Index
E3R E05204020;Norm
31971R1408 WanderarbeitnehmerV;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde der Sozialversicherungsanstalt der Bauern in Wien, vertreten durch Dr. Michael Stögerer, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Neubaugasse 3/10, gegen den Bescheid des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen vom 8. April 2003, Zl. 221.448/2-6/02, betreffend Pflichtversicherung in der Krankenversicherung nach dem BSVG (mitbeteiligte Partei: F in S), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz) hat der beschwerdeführenden Sozialversicherungsanstalt Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Berufungsbescheid hat die belangte Behörde in Abänderung des Einspruchsbescheides der Landeshauptfrau von Steiermark vom 11. April 2002 festgestellt, dass der Mitbeteiligte vom 25. August 2001 "bis laufend" nicht der Pflichtversicherung in der Krankenversicherung nach dem BSVG unterlegen sei.
Zwischen der beschwerdeführenden Sozialversicherungsanstalt und der mitbeteiligten Partei ist strittig, ob auf letztere im fraglichen Zeitraum weiterhin die Ausnahmebestimmung des § 262 Abs. 3 BSVG anzuwenden gewesen ist. Dazu stellte die belangte Behörde fest, dass der Mitbeteiligte gemeinsam mit seiner Ehefrau einen landwirtschaftlichen Betrieb mit einem "S 20.000,-- übersteigenden Einheitswert" führe. Der Anspruch seiner Ehefrau auf Arbeitslosengeld habe im Zeitraum vom 25. August bis 1. September 2001 infolge eines Auslandsaufenthaltes geruht.
Zur Anwendung der Übergangsbestimmung des § 262 Abs. 3 BSVG führte die belangte Behörde aus, dass die Voraussetzung des § 267 Abs. 5 BSVG vorliege. Zum Vorliegen der Voraussetzungen des § 262 Abs. 3 BSVG auch nach dem 25. August 2001 sei darauf hinzuweisen, dass diese Norm als Übergangs- und Ausnahmebestimmung "schon vom Grundsatz her restriktiv auszulegen" sei. Voraussetzung der Anwendung dieser Bestimmung sei, dass im wesentlichen Sachverhalt keine Änderung eintrete. Dabei sei gesetzlich normiert, dass der Bezug von Arbeitslosengeld nicht als Änderung des maßgeblichen Sachverhaltes gelte. Im gegenständlichen Fall hätte auch ab 25. August 2001 Arbeitslosengeld gebührt, wenn nicht die Leistungspflicht des Arbeitsmarktservice durch einen Auslandsaufenthalt vorübergehend weggefallen wäre (Ruhen der Leistung). Ein Krankenversicherungsschutz habe nach § 122 ASVG weiterhin bestanden. Die belangte Behörde sehe daher keine wesentliche Änderung des Sachverhaltes auch trotz der einschränkenden Betrachtung der Ausnahmebestimmung. Es gelte auch die Wertung des Gesetzgebers, Zeiten der Arbeitslosigkeit denen der unselbständigen Erwerbstätigkeit gleichzusetzen, "umzusetzen".
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde der Sozialversicherungsanstalt der Bauern. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und erklärt, von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand zu nehmen. Die beschwerdeführende Sozialversicherungsanstalt hat im Hinblick auf das mittlerweile ergangene Erkenntnis vom 19. März 2003, Zl. 2000/08/0217, eine Äußerung erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Es ist nicht strittig, dass der Mitbeteiligte einen land(forst)wirtschaftlichen Betrieb auf seine Rechnung und Gefahr führt und dass bei ihm an sich die Voraussetzungen für die Pflichtversicherung in der Krankenversicherung nach § 2 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 2 BSVG auf Grund der durch die 21. Novelle zum BSVG eingetretenen Gesetzesänderungen vorliegen. Strittig ist, ob der Mitbeteiligte auf Grund einer bestehenden Pflichtversicherung seiner Ehefrau in der Krankenversicherung nach dem ASVG auch über den 25. Juli 2001 hinaus (weiterhin) von der Krankenversicherung nach dem BSVG ausgenommen ist.
Die in diesem Zusammenhang maßgebende Bestimmung des § 5 Abs. 2 Z. 4 BSVG in der zuletzt in Geltung gestandenen, ab 1. Jänner 1998 geltenden Fassung lautete:
"(2) Von der Pflichtversicherung in der Krankenversicherung sind überdies ausgenommen:
...
