Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith, Dr. Kodek, Dr. Niederreiter und Dr. Redl als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am 12. April 1983 verstorbenen Joseph Peter B***, Landwirt und Kaufmann, zuletzt wohnhaft gewesen in Lassee, Schönfeld, Gut Markhof, infolge Revisionsrekurses der erblasserischen Tochter mj. Christiana B***, geboren am 23. Juni 1970, Lassee, Schönfeld, Gut Markhof, vertreten durch den Kollisionskurator Ludmilla M***, Private, Wien 13., Auhofstraße 165, diese vertreten durch Dr. Heribert Müller, öffentlicher Notar i.R., ebendort, gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Korneuburg als Rekursgerichtes vom 12. Juni 1987, GZ. 5 R 63, 64/87-34, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Marchegg vom 29. Dezember 1986, GZ. A 33/83-25 in seinen Punkten 2. und 4. sowie die Einantwortungsurkunde vom selben Tag, A 33/83-26, bestätigt wurden, der Rekurs gegen die Punkte 1., 3. und 5. des genannten Beschlusses hingegen zurückgewiesen wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Der Revisionsrekurs wird, soweit er sich gegen die Zurückweisung des Rekurses gegen Punkt 3. des erstgerichtlichen Beschlusses wendet, zurückgewiesen. Im übrigen wird ihm Folge gegeben; der angefochtene Beschluß, der in seinem Ausspruch zu Punkt 1. des erstgerichtlichen Beschlusses als unangefochten unberührt bleibt und der Beschluß des Erstgerichtes werden in ihren Aussprüchen zu den Punkten 2., 4. und 5. des letztgenannten Beschlusses einschließlich der Einantwortungsurkunde aufgehoben und die Sache in diesem Umfang an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Ergänzung des Verfahrens zurückverwiesen.
Text
Begründung:
Joseph Peter B*** ist am 12. April 1983 unter
Hinterlassung eines Testamentes verstorben. Die sechs aus seiner ersten Ehe stammenden Kinder waren damals bereits großjährig, die beiden aus seiner Ehe mit Maria-Sofia B*** stammenden Kinder - die am 1. Juni 1967 geborene Theresa B*** sowie die am 23. Juni 1970 geborene Revisionsrekurswerberin Christiana B*** - waren noch minderjährig. In seinem Testament vom 16. April 1982 gab der Erblasser an, er habe anläßlich der Scheidung seiner (ersten) Ehe im Jahre 1966 seine Kinder aus dieser Ehe mit Vermögen bedacht, das weit über den Pflichtteil hinausgehe; diese Vermögenszuwendungen seien in den Pflichtteil einzurechnen (Punkt 2.). Seinen Töchtern Theresa und Christiana B*** setzte er je zur Hälfte seine Liegenschaft in Deutschland, KG Hahn, Elberfelderstraße, als Vermächtnis aus, wobei er dieses Vermögen mit bestimmten Rechten Dritter belastete (Punkt 4.). Seinem Sohn Peter B*** setzte er als Vermächtnis die Liegenschaft in der KG Gruiten, Thunbuschstraße, als Vermächtnis aus, das er mit einer Rente zugunsten und auf Lebensdauer seiner Gattin Maria B*** in der Höhe von DM 4.000,-- monatlich und wertgesichert belastete (Punkt 5.).
Die Punkte 6. bis 9. lauteten:
"Meinem Sohn Markus B***, für den Fall, daß er Landwirt wird, den landwirtschaftlichen Betrieb in Markhof. Unter Landwirt verstehe ich, wenn er seinen und seiner Familie Lebensunterhalt überwiegend aus seiner Tätigkeit aus der Landwirtschaft bestreitet und dies durch fünf ununterbrochene Jahre ausübt. Die Erklärung den Beruf eines Landwirtes zu ergreifen genügt nicht zum Antritt des Vermächtnisses.
