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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
ASVG §35 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Strohmayer, Dr. Köller und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde des P in W, vertreten durch Dr. Michael Prager, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Seilergasse 9, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 19. März 2003, Zl. MA 15-II-L 6/03, betreffend Haftung für Beitragsschuldigkeiten gemäß § 67 Abs. 3 ASVG (mitbeteiligte Partei: Wiener Gebietskrankenkasse in 1103 Wien, Wienerbergstraße 15-19), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz) Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 31. Oktober 2002 verpflichtete die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse den Beschwerdeführer als persönlich haftenden Gesellschafter einer näher bezeichneten Kommanditerwerbsgesellschaft, die auf dem Beitragskonto dieser Beitragsschuldnerin rückständigen Sozialversicherungsbeiträge samt Nebengebühren im Betrag von EUR 72.316,90 zuzüglich Zinsen binnen vierzehn Tagen nach Zustellung dieses Bescheides bei sonstigen Zwangsfolgen zu bezahlen. In der Begründung dieses Bescheides führte die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse aus, dass der Beschwerdeführer "als persönlich haftender Gesellschafter die wirtschaftliche Gefahr des Betriebes" zu tragen gehabt habe. Er hafte somit gemeinsam mit dem Dienstgeber für die fällig gewordenen Beiträge. Es sei daher die Haftung für Beiträge samt Nebengebühren auszusprechen und gemäß § 410 Abs. 1 Z. 4 ASVG dieser Bescheid zu erlassen gewesen.
Der Beschwerdeführer erhob Einspruch. Die belangte Behörde legte diesen Einspruch dem Landeshauptmann mit dem Bemerken vor, dass der Beschwerdeführer der einzige Komplementär der Beitragsschuldnerin sei, über deren Vermögen am 9. November 2001 das Konkursverfahren eröffnet worden sei. Einem zunächst angenommenen Zwangsausgleich sei wegen Unzulänglichkeit der Masse letztlich die Bestätigung versagt worden. Auch ein neuerlicher Zwangsausgleichsvorschlag der Beitragsschuldnerin habe "die erforderlichen Mehrheiten nicht erreicht", sodass dem Beschwerdeführer die "Haftungsprivilegierung gemäß § 164 KO" nicht zugute komme. Der Bescheid sei erlassen worden, um dem Beschwerdeführer "die Kosten einer zivilrechtlichen Klage gemäß §§ 128, 161 Abs. 2 HGB" zu ersparen. Nach Einbringung des Einspruches sei mit dem (nunmehrigen) Beschwerdevertreter vereinbart worden, vorerst abzuwarten, ob der neuerliche Zwangsausgleichsvorschlag angenommen werde. Obgleich dies nicht der Fall gewesen sei und somit die Voraussetzungen "für eine zivilrechtliche Haftung des (Beschwerdeführers) gegeben" seien, habe der Beschwerdevertreter mitgeteilt, den Einspruch nicht zurückzuziehen. Da die im Einspruch zitierte höchstgerichtliche Rechtsprechung zur verwaltungsrechtlichen Haftung gemäß § 67 Abs. 3 ASVG eindeutig sei, könne die Kasse keine Einwände dagegen erheben, "dass der Bescheid in Stattgebung des Einspruches aufgehoben werden wird".
Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid hat die belangte Behörde den erstinstanzlichen Bescheid gemäß § 417a ASVG behoben und die Angelegenheit zur Ergänzung der Ermittlungen und Erlassung eines neuen Bescheides an die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse zurückverwiesen.
