Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 3.November 1987 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Hörburger und Dr. Rzeszut als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Levnaic-Iwanski als Schriftführer in der Strafsache gegen Mag.Helmut D*** und Dr.Renate D*** wegen des Vergehens nach dem § 114 Abs. 1 ASVG und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der beiden Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 15.April 1986, GZ 6 a Vr 5.800/75-579, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, des Generalanwaltes Dr. Strasser, und der Verteidiger Dr. Künzl und Dr. Michlmayr, jedoch in Abwesenheit der beiden Angeklagten zu Recht erkannt:
Spruch
Der Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Dr. Renate D*** wird zur Gänze, jener des Angeklagten Mag. Helmut D*** teilweise Folge gegeben und das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, in den Schuldsprüchen zu den Punkten C/I/ und C/II/ sowie in den Strafaussprüchen aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Mag. Helmut D*** verworfen.
Mit ihren Berufungen werden die beiden Angeklagten auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden (u.a.) der am 22. November 1940 geborene Mag.Helmut D*** und seine am 11. Februar 1945 geborene Ehegattin Dr.Renate D*** je des Vergehens nach dem § 114 (Abs. 1) ASVG (Schuldsprüche C/I/ bzw C/II/), Mag.Helmut D*** überdies der Vergehen der fahrlässigen Krida nach den §§ 486 Abs. 1 Z 1, 486 c StG und 159 Abs. 1 Z 2, 161 Abs. 1 StGB (Schuldsprüche B/ - zu ergänzen: I - und B/II) schuldig erkannt und hiefür nach dem § 114 (Abs. 1) ASVG, Mag.Helmut D*** unter Bedachtnahme auf den § 28 StGB und gemäß den §§ 31, 40 StGB auf das Urteil des Strafbezirksgerichtes Wien vom 19.Dezember 1983, GZ 11 U 422/83-18 zu einer (Zusatz-)Freiheitsstrafe in der Dauer von sieben Monaten, Dr.Renate D*** unter Anwendung des § 37 (Abs. 1) StGB zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 50 S, für den Fall der Uneinbringlichkeit zu einer Ersatzfreiheitsstrafe von 15 Tagen verurteilt. Gemäß dem § 43 Abs. 1 StGB wurde dem Angeklagten Mag.D*** die über ihn verhängte Freiheitsstrafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.
Gemäß dem (richtig:) § 263 Abs. 2 StPO wurde der Staatsanwaltschaft im Umfang der Ausdehnung der Anklage (Band XIV, ON 578, S 183 f d.A) die selbständige Verfolgung der Angeklagten Mag.Helmut D*** und Dr.Renate D*** wegen (richtig:) Verbrechens der Veruntreuung nach dem § 133 Abs. 1, Abs. 2 zweiter Fall StGB (auf das Jahr 1979 zurückgehende Tathandlungen zum Nachteil von Heinz und Klaus O***), sowie des Angeklagten Mag.Helmut D*** wegen Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach dem § 198 Abs. 1 StGB (ab Mai 1984 zum Nachteil seines Sohnes Oliver D***, geboren 11.4.1978) vorbehalten.
Darüber hinaus ergingen (teils auch Mag.Helmut D*** betreffende) Teilfreisprüche.
Dieses Urteil bekämpfen die Angeklagten Mag.Helmut und Dr.Renate D*** in ihren Schuldsprüchen mit getrennt ausgeführten, nominell jeweils auf die Nichtigkeitsgründe der Z 4, 5 und 9 lit a und b des § 281 Abs.1 StPO - von Mag.Helmut D*** auch auf jenen der Z 3 - gestützten Nichtigkeitsbeschwerden, in den Strafaussprüchen jeweils mit Berufung.
Rechtliche Beurteilung
Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Dr. Renate D***:
Zu Punkt C/II/ des Schuldspruchs liegt der Beschwerdeführerin als Vergehen nach dem § 114 Abs. 1 ASVG zur Last, daß sie in den Monaten Jänner bis Mai 1979 von ihren (in ihrer Rechtsanwaltskanzlei beschäftigten) Dienstnehmern einbehaltene Beiträge zur Sozialversicherung in der Höhe von 9.242,20 S dem berechtigten Versicherungsträger, der W*** G*** FÜR A*** UND
A***, vorenthalten habe.
Da die Tathandlung nach dem § 114 Abs. 1 ASVG im - vorsätzlichen (§ 5 Abs. 1 StGB) - Vorenthalten von einbehaltenen (oder übernommenen) Sozialversicherungsbeiträgen eines Dienstnehmers durch den Dienstgeber gegenüber dem berechtigten Versicherungsträger besteht, mithin keine Zueignung und deshalb auch keinen Bereicherungsvorsatz voraussetzt, stellt das Delikt nach dem § 114 Abs. 1 ASVG - entgegen dem ausdrücklichen Beschwerdeeinwand der Angeklagten Dr.Renate D*** - keinen Sonderfall des Tatbestands der Veruntreuung dar (vgl auch Leukauf-Steininger Nebengesetze2 ENr 1 f zu § 114 ASVG). Der auf das bloße Vorenthalten einbehaltener oder übernommener Dienstgeberanteile von Sozialversicherungsbeiträgen beschränkte (Leukauf-Steininger, aaO, Anm C) deliktsspezifische Vorsatz wird (anders als im Fall der Bereicherungsvorsatz erfordernden Veruntreuung) durch präsenten Deckungsfonds eines Täters mit Erstattungswillen
(vgl Leukauf-Steininger2, RN 25 zu § 133 StGB ua) nicht ausgeschlossen. Da § 114 Abs. 1 ASVG aber auch nicht zu jenen - im § 167 StGB taxativ aufgezählten (Leukauf-Steininger Kommentar2 RN 6 zu § 167) - Tatbeständen zählt, deren Strafbarkeit durch tätige Reue aufgehoben wird (Leukauf-Steininger Nebengesetze2 ENr 20 zu § 114 ASVG), gehen alle Beschwerdeausführungen, die der Sache nach aus den Nichtigkeitsgründen des § 281 Abs. 1 Z 9 lit a und b StPO Feststellungsmängel zu der - wie dargelegt vorliegend gar nicht aktuellen - Problematik eines präsenten Deckungsfonds bzw strafaufhebende tätige Reue behaupten, von vornherein ins Leere. Auch der weitere Beschwerdeeinwand, die abgeurteilte Tat sei durch die italienische Auslieferungsbewilligung nicht gedeckt, ist nicht stichhältig:
Sowohl die Mitteilung des Ministeriums für Gnadensachen und Justiz der Republik Italien an das Bundesministerium für Justiz vom 30. Dezember 1981 über die Auslieferungsbewilligung vom 6. November 1981 als auch die diesem Schreiben angeschlossene Kopie der - der Auslieferung zugrundeliegenden - Entscheidung des Römischen Appellationsgerichtshofs vom 23.April 1981 beziehen sich ausdrücklich auch auf den Haftbefehl des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 24.September 1980 (GZ 24 d Vr 2709/78-218 in Band IX dieser Akten), in dessen Punkt IV/ die Tat - in Übereinstimmung mit dem nunmehrigen Urteilsspruch - inkriminiert wurde. In der Entscheidung des Appellationsgerichtshofs wurde die Tat wörtlich mit "... appropriazione di contributi dei prestatori d'opera che dovevano essere versati alla previdenza sociale ...."