Das Vermächtnis besteht aus dem Gut Markhof samt dem landwirtschaftlichen Zubehör, mit Liegenschaften in der KG Schönfeld und Marchegg, ohne der in der beiliegenden Planskizze grün bezeichneten Flächen, es sind dies die vorgenannte alte Villa mit ca. 3 ha und das sogenannte Vorwerk mit ca. 4 ha und ohne das gesamte Inventar des jetzigen Wohnhauses.
7. Die sogenannte alte Villa mit ca. 3 ha erhält meine Tochter Theresa B*** als Vermächtnis.
Das sogenannte Vorwerk mit ca. 4 ha erhält meine Tochter Christiana als Vermächtnis.
Alle drei Vermächtnisnehmer dieses Testamentsabschnittes haben sich gegenseitig ein Wegerecht an den bestehenden Wegen einzuräumen.
8. Für den Fall, daß mein Sohn Markus erklärt, nicht Landwirt werden zu wollen, setze ich folgendes Vermächtnis aus:
a) Meine Tochter Christiana B*** erhält das Gut Markhof mit Liegenschaften in der KG Schönfeld und Marchegg auch ohne das sogenannte Vorwerk mit ca. 4 ha und die sogenannte alte Villa mit ca. 3 ha und ohne dem gesamten Inventar des jetzigen Wohnhauses.
b) Das sogenannte Vorwerk erhält dann mein Sohn Markus B*** als Vermächtnis.
c) Die sogenannte alte Villa mit ca. 3 ha erhält meine Tochter Theresa als Vermächtnis.
Alle drei Vermächtnisnehmer dieses Testamentsabschnittes haben sich gegenseitig ein Wegerecht an den bestehenden Wegen einzuräumen.
9. Bei den vorstehenden Anordnungen hinsichtlich meines landwirtschaftlichen Betriebes Markhof - Punkt 6., Punkt 7. und 8. - belaste ich die etwaigen Anfälle meines Sohnes Markus bzw. meiner Töchter Christiana und Theresa mit einem gegenseitigen Vorkaufsrecht zugunsten der anderen zwei Berechtigten."
In Punkt 10. setzte der Erblasser von seinen 100 % Kommanditanteilen an der B*** Gesellschaft & Co KG seinem Sohn Peter B*** 40 %, seinem Sohn Markus B*** 30 %, seiner Gattin Maria B*** und seinen beiden Töchtern Christiana und Theresa B*** je 10 % als Vermächtnis aus. Von seinem 60 %igen Anteil an der B*** Gesellschaft mbH vermachte er 30 % seinem Sohn Markus und je 10 % seiner Gattin und seinen beiden Töchtern aus zweiter Ehe (Punkt 11.). Weiters setzte er zugunsten seiner Tochter Karoline ein Vermächtnis im Betrag von 150.000,-- DM wertgesichert aus, das von seinen Söhnen Peter und Markus B*** je zur Hälfte zu zahlen sei (Punkt 12.). Sein Festgeldkonto bei der S*** Hahn-Rheinland vermachte er seiner Frau, welche von diesem Geld die unter den Punkten 7. und 8. angeführte alte Villa fertigzustellen bzw. bezugsfertig zu machen habe (Punkt 13.). In Punkt 14. berief er zur Erbin, "die das restliche Vermögen erhält", seine Gattin Maria B***, der er zusätzlich für den Fall, daß sein Sohn Markus B*** Landwirt werde und das Vermächtnis annehme, bis zur Vollendung seines 30. Lebensjahres ein ausschließliches unentgeltliches Fruchtgenußrecht an der Hälfte des Gutsbesitzes in Markhof als Vermächtnis aussetzte. Weiters vermachte er seiner Gattin das lebenslängliche unentgeltliche Wohnrecht an der alten Villa (Punkt 14.). Den jeweiligen Übernehmer seines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes Gut Markhof verpflichtete er in jedem Falle, allen übrigen in diesem Gerichtssprengel ansässigen Erben und Vermächtnisnehmern das für ihren Bedarf und den Bedarf ihrer Familien erforderliche Brennholz kostenlos zur Verfügung zu stellen (Punkt 16.).
