Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Melber, Dr. Schlosser und Dr. Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) Anna C***, Gastwirtin, Landeck, Prof. Flir-Straße 16, 2.) Hildegard C***, Pensionsinhaberin, Landeck, Prof. Flir-Straße 7, 3.) Verlassenschaft nach Amalia C***, vertreten durch die erbserklärten Erben Anna und Hildegard C***, wie vor, 4.) Paula P***, Finanzbeamtin, Landeck, Kristille 13, 5.) Hildegard S***, Hausfrau, Landeck, Herzog Friedrich Straße 45, 6.) Sieglinde H***, Hausfrau, Landeck, Maisengasse 19, vertreten durch Dr. Klaus Nuener, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagten Parteien 1.) Hugo H***, Maschinist, Landeck, Flir-Straße 9, und 2.) Hildegard H***, im Haushalt, Landeck, Flir-Straße 9, beide vertreten durch Dr. Walter Lenfeld, Rechtsanwalt in Landeck, wegen Feststellung einer Dienstbarkeit (Teilstreitwert 15.000 S) sowie Entfernung und Unterlassung (Teilstreitwert 10.000 S), infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 29.Oktober 1985, GZ 3 a R 296/85-35, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Bezirksgerichtes Landeck vom 22.April 1985, GZ C 265/85-29, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird stattgegeben und das angefochtene Urteil, das in seiner Abweisung des Leistungsbegehrens (Punkt II/2/2 der Berufungsentscheidung) mangels Anfechtung unberührt geblieben ist, in seinem Ausspruch über das Feststellungsbegehren (Punkt II/2/1 der Berufungsentscheidung) im Sinne einer Wiederherstellung des Urteiles erster Instanz (in seinem Punkt b/1) mit der Ergänzung abgeändert, daß die Dienstbarkeit zugunsten der Klägerinnen als den Eigentümerinnen des zum Gutsbestand der Liegenschaft EZ 262 II KG Landeck gehörenden Grundstückes 231, Wirtschaftsgebäude und Hofraum, besteht.
Die Verfahrenskosten erster und zweiter Instanz werden gegenseitig aufgehoben.
Die Beklagten sind zur ungeteilten Hand schuldig, den klagenden Parteien die mit 3.739,87 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten an Barauslagen 480 S und an Umsatzsteuer 296,35 S) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Zum Gutsbestand des walzenden Gutes EZ 262 II KG Landeck gehört unter anderem das Grundstück 231. Auf diesem Grundstück ist ein Wirtschaftsgebäude mit Tennenauffahrt errichtet. Im übrigen wird das Grundstück als Hofraum verwendet. Die Zufahrt von der öffentlichen Straße zur Tennenauffahrt ist nur über Nachbargrund möglich. Das an das Grundstück 231 angrenzende, mit seiner Nordseite an die Bundesstraße anrainende Grundstück 345 gehört zum Gutsbestand der Liegenschaft EZ 264 II KG Landeck.
Die Klägerinnen begehrten als Miteigentümer der Liegenschaft EZ 262 II mit der Behauptung einer jahrzehntelangen ungestörten, von den Eigentümern der Liegenschaft EZ 264 II geduldeten und als Rechtsausübung anerkannten Benützung eines räumlich näher umschriebenen Grundstreifens des Grundstückes 345 seitens der jeweiligen Besitzer des Grundstückes 231 durch Gehen und Fahren, um im Rahmen landwirtschaftlicher Nutzung in den Hofraum und zum Wirtschaftsgebäude mit der Tennenauffahrt zu gelangen, von den Beklagten als den Eigentümern der Liegenschaft EZ 264 II einerseits die Feststellung des aufrechten Bestandes der Dienstbarkeit und andererseits die Beseitigung einer näher bezeichneten Wäscheaufhängevorrichtung sowie die Unterlassung ihrer Wiedererrichtung. Die Klägerinnen stellten sich auf den Rechtsstandpunkt, durch den jahrzehntelangen Gebrauch sei durch Ersitzung die Dienstbarkeit des Gehens und Fahrens für landwirtschaftliche Zwecke zugunsten der Eigentümer der Liegenschaft EZ 262 II begründet worden. Die Beklagten hätten nach dem Erwerb des Eigentums an der belasteten Liegenschaft eine Ausübung des ersessenen Fahrrechtes dadurch unmöglich gemacht, daß sie einen Zaun gespannt, einen zum Verkehr nicht mehr zugelassenen PKW abgestellt und eine Wäschetrockenvorrichtung aufgestellt hätten. Die Klägerinnen stellten daher mit der am 13.Juni 1984 angebrachten Klage zunächst ein Beseitigungs- und Feststellungsbegehren, das sie nach Klageeinschränkung allerdings nur in Ansehung der Wäscheaufhängevorrichtung samt Leine aufrecht erhielten. Mit Rücksicht darauf, daß die Beklagten den Bestand der von den Klägerinnen behaupteten Dienstbarkeit bestritten, erweiterten die Klägerinnen im Zuge des Rechtsstreites ihr Begehren um das auf Feststellung, "daß auf dem westlichen Teil der Bauparzelle 345 Katastralgemeinde Landeck zugunsten der klagenden Parteien die Dienstbarkeit des Gehens und Fahrens für landwirtschaftliche Zwecke in einer Breite von 2,30 m besteht". Die Klägerinnen behaupteten stets eine Grunddienstbarkeit und niemals eine persönliche. In diesem Sinne ist auch ihr diesbezügliches nicht klar formuliertes Feststellungsbegehren zu verstehen.
