Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 4.November 1987 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Horak, Dr. Lachner und Dr. Massauer als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Thoma als Schriftführer, in der Strafsache gegen Wilhelm Maximilian H*** wegen des Vergehens der versuchten schweren Körperverletzung nach §§ 15, 83 Abs. 1, 84 Abs. 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichtes Ried im Innkreis als Schöffengericht vom 4.Juni 1987, GZ 7 Vr 227/87-35, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Strasser, des Angeklagten und dessen Verteidigers Dr. Hirsch zu Recht erkannt:
Spruch
I. Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben und das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Ausspruch über die rechtliche Beurteilung der unter Punkt 1 des Schuldspruchs beschriebenen Tat als Vergehen der schweren Körperverletzung nach §§ 15, 83 Abs. 1, 84 Abs. 1 StGB und demgemäß auch im Strafausspruch (einschließlich des Ausspruchs über die Vorhaftanrechnung gemäß § 38 Abs. 1 Z 1 StGB) aufgehoben.
II. Gemäß § 288 Abs. 2 Z 3 StPO wird in der Sache selbst erkannt:
Wilhelm Maximilian H*** hat durch die unter Punkt 1 des Schuldspruchs beschriebene Tat das Vergehen der versuchten Körperverletzung nach §§ 15, 83 Abs. 1 StGB begangen und wird hiefür sowie wegen der ihm nach dem unberührt gebliebenen Teil des Schuldspruchs weiterhin zur Last fallenden Vergehen der Nötigung nach § 105 Abs. 1 StGB und der schweren Sachbeschädigung nach §§ 125, 126 Abs. 1 Z 7 StGB gemäß §§ 28 Abs. 1, 126 Abs. 1 StGB zu 7 (sieben) Monaten Freiheitsstrafe verurteilt.
Gemäß § 38 Abs. 1 Z 1 StGB wird ihm die Vorhaft vom 14. März 1987, 17.15 Uhr, bis 30.April 1987, 15.00 Uhr, auf diese Strafe angerechnet.
III. Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen.
IV. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf die Strafneubemessung verwiesen.
V. Gemäß § 390 a StPO fallen ihm auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen - auch einen rechtskräftigen Teilfreispruch enthaltenden - Urteil wurde der am 16.März 1951 geborene Automatenmechaniker Wilhelm Maximilian H*** der Vergehen der versuchten schweren Körperverletzung nach §§ 15, 83 Abs. 1, 84 Abs. 1 StGB (Punkt 1 des Schuldspruchs), der Nötigung nach § 105 Abs. 1 StGB (Punkt 2) und der schweren Sachbeschädigung nach §§ 125, 126 Abs. 1 Z 7 StGB (Punkt 3) schuldig erkannt.
Darnach hat er am 14.März 1987 in Ried im Innkreis
1. durch Schleudern einer Rohrzange aus kurzer Entfernung und mit voller Wucht gegen den Kopf des Rupert S*** versucht, diesem eine schwere Körperverletzung (vorsätzlich) zuzufügen;
2. die Ingeborg D*** mit Gewalt zu einer Handlung, nämlich zum Anhalten ihres PKW genötigt, indem er mit seinem PKW auf sie zufuhr;
und
3. eine fremde Sache, nämlich den PKW der Ingeborg D*** beschädigt und dadurch einen 5.000 S übersteigenden Schaden herbeigeführt, indem er mit seinem PKW mehrmals auf den PKW der Ingeborg D*** losfuhr.
Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Gründe der Z 3, 4, 5, 9 lit. a und 10 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, die indes nur teilweise berechtigt ist.
Rechtliche Beurteilung
Zutreffend weist der Beschwerdeführer in seiner Rechtsrüge (Z 10) darauf hin, daß mangels Eintritts eines Verletzungserfolgs durch sein zu Punkt 1 des Schuldspruchs beschriebenes Verhalten trotz seines - ausdrücklich festgestellten (US 8) - auf eine schwere Körperverletzung gerichteten bedingten Vorsatzes (§ 5 Abs. 1 zweiter Halbsatz StGB) lediglich das versuchte Vergehen der Körperverletzung nach §§ 15, 83 Abs. 1 StGB verwirklicht worden ist (SSt. 47/84; ÖJZ-LSK 1987/51 zu § 84 Abs. 1 StGB).
Der Ausspruch über die rechtliche Beurteilung des Urteilsfaktums 1 war daher entsprechend zu korrigieren. Auf die in Ansehung dieses Faktums erhobene weitere Rechtsrüge (Z 9 lit. a) war hingegen keine Rücksicht zu nehmen, weil sie den konstatierten Verletzungsvorsatz bestreitet und daher nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt ist.
Auf die Einwände der Verfahrens- (Z 4) und Mängelrüge (Z 5) ist insoweit nicht mehr einzugehen, als diese sich gegen die Feststellung richten, der Angeklagte habe mit dem Vorsatz gehandelt, Rupert S*** schwer zu verletzen (US 8, 15 unten); denn ein solcher Vorsatz ist unter dem geänderten rechtlichen Aspekt nicht (mehr) entscheidungswesentlich.
