Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 4.November 1987 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Horak, Dr. Lachner und Dr. Massauer als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Thoma als Schriftführer, in der Strafsache gegen Hubert G*** wegen des Verbrechens der Nötigung zum Beischlaf nach § 202 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 17.August 1987, GZ 25 Vr 959/87-58, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Über die Berufung wird bei einem Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung entschieden werden, für den sich der Oberste Gerichtshof auch die Ergreifung einer Maßnahme gemäß § 290 Abs 1 StPO vorbehält. Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der jetzt 44-jährige Kaufmann Hubert G*** der Verbrechen (I.) der Nötigung zum Beischlaf nach § 202 Abs 1 StGB und (II.) des Beischlafs mit Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB sowie (III.) des Vergehens der Blutschande nach § 211 Abs 2 StGB schuldig erkannt, weil er am 7. und 8.März 1987 in Fließerau insgesamt dreimal außer dem Fall der Notzucht seine am 9. Oktober 1973 geborene (demnach damals noch unmündige) Tochter Sonja G*** mit Gewalt, und zwar durch Versetzen von Schlägen in das Gesicht und in den Bauch, zum außerehelichen Beischlaf nötigte.
Rechtliche Beurteilung
Der Angeklagte bekämpft den Schuldspruch mit einer auf die Z 4 und 5 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der keine Berechtigung zukommt.
Das Erstgericht stützte den Schuldspruch unter ausdrücklicher Ablehnung (vgl. US 11) der - als bloße Ausflucht
gewerteten - Verantwortung des Beschwerdeführers, er sei das Opfer einer von seiner Schwägerin ausgehenden Intrige, vor allem auf die für glaubwürdig erachteten (den Angeklagten belastenden) Angaben der Zeugen Sonja G*** (S 17-27 = 83-93) und (deren Mutter) Margarethe G*** (S 29-31 = 95-97) vor der Gendarmerie im Zusammenhalt mit der Aussage des als Zeugen vernommenen Arztes Dr. S*** (S 109, 161 f, 270 ff), der an dem Mädchen über Aufforderung der Mutter eine gynäkologische Untersuchung vornahm - die den Nachweis von Spermen im Vaginalbereich erbrachte - und ebenso wie der Gendarmeriebeamte Oskar S*** zum Ausdruck brachte, daß Sonja und Margerethe G*** bei der Befragung und ärztlichen Untersuchung zwar sehr verzweifelt bzw. in einem Schockzustand waren, jedoch ihre Angaben überlegt und geordnet gemacht haben (vgl. US 12 f iVm S 272, 327). Demgegenüber versagte das Schöffengericht den (mit ihren Angaben vor der Gendarmerie im Widerspruch stehenden) Aussagen der beiden Zeuginnen in der Hauptverhandlung jeglichen Glauben (US 12 f); insbesondere lehnte es beweiswürdigend (§ 258 Abs 2 StPO) die von Sonja G*** dort aufgestellte Behauptung ab, sie sei am Vortag während eines Radausfluges von einem Unbekannten vergewaltigt worden, und brachte dabei auch zum Ausdruck, daß die von der genannten Zeugin in diesem Zusammenhang bezeichnete Örtlichkeit - den Gendarmerieerhebungen (ON 50) zufolge - auf Grund der (damaligen) Schneelage mit einem Fahrrad gar nicht benützt werden konnte (vgl. US 13 f). Das dagegen gerichtete Beschwerdevorbringen zur Mängelrüge (Z 5) läuft indes inhaltlich im Ergebnis bloß auf eine im schöffengerichtlichen Verfahren unzulässige und damit unbeachtliche Bekämpfung der tatrichterlichen Beweiswürdigung hinaus, indem - wie sich schon aus den Formulierungen in der Beschwerdeschrift ergibt, wie etwa: "Tatsächlich scheinen die Angaben der beiden Zeuginnen (Sonja und Margarethe G***) vor Gericht ... durchaus glaubwürdig und auch lebensnah" oder "Ich bin der Ansicht, daß die Aussagen der Zeuginnen Margarethe und Sonja G*** vor Gericht richtig sind und die früheren Angaben der beiden Zeuginnen vor der Gendarmerie und gegenüber Dr. S*** falsch sind." - versucht wird, die Beweiskraft jener - zuvor wiedergegebenen - Verfahrensergebnisse, auf welche die Tatrichter den Schuldspruch im wesentlichen gegründet und durch welche sie die leugnende Verantwortung des Beschwerdeführers als widerlegt erachtet haben, nach Art einer Schuldberufung in Zweifel zu ziehen. Formale Begründungsmängel in der Bedeutung der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO werden damit nicht dargetan. Wenn der Beschwerdeführer - der Sache nach - eine offenbar unzureichende, unvollständige bzw. widersprüchliche Begründung reklamiert, so übersieht er, daß sich seine Einwände auf Umstände beziehen, mit denen sich das Erstgericht ohnedies ausführlich befaßt hat bzw. welche es jedenfalls in den Kreis seiner Erwägungen einbezogen hat, wie etwa den psychischen Zustand der Zeugen Sonja und Margarethe G*** am 8. bzw. 9.März 1987. Im übrigen konnte und mußte sich das Urteil nicht im voraus mit allen denkbaren Einwendungen gegen die Glaubwürdigkeit von Belastungszeugen bzw. einzelner ihrer Aussagen auseinandersetzen, sofern es nur - wie vorliegend geschehen - jene Erwägungen in gedrängter Darstellung anführt, aus welchen die Tatrichter diesen Aussagen Glauben schenkten (vgl. US 11 ff).
