Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 4.November 1987 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Horak, Dr. Lachner und Dr. Massauer als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Thoma als Schriftführer, in der Strafsache gegen Karl K*** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten gewerbsmäßig begangenen schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127 Abs. 1 und Abs. 2 Z 1, 128 Abs. 1 Z 4, 129 Z 1, 130, zweiter Deliktsfall und 15 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Staatsanwaltschaft hinsichtlich des Angeklagten Karl K*** und die Berufung der Staatsanwaltschaft hinsichtlich des Angeklagten Franz W*** und Gerhard K*** gegen das Urteil des Kreisgerichtes Korneuburg als Schöffengericht vom 17.März 1987, GZ 11 b Vr 459/85-79, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Tschulik, der Angeklagten Gerhard K*** und Franz W*** und der Verteidiger Dr. Mühl und Dr. Hartmann, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten Karl K*** zu Recht erkannt:
Spruch
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, in dem den Angeklagten Karl K*** betreffenden Ausspruch über die Vorhaftanrechnung aufgehoben und insoweit gemäß § 288 Abs. 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt:
Gemäß § 38 Abs. 1 Z 1 StGB wird dem Angeklagten Karl K*** die Vorhaft vom 3.Juli 1985, 12,00 Uhr, bis 3.September 1985, 8,00 Uhr, vom 6.September 1985, 2,00 Uhr, bis 20.September 1985, 10,30 Uhr und vom 12.Jänner 1987, 0,00 Uhr, bis 17.März 1987, 13,30 Uhr auf die Strafe angerechnet.
Der Berufung der Staatsanwaltschaft wird hinsichtlich der Angeklagten Franz W*** und Gerhard K*** Folge gegeben und es werden die vom Erstgericht über die beiden genannten Angeklagten ausgesprochenen Freiheitsstrafen auf je 6 (sechs) Monate erhöht. Hingegen wird der Berufung der Staatsanwaltschaft hinsichtlich des Angeklagten Karl K*** nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO fallen den Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem oben näher bezeichneten Urteil wurden der 24-jährige Karl K*** des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten (gewerbsmäßig begangenen schweren) Diebstahls (durch Einbruch) nach §§ 127 Abs. 1 und Abs. 2 Z 1, 128 Abs. 1 Z 4, 129 Z 1, 130 (zweiter Fall) und 15 StGB und der Vergehen des unbefugten Gebrauches von Fahrzeugen nach § 136 Abs. 1 und Abs. 2 StGB, der Sachbeschädigung nach § 125 StGB sowie der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs. 1 StGB, der 35-jährige Franz W*** des "Vergehens" (richtig: Verbrechens) des teils vollendeten, teils versuchten Diebstahls (durch Einbruch) nach §§ 127 Abs. 1, Abs. 2 Z 1, 129 Z 1 und 15 StGB und der 24-jährige Gerhard KlA*** des Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127 Abs. 1, Abs. 2 Z 1, 129 Z 1 StGB, sowie der Vergehen des unbefugten Gebrauches von Fahrzeugen als Beteiligter nach §§ 12, 136 Abs. 1 StGB und der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB schuldig erkannt.
Das Erstgericht verhängte über den Angeklagten Karl K*** nach dem zweiten Strafsatz des § 130 StGB unter Bedachtnahme gemäß §§ 31, 40 StGB auf Urteile des Bezirksgerichtes Locri/Italien vom 25. Oktober 1985 und des Bezirksgerichtes Stilo/Italien vom 25. November 1985 - womit er insgesamt zu Freiheitsstrafen von drei Jahren und zu einer Geldstrafe von 1,000.000 Lire verurteilt worden war - eine zusätzliche Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Jahren, auf die es ihm gemäß § 38 Abs. 1 StGB die Vorhaften vom 3.Juli 1985, 12,00 Uhr, bis 3.September 1985, 8,00 Uhr, vom 6.September 1985, 2,00 Uhr, bis 20.September 1985, 10,30 Uhr und vom 19.Oktober 1985, 21,00 Uhr, bis 17.März 1987, 13,30 Uhr, anrechnete. Die von der Staatsanwaltschaft gegen die Vorhaftanrechnung aus der Z 11 des § 281 Abs. 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde ist begründet.
