Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes HonProf. Dr. Griehsler, Dr. Jensik, Dr. Zehetner und Dr. Klinger als Richter in der Mietrechtssache der Antragstellerin Herta R***, Wien 4., Schelleingasse 5/14, vertreten durch Michael A***, Funktionär der Mietervereinigung Österreichs, Wien 5., Siebenbrunnenfeldgasse 15, dieser vertreten durch Dr. Heinrich Keller und Dr. Rainer Cuscoleca, Rechtsanwälte in Wien, wider die Antragsgegner 1.) Rosa K***, Hausfrau, Wien 4., Schelleingasse 5, 2.) Prof. Silvia K***, Beamtin, Straßwalchen, Nelkengasse 3, 3.) Dipl.Ing. Otto T***, Baudirektor, Wien 14., Breitenseerstraße 82, 4.) Charlotte W***, Pensionistin, Sauerbrunn, Postgasse 14, alle vertreten durch Dipl.Dolm. Dr. Herbert Scheiber, Rechtsanwalt in Wien, wegen § 37 Abs 1 Z 8 MRG infolge Revisionsrekurses der Antragstellerin gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgerichtes vom 7.Juli 1987, GZ 41 R 120/87-9, womit der Sachbeschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 8.Jänner 1987, GZ 44 Msch 39/86-5, als nichtig aufgehoben wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Es wird dem Revisionsrekurs der Antragstellerin Folge gegeben, der angefochtene Beschluß aufgehoben und dem Rekursgericht eine neue Entscheidung über den Rekurs der Antragsgegner unter Abstandnahme von dem gebrauchten Aufhebungsgrund aufgetragen.
Der Antrag der Antragsgegner auf Zuspruch der Kosten rechtsfreundlicher Vertretung für die Erstattung der Revisionsrekursbeantwortung wird abgewiesen.
Text
Begründung:
Die Antragstellerin ist seit 1945 Mieterin der Wohnung top.Nr.14 im Haus der Antragsgegner Wien 4., Schelleingasse 5. Der Jahresfriedenskronenzins für diese Wohnung beträgt 1.200 S, der monatliche Hauptmietzins daher 100 S.
Am 8.2.1982 wurde anläßlich einer Hausbesprechung zwischen den Eigentümern des Hauses Wien 4., Schelleingasse 5 und den Mietern der Wohnungen top.Nr.2, 5 bis 9, 11 und 13 bis 15 dieses Hauses eine Vereinbarung nachstehenden Inhaltes abgeschlossen:
"Wie schon bisher gemäß § 16 Abs 1 Z 4 MG wird vereinbarungsgemäß auch ab 1.4.1982 gemäß § 16 Abs 1 Z 7 MRG ein "angemessener Mietzins", und zwar für die Wohnungen der Kategorie B mit S 7,5 pro m2 und die der Kategorie C mit S 5,-- pro m2 frei vereinbart, damit Erhaltungsarbeiten, eventuell Verbesserungsarbeiten (wie z.B. Fenster) durchgeführt werden können, und um Zinserhöhungsanträge gemäß (§ 7) § 18 MRG zu vermeiden. Diese Vereinbarung zwischen Mieter und Vermieter gilt bis auf weiteres und kann von beiden Teilen unter Einhaltung einer einmonatigen Frist zu Ende des Kalenderjahres aufgekündigt werden."
Mit Schreiben vom 27.11.1985 kündigte die Antragstellerin diese Mietzinsvereinbarung auf. Die Antragsgegner schrieben der Antragstellerin jedoch vom 1.1.1986 bis einschließlich Juni 1986 weiterhin einen monatlichen Hauptmietzins von 682,50 S vor. Der vorgeschriebene Hauptmietzins zuzüglich 10 % Umsatzsteuer wurde von der Antragstellerin auch jeweils am Ersten eines jeden Monats bezahlt.
Mit dem am 6.5.1986 bei der Schlichtungsstelle eingelangten Schriftsatz begehrte die Antragstellerin die Feststellung, um welche Beträge die Antragsgegner das gesetzlich zulässige Zinsausmaß überschritten hätten, sowie einen Ausspruch nach § 37 Abs 4 MRG. Die Mietzinsvorschreibungen seien ab Jänner 1986 im Hinblick auf den Jahresfriedenskronenzins und die Aufkündigung der Vereinbarung um monatlich je 582,50 S überhöht.
Die Antragsgegner wendeten ein, daß die gegenständliche Vereinbarung lediglich von allen Mietern gemeinsam aufgekündigt werden könne.