Bei dem Einwand hinwieder, die Urteilsannahme (US 9 f, 14), nähere Blutgruppenuntersuchungen seien deshalb nicht möglich gewesen, weil der Angeklagte - dessen Blutgruppe allersdings mit "Null positiv" feststeht (vgl. US 9 iVm S 177, 235, 264) - und seine Tochter Sonja die Abnahme von Blut- oder Speichelproben verweigerten, stünden "mit dem Inhalt des Prozeßaktes in Widerspruch", weil der Angeklagte in der Hauptverhandlung vom 17. August 1987 (S 325) erklärte, er habe sich nie geweigert, eine Blutabnahme vornehmen zu lassen, übersieht der Beschwerdeführer, daß das bezügliche Vorbringen selbst mit den Verfahrensergebnissen im Widerspruch steht; hat er doch - (teils) nach anfänglichen Zusagen (vgl. insbesondere S 177, 239, 309) - ebenso wie die Zeugin Sonja G*** von vornherein (vgl. zuletzt S 325) - die Abnahme von Blut- und Speichelproben mehrmals verweigert. Daraus konnten aber die Tatrichter, und zwar ungeachtet der in der (beim Erstgericht am 3. August 1987 eingelangten) Mitteilung des Verteidigers vom 30. Juli 1987 (vgl. ON 54 a) enthaltenen Ankündigung, "nunmehr mit der Vornahme dieser Tests einverstanden" zu sein, ohne Verstoß gegen die Denkgesetze oder allgemeine Lebenserfahrung den von der Beschwerde bekämpften Schluß ziehen. Von einem insoweit behaupteten Widerspruch kann daher keine Rede sein.
Soweit der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang aus dem Umstand, daß das Erstgericht "die beantragten Tests an mir (dem Angeklagten) nicht durchführen ließ" (auch) einen Verfahrensmangel releviert, ist er mangels entsprechender Antragstellung in der (am 17. August 1987 gemäß § 276 a StPO neu durchgeführten) Hauptverhandlung zur Erhebung einer Verfahrensrüge (Z 4) nicht legitimiert. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, daß sich der Verteidiger dem vom öffentlichen Ankläger in der Hauptverhandlung vom 26.Juni 1987 gestellten, der Sache nach auf eine derartige Untersuchung abzielenden Antrag (vgl. S 277) ausdrücklich angeschlossen hat (S 278); denn aus einem Antrag, der in einer früheren Hauptverhandlung gestellt, in der außerhalb der für eine bloße Fortsetzung der Verhandlung vorgesehenen Monatsfrist des § 276 a StPO durchgeführten Hauptverhandlung aber nicht wiederholt wurde, kann eine Nichtigkeit nach der Z 4 des § 281 Abs 1 StPO nicht abgeleitet werden (Mayerhofer-Rieder StPO2 ENr. 30-33 zu § 281 Z 4).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher teils als offenbar unbegründet gemäß § 285 d Abs 1 Z 2 StPO, teils als nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt gemäß § 285 d Abs 1 Z 1 StPO in Verbindung mit § 285 a Z 2 StPO schon bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.
Über die Berufung wird hingegen abgesondert bei einem Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung zu entscheiden sein (§ 296 Abs 3 StPO), für den sich der Oberste Gerichtshof (im Zusammenhang mit dem Schuldspruch nach § 211 Abs 2 StGB) die Ausübung der ihm nach § 290 Abs 1 StPO zustehenden Befugnis vorbehält (§ 285 d Abs 2 StPO).
Anmerkung
E12493European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1987:0140OS00150.87.1104.000Dokumentnummer
JJT_19871104_OGH0002_0140OS00150_8700000_000