4. der Ehegatte einer Person, die auf Grund anderer bundesgesetzlicher Vorschriften, ausgenommen die Bestimmungen des § 68 Kriegsopferversorgungsgesetz 1957 und des § 47 Heeresversorgungsgesetz, in der Krankenversicherung pflichtversichert ist oder Anspruch auf Kranken- oder Wochengeld hat, auch wenn dieser Anspruch ruht, oder die auf Rechnung eines Krankenversicherungsträgers nach anderer bundesgesetzlicher Vorschrift in Anstaltspflege steht. Hiebei kommt jedoch nur ein Ehegatte in Betracht, der nicht dem in § 78 Abs. 6 angeführten Personenkreis angehört."
Die 21. Novelle zum BSVG hat im Abschnitt I u.a. § 5 Abs. 2 Z. 4 BSVG mit Ablauf des 31. Dezember 1998 aufgehoben (§ 262 Abs. 2 Z. 2 BSVG). Die gleichzeitig mit der Aufhebung in Kraft getretene Übergangsbestimmung des § 262 Abs. 3 BSVG hiezu lautet:
"Personen, die am 31. Dezember 1998 gemäß § 5 Abs. 2 Z. 4 oder als Ehegatten gemäß § 5 Abs. 2 Z. 2 von der Krankenversicherung ausgenommen waren, bleiben ausgenommen, solange jener Sachverhalt unverändert bleibt, der für die Ausnahme von der Krankenversicherung am 31. Dezember 1997 maßgeblich war. Dabei gilt der Anfall einer Pension nach diesem Bundesgesetz bzw. der Bezug eines Arbeitslosengeldes nicht als Änderung des maßgeblichen Sachverhaltes."
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 19. März 2003, Zl. 2000/08/0217, ausgesprochen, dass der Grund für die Ausnahmebestimmung des § 5 Abs. 2 Z. 4 BSVG nicht das Bestehen einer Pflichtversicherung des anderen Ehepartners in der Krankenversicherung gewesen sei, sondern das Bestehen eines daraus abgeleiteten Leistungsanspruches für die (z.B. in der Landwirtschaft tätige) Ehefrau als "mitversicherte Angehörige". Dies ergebe sich nicht nur aus den Materialien zur Vorgängerbestimmung des § 3 Z. 6 B-KVG (784 Blg. NR X. GP, 45), sondern habe überdies jedenfalls in der zuletzt in Geltung gestandenen Fassung des § 5 Abs. 2 Z. 4 BSVG auch im Gesetz insoweit einen Ausdruck gefunden, als im letzten Satz der Gesetzesstelle klargestellt wurde, dass die Ausnahme nur für jene Ehepartner gelte, die tatsächlich als Angehörige leistungsberechtigt seien (wozu nicht der in § 78 Abs. 6 BSVG genannte Personenkreis gehöre). Mit der Anknüpfung an die Pflichtversicherung des Ehepartners in der Krankenversicherung meine der Gesetzgeber daher in Wahrheit die (in aller Regel ohnehin deckungsgleiche) Leistungsberechtigung aus der Krankenversicherung des Ehepartners, die auch allein geeignet sei, überhaupt eine Verbindung zwischen der Krankenversicherung des Ehemannes und der in der Landwirtschaft tätigen Ehefrau herzustellen, welche die Ausnahme aus der Pflichtversicherung der Letztgenannten sachlich zu rechtfertigen vermochte; auf die nähere Begründung dieses Erkenntnisses wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen.
Nach dem Sachverhalt des genannten Erkenntnisses vom 19. März 2003 bewirtschaftete die (damalige) Mitbeteiligte einen land(forst)wirtschaftlichen Betrieb auf eigene Rechnung und Gefahr. Ihr Ehemann, der in der Krankenversicherung nach dem ASVG pflichtversichert war, bezog bis Freitag, den 9. April 1999, Krankengeld. Nach dem Wochenende, also am darauf folgenden Montag, dem 12. April 1999, war er erneut nach dem ASVG pflichtversichert. Hiezu führte der Verwaltungsgerichtshof aus, dass auch während des Wochenendes gemäß § 122 Abs. 1 ASVG eine Leistungsberechtigung aus der Krankenversicherung des Ehemannes für die Mitbeteiligte bestanden habe. Eine für die Ausnahme aus der Pflichtversicherung maßgebliche Änderung des Sachverhaltes im Sinne des § 262 Abs. 3 BSVG sei daher nicht eingetreten. Der am 31. Dezember 1997 gegebene, die Ausnahme aus der Pflichtversicherung nach § 5 Abs. 2 Z. 4 BSVG begründende Sachverhalt liege daher so lange vor, als die Leistungsberechtigung aus der Krankenversicherung des Ehemannes andauere.
