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E1E;Norm
11997E028 EG Art28;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer sowie Senatspräsident Dr. Gruber und Hofrat Dr. Bayjones als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Weiss, über die Beschwerde des E in L, vertreten durch Haslinger, Nagele & Partner, Rechtsanwälte in 4020 Linz, Landstraße 12, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 25. Juni 2001, Zl. VwSen-221747/2/Kon/Pr, betreffend Übertretung der Gewerbeordnung 1994, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen, vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, es als gewerberechtlicher Geschäftsführer einer näher bezeichneten Aktiengesellschaft zu verantworten, dass diese Aktiengesellschaft in einem näher bezeichneten Katalog mehrere (im Einzelnen angegebene) Verzehrprodukte zum Versand angeboten habe, obwohl dies gemäß § 50 Abs. 2 i.V.m. § 367 Z. 14 GewO 1994 untersagt sei.
In der Begründung dieses Bescheides geht es allein um die Erörterung der Rechtsfrage, ob - wie vom Beschwerdeführer geltend gemacht - § 50 Abs. 2 GewO 1994 (in der damaligen Fassung) gemeinschaftsrechtswidrig sei, weil gegen den Grundsatz des freien Warenverkehrs verstoßen werde. Die belangte Behörde verneint dies einerseits mit dem Argument, dass die in Frage stehende Regelung notwendig sei, um Verzehrprodukte nicht einer lebensmittelpolizeilichen Kontrolle zu entziehen und die Überprüfung dieser Verzehrprodukte vor allem dem Schutz des Lebens und der Gesundheit der Verbraucher diene. Andererseits werde der Tatbestand einer Maßnahme gleicher Wirkung im Sinne des Art. 28 EG-Vertrag nicht erfüllt, weil das Versandhandelsverbot gemäß § 50 Abs. 2 GewO 1994 eine Regelung der Verkaufsmodalitäten darstelle, die für in- und ausländische Erzeugnisse in gleicher Weise, somit unterschiedslos für alle im Inland tätigen Wirtschaftsteilnehmer gelte. Das gegenständliche Verbot sei sohin nicht diskriminierend ausgestaltet und berühre darüber hinaus den Absatz inländischer oder aus anderen Mitgliedsstaaten eingeführter Erzeugnisse rechtlich wie tatsächlich in gleicher Weise (Hinweis auf das Urteil des EuGH vom 28. November 1993 in den Rechtssachen C-267/91 und C-268/91, "Keck und Mithouard").
Der Verfassungsgerichtshof lehnte die Behandlung der gegen diesen Bescheid zunächst vor ihm erhobenen Beschwerde mit Beschluss vom 25. September 2001, B 1139/01-3, ab; antragsgemäß wurde die Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 50 Abs. 2 GewO 1994 - in der im Beschwerdefall noch anzuwendenden Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 131/2004 - bestimmte, dass u.a. der Versandhandel mit Verzehrprodukten an Letztverbraucher unzulässig ist. Dieses Verbot gilt auch für den Absatz von aus eigener Erzeugung stammenden Waren oder von zugekauften Waren in der Art des Versandhandels an Letztverbraucher.
Im Urteil vom 11. Dezember 2003 in der Rechtssache C-322/01, "Deutscher Apothekerverband", hatte der EuGH entschieden, dass "ein ... nationales Verbot des Versandhandels mit Arzneimitteln, die in dem betreffenden Mitgliedsstaat ausschließlich in Apotheken
verkauft werden dürfen, ... eine Maßnahme gleicher Wirkung im
Sinne von Artikel 28 EG darstellt", und dass "Artikel 30 EG ... geltend gemacht werden kann, um ein nationales Verbot des Versandhandels mit Arzneimitteln, die in dem betreffenden Mitgliedsstaat ausschließlich in Apotheken verkauft werden dürfen, zu rechtfertigen, soweit dieses Verbot verschreibungspflichtige Arzneimittel betrifft". Weiters hat er ausgesprochen, dass "Artikel 30 EG dagegen nicht geltend gemacht werden kann, um ein absolutes Verbot des Versandhandels mit Arzneimitteln, die in dem betreffenden Mitgliedsstaat nicht verschreibungspflichtig sind, zu rechtfertigen".
Während die österreichische Bundesregierung ursprünglich gegen die von der Kommission erhobenen Rüge der Vertragsverletzung hinsichtlich § 50 Abs. 2 der GewO 1994 gleich wie in der Begründung des angefochtenen Bescheides argumentierte, räumte sie sodann - im Vertragsverletzungsverfahren vor dem EuGH - im Lichte des zitierten Urteils "Deutscher Apothekerverband" eine Vertragsverletzung ein.
Der EuGH sprach sodann mit Urteil vom 28. Oktober 2004 in der Rechtssache C-497/03, Kommission/Österreich, aus, dass die Republik Österreich dadurch gegen ihre Verpflichtung aus
Artikel 28 EG verstoßen hat, dass sie im § 50 Abs. 2 der GewO (1994) ein Versandhandelsverbot für Nahrungsergänzungsmittel normiert hat.
Angesichts dieser Klarstellung durch den EuGH hat die belangte Behörde die Rechtslage verkannt, wenn sie davon ausging, dass das Versandhandelsverbot für Nahrungsergänzungsmittel im § 50 Abs. 2 der GewO 1994 (in der damals geltenden Fassung) nicht gegen
Artikel 28 EG verstoße (zur unmittelbaren Wirkung vgl. EuGH vom 19. Dezember 1968, Rs. 13-68, "Salgoil").
Der angefochtene Bescheid war gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333, insbesondere auch auf deren Art. III Abs. 2. Die Umrechung beruht auf § 3 Abs. 2 Z. 2 Eurogesetz, BGBl. I Nr. 72/2000.
Wien, am 14. September 2005
Gerichtsentscheidung
EuGH 62001J0322 Deutscher Apothekerverband VORABSchlagworte
Besondere RechtsgebieteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2005:2001040213.X00Im RIS seit
13.10.2005Zuletzt aktualisiert am
16.12.2011