Bei der in dem bezeichneten ausländischen Strafverfahren erlittenen Haft (ab 19.Oktober 1985, 21,00 Uhr) handelt es sich um eine Vorhaft, auf welche die Bestimmung des § 38 Abs. 1 Z 2 StGB anwendbar ist, weil sie von K*** nach Begehung der vorliegend abgeurteilten (Inlands-)Straftaten wegen des Verdachts einer mit Strafe bedrohten Handlung erlitten worden ist. Deren Anrechnung auf die hier verhängte Zusatzstrafe kommt allerdings nur in Betracht, soweit sie noch nicht auf die durch die italienischen Gerichte verhängte Freiheitsstrafe angerechnet worden ist (§ 38 Abs. 1 letzter Halbsatz StGB).
Aus der Mitteilung ON 66 ergibt sich hiezu, daß die italienischen Urteile seit 14.März 1986 vollstreckbar waren und als deren Strafbeginn der 19.Oktober 1985 festgesetzt wurde (S 17/Bd III). Daraus folgt ferner, daß die italienischen Gerichte den Vollzug der über K*** verhängten Freiheitsstrafe(n) eingeleitet haben und die in Italien erlittene Vorhaft (ab 19. Oktober 1985, 21,00 Uhr) nicht nur auf diese Strafe angerechnet, sondern die Anrechnung auch effektiv bei der Strafzeitberechnung berücksichtigt worden ist, das heißt, zur entsprechenden Verkürzung der Strafzeit geführt hat. Damit ist aber für eine (neuerliche, mithin doppelte) Anrechnung der italienischen Vorhaft im gegenständlichen Urteil kein Raum (vgl Mayerhofer-Rieder StGB2 § 38 ENr 33; Leukauf-Steininger Komm2 § 38 RN 9 sowie die ständige Judikatur), und zwar unabhängig davon, ob anläßlich der Begnadigung des K*** durch den italienischen Staatspräsidenten (bloß) der Strafrest oder die gesamte Strafe mit den Wirkungen einer bedingten Strafnachsicht nachgesehen wurde. Der bezügliche Inhalt des Gnadenaktes ist daher für die Haftanrechnung irrelevant. Zwar kann aus der Übersetzung der Mitteilung des Direktors des Bezirksgerichtes Rovereto/Italien vom 2.Feber 1987 (ON 66) das Datum der Verfügung auf Enthaftung des Karl K*** wegen Strafnachlaß und Begnadigung (und daher auch das Datum, ab welchem K*** sich zum vorliegenden Verfahren in italienischer Auslieferungshaft befunden hat) nicht entnommen werden, doch ergibt sich aus dem in italienischer Sprache abgefaßten Original dieser Mitteilung (erliegend unter S 41/Bd II im einbezogenen Akt ON 57), daß die Verfügung vom 12.Jänner 1987 datiert ("...del 12/01/1987..."), was bei der Übersetzung offensichtlich übersehen wurde (!). Demnach kann davon ausgegangen werden, daß sich K*** ab 12.Jänner 1987 (nicht mehr in italienischer Strafhaft, sondern) in Auslieferungshaft befand - die Auslieferung an Österreich war vom Oberlandesgericht Reggio Calabria mit Beschluß vom 14.-18.November 1986 bewilligt worden -, womit auch die gemäß § 38 Abs. 1 Z 1 StGB anrechenbare Vorhaft feststeht.