Auf Grund dieses Testamentes gab die Witwe des Erblassers zum gesamten Nachlaß die bedingte Erbserklärung ab. Das Erstgericht nahm diese an und überließ der Witwe die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses (ON 7). In der Folge genehmigte das Erstgericht das am 19. Dezember 1985 über das im Inland befindliche Nachlaßvermögen errichtete Inventar mit einem Aktivstand von S 20,091.430,66 und einem Passivstand von S 1,030.509,50, somit einem Reinnachlaß von S 19,880.684,93 (ON 20). In der vor dem Gerichtskommissär durchgeführten Verhandlung vom 20. November 1986 sprachen sich die Witwe des Erblassers, Markus B*** und die - durch einen Kollisionskurator vertretene - minderjährige Christiana B*** einvernehmlich dafür aus, das Abhandlungsverfahren derzeit nicht zu beenden. Zwischen ihnen bestehe vollkommene Übereinstimmung über die derzeitige Bewirtschaftung des landwirtschaftlichen Betriebes durch Markus B***. Da schon mehr als 3/4 der vom Erblasser in Punkt 6. des Testaments verfügten fünfjährigen Frist verstrichen seien, bestehe keine Veranlassung, das Verfahren vor Ablauf der gesamten fünfjährigen Frist im April 1988 zu beenden. Der in den Nachlaß fallende landwirtschaftliche Betrieb könne nicht besser verwahrt werden als in der Verlassenschaft des Erblassers in der derzeitigen, zwischen allen Beteiligten vereinbarten Form. Damit werde die testamentarische Verfügung am besten erfüllt und die Möglichkeit gegeben, den Nachweis der Testamentserfüllung in Ansehung des Punktes 6. zu erbringen (ON 23).
Der Erstrichter faßte dennoch den Endbeschluß. Er nahm den Bericht des Gerichtskommissärs zur Kenntnis (Punkt 1.), sprach aus, daß der Testamentserfüllungsausweis - soweit derzeit möglich - als erbracht angesehen werde (Punkt 2.), bestimmte die Gebühren des Gerichtskommissärs und trug der Witwe und Universalerbin die Zahlung für Rechnung des Nachlasses auf (Punkt 3.). Weiters ordnete er an, daß der Nachlaß mit gesonderter Urkunde - unter Hinweis auf die Beschränkung durch die im Testament vom 16. April 1982 enthaltene fideikommissarische Substitution zugunsten des Markus B*** und der minderjährigen Christiana B*** - eingeantwortet und das Abhandlungsverfahren mit Rechtskraft dieser Urkunde für beendet erklärt werde (Punkt 4.), und kündigte an, daß der Akt dem Finanzamt für Gebühren und Verkehrssteuern in Wien zur Einsichtnahme übermittelt werde (Punkt 5.). Zugleich erließ er die Einantwortungsurkunde, nach welcher der Nachlaß des Erblassers seiner Witwe zur Gänze - jedoch mit der in Punkt 4. des Endbeschlusses erwähnten Beschränkung - eingeantwortet wurde. Auf Grund der Ergebnisse des Abhandlungsverfahrens werde ob den im einzelnen aufgezählten, dem Erblasser zugeschriebenen Liegenschaften die Einverleibung des Eigentumsrechtes für die Witwe mit der erwähnten Beschränkung durch die fideikommissarische Substitution zu bewilligen sein.