Die Beklagten bestritten einerseits das Vorliegen der Ersitzungsvoraussetzungen und wendeten andererseits Verjährung und Erlöschen wegen Wegfalles der Utilitätsvoraussetzungen ein, andererseits behaupteten sie einen gutgläubigen Erwerb einer von der behaupteten Dienstbarkeit freien Liegenschaft. Zum Leistungsbegehren bestritten sie darüber hinaus, daß die Errichtung der Wäscheaufhängevorrichtung einen unzulässigen Eingriff in das von den Klägerinnen behauptete Fahrrecht darstellen könnte, weil die beiden (galgenartigen) Steher dieser Anlage drehbar und daher leicht aus dem Luftraum über der beanspruchten Wegfläche geschwenkt werden könnten.
Das Erstgericht erkannte im Sinne der Klagebegehren. Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil im klageabweisenden Sinne ab. Dazu sprach das Berufungsgericht aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschied, 15.000 S, nicht aber 300.000 S übersteigt. Es sprach weiter aus, daß die Revisionszulässigkeitsvoraussetzung nach dem § 502 Abs 4 Z 1 ZPO vorliege.
Im Sinne dieser Gesetzesstelle war zur Entscheidung des Rechtsstreites die materiell-rechtliche Frage nach den Auswirkungen einer Stillegung des Betriebes, für den das herrschende Gut in kennzeichnender und damit auch für die Dienstbarkeit bestimmender Weise eingerichtet ist, auf den Bestand der Dienstbarkeit und gegebenenfalls auf die sich aus ihr ergebenden Verhaltenspflichten der jeweiligen Eigentümer des dienstbaren und des herrschenden Gutes zu lösen. Soweit die Revisionsausführungen diesen Fragenkreis betreffen, ist auch ein beachtlicher Anfechtungsgrund im Sinne des § 503 Abs 2 ZPO geltend gemacht. Das betrifft nicht die in den Vorinstanzen strittigen Themenkreise der Ersitzung der Wegedienstbarkeit zugunsten des Grundstückes der Klägerinnen und des Erwerbes des dienenden Grundstückes durch die Beklagten im Vertrauen auf den Grundbuchstand, aus dem sich die ersessene Dienstbarkeit nicht ergab.