Nach einer Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens sowie der §§ 417a und 67 Abs. 3 ASVG führte die belangte Behörde aus, dass in der zuletzt genannten Gesetzesbestimmung zwei "voneinander getrennte Haftungstatbestände vorgesehen" seien. Zum einen haftet derjenige "Nichtdienstgeber", dem die wirtschaftliche Gefahr des Betriebes vorwiegend zufalle, zum anderen jener "Nichtdienstgeber", dem der erzielte Gewinn vorwiegend zufalle. Diese beiden Tatbestände seien getrennt voneinander zu sehen, weil sie mit einem alternativen "oder" verbunden seien. Es handle sich somit nicht um Personen, für deren Rechnung der Betrieb geführt werde, da diese Personen bereits durch § 35 Abs. 1 und § 67 Abs. 1 und 2 ASVG erfasst würden. Mit der Bestimmung des § 67 Abs. 3 ASVG solle vielmehr ein Durchgriff "durch Strohmänner" ermöglicht werden, die zwar formell aus eigenem Recht über das betriebene Unternehmen disponieren, denen aber der wirtschaftliche Vorteil daraus ebenso wenig wie der wirtschaftliche Nachteil endgültig zufalle. Es sei daher in jedem einzelnen Fall zu prüfen, ob der jeweiligen Person, welcher nicht Dienstgebereigenschaft zukommen dürfe, im Haftungszeitraum vorwiegend entweder die wirtschaftliche Gefahr oder der erzielte Gewinn zugefallen seien. Unter Gewinn sei hiebei der Überschuss der Erträge über die Aufwendungen zu verstehen. Da auf das Zufallen des erzielten Gewinnes abgestellt werde, komme es nicht auf die eingeräumten Gewinnchancen oder Gewinnmöglichkeiten an. Die Gebietskrankenkasse habe die Haftung des Beschwerdeführers lediglich damit begründet, dass er persönlich haftender Gesellschafter der Beitragsschuldnerin sei. Im Hinblick darauf, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Hinweis auf das Erkenntnis vom 1. Dezember 1982, Zl. 88/08/0018) für eine Haftung gemäß § 67 Abs. 3 ASVG erforderlich sei, dass dem Beschwerdeführer und nicht etwa der Beitragsschuldnerin im haftungsgegenständlichen Zeitraum vorwiegend die wirtschaftliche Gefahr des Betriebes oder vorwiegend der erzielte Gewinn zugefallen sei, diesbezüglich seitens der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse jedoch keinerlei Erhebungen durchgeführt worden seien, sondern die Haftung des Beschwerdeführers lediglich mit der Tatsache begründet worden sei, dass er persönlich haftender Gesellschafter sei, sei der erstinstanzliche Bescheid zu beheben gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.
Zusammengefasst vertritt der Beschwerdeführer in dieser Beschwerde die Auffassung, die Voraussetzungen für die Zurückverweisung der Rechtssache an die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse gemäß § 417a ASVG lägen nicht vor: Es sei auf Grund der zivilrechtlichen Haftung eines persönlich haftenden Gesellschafters einer KEG "bereits ausgeschlossen", dass die Kommanditerwerbsgesellschaft lediglich der Strohmann für einen persönlich haftenden Gesellschafter sei. Haftungstatbestände des § 67 Abs. 3 ASVG habe die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse "gar nicht behauptet", sodass diese gar nicht Inhalt des Bescheides geworden seien. Insoweit liege auch keine mangelhafte Sachverhaltsermittlung der Gebietskrankenkasse vor. Es sei daher von der belangten Behörde auch gar nicht zu prüfen gewesen, "was
von der mitbeteiligten ... Gebietskrankenkasse nicht behauptet und
sohin nicht Inhalt deren Bescheides war". Die belangte Behörde könne nicht "eine Frage entscheiden", die gar nicht Gegenstand des vorangegangenen Verfahrens gewesen sei und daher nicht "Sache" der Rechtsmittelentscheidung sein könne. Der Zurückverweisungsbescheid verletze daher die Beschränkung der belangten Behörde auf die Sache des Verfahrens. Ansatzpunkt dafür, dass die belangte Behörde das Unternehmerrisiko und die Gewinne nicht der KEG zuordne, gebe es nicht, sodass für die Annahme, dass die KEG lediglich "Strohmann" sei und "daher nicht die KEG, sondern den Beschwerdeführer dieses Risiko treffen sollte oder nicht der KEG, sondern dem Beschwerdeführer die Gewinne zukommen sollten", bleibe kein Raum. Eine direkte Gesellschafterhaftung, wie sie § 12 BAO unter Hinweis auf die Vorschriften des bürgerlichen Rechts für Abgabenschulden vorsehe, kenne aber das ASVG nicht.
Unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften wiederholt der Beschwerdeführer im Wesentlichen das zum Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit des Inhaltes bereits Ausgeführte.
Die belangte Behörde hat (nur) den Einspruchsakt vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse hat sich am verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht beteiligt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 35 Abs. 1 ASVG lautet auszugsweise:
"(1) Als Dienstgeber im Sinne dieses Bundesgesetzes gilt derjenige, für dessen Rechnung der Betrieb (die Verwaltung, die Hauswirtschaft, die Tätigkeit) geführt wird, in dem der Dienstnehmer (Lehrling) in einem Beschäftigungs(Lehr)verhä1tnis steht, auch wenn der Dienstgeber den Dienstnehmer durch Mittelspersonen in Dienst genommen hat oder ihn ganz oder teilweise auf Leistungen Dritter an Stelle des Entgeltes verweist
..."
§ 67 Abs. 3 ASVG bestimmt:
"Fällt einem anderen als dem Dienstgeber die wirtschaftliche Gefahr des Betriebes (der Verwaltung, des Haushaltes, der Tätigkeit) oder der erzielte Gewinn vorwiegend zu, so haften beide zur ungeteilten Hand für die fällig gewordenen Beiträge."
Der Verwaltungsgerichtshof hat sich im Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 10. Dezember 1986, Slg. NF Nr. 12325/A, eingehend mit dem Begriff des Dienstgebers im Sinne des § 35 Abs. 1 ASVG auseinander gesetzt und dabei unter anderem auch die Abgrenzungsfrage von der Haftung nach § 67 Abs. 3 ASVG berührt. Im genannten Erkenntnis führte der Gerichtshof unter anderem aus, bei dieser Abgrenzung des Begriffes des Dienstgebers sei wesentlich, wer (nach rechtlichen und nicht bloß nach tatsächlichen Gesichtspunkten) aus den im Betrieb getätigten Geschäften (im Gegensatz zu dem einen Nichtdienstgeber betreffenden Haftungsfall nach § 67 Abs. 3 ASVG unmittelbar) berechtigt und verpflichtet werde, wen also demnach das Risiko des Betriebes im Gesamten unmittelbar treffe. Für die Dienstgebereigenschaft einer Person genüge es somit nicht, dass ihr "die wirtschaftliche Gefahr des
Betriebes ... oder der erzielte Gewinn vorwiegend" zufalle. Die
konkrete Frage, ob die Gesellschafter einer Personengesellschaft für Beitragsschuldigkeiten der Gesellschaft eine Haftung nach § 67 Abs. 3 ASVG trifft, über die im Verwaltungsweg zu entscheiden ist, oder ob sie, wenn überhaupt, nur nach § 128 HGB haften, war vom Verwaltungsgerichtshof in dem zitierten Erkenntnis nicht zu beantworten. Im Erkenntnis vom 29. Juni 1966, Slg. Nr. 6963/A, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass eine Haftung des Gesellschafters einer GesmbH für Beitragsverbindlichkeiten der GesmbH nicht auf § 67 Abs. 3 ASVG gestützt werden kann.
Für den Begriff der Haftungspflichtigen nach § 67 Abs. 3 ASVG folgt daraus, dass es sich dabei ganz offenbar nicht um jene Personen handelt, für deren Rechnung der Betrieb (die Verwaltung, die Hauswirtschaft, die Tätigkeit) geführt wird, denn diese Personen werden bereits durch § 35 Abs. 1 ASVG und die ergänzenden Bestimmungen des § 67 Abs. 1 und 2 ASVG erfasst, wie die belangte Behörde zutreffend erkannt hat.