Den gegen diese beiden Beschlüsse von der minderjährigen Christiana B*** erhobenen Rekurs wies das Gericht zweiter Instanz insoweit, als er sich gegen die Punkte 1., 3. und 5. des Endbeschlusses richtete, zurück; im übrigen gab es dem Rechtsmittel nicht Folge. Am Willen des Erblassers, seine Gattin als Universalerbin einzusetzen, könne kein Zweifel bestehen. Nach den Punkten 6. bis 8. des Testamentes hänge der Anfall der Vermächtnisse davon ab, ob Markus B*** Landwirt werde oder ob er erkläre, nicht Landwirt werden zu wollen. Nach § 707 ABGB bestünden, solange das Recht des Legatars wegen einer noch nicht erfüllten Bedingung aufgeschoben bleibe, zwischen dem Erben und dem Legatar in Hinsicht auf den einstweiligen Besitz und Genuß des Legates dieselben Rechte und Verbindlichkeiten wie bei einer fideikommissarischen Substitution. Nach § 158 Abs. 1 AußStrG müßten Substitutionen und Anordnungen, die ihnen nach §§ 707 bis 709 ABGB gleichzuhalten seien, auf die ihnen unterworfenen Güter in den öffentlichen Büchern eingetragen werden. Dem habe das Erstgericht mit seiner Verfügung, daß das Substitutionsband zugunsten der minderjährigen Christiana B*** und des Sohnes Markus B*** anzumerken sein
werde, entsprochen. Sollte eine Bedingung bereits erfüllt sein, dann hätte dies nicht die Legatare, sondern höchstens die Erbin beschwert. Dem Erben, der sein Erbrecht gehörig ausgewiesen und alle ihm obliegenden Verbindlichkeiten erfüllt habe, sei die Verlassenschaft einzuantworten; gleichzeitig sei die Verlassenschaftsabhandlung für beendet zu erklären (§ 174 Abs. 1 AußStrG). Sei der Nachlaß einantwortungsreif, dann sei von Amts wegen ohne Rücksicht auf abweichende Anträge der Beteiligten einzuantworten. Ohne gesetzlichen Grund könne das Abhandlungsgericht die Einantwortung nicht hinausschieben; die Einantwortung könne auch nicht wegen einer Nichterfüllung des Vermächtnisses im Falle des § 161 AußStrG oder wegen eines Streites der Erben mit den Vermächtnisnehmern über den Umfang des Vermächtnisses hinausgezögert werden. Da sämtliche gesetzliche Voraussetzungen, insbesondere auch die in §§ 158 und 161 AußStrG vorgesehenen Maßnahmen und Auflagen, erfüllt seien und dies im Sinne des § 157 AußStrG ausreichend dargetan worden sei, habe für das Erstgericht keine Möglichkeit bestanden, mit der Verlassenschaftsabhandlung innezuhalten. Soweit Christiana B*** meine, ihr stehe auf Grund ihrer Minderjährigkeit der besondere Schutz des Gerichtes und ein besonderer Anspruch auf eine mögliche Vermeidung von Rechtsstreitigkeiten zu, könnten pflegschaftsbehördliche Erwägungen nur zu dem gegenteiligen Ergebnis führen, daß nämlich die vom Erstgericht verfügte Anmerkung des Substitutionsbandes die einzig richtige Maßnahme zur Sicherstellung des Legatsanspruches der Minderjährigen sei.
Soweit sich der Rekurs gegen die Punkte 1., 3. und 5. des Mantelbeschlusses richte, fehle der Minderjährigen die Rekurslegitimation. Ein Vermächtnisnehmer sei nur dann als Beteiligter anzusehen, wenn durch eine Verfügung des Abhandlungsgerichtes unmittelbar in seine Vermögensrechte eingegriffen werde. Dies geschehe weder durch die Kenntnisnahme vom Bericht des Gerichtskommissärs noch durch die Bestimmung seiner Gebühren noch auch durch die Absichtserklärung, den Akt dem Finanzamt für Gebühren und Verkehrssteuern zu übermitteln. In diesen Punkten fehle der Rekurswerberin das Rechtsschutzinteresse. Gegen diesen Beschluß wendet sich die "Beschwerde gemäß § 16 VASt." (richtig: der Revisionsrekurs) der minderjährigen Christiana B*** mit dem Antrag, die Punkte 2. bis 5. des
erstrichterlichen Endbeschlusses aufzuheben.