Nachdem die dem Antrag stattgebende Entscheidung der Schlichtungsstelle durch die rechtzeitige Anrufung des Erstgerichtes seitens der Antragsgegner außer Kraft getreten war, sprach das Erstgericht mit Sachbeschluß aus, daß die Antragsgegner der Antragstellerin gegenüber das gesetzlich zulässige Zinsausmaß durch die Vorschreibung eines monatlichen Hauptmietzinses von 682,50 S im Zeitraum vom 1.1.1986 bis zum 30.6.1986 um monatlich je 582,50 S überschritten hätten; zugleich verhielt es die Antragsgegner zur Rückzahlung der Summe der Überschreitungsbeträge entsprechend ihren Miteigentumsanteilen. Ausgehend von dem eingangs wiedergegebenen Sachverhalt erachtete das Erstgericht rechtlich, daß die von der Antragstellerin vorgenommene Kündigung der am 8.2.1982 getroffenen Mietzinsvereinbarung nach § 16 Abs 1 Z 7 MRG dem Inhalt dieser Vereinbarung nach zulässig gewesen sei, weshalb die Antragsgegner von der Antragstellerin nur mehr den dem Gesetz entsprechenden Hauptmietzins begehren dürften.
Aus Anlaß des Rekurses der Antragsgegner hob das Rekursgericht den erstgerichtlichen Sachbeschluß sowie das diesem vorangegangene Verfahren als nichtig auf und verwies die Rechtssache mit dem Auftrag an das Erstgericht zurück, über den bei der Schlichtungsstelle am 6.5.1986 eingelangten Schriftsatz das gesetzmäßige streitige Verfahren einzuleiten. Es sprach aus, daß der von der Abänderung betroffene Wert des Beschwerdegegenstandes 15.000 S, nicht aber 300.000 S übersteigt und der Revisionsrekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Das Rekursgericht führte aus:
Gemäß § 40 a JN sei die Frage, in welchem Verfahren eine Rechtssache zu behandeln und zu erledigen ist, nicht nach der Bezeichnung durch die Partei, sondern nach dem Inhalt des Begehrens und des Vorbringens der Partei zu beurteilen. Hiebei sei das außerstreitige Verfahren nur dann als zulässige Verfahrensart anzusehen, wenn eine gesetzliche Verweisungsnorm das gestellte Begehren im Zusammenhalt mit dem erstatteten Vorbringen dem außerstreitigen Verfahren zuordne. Nun verweise § 37 Abs 1 Z 8 MRG wohl "Angelegenheiten" der Angemessenheit des vereinbarten oder begehrten Hauptmietzinses in das Außerstreitverfahren; die Zitierung der Bestimmungen der § 12 Abs 3 und 4, §§ 16, 43, 44 und 46 MRG in § 37 Abs 1 Z 8 MRG lasse jedoch erkennen, daß sich die Prüfung der Zulässigkeit des vereinbarten oder begehrten Hauptmietzinses im Außerstreitverfahren auf die dort angeführten Kriterien, also auf die Einhaltung der zwingenden gesetzlichen Bestimmungen über die Mietzinsbildung, zu beschränken habe. Hänge die Feststellung der Höhe des Hauptmietzinses von anderen Fragen - wie etwa von der Erfüllung der allgemeinen bürgerlich-rechtlichen Voraussetzungen für das Zustandekommen oder Weiterbestehen einer gültigen Vereinbarung - ab, dann habe die Entscheidung nicht im Außerstreitverfahren nach § 37 MRG, sondern im Rechtsweg zu erfolgen. Die Frage, ob der Mietzins einer Parteienvereinbarung entspricht, ob diese nach den allgemeinen Rechtsvorschriften wirksam zustandegekommen ist oder angefochten werden kann, müsse daher ebenso im streitigen Verfahren geklärt werden wie die hier schon nach dem Inhalt des an die Schlichtungsstelle gerichteten Antrages als streiterheblich erkennbare Frage, ob die Aufkündigung der zwischen den Streitteilen abgeschlossenen Vereinbarung durch die Mieterin wirksam gewesen sei. Hänge doch diese Frage allein von der Auslegung der zwischen den Streitteilen geschlossenen Vereinbarung ab, ohne daß die Frage der Einhaltung zwingender gesetzlicher Bestimmungen über die Mietzinsbildung für den vorliegenden Streit von Bedeutung wäre.