In seinem Erkenntnis vom 29. Juni 2005, Zl. 2001/08/0157, hat der Verwaltungsgerichtshof auch den Fortbestand einer Anspruchsberechtigung aus der Krankenversicherung nach § 122 Abs. 2 Z. 2 ASVG als ausreichend erachtet: Diese liegt vor, wenn die leistungsberechtigte Person innerhalb der letzten zwölf Monate vor dem Ausscheiden aus der durch eine Beschäftigung begründeten Pflichtversicherung mindestens 26 Wochen oder unmittelbar vorher mindestens 6 Wochen versichert war und zugleich nach dem Ausscheiden aus der Pflichtversicherung erwerbslos geworden ist und der Versicherungsfall während der Erwerbslosigkeit und binnen drei Wochen nach dem Ausscheiden aus der Pflichtversicherung eintritt. Unter Erwerbslosigkeit ist nach § 122 Abs. 4 ASVG auch eine Beschäftigung zu verstehen, bei welcher das Entgelt die Geringfügigkeitsgrenze nicht übersteigt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat dies in seinem Erkenntnis vom heutigen Tage, Zl. 2003/08/0072, auch auf einen Fall der Unterbrechung eines Bezuges von Arbeitslosengeld übertragen. Eine Änderung des maßgeblichen Sachverhalts im Sinne des § 262 Abs. 3 BSVG liegt daher - fallbezogen - so lange nicht vor, als die Leistungsberechtigung aus der Krankenversicherung der Ehefrau des Mitbeteiligten ohne Unterbrechung andauert.
Bezieher von Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe sind gemäß § 40 Abs. 1 AlVG jedoch nur "während des Leistungsbezuges" bei der Gebietskrankenkasse ihres Wohnortes krankenversichert. Für diese Versicherung gelten nach dem zweiten Satz der zitierten Gesetzesstelle
"die Vorschriften des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes über die gesetzliche Krankenversicherung für Pflichtversicherte, soweit sich nicht aus den folgenden Bestimmungen abweichendes ergibt".
Die Ehefrau des Mitbeteiligten war im Zeitraum vom 25. August bis 1. September 2001 nicht "Bezieher von Arbeitslosengeld" im Sinne des § 40 Abs. 1 AlVG, weil dieser Anspruch gemäß § 16 Abs. 1 lit. g AlVG infolge eines Auslandsaufenthaltes geruht hat. Sie unterlag daher in diesem Zeitraum nicht der Pflichtversicherung in der Krankenversicherung im Sinne des § 40 AlVG. Eine Fortsetzung der Anspruchsberechtigung für einen bestimmten Zeitraum, wie er seit der Novelle BGBl. I Nr. 77/2004 in § 40 Abs. 3 AlVG normiert ist, war im hier zu beurteilenden Zeitraum im Gesetz noch nicht vorgesehen.
Die belangte Behörde hat auch im vorliegenden Fall eine unveränderte Fortdauer des Krankenversicherungsschutzes während der Unterbrechung des Bezuges von Arbeitslosengeld "nach § 122 ASVG" angenommen. Abgesehen davon, dass die belangte Behörde dazu zumindest Feststellungen über das Vorliegen der in dieser Gesetzesstelle genannten Anspruchsvoraussetzungen einer Mindestdauer der Versicherung zu treffen gehabt hätte, übersieht sie, dass § 122 Abs. 4 zweiter Satz ASVG anordnet, dass Leistungen nach Abs. 2 Z. 2 u.a. dann nicht gewährt werden, wenn sich die betreffende Person ins Ausland begibt, es sei denn, es handelt sich um ein Land, für welches in der VO (EWG) 1408/71 oder in einem besonderen zwischenstaatlichen Sozialversicherungsabkommen anderes gesagt wird (so das Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2003/08/0072 mwH). Ob letzteres der Fall ist, lässt sich den vorgelegten Verwaltungsakten aber nicht entnehmen.
Da diesbezügliche Feststellungen unterblieben sind, weil die belangte Behörde die Rechtslage verkannt hat, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes; dieser war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 14. September 2005
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2005:2003080109.X00Im RIS seit
20.10.2005