Rechtliche Beurteilung
Auf Grund dieser an Hand der Akten zu treffenden Konstatierungen - zu deren Vornahme der Oberste Gerichtshof im Rechtsmittelverfahren befugt ist (vgl Mayerhofer-Rieder StPO2 § 288 ENr 30, 31) - liegt somit erst ab 12.Jänner 1987 eine (gemäß § 38 Abs. 1 Z 1 StGB) anrechenbare (ausländische) Vorhaft vor, weshalb der bekämpfte Ausspruch in diesem Sinne abzuändern war, ohne daß es weiterer Erhebungen bedurft hätte.
Bei der Strafzumessung wurden bei sämtlichen Angeklagten die einschlägigen Vorstrafen und das Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen als erschwerend gewertet, als mildernd hingegen bei Karl K*** das offene, reumütige und rückhaltlose Geständnis, bei Franz W***, daß er größtenteils geständig war, und bei Gerhard K*** dessen Teilgeständnis und überdies die besondere psychische Beschaffenheit dieses Angeklagten, die in einem gewissen Schwachsinn erblickt werde.
Auf der Basis dieser Strafzumessungsgründe verhängte das Schöffengericht über die Angeklagten Freiheitsstrafen, und zwar über Karl K*** nach dem zweiten Strafsatz des § 130 StGB die oben genannte Zusatzstrafe und über Franz W*** und Gerhard K*** gemäß § 129 StGB (bei diesem unter Anwendung des § 28 StGB, bei ihm und W*** der Sache und der Begründung nach auch gemäß § 41 StGB) Strafen von je vier Monaten.
Die Berufung der Staatsanwaltschaft, die eine Erhöhung sämtlicher Strafen anstrebt, ist teilweise begründet. Der Anklagebehörde ist zwar darin beizupflichten, daß dem Angeklagten K*** der besonders rasche Rückfall nach seiner Haftentlassung (am 4.Jänner 1985) zusätzlich als als erschwerend anzulasten ist.
Zieht man jedoch mit ins Kalkül, daß ein Teil der verfahrensgegenständlichen Diebstähle vor der letzten Verurteilung (im Jahre 1983) begangen wurde, dann erscheint bei einem Gesamtschaden von rund 65.000 S und angesichts des Ausmaßes der (in Italien verhängten) Strafen, auf die gemäß §§ 31, 40 StGB Bedacht zu nehmen ist, die vom Erstgericht geschöpfte Unrechtsfolge dennoch als durchaus tatschuldgerecht und mithin keiner Korrektur bedürftig. Anders verhält es sich bei Franz W*** und Gerhard K***. Denn mit Recht reklamiert die Anklagebehörde, daß bei diesen beiden Angeklagten die Voraussetzungen des § 41 StGB nicht vorliegen, insbesondere weil bei ihnen von einem beträchtlichen Überwiegen der Milderungsgründe nicht gesprochen werden kann. Weist doch W*** fünf einschlägige Vorverurteilungen auf, die an sich sogar eine Anwendung des § 39 StGB rechtfertigen könnten und hat auch der Diebstahlsvorstrafen aufweisende Angeklagte K*** nach der letzten Verurteilung (wegen § 83 Abs. 1 StGB) nicht nur ein Körperverletzungsdelikt sondern mit dem Vergehen nach §§ 12, 136 Abs. 1 StGB (Faktum F) auch eine Straftat gesetzt, die sich gegen fremdes Vermögen richtet.
Mangels Anwendbarkeit der außerordentlichen Strafmilderung war mithin von einem Strafsatz von sechs Monaten bis zu fünf Jahren auszugehen. Angesichts der konstatierten Milderungsgründe und der Tatsache, daß die strafsatzbestimmenden Verbrechen vor den jeweils letzten Verurteilungen (in den Jahren 1982 bzw 1984) verübt wurden, konnte aber mit einer maßvollen Anhebung auf die Untergrenze des gesetzlichen Strafrahmens das Auslangen gefunden werden. Die Kostenentscheidung fußt auf der bezogenen Gesetzesstelle.
Anmerkung
E12224European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1987:0140OS00118.87.1104.000Dokumentnummer
JJT_19871104_OGH0002_0140OS00118_8700000_000