umschrieben (vgl insbesondere Band XI, ON 371, S 445, 447, 451 bis 455, 465 bzw S 485, 489, 493 bis 497, 507 der Akten 6 a !25 c Vr 5800/75 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien). Von einem - Nichtigkeit nach dem § 281 Abs. 1 Z 9 lit b StPO verwirklichenden - Verstoß gegen den Grundsatz der Spezialität der Auslieferung (§ 70 ARHG; Art 14 des Europäischen Auslieferungsübereinkommens; vgl Internationales Strafrecht, MGA 1981, S 215 f, 270) kann daher nicht die Rede sein. Damit kann auch das Vorbringen zur Verfahrensrüge nach dem § 281 Abs. 1 Z 4 StPO, mit dem die Abweisung des von der Beschwerdeführerin in der Hauptverhandlung gestellten Antrags auf Beischaffung der "italienischen Übersetzung der Sachverhaltsfeststellung (gemeint offenbar des Landesgerichtes für Strafsachen Wien, AZ 6 a Vr) 5500/75" (vgl Band XIV, ON 578, S 68, 190 dieser Akten) als wesentliche Beeinträchtigung von Verteidigungsinteressen gerügt wird, auf sich beruhen. Eine wesentliche materiellrechtliche Voraussetzung der Tatbestandsverwirklichung nach § 114 Abs. 1 ASVG betrifft demgegenüber der im Rahmen der Mängelrüge (Z 5) sinngemäß erhobene Einwand, die Verantwortung der Angeklagten, die Beitragsvorschreibungen für die (vom Schuldspruch erfaßten) Monate Jänner bis Mai 1979 nicht zugestellt erhalten zu haben, sei in der Begründung des angefochtenen Urteils übergangen worden. Zwar behauptete die Beschwerdeführerin nach dem Hauptverhandlungsprotokoll Zustellungsmängel bloß für April und Mai 1979, nicht aber in bezug auf die vorangegangene Zeit (Band XIV ON 578 S 66 f.), doch hätte es nach Lage des Falles zu jedem einzelnen der tataktuellen Beitragsmonate detaillierter Feststellungen darüber bedurft, ab welchem Zeitpunkt die in Rede stehenden Beitragsanteile jeweils fällig waren. Nach den Urteilsfeststellungen führte nämlich die Angeklagte die auf die Monate Jänner bis März 1979 entfallenen Beträge an einbehaltenen Dienstnehmeranteilen durchwegs nicht später als ungefähr zwei Monate nach dem Ablauf des entsprechenden Beitragsmonats an den berechtigten Sozialversicherungsträger ab (US 22). Da die Fälligkeit vorgeschriebener Beiträge zur Sozialversicherung gemäß dem § 58 Abs. 1 ASVG grundsätzlich von der Postaufgabe bzw der Zustellung der Beitragsvorschreibungen durch den Sozialversicherungsträger abhängt, ein Vorenthalten einbehaltener Dienstnehmeranteile frühestens erst ab dem (gegenüber dem Eintritt der Fälligkeit zeitversetzten) Anfangszeitpunkt der gesetzlichen Verzugszinsen (§ 59 ASVG) denkbar ist (ÖJZ-LSK 1983/13), hätte es schon aus objektiver Sicht eingehender Feststellungen über die zeitlichen Modalitäten der Vorschreibungen und deren Abfertigung bzw Zustellung bedurft, um die gebotene umfassende materiellrechtliche Tatbeurteilung zu gewährleisten (§ 281 Abs. 1 Z 9 lit a StPO). Dies umso mehr, als dem Schuldspruch verhältnismäßig geringfügige Beträge zugrundeliegen, deren Vorenthalten durch einen Zeitraum von bloß wenigen Wochen zwangsläufig keinen nennenswerten wirtschaftlichen Anreiz darstellt, weshalb sich eine abschließende Prüfung auch der subjektiven Tatkomponenten ebenso unabdingbar an den erörterten, noch klärungsbedürftigen Tatsachengrundlagen zu orientieren hat. Im Ergebnis nicht anders verhält es sich mit den Beitragsmonaten April und Mai 1979. Das angefochtene Urteil geht nämlich in diesem Zusammenhang davon aus, daß die Angeklagte ab Juli 1979 nicht mehr in Österreich aufhältig war und (durch die Verfahrensergebnisse unwiderlegt) vor ihrer Ausreise Initiativen zur vertretungsweisen Regelung ihrer Verbindlichkeiten gegenüber der Wiener Gebietskrankenkasse für Arbeiter und Angestellte entfaltete (US 22). Feststellungen über die zeitlichen Komponenten der auf diese beiden Beitragsmonate entfallenen Vorschreibungen unterließ das Erstgericht jedoch ebenso wie für die Vormonate. Gerade ihrer hätte es aber zur umfassenden Beurteilung der Frage bedurft, ob die entsprechenden Veranlassungen der Angeklagten im Sinn der Urteilsbegründung als bloßer "Auftrag zur Schadensgutmachung" oder aber als (mit deliktsspezifischem Vorsatz unvereinbare) Bemühungen um gesetzeskonforme Zahlungsleistung einzustufen sind. Demnach war der Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Dr. Renate D*** Folge zu geben und dem Erstgericht die entsprechende Verfahrenserneuerung aufzutragen.
Zu der von der Beschwerdeführerin in ihrer Rechtsmittelausführung darüberhinaus relevierten Problematik der Anfechtbarkeit von Verfolgungsvorbehalten nach dem § 263 Abs. 2 StPO ist vollständigkeitshalber festzuhalten, daß eine solche Bekämpfung im Wege der Nichtigkeitsbeschwerde nach ständiger oberstgerichtlicher Rechtsprechung nicht in Betracht kommt (Mayerhofer-Rieder, StPO2, ENr 109 f. zu § 263; Glosse Liebschers zu ZVR 1981/22).