Die Haftungsnorm des § 67 Abs. 3 ASVG sieht zwei voneinander getrennte Haftungstatbestände vor. Zum einen haftet derjenige "Nichtdienstgeber", dem die wirtschaftliche Gefahr des Betriebes vorwiegend zufällt, zum anderen jener, dem der erzielte Gewinn vorwiegend zufällt. Die beiden Tatbestände sind getrennt voneinander zu sehen, weil sie mit einem alternativen "oder" miteinander verbunden sind (vgl. die Erkenntnisse vom 1. Dezember 1992, Zl. 88/08/0018, und vom 21. Februar 2001, Zl. 96/08/0026).
Mit dem ersten Haftungstatbestand dieser Bestimmung befasste sich der Verwaltungsgerichtshof ausführlich im Erkenntnis vom 21. Februar 2001, Zl. 96/08/0026: Im damals zu beurteilenden Fall ging es um die von der Einspruchsbehörde bejahte Haftung des Komplementärs einer KG. Die belangte Behörde hatte die Haftung unter Berufung (bloß) auf die Gesellschafterstellung bejaht. Der Verwaltungsgerichtshof ist dieser Auffassung der belangten Behörde mit folgender Begründung entgegengetreten:
"Wird ... für jemandes Rechnung und damit auch auf dessen
Risiko der Betrieb geführt, ist es in der konkreten Konstellation nicht denkbar, dass die wirtschaftliche Gefahr des Betriebes einem anderen als dem Dienstgeber (vorwiegend) zufällt. Anhaltspunkte dafür, dass die belangte Behörde das Unternehmerrisiko nicht der KG zuordnete, gibt es nicht, sodass für die Annahme, dass den persönlich haftenden Gesellschafter dieses Risiko (vorwiegend) treffen soll, kein Raum bleibt. Eine direkte Gesellschafterhaftung, wie sie § 12 BAO unter Hinweis auf die Vorschriften des bürgerlichen Rechts für Abgabenschulden vorsieht, kennt das ASVG nicht. Bei verfassungskonformer Interpretation verbietet sich eine analoge Anwendung dieser abgabenrechtlichen Haftungsbestimmung im Bereich des Sozialversicherungsrechtes (vgl. das Erkenntnis des verstärkten Senates vom 12. Dezember 2000, Zlen. 98/08/0191, 0192). Zwar haften die Komplementäre für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft, wozu die herrschende Meinung auch öffentlich-rechtliche Ansprüche zählt (vgl. Koppensteiner, aaO, Rz 7 zu § 128 HGB mit weiteren Literaturnachweisen), den Gläubigern persönlich (§ 128 iVm § 161 Abs. 2 HGB), somit unmittelbar und unbeschränkbar; diese Haftung ist aber - anders als jene nach § 12 BAO - in privatrechtlichen Normen begründet und kann somit nur im Zivilrechtsweg geltend gemacht werden (vgl. das Erkenntnis vom 1. Dezember 1992, Zl. 88/08/0018; ebenso OGH vom 11. Oktober 1984, 6 Ob 765/83).
Die belangte Behörde hat somit rechtsirrig angenommen, dass der GmbH schon allein auf Grund ihrer Stellung in der KG als Komplementärin die wirtschaftliche Gefahr des Betriebes vorwiegend zufällt.
Damit stellt sich die Frage nach dem Anwendungsbereich des § 67 Abs. 3, erste Alternative, ASVG. Nach Krejci (Das Sozialversicherungsverhältnis, 204) soll die Norm einen Durchgriff durch 'Strohmänner' ermöglichen, die zwar formell aus eigenem Recht über das betriebene Unternehmen disponieren, denen aber der wirtschaftliche Vorteil daraus ebenso wenig wie der wirtschaftliche Nachteil endgültig zufällt (vgl. auch das Erkenntnis vom 1. Dezember 1992, Zl. 88/08/0018). Auch die Treuhandkonstruktion soll davon erfasst sein. W. Wolff (Der Haftungsbescheid, So-Si, 1974, Nr. 10, 572) sieht in der Praxis nur wenige Fälle, welche dieser Bestimmung zugeordnet werden können. Der häufigste Anwendungsfall soll die Beschäftigung einer Hausgehilfin in einem Haushalt (gewesen) sein, in dem (nach alter Rechtslage) die wirtschaftliche Gefahr vorwiegend den Ehemann traf. Dieser sollte daher zur ungeteilten Hand für die Beiträge haften, die für die bei der Ehefrau als Dienstgeberin beschäftigte Hausgehilfin anfielen (vgl. dazu das Erkenntnis vom 22. Februar 1961, Zl. 2276/58).