Rechtliche Beurteilung
Soweit sich dieses Rechtsmittel auf Punkt 3. des erstgerichtlichen Endbeschlusses bezieht, ist es, weil es sich hiebei um eine Entscheidung über den Kostenpunkt handelt, unzulässig (§ 14 Abs. 2 AußStrG). Den Kostenpunkt betreffen alle Entscheidungen, mit denen in irgendeiner Form über Kosten entschieden wird (EvBl. 1969/358), also auch solche Entscheidungen, mit denen - wie hier - der Rekurs von der zweiten Instanz als unzulässig zurückgewiesen wurde (NZ 1969, 25; 6 Ob 684/77 uva.). In diesem Punkt war der Revisionsrekurs demnach zurückzuweisen; im übrigen kommt ihm jedoch Berechtigung zu.
Nach der Meinung der Rechtsmittelwerberin sei der bekämpfte Beschluß offenbar gesetzwidrig (§ 16 Abs. 1 AußStrG), weil er sich über § 162 AußStrG hinnweggesetzt habe. Dem ist zuzustimmen. Voraussetzung für die Einantwortung des Nachlasses ist, daß der Erbe nicht nur sein Erbrecht gehörig dargetan, sondern daß er auch die Erfüllung aller übrigen vom Gesetz oder vom Erblasser ihm auferlegten Verbindlichkeiten im Sinne der §§ 157 bis 162 AußStrG ausgewiesen hat (§ 149 Abs. 1, § 174 Abs. 1 AußStrG). Dem Rekursgericht ist zwar darin zu folgen, daß die - einer fideikommissarischen Substitution gleichzuhaltenden - bedingten Vermächtnisse (§§ 707, 708 ABGB) zugunsten der minderjährigen Christiana B*** und des großjährigen Sohnes Markus
B*** durch die Anordnung der Anmerkung des Substitutionsbandes ob der davon betroffenen Liegenschaft in der dem Gesetz (§ 158 Abs. 1 Satz 1 AußStrG) entsprechenden Weise gesichert wurde; vom Pflichtteilsanspruch der minderjährigen Rechtsmittelwerberin kann jedoch nicht das Gleiche gesagt werden:
Nach § 162 AußStrG muß das Abhandlungsgericht dann vom Amts wegen auf eine nach §§ 783 bis 789 ABGB eingerichtete Pflichtteilsausweisung drängen, wenn ein Zweifel entsteht, ob ein minderjähriger (oder pflegebefohlener) Noterbe in seinem Pflichtteil verletzt sei. Vor der Erledigung eines solchen Pflichtteilsausweises darf daher nicht eingeantwortet werden (SZ 41/13; NZ 1963, 122, vgl. NZ 1985, 176). Der Pflichtteilsausweis ist freilich nur bei Zweifeln darüber zu verlangen, ob ein Minderjähriger in seinem Pflichtteil verletzt werde. Der Oberste Gerichtshof hat in einem Amtshaftungsverfahren aus dem Wortlaut des § 162 AußStrG den Schluß gezogen, daß die Abforderung des Pflichtteilsausweises im Ermessen des Abhandlungsgerichtes liege (JBl. 1955, 476). Dem kann in dieser Allgemeinheit nicht gefolgt werden. § 162 AußStrG kann keinesfalls dahin verstanden werden, daß es im freien, durch das Gesetz nicht näher bestimmten Ermessen des Gerichtes gelegen wäre, ob es den Pflichtteilsausweis fordern will oder nicht; vielmehr legt das Gesetz (§ 162 AußStrG) ausdrücklich und in einer jeden Zweifel ausschließenden Klarheit fest, daß das Abhandlungsgericht den Pflichtteilsausweis dann abfordern muß, wenn nach der Aktenlage unsicher ist, ob ein Minderjähriger in seinem Pflichtteil verletzt wird. Daß die Vorinstanzen solche Zweifel für unbegründet gehalten hätten, ist ihren Entscheidungen nicht zu entnehmen; vielmehr entsteht der Eindruck, daß sie die Bestimmung des § 162 AußStrG nicht in ihre Erwägungen einbezogen haben. Nach der Aktenlage kann auch nicht gesagt werden, daß solche Zweifel jedenfalls unberechtigt wären:
Die minderjährige Christiana B*** ist als Kind des Erblassers pflichtteilsberechtigt (§ 762 ABGB). Demnach gebührt ihr die Hälfte dessen, was ihr nach der gesetzlichen Erbfolge zugefallen wäre (§ 765 ABGB). Im Hinblick darauf, daß der Erblasser seine Witwe und insgesamt acht Kinder zurückgelassen hat, beträgt der gesetzliche Erbteil der Witwe ein Drittel des Nachlasses (§ 757 Abs. 1 ABGB) und der Erbteil jedes einzelnen der acht Kinder ein Zwölftel (§ 732 ABGB). Als Pflichtteil gebührt demnach der minderjährigen Christiana B*** 1/24 des Nachlasses (§ 765 ABGB).