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Mag. Helmut D***:
Als Vergehen der fahrlässigen Krida (Punkt B des Schuldspruchs) liegt diesem Angeklagten zur Last, daß er gemeinsam mit dem Mitverurteilten Herbert B*** - in Ansehung dessen das Urteil in Rechtskraft erwuchs - als "leitender Angestellter einer juristischen Person sowie als Schuldner mehrerer Gläubiger"
I./ im Jahr 1974 (als Prokurist der Fa. A*** GesmbH) durch leichtsinnige und unverhältnismäßige Kreditbenützung und Kreditgewährung fahrlässig die Zahlungsunfähigkeit dieses Unternehmens herbeiführte (§§ 486 Abs. 1 Z 1, 486 c StG) und II./ in der Zeit von etwa Anfang bis Mitte 1975 in Kenntnis "bzw" fahrlässiger Unkenntnis der Zahlungsunfähigkeit der Fa. A*** GesmbH fahrlässig die Befriedigung ihrer Gläubiger vereitelte bzw. schmälerte, indem er neue Schulden einging, Schulden bezahlte und die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht (rechtzeitig) beantragte (§§ 159 Abs. 1 Z 2, 161 Abs. 1 StGB). Hiezu stellte das Erstgericht im wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:
Der Angeklagte Mag.Helmut D*** (vormals Helmut P***) war schon anläßlich der Gründung der Fa. A*** GesmbH am 29.April 1971 deren Geschäftsführer und Alleininhaber sämtlicher Gesellschaftsanteile. Am 3.Dezember 1973 trat an seine Stelle Herbert B*** als Geschäftsführer. Mag.D*** wurde gleichzeitig Einzelprokurist der Gesellschaft. Mit Registereintragung vom 10. März 1975 erlosch die Prokura des Angeklagten. Mit Notariatsakt vom 26.Juni 1975 übernahm Herbert B*** von Mag.D*** sämtliche Geschäftsanteile der Gesellschaft. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte Mag.D*** einen "sehr starken Einfluß" auf die Geschäftsführung des Unternehmens ausgeübt. In wesentlichen Bereichen der Geschäftsführung war Herbert B*** lediglich "Befehlsempfänger" des ihm kaufmännisch und juristisch überlegenen Mag.D***. Der Geschäftsgegenstand der Fa.A*** GesmbH bestand
überwiegend in der Vermittlung von ("Privat"-)Darlehen. In diesem Zusammenhang richtete sich die Rechtsbeziehung zu den Geldgebern (Einlegern) im wesentlichen nach zwei Vertragsformularen. Inhaltlich des noch 1974 (urteilsmäßiger Tatzeitraum der Herbeiführung der Zahlungsunfähigkeit) verwendeten Formularblattes übernahm die Fa.A*** GesmbH die "volle Haftung" für Kapital und Zinsen". Nach dem ab 1975 benützten grünen "Vertragsbüchlein" erstreckte sich die "volle" Unternehmenshaftung auf die "ordnungsgemäße Abwicklung" der - nunmehr als "Ermächtigungstreuhand" bezeichneten Rechtsgeschäfte, "soweit dies nicht den Bestimmungen des Kreditwesengesetzes" widersprach (vgl Beilagen 10 und 11 zum Gutachten ON 305 Band X d.A).
Tatsächlich war auf Grund der mangelhaften Buchhaltung der Fa.A*** GesmbH eine bestimmte wechselseitige Zuordnung von Darlehensgebern (Einlegern) und Darlehensnehmern nie ersichtlich. Da seitens des Unternehmens eine Trennung von Eigen- und Fremd-(Treuhand-)Geldern auch nie konsequent durchgeführt wurde, vermittelte die Firma A*** GesmbH (entgegen den Vertragsformularen) in Wahrheit nicht (bloß) Kredite, sondern betrieb vielmehr "Bankgeschäfte ohne die erforderliche Berechtigung". Die Gesellschaft litt von Anfang an unter einer zu geringen Kapitalausstattung. Um Geldgeber zu gewinnen, wurden sehr hohe Zinsen versprochen. Andererseits war die Bonität der Darlehensnehmer, die (deshalb) eine höhere Zinsenlast als bei Banken in Kauf nahmen, sehr schlecht, das Risiko der Fa.A*** GesmbH hingegen ungewöhnlich groß. Bereits ab Mitte des Jahres 1973 lag eine Überschuldung in Millionenhöhe vor, welche mit zwei geringfügigen Ausnahmen im ersten und dritten Quartal 1974 "beinahe kontinuierlich" anwuchs. Ab Anfang 1973 wurde leichtsinnig und unverhältnismäßig Kredit benützt und gewährt. Sowohl für Mag.D*** als auch für Herbert B*** war bei Anwendung der gebotenen kaufmännischen Sorgfalt erkennbar, daß die Fa.A*** GesmbH bereits ab Übernahme der Geschäftsführung durch Herbert B*** (Ende 1973) überschuldet war und zur Jahreswende 1974/75, als die Überschuldung eine deutlich steigende Tendenz aufwies, nicht mehr in der Lage sein konnte, die eingegangenen Verbindlichkeiten in angemessener Frist zu erfüllen. Trotz Erkennbarkeit der Zahlungsunfähigkeit wurden (in der Folge) von den Angeklagten neue Verbindlichkeiten der Gesellschaft eingegangen und Schulden bezahlt. Zur Zeit der Übertragung der Geschäftsanteile an Herbert B*** betrug unter Berücksichtigung aller faßbaren Aktiva und Passiva der Fa.A*** GesmbH der Passivsaldo fast 6,800.000 S. Erst am 3.Februar 1977 beantragte Herbert B*** die Eröffnung des Ausgleichsverfahrens über die Gesellschaft: Am 4.Mai 1977 wurde der Anschlußkonkurs eröffnet. Die Summe der im Konkurs angemeldeten Forderungen betrug rund 33,700.000 S.
Zu Punkt C/ I/ des Schuldspruchs liegt Mag.Helmut D*** zur Last, als tatsächlicher Geschäftsführer der Fa.B*** Bodenrealitäten Ankaufs- und Verkaufs-GesmbH im Zeitraum November 1978 bis März 1979 Beiträge von Dienstnehmern zur Sozialversicherung in der Höhe von 10.594,47 S einbehalten und dem berechtigten Versicherungsträger, der Wiener Gebietskrankenkasse für Arbeiter und Angestellte, vorenthalten zu haben.
Die Beschwerdeeinwände des Angeklagten Mag.D*** erweisen sich nur zum Teil als stichhältig:
Unter diesem Nichtigkeitsgrund macht der Beschwerdeführer geltend, daß in Ansehung der Aussage seiner Ehegattin, der Mitangeklagten Dr.Renate D***, in der Hauptverhandlung, soweit sie die seinen Schuldsprüchen entsprechenden Anklagevorwürfe betroffen hätte, die Vorschriften des § 152 (Abs. 1 Z 1, Abs. 3) StPO nicht beachtet worden wären.