Im Revisionsverfahren ist zunächst davon auszugehen, daß zugunsten der Eigentümer des nun im Eigentum der Klägerinnen stehenden Grundstückes 231 in den letzten Jahren des fünften Jahrzehnts dieses Jahrhunderts kraft Ersitzung die von den Klägerinnen behauptete Grunddienstbarkeit des Gehens und Fahrens über einen näher bezeichneten Streifen des nun im Eigentum der Beklagten stehenden Grundstückes 345 bestand und diese Dienstbarkeit, falls sie nicht bereits aus anderen Gründen aufgehoben oder abgeändert worden wäre, durch den Eigentumserwerb der Beklagten am dienenden Grundstück nicht berührt wurde. Aus dem zu den übrigen streiterheblichen Tatumständen getroffenen Feststellungen des Erstgerichtes ist hervorzuheben:
Die Vorfahren der Klägerinnen betrieben seit dem Beginn dieses Jahrhunderts bis gegen das Ende der Fünfzigerjahre eine Vollandwirtschaft. Dabei verwendeten sie das auf dem herrschenden Grund errichtete Gebäude hauptsächlich für Heueinlagerungen. Dazu befuhren sie den Dienstbarkeitsweg von der öffentlichen Straße zu ihrem Hofraum mit pferde- oder kühegezogenen vierrädrigen Leiterwagen oder auch mit traktorgezogenen Anhängern. Im Stadel wurde auch immer wieder Holz gelagert. Das auf dem herrschenden Grund errichtete Gebäude enthält auch einen Kuhstall. Dieser hat Raum für acht Stück Großvieh. Während der Zeit der Viehhaltung wurde das Futter für die Tiere über den Dienstbarkeitsweg herangeführt und der Stallmist auf demselben Weg weggebracht. Nachdem die Mutter der drei jüngeren Klägerinnen im Jahre 1961 gestorben war, verwendeten die Klägerinnen den Stadel nur noch gelegentlich bei Raumnot in anderen Baulichkeiten zur Heineinlagerung. In den Jahren 1964 bis 1974 hielt eine Bestandnehmerin im Stadel durchschnittlich 1.000 Hühner. Auch sie ließ die Futtermittel über den Dienstbarkeitsweg anliefern und den Mist über diesen Weg abtransportieren. Während dieser zehn Jahre brachten die Kläger Holz in den Stadel. Für die Zeit seit der Beendigung des Bestandverhältnisses der Hühnerhalterin steht über die Verwendung des herrschenden Grundes lediglich fest, daß die Klägerinnen im Frühjahr 1981 zum letzten Mal Holz über den Dienstbarkeitsweg in ihren Stadel brachten und daß während des im Zuge des Rechtsstreites durchgeführten Ortsaugenscheines Bretter gelagert waren. Die Beklagten errichteten im Jahre 1981 auf dem zwischen der Westfront ihres Hauses und der Westgrenze ihres Grundstückes liegenden Grundstreifen, über den der Dienstbarkeitsweg verläuft, eine Vorrichtung zum Aufhängen von Wäsche. Diese Vorrichtung besteht aus zwei Stehern, die in einem Seitenabstand von 30 cm zur Grundgrenze aus der Erde herausragen und jeweils am oberen Ende einen 60 cm langen Querarm tragen (von denen aus die Wäscheleinen gespannt werden können). Die beiden Steher sind voneinander 4 m entfernt. Die (in den Luftraum zwischen Grundgrenze und Haus hineinragenden) Querarme sind um 90 Grad schwenkbar. Um diese Querarme zu verdrehen, muß vorerst ein Drahtstift herausgezogen werden. Nach einem 90-grädigen Schwenk der Querarme würden nur die 30 cm vom Begrenzungszaun entfernt aus dem Erdboden ragenden Steher selbst die begehbare und befahrbare Fläche einschränken. Die gesamte Wäscheaufhängungsanlage ist entfernbar.
Das Erstgericht zog aus diesem Sachverhalt zu den Fragen der Verjährung und des Erlöschens der zum Zwecke landwirtschaftlicher Nutzung des auf dem herrschenden Grund stehenden Gebäudes (mit Stallungen und Tenne) keine ausdrücklich erklärten Folgerungen, unterstellte aber den aufrechten Bestand der ersessenen Wegedienstbarkeit. Es wertete die Wäscheaufhängevorrichtung ungeachtet der Schwenkbarkeit ihrer Querarme als eine von den Dienstbarkeitsberechtigten nicht auf sich zu nehmende Erschwernis für die Ausübung ihrer Fahrrechte.
Das Berufungsgericht hob hervor, daß für die Zeit seit November 1974 keine landwirtschaftliche Nutzung des auf dem herrschenden Grund stehenden Gebäudes erwiesen worden und eine künftige Wiederaufnahme landwirtschaftlicher Tätigkeit nicht festgestellt, ja nicht einmal behauptet worden sei. Daran knüpfte das Berufungsgericht seine rechtliche Beurteilung, nach der während der Ersitzungszeit in Erscheinung getretenen Benützung des fremden Grundstreifens für Heu-, Mist- und Holztransporte im Rahmen der Landwirtschaft bestimme sich Natur und Zweck der ersessenen Wegedienstbarkeit ausschließlich in einer Erleichterung der auf dem herrschenden Grund betriebenen Landwirtschaft. Ein Fahren und Gehen über den mit der ungemessenen Wegedienstbarkeit belasteten Grund zu anderen Zwecken, etwa auch bloß für die Bedürfnisse eines privaten Haushaltes, bedeutete eine unzulässige Ausweitung der ersessenen Dienstbarkeit. Nach der Einstellung der in Eigenregie betriebenen Landwirtschaft im Jahre 1961 und nach Beendigung der von der Bestandnehmerin ausgeübten landwirtschaftlichen Produktion im Oktober 1974 seien "die Umstände in der Bewirtschaftungsart des herrschenden Gutes in einer solchen Weise geändert, daß der dargestellte Zweck der von den Klägern ersessenen Servitut überhaupt nicht mehr verwirklicht werden" könne. Die Dienstbarkeit sei daher wegen Zwecklosigkeit erloschen.