Geht man davon aus, daß Markus B*** die in Punkt 6. des Testamentes gesetzte Bedingung - ob diese als auflösende (§ 708 ABGB) oder als aufschiebende (§ 707 ABGB) zu verstehen ist, bedarf in diesem Zusammenhang keiner Untersuchung - erfüllen wird, dann hat die Minderjährige das sogenannte Vorwerk mit ca. 4 ha, ferner je 10 % an den Kommanditanteilen des Erblassers an der B*** Gesellschaft & Co KG und an der B*** Gesellschaft mbH sowie die Hälfte einer in der Bundesrepublik Deutschland gelegenen Liegenschaft zu erhalten. Ob dies ihrem Pflichtteil entspricht, kann - auch unter Zuhilfenahme des Inventars über das inländische Vermögen und der ihm angeschlossenen Schätzungsgutachten - derzeit nicht beantwortet werden, zumal bei der Berechnung des Pflichtteiles auch die Schenkungen des Erblassers an seine Kinder aus erster Ehe in Anschlag gebracht werden können (§ 785 ABGB).
Da das Rekursgericht die Beendigung des Abhandlungsverfahrens durch das Gericht erster Instanz gebilligt hat, obgleich kein Ausweis darüber vorliegt, daß der Pflichtteil der Minderjährigen, zu dessen Entrichtung nicht nur die Erbin, sondern auch die Legatare verhältnismäßig beizutragen haben (§ 783 ABGB), steht die angefochtene Entscheidung im Widerspruch zu § 162 AußStrG und ist daher offenbar gesetzwidrig im Sinne des § 16 Abs. 1 AußStrG. Die Zurückweisung des Rekurses der Minderjährigen durch das Gericht zweiter Instanz, soweit er sich gegen Punkt 5. des Endbeschlusses gerichtet hatte, war deshalb nicht berechtigt, weil die Anordnung, den Akt dem Finanzamt für Gebühren und Verkehrssteuern in Wien zur Einsichtnahme zu übermitteln, in untrennbarem Zusammenhang mit der Erklärung steht, das Verlassenschaftsverfahren zu beenden.
Aus diesen Erwägungen war dem Revisionsrekurs - soweit er sich nicht auf den Kostenpunkt bezogen hat - Folge zu geben; Beschlüsse der Vorinstanzen waren aufzuheben und die Sache an das Erstgericht zurückzuverweisen. Von dieser Aufhebung ist auch die - im Revisionsrekursantrag nicht erwähnte - Einantwortungsurkunde mitumfaßt, weil diese mit dem Endbeschluß zusammen eine Einheit bildet (SZ 47/12 uva.).
Anmerkung
E12304European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1987:0040OB00589.87.1103.000Dokumentnummer
JJT_19871103_OGH0002_0040OB00589_8700000_000