Dass der GmbH der erzielte Gewinn der KG überwiegend zufalle, hat die belangte Behörde gar nicht behauptet, sodass das Vorliegen des zweiten alternativen Haftungstatbestandes des § 67 Abs. 3 ASVG nicht zu prüfen war."
Die erste Alternative des § 67 Abs. 3 ASVG soll also einen Durchgriff durch "Strohmänner" ermöglichen, die zwar formell aus eigenem Recht über das betriebene Unternehmen disponieren, denen aber weder der wirtschaftliche Vorteil noch der wirtschaftliche Nachteil daraus endgültig zufällt. Der Beschwerdeführer weist darauf hin, dass an eine "Strohmannfunktion" der KEG im Sinne des ersten Tatbestandes des § 67 Abs. 3 ASVG im Verhältnis zu einer Person, die - wie der Beschwerdeführer - als Komplementär ohnehin persönlich für die Schulden der Gesellschaft haftet, nicht zu denken ist. Mit diesem Einwand ist der Beschwerdeführer schon im Hinblick darauf im Recht, dass eine bestimmte "Rollenverteilung" zwischen der Gesellschaft und ihren Gesellschaftern im Innen-, aber auch im Außenverhältnis gesetzlich geregelt ist und die Wahl einer gesetzlich geregelten Gesellschaftsform für sich genommen keinen Missbrauch darstellen kann.
Der zweite Haftungstatbestand des § 67 Abs. 3 ASVG stellt hingegen darauf ab, dass der erzielte Gewinn dem "Nichtdienstgeber" vorwiegend zufällt, und knüpft daran dessen Mithaftung für die fällig gewordenen Beiträge. Unter dem Gewinn sind dabei die Überschüsse der Erträge über die Aufwendungen zu verstehen, bei einem Gewerbebetrieb der Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben bzw. der durch Betriebsvermögensvergleich ermittelte Gewinn, jeweils bezogen auf den Haftungszeitraum. Dass nur jener Nichtdienstgeber mithaftet, dem in der Haftungsperiode vorwiegend die Gewinne zugefallen sein müssen, kommt im Wortlaut des § 67 Abs. 3 ASVG dadurch deutlich zum Ausdruck, dass auf das Zufallen der "erzielten" Gewinne und nicht auf eingeräumte Gewinnchancen oder Gewinnmöglichkeiten (z.B. bei einer überwiegenden Gewinnbeteiligung bei Ausschluss einer Verlustbeteiligung) abgestellt wird (vgl. das Erkenntnis vom 1. Dezember 1992, Zl. 88/08/0018).
Wendet man diese Grundsätze auf die Frage einer Haftung des Beschwerdeführers nach § 67 Abs. 3 ASVG an, dann ist zu prüfen, ob die KEG in jenem Zeitraum, aus dem die uneinbringlich gewordenen Sozialversicherungsbeiträge stammen, Gewinne erwirtschaftet hat und ob diese im Haftungszeitraum zumindest überwiegend dem Beschwerdeführer zugefallen sind. Dem Gesellschafter einer Personengesellschaft werden nämlich als Mitunternehmer deren Gewinne unmittelbar zugerechnet (im Gegensatz zur GesmbH, vgl. das Erkenntnis vom 29. Juni 1966, Slg. Nr. 6963/A), wobei Grundlage der Gewinnverteilung der Gesellschaftsvertrag, bei Fehlen eines solchen das Gesetz ist (vgl. §§ 21 Abs. 2 Z. 2, 22 Z. 3 und 23 Z. 2 EStG 1988, sowie Ruppe/Doralt, Steuerrecht I8, Rz 551ff mit Hinweisen auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in Rz 552).