Der Einwand geht fehl.
Nichtigkeit im Sinn des § 281 Abs. 1 Z 3 in Verbindung mit § 152 Abs. 1 Z 1, Abs. 3 (letzter Satz) StPO liegt - unter den weiteren Voraussetzungen des § 281 Abs. 3 StPO - nur dann vor, wenn die Aussage eines entschlagungsberechtigten Zeugen, der auf sein Entschlagungsrecht nicht ausdrücklich verzichtet hat, im Urteil verwertet wird. Der Mitangeklagten Dr.Renate D*** kam aber in der gegenständlichen (auch gegen sie durchgeführten) Hauptverhandlung keine Zeugenstellung zu, die sie zur Entschlagung gemäß dem § 152 Abs. 1 Z 1 StPO berechtigt hätte. Die Vernehmung einundderselben Person in der Hauptverhandlung teils als Angeklagter, teils als Zeuge ist nach der Strafprozeßordnung nicht zulässig. Dies gilt auch dann, wenn die Befragung eine Tat betrifft, an welcher der vernommene Angeklagte nicht beteiligt war und die ihm selbst auch gar nicht zur Last gelegt wird (vgl SSt 26/55 mit weiteren Belegstellen; Mayerhofer-Rieder2, ENr 43 zu § 152 StPO). Das Entschlagungsrecht nach dem - als Ausnahmebestimmung nicht ausdehnend auszulegenden - § 152 StPO begünstigt nicht den Angeklagten, sondern soll eine seelische Zwangslage hintanhalten, in die ein Zeuge geraten kann, wenn er vor der Wahl steht, entweder - als Zeuge - falsch auszusagen oder aber einen nahen Angehörigen zu belasten (Mayerhofer-Rieder, aaO, ENr 4, 5, 32 ua). Somit kam aber für die Mitangeklagte Dr.D*** insoweit, als sie zu Anklagevorwürfen vernommen wurde, die nicht sie selbst, sondern ihren Ehegatten, den Beschwerdeführer, trafen, die Ausübung eines Entschlagungsrechtes als Zeuge nicht in Betracht.
Es versagt schon der einleitende Einwand zu diesem Nichtigkeitsgrund, mit dem der Beschwerdeführer die Abweisung des in der Hauptverhandlung gestellten (Bd XIV S 3) Antrags auf Abstandnahme von der Beiziehung des beeideten Wirtschaftsprüfers und Steuerberaters Dr.Ferdinand G*** als Sachverständigen als entscheidungswesentlichen Verfahrensmangel geltend macht. Daß Dr. G*** an der Ausarbeitung des im Vorverfahren erstatteten Gutachtens des Sachverständigen Dkfm. Otto K*** (Band X ON 305) einen im Vergleich zu anderen Mitgutachtern geringeren (zeitlichen) Arbeitsanteil leistete, wurde mit dem gerügten Zwischenerkenntnis im Ergebnis zu Recht als sachlich nicht geeignet beurteilt, (im Sinn des § 120 letzter Halbsatz StPO) erhebliche Einwendungen gegen die Wahl dieses Sachverständigen zu tragen.
Soweit in der Beschwerde in diesem Zusammenhang ein Verstoß gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit (§§ 252, 258 Abs. 1 StPO) behauptet wird, liegt auch der damit der Sache nach geltend gemachte Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z 5 StPO nicht vor. Denn der Sachverständige Dr.G*** hatte das Gutachten aus dem Vorverfahren in der Hauptverhandlung vorgetragen und solcherart zum Inhalt seines Gutachtens gemacht (Band XIV ON 578 S 164 ff d.A). Die Beschwerdebehauptung, es widerspreche der allgemeinen Erfahrung, daß sich der Sachverständige Dr.G*** (bei der Vorbereitung für die Hauptverhandlung) im erforderlichen Maß in die Materie eingearbeitet hätte, ist rein spekulativer Natur und entbehrt jeglicher Indikation durch die Aktenlage.
Die (in der Hauptverhandlung vorgebrachten) Einwände gegen den Sachverständigen Dr.G*** zielten auf die Beiziehung eines anderen Sachverständigen an dessen Stelle, nicht aber auf die Beiziehung eines zweiten, zusätzlichen Sachverständigen (§§ 118 Abs. 2, 126 Abs. 1 StPO) ab. Wenn der Beschwerdeführer nunmehr die unterbliebene Heranziehung eines weiteren Buchsachverständigen bemängelt, ist ihm mangels entsprechender Antragstellung in der Hauptverhandlung als Formalvoraussetzung jeder Verfahrensrüge nach dem § 281 Abs. 1 Z 4 StPO in diesem Punkt die Geltendmachung des angerufenen Nichtigkeitsgrundes ebenso verwehrt, wie in bezug auf jene Beweisanträge, die er zwar mit Schriftsatz vom 21.März 1986 (Band XIII ON 569 d.A) stellte, in der Hauptverhandlung jedoch nicht wiederholte. Auf (ausschließlich) außerhalb der Hauptverhandlung gestellte Anträge, kann der Nichtigkeitsgrund gemäß dem § 281 Abs. 1 Z 4 StPO nämlich nicht gestützt werden (Mayerhofer-Rieder2, ENr 1 zu § 281 Abs. 1 Z 4 StPO uva).
