Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith, Dr. Kodek, Dr. Niederreiter und Dr. Redl als weitere Richter in der Rechtssache des Antragstellers Walter H***, Kaufmann, Mönchhof, Bahngasse 1 b, vertreten durch Dr. Walter Boss, Rechtsanwalt in Neusiedl am See, wider den Antragsgegner Johannes H***, Kaufmann, Mönchhof, Neubaugasse 22, vertreten durch Dr. Rudolf Tobler, Rechtsanwalt in Neusiedl am See, wegen Genehmigung einer Änderung, infolge Revisionsrekurses des Antragstellers gegen den Beschluß des Landesgerichtes Eisenstadt als Rekursgerichtes vom 2. September 1987, GZ R 304/87-12, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Neusiedl am See vom 7. November 1986, GZ Nc 43/86-5, bestätigt wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Der Vater der beiden Parteien, Johann H***, hatte bis zu seinem Tod am 12. Oktober 1976 in seinem Haus in Mönchhof, Bahngasse 1 b, eine Gemischtwarenhandlung geführt. Diesen Betrieb samt allen Aktiven und Passiven übernahmen im Verlassenschaftsverfahren die beiden Parteien, und zwar der Antragsteller zu drei Fünfteln und der Antragsgegner zu zwei Fünfteln. Auf Grund des Erbübereinkommens vom 14. April 1977 führen sie nun diesen Gewerbebetrieb in Form einer bürgerlich-rechtlichen Gesellschaft, an der der Antragsteller mit 60 % und der Antragsgegner mit 40 % beteiligt ist. Diese Gesellschaft ist im Handelsregister nicht registriert. Alleiniger Standort des Betriebes ist Mönchhof, Bahngasse 1 b. Das Haus steht je zur Hälfte im Eigentum des Antragstellers und seiner Mutter, die ihren Hälfteanteil dem Antragsteller auf den Todesfall geschenkt hat. Im Haus wohnen der Antragsteller und seine Familie sowie die Mutter der beiden Parteien. Der Antragsgegner lebt mit seiner Familie in einem Haus rund 1 km vom Geschäft entfernt.
Zu den Geschäftsräumlichkeiten besteht ein einziger Zugang von der Straße her. Während die Eingangstür ursprünglich mit einem Schloß versehen war, zu dem jede der Parteien einen Schlüssel hatte, wurden im Jahre 1982 auf Betreiben des Antragsgegners zwei Schlösser angebracht, wobei jede Partei nur einen Schlüssel zu jeweils einem Schloß erhielt. Zu den feststehenden Geschäftszeiten wurde gemeinsam auf- und zugesperrt; außerhalb der Geschäftszeit war jede Partei auf die andere angewiesen, wenn sie ins Geschäft wollte. Diese Maßnahme ist auf das gegenseitige Mißtrauen der miteinander verfeindeten Parteien zurückzuführen.
In der ordnungsgemäß einberufenen und durchgeführten Gesellschafterversammlung vom 25. Juli 1985 faßte der Antragsteller mit seinen Stimmen gegen die Stimmen des Antragsgegners den Beschluß, daß ein einziges Schloß für die Eingangstür des Geschäftes angefertigt und der Schlüssel hiezu ihm ausgefolgt werde, während dem Antragsgegner der Zugang zum Geschäft zu den festen Geschäftszeiten jederzeit, außerhalb dieser jedoch nur gemeinsam mit ihm zustehe. Der Antragsteller hält diese Regelung deshalb für sinnvoll und notwendig, weil er mit seiner Familie im Haus wohnt und auch außerhalb der festen Geschäftszeiten immer wieder arbeiten und auch Kunden betreuen muß. Der Antragsteller setzte den Beschluß sofort in Vollzug. Der Antragsgegner klagte ihn daraufhin auf Wiederherstellung des früheren Zustandes.
Mit - rechtskräftigem - Urteil vom 7. März 1986, C 516/85-6, erkannte das Bezirksgericht Neusiedl am See den Antragsteller schuldig, den vor der Gesellschafterversammlung vom 25. Juli 1985 bestandenen Zustand wiederherzustellen. Der Antragsgegner führt nun gegen den Antragsteller zur Durchsetzung des Wiederherstellungsurteils Exekution, die noch nicht beendet ist. Die Gründe dafür, daß der Antragsgegner auch außerhalb der Geschäftszeiten die Geschäftsräumlichkeiten betreten will, liegen insbesondere in der auch in dieser Zeit notwendigen Kundenbetreuung, in der Durchführung von Bestellungen zu Stoßzeiten und in der Aufarbeitung der Buchhaltung nach Abwesenheiten. Insgesamt kamen diese Fälle eher selten vor. Eine rechtzeitige vorherige Kontaktaufnahme mit dem Antragsteller ist nicht immer möglich. Mit der Ausfolgung eines Schlüssels zu einem einzigen Schloß wäre der Antragsgegner einverstanden, weil dann wieder ein Gleichgewicht hergestellt wäre.