Für die Erfüllung des besonderen Tatbestandsmerkmales des "überwiegenden Zufallens des Gewinns" als Tatbestandsvoraussetzung der Haftung nach § 67 Abs. 3 ASVG (die bei Komplementären zu der nach § 128 HGB bestehenden, gerichtlich geltend zu machenden Haftung hinzutritt, diese also nicht etwa zu Lasten der Gebietskrankenkasse einschränkt), reicht es aber nicht aus, dass der dem betreffenden Gesellschafter zukommende Gewinn gemäß § 120 Abs. 2 HGB seinem Kapitalkonto (bzw. im Falle eines Kommanditisten seiner bedungenen Einlage gemäß § 167 HGB) gutgebracht wurde. Der Zweck der Haftung nach § 67 Abs. 3 ASVG ist es nämlich, denjenigen in eine (vereinfacht mit Bescheid geltend zu machende) besondere sozialversicherungsrechtliche Haftung zu nehmen, der der Gesellschaft als Beitragsschuldner (wenngleich dies auf Grund des Gesellschaftsvertrages berechtigterweise geschehen wäre) im Wege der Verteilung des erzielten Gewinns (durch Buchung auf Privatkonto oder auf andere Weise) Mittel entnommen hat, während im selben Zeitraum Sozialversicherungsbeiträge unberichtigt geblieben sind. Wesentlich ist also, dass bei der Gesellschaft durch das "Zufallen des Gewinns" an einen Gesellschafter auch eine Vermögensverminderung eingetreten ist. Wurde der Gewinn hingegen überwiegend auf dem Kapitalkonto des Gesellschafters belassen, so stand er der Gesellschaft und in weiterer Folge ihrer Konkursmasse ohnehin zur Verfügung, sodass insoweit eine abweichende Vermögenszuordnung nicht vorgenommen wurde.
Die belangte Behörde ist daher im Ergebnis mit ihrer Auffassung im Recht, dass zu der zuletzt erwähnten, nach dem Gesagten aber entscheidungswesentlichen Frage Feststellungen der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse im erstinstanzlichen Bescheid zur Gänze fehlen. Ihre Bemerkung im Vorlagebericht an die belangte Behörde, sie habe mit ihrem Bescheid dem Beschwerdeführer eine gerichtliche Inanspruchnahme auf Grund seiner zivilrechtlichen Haftung als Komplementär "ersparen" wollen, deutet im Übrigen darauf hin, dass sie dabei den zweiten Haftungstatbestand des § 67 Abs. 3 ASVG als auf den Beschwerdeführer potenziell anwendbar nicht einmal im Auge hatte.
Die belangte Behörde durfte daher mit einer Aufhebung nach § 417a ASVG vorgehen; sie hat damit - anders als der Beschwerdeführer meint - auch keineswegs die Sache überschritten, da die beiden in § 67 Abs. 3 ASVG normierten Haftungstatbestände nur zwei mögliche Anspruchsgrundlagen desselben Haftungstatbestandes sind, welcher die "Sache" des Verfahrens bildet.
Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse wird daher auf Grund des angefochtenen Bescheides eine Begründung betreffend den zweiten Haftungstatbestand nachzuholen haben, wobei sie zu beurteilen haben wird, aus welchen Zeiträumen die bei der Gesellschaft uneinbringlich gewordenen Sozialversicherungsbeiträge stammen, ob die KEG in diesen Zeiträumen einen Gewinn erwirtschaftet und ob dieser dem Beschwerdeführer im vorstehend dargelegten Sinne zumindest überwiegend zugefallen ist.
Der angefochtene Bescheid erweist sich daher im Ergebnis als frei von Rechtsirrtum, weshalb die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 14. September 2005
Schlagworte
Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2005:2003080119.X00Im RIS seit
17.11.2005Zuletzt aktualisiert am
23.08.2013