Im Ergebnis nichts anderes gilt für die am Ende der Hauptverhandlung vom Beschwerdeführer gestellten - vom Erstgericht aber zu Recht abgewiesenen - Anträge auf "Beischaffung der verschiedenen Aktennotizen, die anläßlich der Errichtung des Notariatsaktes mit ... B*** verfertigt worden sind, zum Beweis dafür, daß damals keine Überschuldung und auch keine Insolvenz erkennbar gewesen wäre; Beischaffung des Wandl-Kontos, auch zum Beweis über das Aktivum "und auf" Beiziehung eines Sachverständigen aus dem Bereich der Versicherungsmathematik über die Höhe der tatsächlichen Forderungen" (Band XIV ON 578 S 199 f d.A). In diesem Zusammenhang genügte nämlich für die formelle Beachtlichkeit der Beweisanträge nicht bloß die Angabe von Beweisthema und Beweismittel (vgl Mayerhofer-Rieder2, ENr 19 zu § 281 Abs. 1 Z 4 StPO uva). In Anbetracht der Gesamtheit der vorgelegenen Verfahrensergebnisse, insbesondere der gutächtlichen Schlüsse des Buchsachverständigen zu den Fragen der Verursachung der Zahlungsunfähigkeit, des Zeitpunkts und der Erkennbarkeit ihres Eintritts, der nachfolgenden Benachteiligung von Gläubigern sowie des Sorgfaltsverstoßes des Beschwerdeführers, hätte bei der Antragstellung dargelegt werden müssen, aus welchen Gründen die Eignung der relevierten Aktennotizen, die Annahme der Erkennbarkeit der Zahlungsunfähigkeit zu widerlegen, zu erwarten sei. Nach der Verantwortung des Mitangeklagten B*** lag der Übergabe der Geschäftsanteile ein sogenannter Status zugrunde, der vom Beschwerdeführer selbst stammte, unüberprüft blieb (Band XIV ON 578 S 8 f, 18 d.A) und aus diesem Grunde die Verantwortung des Beschwerdeführers weder stützen noch widerlegen könnte. Das sogenannte "Wandl-Konto" sowie das angebliche "Aktivum" hinwieder blieben im Beweisantrag völlig unspezifiziert. Daß der Buchsachverständige ein Aktivum oder ein Firmenkonto unberücksichtigt gelassen hätte, wurde nicht behauptet. Im übrigen ist für die Frage der Zahlungsunfähigkeit im Sinn der Tatbilder der fahrlässigen Krida nicht der aufrechte Bestand von Forderungen (Aktiva) des Gemeinschuldners (an sich), vielmehr deren Einbringlichkeit von entscheidungswesentlicher Bedeutung. Sollte sich die ebenfalls nicht ausreichend substantiierte Antragstellung auf Beiziehung eines Sachverständigen aus dem Fachgebiet der Versicherungsmathematik auf unberichtigt aushaftende Unternehmensforderungen bezogen haben - der Antragswortlaut läßt dies offen -, so wäre damit für die (wie dargelegt primär bedeutsame) Frage der Forderungseinbringlichkeit nichts gewonnen, weil ihre jeweils von den tatsächlichen Gegebenheiten des Einzelfalls abhängige Klärung nicht der spezifischen Fachkompetenz des beantragten Sachverständigen unterfällt.
Schuldsprüche B/ I und II/:
Entgegen dem Beschwerdevorwurf einer Undeutlichkeit in bezug auf die Feststellungen über die Zahlungsunfähigkeit und deren Erkennbarkeit durch den Beschwerdeführer zeigen die Gründe des Ersturteils mit genügender Deutlichkeit, welche Tatsachen auf der äußeren und inneren Tatseite der fahrlässigen Krida einerseits nach dem § 486 Abs. 1 Z 1 StG und andererseits nach dem § 159 Abs. 1 Z 2 StGB als erwiesen angenommen wurden und aus welchen Gründen dies geschah. Geht doch das Erstgericht, gestützt auf das Gutachten des Buchsachverständigen, ausdrücklich davon aus, daß für den Beschwerdeführer und den Mitangeklagten B*** bei Anwendung der gebotenen kaufmännischen Sorgfalt nicht nur die schon seit etwa Ende 1973 bestandene Überschuldung der Gesellschaft erkennbar war, sondern spätestens etwa zur Jahreswende 1974/75, als die Überschuldung eine deutlich steigende Tendenz aufwies, auch den Umstand, daß die Gesellschaft nicht mehr in der Lage sein konnte, den (gemeint: sämtlichen) eingegangenen Verbindlichkeiten in angemessener Frist zu "entsprechen" (S 18 der Urteilsausfertigung). Damit erfaßt die - entgegen dem Beschwerdestandpunkt auch zureichende, denkrichtige und lebensnahe - Begründung des Ersturteils alle begriffsessentiellen Tatsachengrundlagen der Zahlungsunfähigkeit, nämlich das - nicht bloß kurzfristige, durch den Mangel an flüssigen Mitteln bedingte - Unvermögen des Schuldners, bei redlicher wirtschaftlicher Gebarung die fälligen Schulden binnen angemessener Frist ganz oder zumindest im wesentlichen zu begleichen (Liebscher im WK, Rz 11; Kienapfel BT II, RN 11 jeweils zu § 159 StGB). Die im Beschwerdevorbringen unter dem Gesichtspunkt einer Unvollständigkeit der Urteilsbegründung relevierte Verantwortung des Beschwerdeführers in Richtung einer bloßen Zahlungsstockung, wonach keine andrängenden Gläubiger vorhanden gewesen wären und er immer hätte rechnerisch feststellen können, daß die Außenstände die Verbindlichkeiten überstiegen, berührt keine entscheidenden Tatsachen: Daß der (Gemein-)Schuldner einer Klage- und Exekutionsführung seiner Gläubiger ausgesetzt ist, trifft zwar in den meisten Kridafällen zu, ist aber - entgegen der auch im Rahmen der Rechtsrüge vertretenen Beschwerdeauffassung - für die Zahlungsunfähigkeit ebensowenig begriffswesentlich, wie eine (vorliegend allerdings gegebene) Überschuldung, deren Wesen im Überwiegen der Passiva über die Aktiva besteht. Nicht alsbald realisierbares Vermögen - wie etwa nicht in Kürze einbringliche Forderungen, aber auch dem Schuldner gehöriger Grundbesitz, den er nicht sofort zu Geld machen kann und will - steht der Annahme der Illiquidität nicht entgegen (vgl auch Kienapfel aaO; Mayerhofer-Rieder2, ENr 7 f zu § 159 StGB, nv 13 Os 164/80 ua). Soweit der Beschwerdeführer ein Übergehen seiner Verantwortung über die eigene Beurteilung der Einbringlichkeit der - eben nicht zeitgerecht realisierbaren - Forderungen der Fa.A*** GesmbH rügt, bezieht er sich mithin zum einen auf keine entscheidungswesentlichen Tatsachen und bekämpft zum andern in unzulässiger Weise die Beweiswürdigung des Schöffensenates (§ 258 Abs. 2 StPO), der in freier Überzeugung und gestützt auf das Gutachten des Sachverständigen Dr.G***, insbesondere auch zur Frage der objektiven Sorgfaltswidrigkeit, den Einlassungen des Angeklagten mit zureichender und auch sonst mängelfreier Begründung den Glauben versagte. Die Beschwerde vernachlässigt zudem, daß für die Tatbilder der fahrlässigen Krida unbewußte Fahrlässigkeit genügt (Leukauf-Steininger2, RN 15 zu § 159 StGB) und es unter diesem Gesichtspunkt auf eine dem Angeklagten unterlaufene Fehleinschätzung der Einbringlichkeit von Außenständen ebensowenig ankommt, wie auf eine Falschbezeichnung des mit der Darlehensvergabe verbundenen Risikos und der finanziellen Unternehmenssituation im Stadium bereits erkennbarer (wenngleich vom Täter unbewußt fahrlässig nicht erkannter: § 159 Abs. 1 Z 2 StGB) Zahlungsunfähigkeit. Demnach bedurfte es auch keines Eingehens darauf, auf welche Weise der Beschwerdeführer "das Exekutionswesen (gemeint die Einbringung der Forderungen) betrieb".
