Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Klinger und Mag. Engelmaier als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Josef N***, Baumeister, 6700 Bludenz, Gartenstraße 10, vertreten durch Dr. Josef Neier, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Josef H***, Gastwirt, 6844 Altach, Emme 10, vertreten durch Dr. Roland Piccolruaz, Rechtsanwalt in Bludenz, wegen S 78.088,90 sA, infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes Feldkirch als Rekursgerichtes vom 5.Juni 1987, GZ 1b R 91/87-17, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Bludenz vom 17.April 1987, GZ C 444/86-14, teilweise abgeändert wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Das Erstgericht erkannte über das auf Zahlung von S 78.088,90 an Mietzins gerichtete Klagebegehren am 18.11.1986 durch Versäumungsurteil, weil der Beklagte die erste Tagsatzung versäumt hatte. Die Ausfertigung des Versäumungsurteils wurde, als der Beklagte an der vom Kläger bezeichneten Abgabestelle "Königshofstraße, 6800 Feldkirch" nicht angetroffen wurde und dort auch kein Ersatzempfänger anwesend war, beim zuständigen Postamt hinterlegt (§ 17 Abs 1 ZustG). Die Abholfrist begann am 20.11.1986. Die nicht abgeholte Sendung wurde von der Post dem Erstgericht zurückgestellt. Das Erstgericht erteilte am 29.12.1986 die Bestätigung der Vollstreckbarkeit des Versäumungsurteiles. Am 25.2.1987 beantragte der Beklagte unter anderem, die Vollstreckbarkeitsbestätigung aufzuheben, weil er schon lange vor Erhebung der Klage nicht mehr in Feldkirch wohnte.
Das Erstgericht wies den Antrag ab. Es stellte fest, daß der Beklagte bis zum Frühjahr 1986 mit seiner Ehefrau in Feldkirch, Königshofstraße 77, wohnte, dann aber dort ausgezogen und seit dem Herbst 1986 in Altach, Emme 6, wohnhaft ist. In Feldkirch, Königshofstraße 77, befindet sich ein Kiosk der Ehefrau des Beklagten. Sie betreibt dort einen Würstelstand. Gewerbeinhaber ist der Beklagte. Er arbeitet aber dort nicht mit und erfuhr auch nichts von der Hinterlegung. Daraus folgerte das Erstgericht, die Zustellung der Ausfertigung des Versäumungsurteiles an der Abgabestelle "Königshofstraße, 6800 Feldkirch" sei mit dem 20.11.1986 gesetzmäßig und damit wirksam erfolgt, weil es sich um die Betriebsstätte des Beklagten handelte und es nicht darauf ankomme, ob sich der Empfänger regelmäßig dort aufhalte. Es müßte zu einem teilweisen Erliegen des geschäftlichen Verkehrs kommen, wenn auch bei der Betriebsstätte auf den tatsächlichen Aufenthalt abgestellt würde, weil viele Gewerbetreibende sich in Betriebsstätten - wie Filialen außerhalb ihres gewöhnlichen Aufenthalts - äußerst selten aufhalten. Der Kiosk in Feldkirch, Königshofstraße 77, sei als Betriebsstätte des Beklagten als Gewerbeinhaber eine Abgabestelle nach § 4 ZustG gewesen. Der Beklagte, der auch noch dort gemeldet war und seinen tatsächlichen Aufenthalt nicht bekannt gab, habe nicht vorgesorgt, daß ihm - etwa auf Grund eines Nachsendeauftrages - die Post zugeleitet werde. Die Vollstreckbarkeit des Versäumungsurteiles sei eingetreten und zu Recht bestätigt worden.
Das Rekursgericht änderte diesen Beschluß dahin ab, daß es die Bestätigung der Vollstreckbarkeit aufhob. Es holte den nach § 526 Abs 3 und § 500 Abs 3 ZPO gebotenen Ausspruch nach, daß der Revisionsrekurs zulässig sei, weil eine Auslegung des Begriffes der Betriebsstätte als Abgabestelle nach § 4 ZustG und die Beurteilung der Pflicht zur Erteilung eines Nachsendeauftrags von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO seien. In der Sache war das Rekurgericht der Ansicht, nach § 4 ZustG dürfe zwar auch in der Betriebsstätte zugestellt werden, doch sei der Beklagte nur Gewerbeinhaber und führe den Betrieb nicht selbst. Auch für die Betriebsstätte gelte, daß sie nicht Abgabestelle sei, wenn der Empfänger für längere Zeit abwesend sei. Jedenfalls aber gelte die Sendung nach dem § 17 Abs 3 ZustG nicht als zugestellt, wenn sich ergebe, daß der Empfänger wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig von dem Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte. Der Beklagte sei von Feldkirch, Königshofstraße 77, abwesend gewesen und dorthin auch nicht zurückgekehrt. Er habe von der dennoch erfolgten Hinterlegung nicht Kenntnis erlangt. Die Zustellung der Ausfertigung des Versäumungsurteils sei nicht gesetzmäßig erfolgt und die am 29.12.1986 erteilte Bestätigung der Vollstreckbarkeit irrtümlich erteilt worden.
Gegen diesen abändernden Beschluß richtet sich der nach § 528 Abs 2 und § 502 Abs 4 Z 1 ZPO aus den schon vom Rekursgericht angeführten Gründen zulässige Revisionsrekurs des Klägers.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.
