Der unterhaltspflichtige Vater verweigerte bezüglich der ihm gehörigen Firma jegliche Angaben. Das Erstgericht bestellte mit Beschluß vom 23. Jänner 1987 Dkfm. Dr. Josef D*** zum Sachverständigen und wies ihn an, ein Gutachten über das Brutto- und Nettoeinkommen des Vaters aus der ihm allein gehörigen Firma HLG Haus- und Liegenschaftsvermittlungsgesellschaft mbH unter Berücksichtigung der Pensionsbezüge zu erstatten. Dieser Beschluß wurde dem Vater zugestellt und von ihm am 30. Jänner 1987 persönlich übernommen. Der Sachverständige Dr. D*** ersuchte am 16. März 1987 den Vater mittels eingeschriebenen Briefes um Übermittlung der Unterlagen für die Gutachtenerstellung. Daraufhin meldete sich der Steuerberater des Vaters, der mitteilte, Unterlagen für 1985 seitens des Vaters noch nicht erhalten zu haben; nach weiteren Versuchen des Sachverständigen, die Unterlagen über den Steuerberater des Vaters zu erhalten, wurde dem Sachverständigen am 15. Mai 1987 mitgeteilt, daß der Vater keine Unterlagen vorgelegt und lediglich erklärt habe, daß er "überhaupt nichts mehr machen" werde, weil er einen Tumor habe und wahrscheinlich demnächst operiert werden müsse. Das Erstgericht ging davon aus, daß dann, wenn der Unterhaltsverpflichtete die Mitwirkung an der Feststellung seiner Einkommensverhältnisse grundlos verweigert, im Rahmen der freien Beweiswürdigung seine Einkommensverhältnisse angenommen werden müßten, folgte hiebei der Darstellung der Mutter der Kinder und gelangte zur oben wiedergegebenen Entscheidung.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Vaters, der sich bloß gegen den stattgebenden Teil des erstgerichtlichen Beschlusses im wesentlichen insoweit richtete, als der Unterhalt für die damals mj. Andrea vom 11. April 1986 bis 29. Juni 1986 und ab 1. September 1986 bis zur Selbsterhaltungsfähigkeit nur mit S 2.500,-- festgesetzt werden möge, nicht Folge. Es erachtete die Vorgangsweise des Erstgerichtes bei der Feststellung der Einkommensverhältnisse des Vaters für gerechtfertigt und nahm auf das erst im Rechtsmittelverfahren erstattete Vorbringen des Vaters, daß er aus der Gesellschaft überhaupt keine wie immer gearteten Einkünfte beziehe, nicht Bedacht. Die Grundsätze der Konzentration und der Beschleunigung des Verfahrens rechtfertigten es durchaus, mit der Entscheidung nicht erst bis zur Vorlage der Einkommens- bzw. Körperschaftssteuererklärung zuzuwarten oder den Bescheid der Studienbeihilfenbehörde abzuwarten.
Gegen die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs des Vaters, in welchem er offenbare Gesetzwidrigkeit und Aktenwidrigkeit geltend macht und beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und die Unterhaltssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen; hilfsweise beantragt er die Abänderung der Entscheidung dahin, daß seinem Rekurs Folge gegeben werden möge.