Rechtliche Beurteilung
Die Klägerinnen fechten das abändernde Berufungsurteil mit einer Aktenwidrigkeitsrüge, die ausdrücklich dem Revisionsgrund nach § 503 Abs 1 Z 3 ZPO unterstellt wird, und einer Rechtsrüge, die den Revisionsgrund nach § 503 Abs 1 Z 4 ZPO zur Ausführung bringen soll, nach der Rechtsmittelerklärung "zur Gänze", nach dem in erster Linie gestellten Abänderungsantrag aber nur insoweit an, daß das Urteil erster Instanz in seinem Ausspruch über das Feststellungsbegehren wieder hergestellt werde. Das Beseitigungs- und Unterlassungsbegehren blieb im Revisionshauptantrag auf Abänderung unberücksichtigt. Zum Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch enthält die Revision auch keine spezifischen Ausführungen. Die Bezeichnung des Streitgegenstandes im sogenannten Rubrum der Revisionsschrift dient lediglich der Bezeichnung der Rechtssache und nicht der Bestimmung des Revisionsgegenstandes. Die berufungsgerichtliche Abweisung des Beseitigungs- und Unterlassungsbegehrens muß nach dem Inhalt der Revisionsschrift als unangefochten, der diesbezügliche Ausspruch als in Teilrechtskraft erwachsen angesehen werden.
Das Leistungsbegehren, über das im erstinstanzlichen Urteil zu Punkt b/2 abgesprochen wurde, ist nicht mehr Gegenstand des Revisionsverfahrens. Es liegt nur eine Anfechtung in Ansehung des Feststellungsbegehrens vor.
Die Revision ist nach diesen Erwägungen, soweit die oben erwähnten Voraussetzungen gemäß § 502 Abs 4 Z 1 ZPO vorliegen, im Umfang der Ausführung zulässiger Revisionsgründe zulässig. Beachtlich sind die Revisionsausführungen nur insoweit, als sie sich im Rahmen des § 503 Abs 2 ZPO halten. Der Ausspruch des Berufungsgerichtes über das Vorliegen der Revisionszulässigkeit nach § 502 Abs 4 Z 1 ZPO vermag am Umfang der zulässigen Revisionsgründe nichts zu ändern. Nach § 503 Abs 2 ZPO qualifizierte Ausführungen liegen aber in der Rechtsrüge nur insoweit vor, als die Folgerungen aus der Betriebsstillegung auf ein Zweckloswerden der strittigen Dienstbarkeit bekämpft werden.
In diesem Umfang ist die Rechtsrüge auch stichhältig. Nach bewirkter Ersitzung bestand zugunsten der jeweiligen Eigentümer des nun den Klägerinnen gehörenden Grundes das Recht, den jetzt im Eigentum der Beklagten stehenden Nachbargrund auf einem näher bezeichneten Streifen für landwirtschaftliche Zwecke in dem Ausmaß zu befahren und zu begehen, wie sich dies aus der während der Ersitzungszeit tatsächlich stattgefundenen Benützung ergab, das heißt zum Transport von Heu und Holz zwecks Einlagerung im Stadel, zur Anlieferung von Futter für das in den Stallungen eingestellte Vieh und zum Abtransport des von den Stalltieren angefallenen Mistes. Diese ersessene Wegedienstbarkeit war aus dem Grundbuchstand nicht ersichtlich und wurde auch tatsächlich nicht ausgeübt, als die Beklagten das Eigentum am belasteten Grund erwarben. Die erstrichterlichen Ausführungen zur Unanwendbarkeit der Regel des § 1500 ABGB, weil die ersessene Wegedienstbarkeit als Felddienstbarkeit gemäß Art. I des Grundbuchseinführungsgesetzes für Tirol, RGBl. Nr. 77/1897 dem Anwendungsbereich der genannten Gesetzesstelle entzogen sei, setzt die Annahme einer Felddienstbarkeit voraus, die aber schon nach der Legaldefinition des § 477 ABGB gerechtfertigt ist (EvBl 1982/193).
