Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta, Dr. Egermann und Dr. Niederreiter als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Peter B***, Holzhandel, Thörl-Maglern, Hohenthurn 2, vertreten durch Dr. Rudolf Landerl, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Ö*** K***-AG, Wien 1., Stubenring 24,
vertreten durch Dr. Ferdinand R. Graf, Rechtsanwalt in Wien, wegen 426.331,41 S s.A., infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 2. Juli 1987, GZ 1 R 117/87-20, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 31. Dezember 1986, GZ 25 Cg 660/85-15, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Zwischen den Streitteilen bestand ein Rahmenexportkreditversicherungsvertrag, dem die Allgemeinen Bedingungen für die Exportkreditversicherung zugrunde lagen. Art. 13 dieser Bedingungen lautet:
"Der Versicherungsnehmer hat den Antrag auf Anerkennung des Versicherungsfalles bei sonstigem Rechtsverlust spätestens nach schriftlicher Aufforderung durch den Versicherer zu stellen. Wenn der Versicherer die Anerkennung des Versicherungsfalles ablehnt oder innerhalb von zwei Monaten nach Einbringung des Antrages gemäß Art. 6 keine Erklärung abgegeben hat, kann der Versicherungsnehmer Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag innerhalb von sechs Monaten bei sonstigem Rechtsverlust bei den ordentlichen Gerichten in Österreich geltend machen".
Die Beklagte lehnte die Deckung der in der vorliegenden Klage mit 426.331,41 S s.A. geltend gemachten Ansprüche mit Brief vom 30. Jänner 1984 und endgültig mit Schreiben vom 5. März 1984 ab. Die vorliegende Klage langte am 8. Oktober 1985 beim Erstgericht ein.
Beide Vorinstanzen haben das Klagebegehren unter Hinweis auf die Versäumung der in Art. 13 der Allgemeinen Bedingungen für die Exportkreditversicherung festgesetzten sechsmonatigen Frist abgewiesen, wobei sie in rechtlicher Hinsicht ausführten, nach § 187 Abs.1 VersVG gelte für Kreditversicherungen die Beschränkung des § 12 Abs.3 VersVG nicht. Es spiele daher keine Rolle, daß die Beklagte in ihrem Ablehnungsschreiben auf die Folgen der Versäumung der sechsmonatigen Frist nicht hingewiesen habe.
Die vom Kläger gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision ist gerechtfertigt.
Rechtliche Beurteilung
Nach § 12 Abs.3 VersVG ist der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung frei, wenn der Anspruch auf die Leistung nicht innerhalb von 6 Monaten gerichtlich geltend gemacht wird. Die Frist beginnt erst, nachdem der Versicherer dem Versicherungsnehmer gegenüber den erhobenen Anspruch unter Angabe der mit dem Ablauf der Frist verbundenen Rechtsfolge schriftlich abgelehnt hat. Diese Gesetzesbestimmung kann nach § 15 a VersVG zum Nachteil des Versicherungsnehmers nicht abbedungen werden (Prölss-Martin, VVG23 137). Eine vertragliche Vereinbarung, derzufolge bereits ein Ablehnungsschreiben des Versicherers auch dann die erwähnte Ausschlußfrist von 6 Monaten in Lauf setzt, wenn auf diese Folge durch den Versicherer nicht hingewiesen wird, ist daher im Anwendungsbereich des § 15 a VersVG nicht rechtswirksam.
§ 15 a VersVG gehört jedoch zu jenen die Vertragsfreiheit beschränkende Bestimmungen, die gemäß § 187 VersVG in den dort genannten Versicherungszweigen, zu denen auch die Kreditversicherung gehört nicht anzuwenden sind (siehe Prölss-Martin, VVG23 137). Es kann daher im Rahmen der Kreditversicherung eine vertragliche Vereinbarung dahin getroffen werden, daß bereits ein einfaches Ablehnungsschreiben des Versicherers, ohne besondere Belehrung über die Folgen einer verspäteten Klagsführung, den Lauf der Ausschlußfrist in Gang setzt. Durch § 187 Abs.1 VersVG wird nicht etwa die Bestimmung des § 12 Abs.3 VersVG schlechthin außer Kraft gesetzt, sondern nur die Möglichkeit eröffnet, diese auch zum Nachteil des Versicherungsnehmers abzubedingen. Soweit demnach keine abändernden vertraglichen Regelungen (etwa in Versicherungsbedingungen) vorliegen, gelten auch in den in § 187 Abs.1 VersVG genannten Versicherungszweigen die Bestimmungen des § 12 Abs.3 VersVG.
Im vorliegenden Fall wurde durch Art. 13 der Allgemeinen Bedingungen für die Exportkreditversicherung § 12 Abs.3 VersVG insoweit abgeändert, als dort nicht nur die ausdrückliche Ablehnung des geltend gemachten Anspruches, sondern auch ein Stillschweigen des Versicherers durch zwei Monate hindurch die Wirkung einer Ablehnung des Anspruches hat. Der erwähnte Art. 13 der Versicherungsbedingungen normiert - ebenso wie
§ 12 Abs.3 VersVG - eine Ausschlußfrist, enthält jedoch keinerlei Regelung zur Frage, ob der Versicherer verpflichtet ist, den Versicherungsnehmer auf die Folgen des Versäumnisses der Ausschlußfrist hinzuweisen. Nur wenn durch Art. 13 der Versicherungsbedingungen die Bestimmung des § 12 Abs.3 VersVG in dem vorerwähnten Punkte deutlich abbedungen worden wäre, wäre eine solche Vereinbarung gemäß § 187 Abs.1 VersVG rechtsverbindlich. Hievon kann jedoch hier keine Rede sein. Es wäre zwar denkbar, Art. 13 der Versicherungsbedingungen im Hinblick darauf, daß auch das Stillschweigen des Versicherers als Ablehnung zu werten ist, so auszulegen, daß eine Belehrungspflicht des Versicherers nicht besteht, doch sind die Versicherungsbedingungen in diesem Sinne, schon im Hinblick auf die Verweisung im Art. 17 auf die hilfsweise Geltung des Versicherungsvertragsgesetzes, nicht eindeutig. Gerade bei der Vereinbarung für den Versicherungsnehmer derart einschneidende Nachteile, wie des automatischen Rechtsverlustes im Falle der Versäumung einer relativ kurzen Frist, muß absolute Klarheit der Versicherungsbedingungen verlangt werden. Demnach geht die aufgezeigte Unklarheit der Versicherungsbedingungen zu Lasten des Versicherers. Da also jener Teil des § 12 Abs.3 VersVG, in dem dem Versicherer die Verpflichtung auferlegt wird, den Versicherungsnehmer auf die Folgen der Versäumung der Frist hinzuweisen, nicht eindeutig abbedungen worden ist, kann sich die Beklagte im vorliegenden Fall nicht mit Erfolg auf Fristversäumung berufen.
Der von den Vorinstanzen herangezogene Grund für die Klagsabweisung ist also nicht gegeben, weshalb die weiteren Einwendungen der Beklagten geprüft werden müssen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 ZPO.
Anmerkung
E12614European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1987:0070OB00046.87.1029.000Dokumentnummer
JJT_19871029_OGH0002_0070OB00046_8700000_000