Der Antragsteller begehrt im außerstreitigen Verfahren, die Veränderung in der Benützung des Geschäftslokales im Sinne des Gesellschafterbeschlusses vom 25. Juli 1985 zu genehmigen; er ging dabei von der vom Gericht im Prozeß vertretenen Ansicht aus, die beschlossene Maßnahme sei als wichtige Veränderung im Sinne des § 835 ABGB anzusehen.
Der Antragsgegner beantragt, die Maßnahme nicht zu genehmigen. Der Erstrichter wies den Antrag ab und versagte dem Gesellschafterbeschluß vom 25. Juli 1985 die Genehmigung. Ausgehend von den eingangs wiedergegebenen Feststellungen vertrat er rechtlich die Auffassung, die umstrittene Maßnahme diene im wesentlichen den Interessen des Antragstellers und beschneide die Kontrollrechte des Antragsgegners. Da die Parteien verfeindet seien, komme aber dieser Kontrolle besondere Bedeutung zu.
Das Rekursgericht, dessen Entscheidung im ersten Rechtsgang aufgehoben worden war (4 Ob 506/87), bestätigte den erstgerichtlichen Beschluß. Der Antragsteller habe durch seinen Antrag auf Genehmigung selbst zum Ausdruck gebracht, daß es sich bei der Änderung der Zugangsverhältnisse zum Geschäftslokal um eine "wichtige Veränderung" handle; andernfalls könnte ja eine Entscheidung des Außerstreitrichters nach § 835 ABGB nicht erfolgen. Die Entscheidung, ob die von der Mehrheit gegen den Willen der Minderheit beschlossene wichtige Veränderung stattfinden solle oder nicht, werde im allgemeinen davon abhängen, ob die von der Mehrheit gewünschte Maßnahme offenbar vorteilhaft, bedenklich oder nachteilig ist. Ob dies der Fall sei, richte sich nach den Umständen des Einzelfalles und sei vom Standpunkt der Gesamtheit der Teilhaber und nicht von jenem der Mehrheit aus zu beurteilen. Das Rekursgericht folge den Erwägungen des Erstrichters, wonach die beabsichtigte Maßnahme des Antragstellers im wesentlichen Eigeninteressen diene. Vor allem die Tatsache, daß dem Antragsgegner nun überhaupt kein Schlüssel zum Geschäftslokal mehr zur Verfügung stehe und er bloß während der Geschäftszeiten Zugang zu den Geschäftsräumlichkeiten haben solle, widerstreite seinen Teilhaberinteressen in hohem Maße. Gegen diesen Beschluß wendet sich der Revisionsrekurs des Antragsteller mit dem Antrag, die Entscheidung der Vorinstanzen dahin abzuändern, daß sein Antrag mangels Erfordernisses der Genehmigung des Beschlusses vom 25. Juli 1985 zurückgewiesen, allenfalls seinem Antrag stattgegeben werde. Mit weiteren Hilfsanträgen begehrt er die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses oder der Beschlüsse beider Vorinstanzen.
Rechtliche Beurteilung
Der - außerordentliche - Revisionsrekurs ist unzulässig. Da das Rekursgericht den erstrichterlichen Beschluß bestätigt hat, kann seine Entscheidung nur aus den Rechtsmittelgründen des § 16 Abs. 1 AußStrG angefochten werden.
Nach Meinung des Antragstellers hafte dem angefochtenen Beschluß eine offenbare Gesetzwidrigkeit im Sinne des § 16 Abs. 1 AußStrG an.
Dem kann nicht gefolgt werden:
Offenbare Gesetzwidrigkeit liegt nach ständiger Rechtsprechung nur vor, wenn ein Fall im Gesetz ausdrücklich und so klar gelöst ist, daß kein Zweifel über die Absicht des Gesetzgebers aufkommen kann, und trotzdem eine damit im Widerspruch stehende Entscheidung gefällt wird; nicht jede unrichtige rechtliche Beurteilung bildet daher eine offenbare Gesetzwidrigkeit (SZ 39/103; JBl. 1975, 547 uva).