Nicht entscheidungswesentlich ist auch, ob der Beschwerdeführer dem Mitangeklagten B*** (erst) im Jahr 1976 den Rat gab, die Einleitung des Ausgleichsverfahrens zu beantragen. Den Beschwerdeführer trifft ja der Vorwurf der - im Sinn des § 159 Abs. 1 Z 2 StGB tatbildlichen - Gläubigerbenachteiligung (durch Zahlung von Schulden, Eingehen neuer Schulden und Unterlassung einer Antragstellung auf Einleitung eines Insolvenzverfahrens) schon für den Zeitraum ab der Erkennbarkeit der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft spätestens Anfang 1975 bis zum Ausscheiden aus der Gesellschaft etwa Mitte 1975. Da sich überdies bei Wegfall einer der mehreren (genannten) Begehungsformen des alternativen Mischtatbestandes des § 159 Abs. 1 Z 2 StGB an der strafrechtlichen Subsumtion nichts ändern würde, fehlt es dem Beschwerdeführer - mangels entsprechender Beschwer - an der Legitimation für die Bekämpfung des Vorwurfes der Gläubigerbenachteiligung durch Unterlassung eines rechtzeitigen Antrages auf Einleitung eines Insolvenzverfahrens
(vgl Mayerhofer-Rieder2, ENr 13 zu § 159 StGB).
Dem Ersturteil haftet, dem weiteren Beschwerdevorbringen zuwider, aber auch nicht der Begründungsmangel eines inneren Widerspruchs an:
Die Feststellungen über die Vermittlung von Darlehen als Geschäftsgegenstand der Fa.A*** GesmbH und deren nach den Vertragsformularen sukzessiv unterschiedlich geregelte Unternehmenshaftung beziehen sich auf die (möglicherweise ursprünglich grundsätzlich auf eine Abgrenzung von den Kriterien bankspezifischer Geldgeschäfte ausgerichtete) rechtliche Gestaltung des Verhältnisses zwischen Geldgeber, Darlehensnehmer und der Fa.A*** GesmbH. Die dem Gutachten des Banksachverständigen B*** (Band XIV ON 590 in Verbindung mit ON 578 S 190 ff d.A) folgenden Urteilsannahmen, wonach mangels einer Ersichtlichmachung der jeweiligen Zuordnung von Darlehensgebern und Darlehensnehmern in der nur unvollständigen Buchhaltung und mangels einer konsequenten Trennung zwischen Fremd(= Treuhand-)Geldern und Eigengeld die Fa.A*** GesmbH de facto wie auch de jure Kredite nicht bloß (in einer Art Treuhandschaftsverhältnis) vermittelte, in Wahrheit vielmehr selbst Bankgeschäfte betrieb (bei welchen die Geldbeträge der Einleger in das Vermögen der Gesellschaft übergingen und von ihr selbständig weiterverliehen wurden: Einleger- bzw Kreditgeschäfte), betreffen den von den erwähnten Formularen abweichenden tatsächlichen Inhalt der Geschäftstätigkeit der Fa.A*** GesmbH und deren zivilrechtliche Beurteilung (S 15 f der Urteilsausfertigung).
Der Zeitpunkt der Aufnahme des Mitangeklagten B*** in das Unternehmen und die Frage, für welche Arbeitstätigkeiten dies geschah, ist entgegen der diesbezüglichen Rüge einer Aktenwidrigkeit ebenfalls nicht entscheidend. Auch wenn der Mitangeklagte das Unternehmen "bestens gekannt haben mußte", ist dies unter dem Aspekt der Tatbestandsvoraussetzungen der fahrlässigen Krida ohne Einfluß auf die Vorwerfbarkeit objektiv und subjektiv sorgfaltswidrigen Verhaltens des Beschwerdeführers selbst.
Die Feststellung über die leichtsinnige und unverhältnismäßige Kreditbenützung und Kreditgewährung schon etwa ab dem Beginn des Jahres 1973 ist ebenfalls durch das Gutachten des Sachverständigen Dr.G*** (und das zugrundeliegende Gutachten des Sachverständigen Dkfm K***) gedeckt und daher zureichend begründet. Denn darnach litt die Fa.A*** GesmbH, wie bereits dargelegt, von Anfang an an einer erheblich zu geringen Kapitalausstattung, die bereits ab der Mitte des Jahres 1973 zu einer sehr deutlichen, in der Folge (von geringfügigen Schwankungen abgesehen) regelmäßig wachsenden Überschuldung in Millionenhöhe führte, wobei den Geschäftsführern mangels einer ordnungsgemäßen Führung der Buchhaltung der erforderliche Überblick über die finanzielle Situation nicht möglich war (vgl Band X ON 305 S 683 ff in Verbindung mit Band XIV ON 578 S 164 ff d.A). Damit sind die vom Beschwerdeführer zu verantwortenden Bankrotthandlungen sowohl in objektiver als auch in subjektiver Beziehung hinreichend substantiiert: Solcherart bestand die leichtsinnige Kreditbenützung in der darlehensweisen Hereinnahme von Anlegergeldern ohne sorgfältige Prüfung der Möglichkeit ihrer rechtzeitigen Rückzahlung, die leichtsinnige Kreditgewährung
in der (Weiter-)Vergabe dieser Darlehen ohne ausreichende Sicherheiten und unter Außerachtlassung der eigenen wirtschaftlichen Verhältnisse (vgl auch Leukauf-Steininger2, RN 6 zu § 159 StGB).