Der Revisionsrekurs an den Obersten Gerichtshof sei zu eröffnen gewesen, weil die Frage der zutreffenden Verfahrensart für die Beurteilung eines Überschreitungsfeststellungsbegehrens, das auf die Aufkündigung einer nach § 16 Abs 1 Z 7 MRG geschlossenen Vereinbarung gestützt wird, von grundsätzlicher Bedeutung sei. Gegen den Beschluß des Rekursgerichtes richtet sich der Revisionsrekurs der Antragstellerin mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und dem Rekursgericht die Fällung einer Rekursentscheidung unter Abstandnahme von dem gebrauchten Aufhebungsgrund aufzutragen.
Die Antragsgegner beantragen in ihrer - analog zu § 521 a Abs 1 Z 3 und Abs 2 ZPO (§ 37 Abs 3 Z 16 MRG) zulässigen (vgl. EvBl 1986/105) - Revisionsrekursbeantwortung, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig und auch berechtigt. Die Frage, ob über einen vorliegenden Rechtsschutzantrag im außerstreitigen Verfahren nach § 37 MRG oder im streitigen Rechtsweg zu entscheiden ist, ist nach dem Wortlaut des Entscheidungsbegehrens und den zu seiner Begründung vorgebrachten Sachverhaltsbehauptungen zu beurteilen. Ohne Einfluß ist es hingegen, was der Beklagte einwendet oder ob der behauptete Anspruch begründet ist; die nach dem Wortlaut des Entscheidungsbegehrens und den zu seiner Begründung vorgebrachten Sachverhaltsbehauptungen zu bejahende Entscheidungsbefugnis des Außerstreitrichters (Streitrichters) wird auch nicht dadurch ausgeschlossen, daß Vorfragen geprüft werden müssen, zu deren selbständiger Entscheidung der Streitrichter (Außerstreitrichter) berufen wäre. Bürgerliche Rechtssachen, die nicht ausdrücklich oder doch unzweifelhaft schlüssig ins außerstreitige Verfahren verwiesen sind, gehören auf den streitigen Rechtsweg, woran die §§ 37 ff MRG nichts geändert haben. Es ist daher hier zu untersuchen, wieweit die durch § 37 Abs 1 Z 8 MRG angeordnete Verweisung bestimmter Angelegenheiten ins außerstreitige Verfahren nach § 37 Abs 3 MRG reicht. Wie der Oberste Gerichtshof bereits in MietSlg.37.493/15 ausgesprochen hat, verweist § 37 Abs 1 Z 8 MRG unter anderem die Prüfung der Zulässigkeit des vereinbarten oder begehrten Hauptmietzinses nach den zwingenden gesetzlichen Bestimmungen über die Mietzinsbildung in das außerstreitige Verfahren nach § 37 Abs 3 MRG, während die anderen Fragen, von deren Beantwortung die Feststellung der Höhe des Hauptmietzinses abhängt, etwa die Erfüllung der allgemeinen bürgerlich-rechtlichen Voraussetzungen für das Zustandekommen oder Weiterbestehen einer gültigen Vereinbarung, im streitigen Rechtsweg zu klären sind. Davon ausgehend ergibt sich im vorliegenden Fall, daß die Frage der nach den zwingenden gesetzlichen Bestimmungen über die Mietzinsbildung zu beantwortenden Zulässigkeit der Höhe des vereinbarten oder begehrten Hauptmietzinses zum der Rechtskraft fähigen Entscheidungsgegenstand gemacht wurde, während die Wirksamkeit der Aufkündigung der Vereinbarung vom 8.2.1982 allein durch die Antragstellerin und damit die Frage der Weitergeltung dieser Vereinbarung lediglich der einer Rechtskraftwirkung nicht zugänglichen Beurteilung als Vorfrage unterliegt. Da die erstgenannte Frage im außerstreitigen Verfahren nach § 37 Abs 3 MRG zu entscheiden ist und der Umstand, daß dabei eine Vorfrage beurteilt werden muß, zu deren selbständiger Entscheidung der Streitrichter berufen wäre, daran nichts ändert, war dem Revisonsrekurs Folge zu geben und spruchgemäß zu beschließen. Der Antrag der Antragsgegner auf Zuspruch der Kosten rechtsfreundlicher Vertretung für die Erstattung der Revisionsrekursbeantwortung war schon deshalb abzuweisen, weil es an den Voraussetzungen des § 37 Abs 3 Z 19 MRG fehlt.
Anmerkung
E12571European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1987:0050OB00090.87.1103.000Dokumentnummer
JJT_19871103_OGH0002_0050OB00090_8700000_000