Rechtliche Beurteilung
Der außerordentliche Revisionsrekurs ist unzulässig. Der Rechtmittelwerber stellt sich auf den Standpunkt, daß er schon im Verfahren erster Instanz vorgebracht habe, aus der Gesellschaft mbH. keine wie immer gearteten Einkünfte zu erzielen. Die amtswegige Wahrheitsfindung hätte es erfordert, das Vorliegen der Einkommensteuererklärung abzuwarten. Die Feststellung, wonach er aus der Firma S 9.000,-- monatlich beziehe, sei durch kein geeignetes Beweismittel gedeckt. Dem ist zu erwidern:
Gemäß § 14 Abs 2 AußStrG sind Rekurse gegen Entscheidungen der zweiten Instanz über die Bemessung gesetzlicher Unterhaltsansprüche unzulässig. Diese Rechtsmittelbeschränkung gilt für jede Art der Bekämpfung, ob nun wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung, Aktenwidrigkeit, Mangelhaftigkeit des Verfahrens oder Nichtigkeit oder sonstiger Fehler, die bei der Unterhaltsbemessung unterlaufen sein sollen (EFSlg. 44.601, 44.602, 7 Ob 693/85 uva). Zur Bemessung gehört die Beurteilung der Bedürfnisse des Unterhaltsberechtigten, der zur Deckung dieser Bedürfnisse vorhandenen Mittel, die vor der Leistung des Unterhaltspflichtigen heranzuziehen sind (wie Vermögen, Einkommen, Arbeitsfähigkeit des Unterhaltsberechtigten und Leistungen anderer Personen), und der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen, wobei die Beurteilung dieser Umstände durch die zweite Instanz auch dann unanfechtbar ist, wenn es strittig ist, ob sie zur völligen Ablehnung eines Anspruches auf Unterhaltsleistung führt (Punkte II und III des Judikates 60 neu = SZ 27/177). Die Anfechtung einer zweitinstanzlichen Entscheidung über die Unterhaltsbemessung wird durch § 14 Abs 2 AußStrG ausgeschlossen, welcher Fehler immer dem Rekursgericht dabei unterlaufen sein möge; selbst Beschwerdegründe im Sinne des § 16 Abs 1 AußStrG - wie sie der Revisionsrekurswerber heranzuziehen sucht - sind in einem solchen Fall bei Bekämpfung bloßer Bemessungskriterien nicht zu prüfen
(EFSlg. 30.514; 37.332 f. ua; zuletzt etwa 8 Ob 545/87 ua). Zulässig ist ein Rechtsmittel an die dritte Instanz, wenn die Anfechtung die Entscheidung über den Grund des Anspruches oder über verfahrensrechtliche Voraussetzungen betrifft (JB 60). Zu den auch vom Obersten Gerichtshof zu prüfenden verfahrensrechtlichen Voraussetzungen gehören die Fragen der Rechtzeitigkeit des Rechtsmittels, der Rechtsmittellegitimation, des Vorliegens der inhaltlichen Voraussetzungen, der Zuständigkeit, der Zulässigkeit des Rechtsweges (Fasching Komm. IV 272) und andere rein verfahrensrechtliche Fragen, soweit sie nicht einen unmittelbaren Einfluß auf das Ausmaß des zugesprochenen Unterhaltes haben (Fasching ZPR Rdz 1867, 7 Ob 693/85, ua).
Die vom Rechtsmittelwerber im Revisionsrekurs geltend gemachten angeblichen Verfahrensverstöße der Vorinstanzen betreffen ausschließlich die Ermittlung der Sachverhaltsgrundlage zur Beurteilung der Frage, wie hoch die Einkünfte des Vaters tatsächlich sind. Damit stehen die verfahrensrechtlichen Fragen aber in einem unmittelbaren Zusammenhang mit dem Ausmaß des zuzuerkennenden Unterhaltes; sie gehören daher zum Bereich der Unterhaltsbemessung und sind gemäß § 14 Abs 2 AußStrG einer Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof entzogen. Dasselbe gilt auch bezüglich angeblich dem Rekursgericht bei der Entscheidung über die Unterhaltsbemessung unterlaufener Aktenwidrigkeiten (EFSlg. 47.172; 8 Ob 633/87 ua).
Der Revisionsrekurs erweist sich damit nach den vorstehenden Ausführungen als unzulässig, sodaß er zurückzuweisen war.
Anmerkung
E12750European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1987:0020OB00673.87.1028.000Dokumentnummer
JJT_19871028_OGH0002_0020OB00673_8700000_000