Schuldspruch (richtig:) C/I:
Vorweg ist festzuhalten, daß jenen rechtlichen Gesichtspunkten, die eine Aufhebung des Schuldspruchs der Angeklagten Dr. Renate D*** notwendig machten, sinngemäß auch in bezug auf den Schuldspruch des Angeklagten Mag.Helmut D*** wegen Vergehens nach dem § 114 Abs. 1 ASVG maßgebliche Bedeutung zukommt. Mit der Frage der Zustellung der auf den Tatzeitraum entfallenen Beitragsvorschreibungen releviert auch dieser Angeklagte im Rahmen der Mängelrüge (Z 5) tatsächliche Umstände, die - wie bereits dargelegt - als Komponenten der Fälligkeit der anteiligen Beitragszahlungen aus materiellrechtlicher Sicht wesentliche Tatsachengrundlagen der Tatbestandsverwirklichung nach dem § 114 Abs. 1 ASVG betreffen. Da nach den Verfahrensergebnissen im Mai 1979 über das Vermögen der Fa. B*** Bodenrealitäten- An- und Verkaufs GesmbH der Konkurs eröffnet wurde (Band XIV S 162, 163 und 171), ein nach dem § 114 Abs. 1 ASVG tatbestandsmäßiges Verhalten des Beschwerdeführers nach Konkurseröffnung nicht mehr in Betracht kommt (nv 10 Os 170/80) und sich solcherart auch im Fall des Angeklagten Mag. D*** vorweg nur verhältnismäßig geringfügige zeitliche Verzögerungen der Abführung von (der Höhe nach wirtschaftlich erneut nicht besonders ins Gewicht fallenden) Dienstnehmeranteilen als indiziert erweisen, kommt den bezüglichen Feststellungsmängeln (Z 9 lit a) erhöhte Bedeutung zu. Dies umso mehr, als es gerade in Anbetracht des zeitlichen Naheverhältnisses zwischen Tatausführung und Konkurseröffnung von Belang ist, ob und in welchem Umfang dem Angeklagten als (faktischem) Geschäftsführer des insolvenzbedrohten Dienstgeberunternehmens im Tatzeitraum überhaupt die jeweiligen Nettolöhne übersteigende Mittel zur Verfügung standen, weil er sich nur durch den Einsatz entsprechender Mittelüberschüsse für andere Zwecke als für Beitragszahlungen an den Sozialversicherungsträger nach dem § 114 Abs. 1 StGB strafbar machen konnte (Leukauf-Steininger, Nebengesetze2, EGr Nr 10 zu § 114 ASVG). Auch in dieser Richtung ist das angefochtene Urteil mit einem materiellrechtlich erheblichen Feststellungsmangel behaftet. Aus den dargelegten Erwägungen war auch im Punkt C/I des Schuldspruchs mit Urteilsaufhebung vorzugehen und dem Erstgericht die Verfahrenserneuerung aufzutragen, weshalb sich ein Eingehen auf die weitere Beschwerdeargumentation zu diesem Urteilsfaktum erübrigt. Lediglich vollständigkeitshalber ist in diesem Zusammenhang festzuhalten, daß das Erstgericht dem Beschwerdeführer zu Recht Subjektqualität nach dem § 114 Abs. 1 ASVG zuerkannte:
Durch die am 1.Jänner 1979 in Kraft getretene (Art I Z 46 der 33. ASVG-Novelle, BGBl 1978/684) Ergänzung des § 114 ASVG mit einer ausdrücklichen Bestimmung über die Deliktshaftung im Fall juristischer Personen oder Personengesellschaften des Handelsrechts (ohne Rechtspersönlichkeit) als Dienstgeber (Absatz 2) wurde lediglich die - bereits bis dahin nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen bejahte (vgl ua SSt 41/52; nv 12 Os 174/78) - strafrechtliche Haftung natürlicher Personen, die dem vertretungs- oder geschäftsführungsbefugten Organ einer Körperschaft oder Personenhandelsgesellschaft angehören, ausdrücklich gesetzlich geregelt. Dies allerdings mit der aus den Materialien hervorgehenden Einschränkung, daß - im Gegensatz zu den verwandten Bestimmungen des StGB (§§ 161; 309) - leitende Angestellte von der Haftung ausgeschlossen sind (EBRV zur 33. ASVG-Novelle, 1084 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates, XIV. GP S 42). Im übrigen besteht in der Haftung vertretungs- oder geschäftsführungsbefugter Organe (Geschäftsführer, Mitglieder des Vorstands, Prokuristen) kein prinzipieller Unterschied zum StGB. Daher gelten insofern für den faktischen Geschäftsführer idente Kriterien. Ein solcher haftet sowohl nach dem § 161 Abs. 1 StGB als auch nach dem § 114 Abs. 2 ASVG als Organ (so schon EvBl 1978/42 in bezug auf § 114 ASVG aF). Da der Angeklagte nach den Urteilsfeststellungen im Tatzeitraum (November 1978 bis März 1979) tatsächlicher Geschäftsführer des in Rede stehenden Unternehmens war, fehlte es ihm der Beschwerdeauffassung zuwider (auch unter Mitberücksichtigung des Analogieverbots nach dem § 1 Abs. 1 StGB - vgl Leukauf-Steininger2, RN 14 zu § 161 StGB) nicht an der Subjektseignung nach dem § 114 Abs. 1 ASVG.
§ 281 Abs. 1 Z 9 lit a StPO
Schuldsprüche B/ I und II/:
Die Tatbilder der fahrlässigen Krida setzen weder im (ersten) Fall der Gläubigerbenachteiligung durch fahrlässige Herbeiführung der Zahlungsunfähigkeit (§ 486 Abs. 1 Z 1 StGB bzw § 159 Abs. 1 Z 1 StGB) noch im (zweiten) Fall der Gläubigerbenachteiligung nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit (§ 159 Abs. 1 Z 2 StGB) die Feststellung eines ziffernmäßig bestimmten Schadens voraus. Im ersten Fall liegt die pönalisierte Gläubigerschädigung schon im Eintritt der Zahlungsunfähigkeit des Gemeinschuldners, im zweiten darin, daß durch die Tathandlung(en) die Stellung und Beziehung der Gläubiger zueinander zum Nachteil eines Teiles von ihnen verschoben und der allen Gläubigern gemeinsame Befriedigungsfonds in einer dem Grundsatz der "par conditio creditorum" widersprechenden Weise verändert wird (vgl ua Leukauf-Steininger2, RN 7 a, 11 ff zu § 159 StGB). Näherer Feststellungen über die Gläubigerbenachteiligung bedürfte es im zweiten Fall (§ 159 Abs. 1 Z 2 StGB) nur, wenn die Masse zur Gläubigerbefriedigung ausreichen könnte (13 Os 164/80), was vorliegend angesichts einer festgestellten Überschuldung von fast 6,800.000 S zum Zeitpunkt der Gesellschaftsveräußerung durch den Beschwerdeführer ausscheidet. Der (teils formal verfehlt auch im Rahmen der Mängelrüge erhobene) Beschwerdeeinwand von Feststellungsmängeln zur Gläubigerschädigung geht daher fehl.