Soweit aber der Beschwerdeführer mit diesen Einwänden ersichtlich auch seiner Verantwortung zum Durchbruch verhelfen will, daß er überhaupt keinen Verletzungsvorsatz hatte (S 249, 252 und 254 iVm S 324), ist der gegen die Abweisung des Antrages auf Durchführung eines Lokalaugenscheines unter Beiziehung von Sachverständigen gerichteten Verfahrensrüge (Z 4) zu erwidern, daß die örtlichen Gegebenheiten ohnedies aus den im Akt erliegenden Lichtbildern ersichtlich sind; im übrigen räumte der Angeklagte in der Hauptverhandlung (S 251, 253) selbst ein, daß S*** im Zeitpunkt des Wurfes ca. 4 1/2 Meter von ihm entfernt stand und er die Rohrzange in der Folge etwa 1 1/2 bis 2 Meter vom Standort des Zeugen wiederfand, was für die Anwendung jedenfalls erheblicher Wurfkraft spricht. Im übrigen aber ist für die Frage, ob der Angeklagte mit Verletzungsvorsatz (§ 83 Abs. 1 StGB) handelte oder die Zange gegen S*** warf, um ihn zu vertreiben, aus den beantragten Beweisen gewiß nichts zu gewinnen.
Desgleichen betrifft der Vorwurf (Z 5) eines aktenwidrigen Zitats der Aussage des Zeugen S*** dahin, daß dieser den Entscheidungsgründen (US 7, 14) zuwider nicht von einem Werfen der Rohrzange mit "voller" Wucht, sondern bloß "mit Wucht" gesprochen hat (S 256, 258), keine entscheidungswesentliche Tatsache; widerspricht doch auch die Anwendung einer so umschriebenen (relativ geringeren) Wurfenergie keineswegs der Annahme zumindest eines (schlichten) Verletzungsvorsatzes.
Mit dem weiteren Einwand wieder, die Feststellung eines Verletzungsvorsatzes sei "aktenwidrig" (gemeint wohl: nicht begründet), weil sich dafür in den Akten keine Anhaltspunkte fänden, übergeht der Beschwerdeführer die vom Erstgericht zur Begründung eines solchen herangezogene (US 7, 14) Aussage des Zeugen S***, wonach der Angeklagte "dann aufgezielt und mit Wucht geworfen" hat (S 258). Mit der Behauptung letztlich, daß sich in einem Erregungszustand ein dem auf eine Körperverletzung gerichteten bedingten Vorsatz entsprechender intellektueller Vorgang beim Angeklagten "mit Sicherheit" und "notorisch" nicht abgespielt habe, wird den logisch und empirisch durchaus unbedenklichen Schlußfolgerungen (US 16 oben) des Erstgerichtes bloß eine andere, dem Beschwerdestandpunkt günstigere Argumentationsvariante gegenübergestellt, ein formeller Begründungsmangel allerdings nicht geltend gemacht.
Der Mängelrüge (Z 5) in bezug auf den Schuldspruch wegen Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs. 1 StGB (Punkt 2) zuwider hat das Erstgericht die Aussagen der Zeugen S*** (S 257) und D*** (S 267) in der Hauptverhandlung keineswegs übergangen, sondern aktengetreu zitiert und gewürdigt (US 9, 16/17). Allerdings hat es deren Angaben - nach dem Sinnzusammenhang durchaus zutreffend - eine andere Bedeutung beigemessen, als der Beschwerdeführer aus ihnen herauslesen will. In Wahrheit kritisiert er mit seinem bezüglichen Einwand lediglich in unzulässiger Weise die Beweiswürdigung des Schöffensenates.
Nicht gesetzmäßig ausgeführt ist auch die Verfahrensrüge (Z 3 iVm § 152 Abs. 1 Z 1 StPO), denn sie übergeht die Feststellung (US 6, 12), daß die außereheliche Lebensgemeinschaft zwischen dem Angeklagten und der Zeugin D*** bereits im Dezember 1986 gelöst und nicht wieder aufgenommen worden war. Der (bedingten) Entschlagungserklärung der Zeugin in der Hauptverhandlung vom 4. Juni 1987 (S 266) kam daher keine prozeßrechtliche Bedeutung zu. Diese Feststellung ist aber auch - den diesbezüglichen Beschwerdeausführungen (Z 5) zuwider - mängelfrei begründet. Denn es bedurften die weiteren Angaben der Zeugin D***, daß sie auch nach dem Dezember 1986 für den Angeklagten, der noch fallweise bei ihr nächtigte (S 266, 269), gelegentlich Wäsche gewaschen und gekocht (S 269), ihn auch in der Haft besucht und ihm Briefe geschrieben hat (S 268), keiner besonderen Erörterung im Urteil. Stehen sie doch der Konstatierung keineswegs entgegen, daß zwischen den beiden ein Angehörigenverhältnis im Sinne einer außerehelichen Lebensgemeinschaft (§ 72 Abs. 2 StGB), also eine auf längere Dauer ausgerichtete, ihrem Wesen nach der Beziehung miteinander verheirateter Personen gleichkommende Wohn-, Wirtschafts- und Geschlechtsgemeinschaft (Leukauf-Steininger, Kommentar2, § 72 RN 15) seit Dezember 1986 nicht mehr bestanden hat.