Die Abgabestelle ist der Ort, an dem die Sendung dem Empfänger zugestellt werden darf; das ist die Wohnung oder sonstige Unterkunft, die Betriebsstätte, der Sitz, der Geschäftsraum, die Kanzlei oder der Arbeitsplatz des Empfängers (§ 4 ZustG). Unter der Wohnung einer Person ist die Räumlichkeit zu verstehen, die der Empfänger tatsächlich benützt und wo er gewöhnlich nächtigt und sich aufhält. Dem Ort der meldebehördlichen Anmeldung kommt bei Bestimmung der Abgabestelle keine Bedeutung zu (Walter-Mayer, Zustellrecht, 33 Anm.6 d). Für jede der möglichen Abgabestellen, an welchen eine Sendung zugestellt werden dürfte, also auch für den Ort, an welchem der Empfänger seinen Betrieb führt, besteht die erst die Wirksamkeit der Zustellung begründende Voraussetzung, daß sich der Empfänger regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, daß er von kurzfristigen Abwesenheiten abgesehen immer wieder an die Abgabestelle zurückkehrt (Walter-Mayer aaO 91 Anm.12; vgl auch SZ 57/141). Das Zustellgesetz stellt den Ort der Betriebsstätte als Abgabestelle der Wohnung oder sonstigen Unterkunft, dem Geschäftsraum, der Kanzlei oder dem Arbeitsplatz des Empfängers gleich, nimmt sie aber keineswegs von den für jede Abgabestelle geltenden Regelungen aus. Schon deshalb ist die Ansicht des Erstgerichtes verfehlt, die Betriebsstätte sei auch dann eine taugliche Abgabestelle, wenn sich der Empfänger dort nicht regelmäßig aufhalte. Kann eine Sendung dem Empfänger an der Abgabestelle nicht zugestellt werden, so darf die Ersatzzustellung wie die Hinterlegung nur stattfinden, wenn der Zusteller Grund zur Annahme hat, daß sich der Empfänger regelmäßig an der Abgabestelle aufhält. Die Ersatzzustellung gilt als nicht bewirkt, wenn sich ergibt, daß der Empfänger wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte (§ 16 Abs 5 ZustG). Die hinterlegte Sendung gilt nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, daß der Empfänger wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig von dem Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte (§ 17 Abs 3 ZustG). Daraus ergibt sich mit aller Deutlichkeit, daß die Zustellung der Ausfertigung des Versäumungsurteiles am Standort des von der Ehefrau des Beklagten geführten Betriebes auch dann, wenn Konzessionsinhaber der Beklagte war, nicht wirksam erfolgte, wenn der Beklagte sich dort tatsächlich nicht mehr regelmäßig aufgehalten hat. Der Beklagte war nicht unter der Sanktion, daß er sonst eine dort erfolgte Zustellung gegen sich gelten lassen müßte, verpflichtet, einen Nachsendeauftrag im Sinne des § 205 PostO zu erteilen. Die Regelung des § 18 ZustG sieht nur vor, daß eine Nachsendung an eine allenfalls vorhandene andere inländische Abgabestelle zu erfolgen hat, wenn sich der Empfänger nicht regelmäßig an der Abgabestelle aufhält und eine Zustellung an dieser daher nicht zulässig ist, daß Organe der Post aber diesbezüglich an die postrechtlichen Vorschriften (§§ 204 ff PostO) gebunden sind (Walter-Mayer, aaO 107). Daraus, daß der Empfänger nach § 205 PostO bei seinem bisherigen Abgabepostamt die Nachsendung der für ihn einlangenden Postsendungen verlangen kann (so auch der Hinweis in Fasching, ZPR Rz 532), läßt sich weder auf die Pflicht zu dieser Vorsorge und schon gar nicht darauf schließen, daß sonst trotz einer längere Zeit währenden Abwesenheit des Empfängers von der Abgabestelle dort eine Zustellung wirksam erfolgen kann. Aus der Vorschrift des § 18 ZustG ergibt sich gleichfalls, daß die Zustellung an einen Empfänger, der sich nicht regelmäßig an der Abgabestelle, also etwa an seiner Betriebsstätte aufhält, nicht stattfinden kann. Die Rechtsansicht, die vorübergehende Sperre des Geschäftsraumes ziehe (auch in einem solchen Fall) nicht die Unwirksamkeit der dennoch dort vorgenommenen Zustellung nach sich (Fasching II 584; Rspr.1934/179), ist deshalb nicht aufrecht zu halten.
Soweit der Revisionsrekurswerber bezweifelt, daß der Beklagte in dem für die Beurteilung der Wirksamkeit der Zustellung maßgebenden Zeitraum (20.11.1986 bis zum Ende der Abholfrist) von dem Ort der Zustellung abwesend war, verkennt er, daß die Tatsachenfeststellungen der Vorinstanzen der Entscheidung zugrunde gelegt werden müssen. Danach ist aber die für den Beklagten bestimmte Ausfertigung des Versäumungsurteiles vom 18.11.1986 nach Zurückstellung durch die Post (§ 19 Abs 1 ZustG) erst am 22.6.1987 seinem Prozeßbevollmächtigten (§ 93 ZPO) wirksam zugestellt worden.
Als am 29.12.1986 die Vollstreckbarkeit des Versäumungsurteiles bestätigt wurde, hatten die Fristen für den Widerspruch und die Berufung noch nicht einmal zu laufen begonnen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 40 und 50 ZPO.
Anmerkung
E12541European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1987:0030OB00574.87.1028.000Dokumentnummer
JJT_19871028_OGH0002_0030OB00574_8700000_000