Nicht an die bei Darstellung eines materiellen Nichtigkeitsgrundes bindenden Sachverhaltsfeststellungen des angefochtenen Urteils hält sich die Beschwerde mit ihrer Argumentation, wonach eine Schädigung der Geldgeber der Fa. A*** GesmbH deshalb nicht hätte eintreten können, weil jenen im Konkurs die Stellung von Aussonderungsberechtigten zugekommen wäre. Die Beschwerde übersieht, daß nach den - schon wiederholt wiedergegebenen - Urteilsannahmen über die tatsächliche Gestaltung der Anlegung von Geldbeträgen durch Kreditgeber einerseits und Weitervergabe von Krediten durch die Fa. A*** GesmbH andererseits keine bloßen Kreditvermittlungen, sondern Bank-(Einlagen- und Kredit-)Geschäfte vorlagen. Davon abgesehen könnte selbst dann, wenn die Kreditvaluta Treuhandgut darstellte und - als Voraussetzung der angesprochenen Mengenvindikation (§ 415 ABGB) - vom sonstigen Vermögen des Treuhandgebers mit hinreichender Deutlichkeit abgrenzbar wäre (vgl SZ 50/42), eine als fahrlässige Krida faßbare Gläubigerbenachteiligung nur bei zureichender Masse allenfalls ausgeschlossen werden. Diese Voraussetzung traf aber, wie bereits erwähnt, im konkreten Fall nicht zu. Überdies kann erneut entgegen dem Beschwerdestandpunkt - auch von der geforderten Abgrenzung nicht die Rede sein, wenn festgestelltermaßen eine Trennung zwischen Eigen- und Fremdgeld (noch dazu bei unzureichender) Buchhaltung unterblieb. Daß Forderungen des Gemeinschuldners, die er weder in Kürze realisieren noch zur Abdeckung sämtlicher Verbindlichkeiten verwenden kann und will, der Annahme seiner Zahlungsunfähigkeit nicht entgegenstehen, wurde bei Erörterung der Mängelrüge gleichfalls bereits dargetan.
Mit jenem Vorbringen zur Rechtsrüge, mit welchem der Beschwerdeführer sowohl seine Zahlungsunfähigkeit als auch deren Erkennbarkeit durch ihn bestreitet, entfernt er sich neuerlich vom Urteilssachverhalt und bringt den geltend gemachten materiellen Nichtigkeitsgrund solcherart nicht zur prozeßordnungsgemäßen Darstellung.
Richtig ist zwar im weiteren, daß die Verpflichtung zur Anmeldung eines Insolvenzverfahrens grundsätzlich nur den Schuldner selbst, allenfalls auch qualifizierte bevollmächtigte Geschäftsführer, nicht aber den de-facto-Geschäftsführer trifft (Mayerhofer-Rieder2, ENr 30 zu § 159 StGB; Leukauf-Steininger2, RN 13 zu § 161 StGB; 13 Os 195/83). Eine strafrechtliche Haftung eines solchen Geschäftsführers, der nicht zugleich (im Sinn des § 15 GesmbHG) vertretungsbefugtes Organ ist, kann sich (unter den weiteren Voraussetzungen des § 159 Abs. 1 Z 2 StGB) nur ergeben, wenn er zur Anmeldung des Insolvenzverfahrens im besonderen bevollmächtigt ist, oder ihm in bezug auf eine entsprechende Säumigkeit des zur Anmeldung legitimierten Organs Beitragstäterschaft (§ 12 dritter Fall StGB) zur Last fällt (vgl Leukauf-Steininger2, RN 45/4 zu § 12 StGB; SSt 51/2; RZ 1980/21 mit Glosse Burgstallers). Ob diese Voraussetzungen auf den Beschwerdeführer, der zufolge seines maßgeblichen Einflusses auf den Geschäftsführer B*** sowohl während der Ausübung der Prokura - bei der ihn jedenfalls eine deliktsspezifische eigene Sorgfaltspflicht traf (§§ 49 HGB; 161, 309 StGB) - als auch noch danach bis zur Veräußerung des Unternehmens als de-facto-Geschäftsführer wirkte, zutrafen oder nicht, kann ungeprüft bleiben. Ist dies doch - wie gleichfalls bereits dargelegt ohne Einfluß auf die strafrechtliche Zurechnung der durch das Eingehen neuer Schulden und durch die Zahlung von Schulden verwirklichten alternativen Begehungsformen des § 159 Abs. 1 Z 2 StGB. Die darauf beruhende Gläubigerbenachteiligung fällt dem Beschwerdeführer aber als insofern gemäß dem § 161 Abs. 1 StGB verantwortlichem de-facto-Geschäftsführer zur Last (vgl Leukauf-Steininger2, RN 11 zu § 161 StGB).
Schließlich haften den Schuldsprüchen B/ I/ und II/ auch keine Feststellungsmängel zur subjektiven Tatseite an:
Die in den Feststellungen (wie dargelegt) hinreichend substantiierten Bankrotthandlungen (§ 486 Abs. 1 Z 1 StG und § 159 Abs. 1 Z 2 StGB) und die ihnen zugrundeliegende objektive Sorgfaltswidrigkeit sowie die objektive Vorhersehbarkeit des Erfolgs indizieren die subjektive Sorgfaltswidrigkeit bzw. die subjektive Voraussehbarkeit des Erfolgs und damit den Fahrlässigkeitsvorwurf (vgl Kienapfel, BT II, RN 45 zu § 159 StGB, AT Z 25 RN 22 ff; Burgstaller im WK, Rz 88, 95 zu § 6 StGB; nv 11 Os 95/81, 9 Os 68/82 ua). Eine nähere Prüfung der subjektiven Fahrlässigkeitskomponenten war nach Lage des Falles entbehrlich. Denn die in der Beschwerde zitierte angebliche Rechtsberatung durch einen ehemaligen Richter und einen Ministerialbeamten betrifft ja nur die theoretische rechtliche Gestaltung der Entgegennahme und Weitergabe von Geldbeträgen, wie sie in den verwendeten Vertragsformularen zum Ausdruck kommt, nicht aber die den Kriterien einer Treuhandschaft nicht genügende tatsächliche und wirtschaftliche Unternehmensgestion.
§ 281 Abs. 1 Z 9 lit b StPO
Die Rechtsrüge versagt auch in diesem Punkt: Nach Art 6 Abs. 1 MRK hat jedermann ua darauf Anspruch, daß seine Sache "innerhalb einer angemessenen Frist" gehört wird. Kommt nun ein Gericht seiner Verpflichtung zur zügigen Erledigung einer anhängigen
Sache nicht nach, so entsteht aber kein Verfolgungshindernis: Die vom Beschwerdeführer bemängelte lange Verfahrensdauer bleibt also für die Verfolgbarkeit der Tat ohne Bedeutung; Verzögerungen solcherart müssen vielmehr im Einzelfall - so ein Schuldspruch ergeht - im Rahmen der Strafzumessung als Milderungsumstand entsprechend berücksichtigt werden.
Demmach war die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Mag.Helmut D*** teilweise zu verwerfen und insgesamt spruchgemäß zu entscheiden.
Mit ihren durch die Aufhebung des Urteils in den (sie betreffenden) Strafaussprüchen gegenstandslos gewordenen Berufungen waren die Angeklagten Mag.Helmut D*** und Dr.Renate D*** auf diese Entscheidung zu verweisen.
Anmerkung
E12196European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1987:0110OS00011.87.1103.000Dokumentnummer
JJT_19871103_OGH0002_0110OS00011_8700000_000