Die in diesem Zusammenhang vom Erstgericht in den Entscheidungsgründen vorgenommene "ergänzende" Verwertung des von der Zeugin D*** nach ihrer Vernehmung im Verhandlungssaal an den Tag gelegten Verhaltens und ihrer auf Befragen des Vorsitzenden dazu abgegebenen Erklärung (US 12) war trotz des Umstandes, daß diese Vorgänge im Hauptverhandlungsprotokoll nicht festgehalten worden sind, durchaus zulässig; denn Voraussetzung für die Berücksichtigung eines Umstandes bei der Urteilsfällung ist gemäß § 258 Abs. 1 StPO lediglich, daß dieser in der Hauptverhandlung vorgekommen ist, was vom Beschwerdeführer keineswegs bestritten wird. Auf die Protokollierung derartiger richterlicher Wahrnehmungen kommt es indes - der Beschwerdeauffassung zuwider - nicht an (vgl. Mayerhofer-Rieder, StPO2, ENr. 53 b zu § 271).
Schließlich ist auch die in Ansehung des Urteilsfaktums schwere Sachbeschädigung (Punkt 3) erhobene Verfahrensrüge (Z 4) nicht begründet.
Zur besseren Abklärung der Frage, ob der Angeklagte - wie er behauptet (S 250) - bloß einmal ungewollt an den PKW der Zeugin D*** angefahren ist, oder ob dies - wie auf Grund der Aussagen der Zeugen D*** und S*** festgestellt wurde (US 9, 19) - mehrmals "wissentlich und willentlich" geschehen ist, konnte der vom Beschwerdeführer (durch Anschluß an einen entsprechenden Beweisantrag des Staatsanwaltes) begehrte Lokalaugenschein zur Rekontruktion der Stellung der beteiligten Fahrzeuge zueinander unter Zuziehung eines kraftfahrtechnischen Sachverständigen sowie zusätzlich eines Sachverständigen aus dem Gebiete der Physik (S 273 f) deshalb nichts beitragen, weil - wie der Beschwerdeführer in der Beschwerdeschrift selbst einräumt - eine zielführende Begutachtung nur auf Grund des Schadensbildes an beiden Fahrzeugen möglich wäre, diese zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung aber schon wieder repariert gewesen waren (S 254, 255, 264).
Der sachverständige Zeuge Ing. U*** hinwieder hätte - den Beschwerdeausführungen zuwider - zu allfälligen Vorschäden am PKW der Zeugin D*** keine Angaben machen können, weil er nicht deren PKW, sondern jenen des Angeklagten vor dem Vorfall besichtigt hatte (S 255). Der Beweisantrag des Staatsanwaltes (dem sich der Verteidiger angeschlossen hat) zielte daher auch auf die Befragung des Ing. U*** über die am PKW des Angeklagten vorhanden gewesenen Vorschäden ab (S 273). In diese Richtung hin erachtet sich aber der Beschwerdeführer nach seinen Ausführungen gar nicht in seinen Verteidigungsrechten verkürzt.
Demnach war die Nichtigkeitsbeschwerde im übrigen Umfang zu verwerfen.
Bei der - zufolge Aufhebung des Strafausspruchs notwendig gewordenen - nach §§ 28 Abs. 1, 126 Abs. 1 StGB vorzunehmenden Strafneubemessung wertete der Oberste Gerichtshof die einschlägigen Vorstrafen des Angeklagten, das Zusammentreffen von drei Vergehen und die Intensität des Verletzungs- und Beschädigungsvorsatzes als erschwerend; mildernd war hingegen die Schadensgutmachung (Faktum 3) und daß es beim Versuch der Körperverletzung geblieben ist. Dem vom Angeklagten in seiner - durch die Strafneubemessung an sich gegenstandslos gewordenen - Berufung als weiterer Milderungsgrund reklamierten Eifersuchtsmotiv konnte keine besonders schuldmindernde Wirkung zuerkannt werden, denn mit Rücksicht auf seine durchwegs auf andere tatauslösende Momente zurückzuführenden früheren strafbaren Angriffe gegen die körperliche Integrität von Menschen ist ein dahingehender Charaktermangel des Angeklagten erkennbar, der den der Sache nach geltend gemachten Milderungsgrund (§ 34 Z 14 StGB) nicht zum Tragen kommen läßt.
Eine Freiheitsstrafe im Ausmaß von sieben Monaten erschien der tat- und persönlichkeitsbezogenen Schuld des Angeklagten (§ 32 StGB) angemessen. Eine bedingte Strafnachsicht kam schon aus (den eben erwähnten) spezialpräventiven Erwägungen nicht in Betracht. Der Ausspruch über die Kostenersatzpflicht ist in § 390 a StPO begründet.
Anmerkung
E12225European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1987:0140OS00116.87.1104.000Dokumentnummer
JJT_19871104_OGH0002_0140OS00116_8700000_000