Nach § 1188 ABGB sind bei der Beratschlagung und Entscheidung über die gesellschaftlichen Angelegenheiten, wenn keine andere Verabredung besteht, die in dem Hauptstück von der Gemeinschaft des Eigentums gegebenen Vorschriften (§§ 833 bis 842 ABGB) anzuwenden.
§ 833 ABGB sieht vor, daß in Angelegenheiten, die nur die ordentliche Verwaltung und Benützung des Hauptstammes betreffen, die Mehrheit der Stimmen, gezählt nach dem Verhältnis der Anteile der Teilnehmer, entscheidet. Bei wichtigen Veränderungen, die zur Erhaltung oder besseren Benützung des Hauptstammes vorgeschlagen werden, können hingegen die Überstimmten Sicherstellung für künftigen Schaden oder, wenn diese verweigert wird, den Austritt aus der Gemeinschaft verlangen (§ 834 ABGB); wollen sie aber nicht austreten oder geschähe der Austritt zur Unzeit, so soll nach § 835 ABGB das Los, ein Schiedsmann oder, wenn sich die Teilhaber nicht einigen, der Richter entscheiden, ob die Veränderung unbedingt oder gegen Sicherstellung stattfinden soll oder nicht. Die Frage, ob der Mehrheitsbeschluß vom 25. Juli 1985 nur die ordentliche Verwaltung oder aber eine wichtige Veränderung betroffen hat, ist im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt. Soweit der Antragsteller darauf verweist, daß sich die wichtigen Veränderungen im Sinne des § 834 ABGB jedenfalls auf die Erhaltung oder bessere Benützung des Hauptstammes der gemeinschaftlichen Sache beziehen müßten, was hier nicht der Fall sei, übersieht er, daß diese Bestimmung auf die Gesellschaften bürgerlichen Rechtes nur sinngemäß angewendet werden können (Wahle in Klang V 605; Strasser in Rummel, ABGB, Rz 3 zu § 1188). Demnach wird die Auffassung vertreten, daß zu den ordentlichen Maßnahmen einer Gesellschaft alles zu zählen sei, was sich in dieser Gesellschaft im gewöhnlichen Lauf der Dinge als notwendig und zweckmäßig erweist, wichtige Veränderungen dagegen solche Maßnahmen seien, die für die Gesellschaft außergewöhnliche Bedeutung besitzen (Strasser aaO mwN). Ob diese Voraussetzungen auf den umstrittenen Gesellschafterbeschluß zutreffen, kann - mangels ausdrücklicher gesetzlicher Regelung - bei Behandlung eines außerordentlichen Revisionsrekurses nach § 16 AußStrG nicht geprüft werden.
Der Antragsteller meint ferner - in Widerspruch zu den vorangegangenen Rechtsmittelausführungen -, daß die von ihm beschlossene Maßnahme jedenfalls eine bessere Benützung des Hauptstammes bewirke als die Wiederherstellung des vorherigen Zustandes. Das Gericht hätte eine Interessenabwägung zwischen der besseren Benützung des Hauptstammes einerseits und den Kontrollrechten des Antragsgegners vornehmen müssen; diese seien in Wahrheit keineswegs eingeschränkt worden.
Auch damit zeigt der Antragsteller keine offenbare Gesetzwidrigkeit auf. Die aus §§ 833 ff ABGB abzuleitende Mitwirkung des Gerichtes an der Willensbildung von Miteigentümern, insbesondere eine dabei vorzunehmende Interessenabwägung, ist eine Ermessensentscheidung, bei der - pflichtgemäße Ermessensausübung vorausgesetzt - eine offenbare Gesetzwidrigkeit schon begrifflich nicht vorliegen kann (MietSlg. 36.845 uva). Von einer pflichtwidrigen Ermessensentscheidung kann indes keine Rede sein. Da sohin keiner der Anfechtungsgründe des § 16 Abs. 1 AußStrG aufgezeigt wurde und eine Nichtigkeit auch dem Akteninhalt nicht entnommen werden kann, war das Rechtsmittel als unzulässig zurückzuweisen.
Anmerkung
E12302European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1987:0040OB00594.87.1103.000Dokumentnummer
JJT_19871103_OGH0002_0040OB00594_8700000_000