Die vorerwähnte, das herrschende Grundstück kennzeichnende Baulichkeit ist unverändert erhalten, damit auch die Möglichkeit zur Nutzung für landwirtschaftliche Zwecke. Eine Betriebsstillegung ist entgegen der berufungsgerichtlichen Ansicht nicht als dauernde Umwidmung zu werten, aus der dann auf eine endgültige Zwecklosigkeit des auf landwirtschaftliche Zwecke eingeschränkten Wegerechtes geschlossen werden könnte, was erst eine Aufhebung der Dienstbarkeit bewirkte. Die Stillegung eines auf dem herrschenden Grund betriebenen Unternehmens, dessen Bedürfnisse Bestand und Maß einer ungeregelten Dienstbarkeit bestimmen, führt vielmehr bloß zu einem Ruhen der Rechtsausübung, mangels endgültiger Widmung des herrschenden Grundes für andere Zwecke aber weder aus allgemeinen noch aus besonderen Erlöschungsgründen zum Untergang des Rechtes. Sogar der Untergang des dienenden oder des herrschenden Grundes bewirkt nach § 525 ABGB bloß eine als "Einstellung" bezeichnete Latenz des Rechtes und nicht dessen endgültigen Untergang. Umsoweniger kann eine bloße Betriebsstillegung, solange die Wiederaufnahme des Betriebes nicht auszuschließen oder doch völlig unwahrscheinlich geworden ist, zum Erlöschen der Dienstbarkeit führen.
Während des Ruhens der Rechtsausübung durch die Eigentümer des herrschenden Grundes mögen sich die Duldungs-, Unterlassungs- und allfälligen Instandhaltungspflichten der Eigentümer des belasteten Grundes in einem auf die Möglichkeit künftiger Wiederaufnahme der Rechtsausübung abgestellten Zweck verändern (das Gebot schonender Ausübung des Dienstbarkeitsrechtes bedeutete etwa bei längerer Nichtausübung eines Wegerechtes, daß die vom Berechtigten vorübergehend nicht benützte Wegetrasse zwar weiterhin von allen nicht leicht zu beseitigenden Hindernissen freigehalten werden müßte, nicht aber auch von jederzeit leicht entfernbaren, im Interesse einer sinnvollen Bewirtschaftung des dienenden Grundes aufgestellten Einrichtungen). Am aufrechten Bestand des Dienstbarkeitsrechtes selbst ändert aber ein Ruhen der Rechtsausübung nichts.
Für das Vorliegen von Tatumständen, aus denen eine Aufhebung des von den Beklagten bestrittenen Dienstbarkeitsrechtes der Klägerinnen abzuleiten gewesen wäre, waren die Beklagten behauptungs- und beweispflichtig. Es gereicht den Beklagten zum Nachteil, wenn ein dauernde Umwidmung des nach wie vor landwirtschaftlich nutzbaren herrschenden Grundes nicht als erwiesen angenommen werden konnte. Die ersessene Wegedienstbarkeit besteht ungeachtet der Stillegung des zur Zeit der Servitutenbegründung auf dem herrschenden Grund geführten landwirtschaftlichen Betriebes aufrecht, nur die Rechtsausübung durch die Klägerinnen ruht. Gerade deshalb ist aber nach der ernstlichen Rechtsbestreitung durch die Beklagten ein Feststellungsinteresse der Klägerinnen anzuerkennen. Das Berufungsgericht hat bei seiner rechtlichen Beurteilung verkannt, daß eine Stillegung des auf dem herrschenden Grund geführten Betriebes, für dessen Zwecke eine Grunddienstbarkeit begründet wurde, diese solange nicht zwecklos macht und damit aufhebt, als eine Wiederaufnahme des Betriebes nicht ausgeschlossen oder doch äußerst unwahrscheinlich geworden ist, wofür diejenige Prozeßpartei die Behauptungs- und Beweislast trifft, die sich auf den Endigungsgrund beruft.
In Stattgebung der Revision war aus diesen Erwägungen das Urteil erster Instanz zum Feststellungsbegehren (Punkt b/1) mit der Verdeutlichung wieder herzustellen, daß es sich bei dem strittigen Wegerecht um eine Grunddienstbarkeit und nicht etwa um eine unregelmäßige persönliche Dienstbarkeit handle.
Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz beruhen auf § 43 Abs 1 in Verbindung mit § 50 ZPO, die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens auf den §§ 41 und 50 ZPO. Die Kostenbemessungsgrundlage für das Revisionsverfahren beträgt S 15.000.
Anmerkung
E12108European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1987:0060OB00576.86.1029.000Dokumentnummer
JJT_19871029_OGH0002_0060OB00576_8600000_000