Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Andrea K***, ohne Beschäftigung, 8240 Friedberg bei Ehrensachsen, vertreten durch Dr. Walter Leeb, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei I*** U***- UND S*** Aktiengesellschaft,
Wien 1., Tegetthoffstraße 7, vertreten durch Dr. Hans Litschauer, Rechtsanwalt in Wien, wegen 312.070 S sA und Feststellung (342.070 S), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 12. Juni 1987, GZ 16 R 93/87-19, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 16. Februar 1987, GZ 53 Cg 739/86-15, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Klägerin ist schuldig, der Beklagten die mit 11.901,45 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 1.081,95 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Am 30. Juni 1977 ereignete sich auf der Bundesstraße 54 im Gemeindegebiet von Schlag bei Thalberg ein Verkehrsunfall, den Johann H*** als Lenker des bei der Beklagten haftpflichtversicherten PKW St 84.781 verschuldete. Die Klägerin wurde als Insassin des PKW verletzt.
Mit ihrer am 27. Juni 1986 beim Erstgericht eingelangten Klage machte die Klägerin wider die Beklagte Schadenersatzansprüche aus diesem Unfall geltend. Sie begehrte an Schmerzengeld sowie aus anderen Rechtsgründen insgesamt 312.070 S sA sowie die Feststellung, daß ihr die Beklagte für alle künftigen Schäden aus dem Unfall zu haften habe.
Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wandte unter anderem ein, daß der geltend gemachte Anspruch verjährt sei.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es ging im wesentlichen von nachstehendem Sachverhalt aus:
Nach dem Unfall beauftragte die Mutter der am 26. August 1961 geborenen, 1977 somit noch minderjährigen, Klägerin Rechtsanwalt Dr. C*** mit der Wahrnehmung der Interessen der Klägerin gegenüber der Beklagten. Dr. C*** setzte sich ohne Verzug mit der Beklagten in Verbindung. Die ziffernmäßige Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen erfolgte zunächst nicht; ebenso wurde zunächst kein Feststellungsanspruch geltend gemacht. Die Beklagte stellte ihre Haftung für die Unfallfolgen dem Grund nach nicht in Abrede, über die Höhe des Anspruches der Klägerin konnte jedoch trotz Einholung mehrerer Gutachten und reger Korrespondenz kein Einvernehmen erzielt werden. Erschwert wurde eine außergerichtliche Bereinigung des Schadensfalles insbesonders durch die Mutter der Klägerin, die sich als schwierige Verhandlungspartnerin erwies. Mit dem Schreiben vom 23. Mai 1980 gab Dr. C*** schließlich die Forderungen der Klägerin mit 100.000 S an Schmerzengeld bekannt und kündigte an, daß er im übrigen eine Feststellungsklage bei Gericht einbringen werde. In dem Bestreben, doch noch eine gütliche Einigung zu erreichen, vereinbarte Dr. C*** schließlich mit der Schadensreferentin der Beklagten Dr. F***, daß die Beklagte auf die Einrede der Verjährung bis zur Volljährigkeit der Klägerin verzichte, wobei dieser Verzicht noch eine angemessene Frist über diesen Zeitpunkt hinaus wirksam bleiben sollte, um der Klägerin eine von ihrer Mutter unbeeinflußte Beurteilung ihrer Ansprüche zu ermöglichen. In der Folge wurde die Dr. C*** erteilte Vollmacht widerrufen. Nunmehr schaltete die Klägerin den Verein für Vorsorge und Hilfe in Schadensfällen (VVS) ein. Mit Schreiben vom 2. Juli 1982 machte dieser unter Berufung auf seine Rechtsstellung als Zessionar Ansprüche in Höhe eines Vielfaches des zuletzt von Dr. C*** begehrten Betrages geltend und forderte die Beklagte auf, der von ihm beauftragten Firma O*** Schaden- und Versicherungsberatungs GesmbH schriftlich bekannt zu geben, wie weit sie diese Ansprüche anerkenne. Am 28. Juli 1982 drohte die Firma O*** der Beklagten die Klageführung für den Fall an, daß auf das Schreiben des VVS vom 2. Juli 1982 nicht binnen 10 Tagen eine Reaktion erfolge. Daraufhin lehnte die Beklagte die geltend gemachten Ansprüche unter Hinweis auf die Ergebnisse des Begutachtungsverfahrens ab. In einem weiteren, spätestens am 19. Juli 1983 bei der Firma O*** eingelangten Schreiben, erklärte sich die Beklagte sodann bereit, die Ansprüche der Klägerin mit der Globalsumme von 30.000 S abzufinden und teilte unter einem mit, daß sie sich an dieses Anbot vier Wochen gebunden erachte. Sollte es nicht innerhalb der Frist angenommen werden, betrachte sie die Vergleichsverhandlungen als gescheitert und lehnte den Schadenersatzanspruch der Klägerin ab. Das Anbot der Beklagten wurde nicht angenommen. Die Klägerin, der VVS und die Firma O*** blieben vielmehr zunächst gänzlich untätig. Erst mit dem an die Beklagte gerichteten Schreiben vom 16. Juli 1985 stellte die Firma O*** sodann, auch unter Bezugnahme auf das Anbot aus 1983, weitere, noch höhere Ansprüche, wobei sie den Standpunkt einnahm, diese seien nicht verjährt. Die Beklagte berief sich auf Verjährung und lehnte es schließlich mit Schreiben vom 26. August 1985 ab, Rechtsfragen zu erörtern. Zu weiteren Verhandlungen kam es sodann bis zur Klageeinbringung am 27. Juni 1986 nicht.
Rechtlich war das Erstgericht der Ansicht, daß der Klageanspruch verjährt sei. Dies selbst dann, wenn man von den für die Klägerin günstigsten Prämissen ausgehen wollte.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge. Es teilte die Rechtsauffassung des Erstgerichtes und verwies darauf, daß aufgrund der getroffenen Feststellungen die Verjährung nur solange nicht geltend gemacht werden sollte, bis die Klägerin volljährig war und ihr ein angemessener Zeitraum zur selbständigen Beurteilung ihrer Ansprüche zur Verfügung stand. Demnach habe aber die Bindung der Beklagten an den von ihr abgegebenen Verzicht auch bei großzügiger Auslegung des Begriffes "angemessen" längstens Ende 1980 geendet, und zwar nach den Feststellungen von selbst, ohne daß es eines Widerrufes des Verzichtes bedurft hätte. Da die Beklagte aber erst im Jahr 1982 weiterverhandelte, habe dies die Verjährung nicht mehr hemmen können, weil diese bereits abgelaufen gewesen sei. Gegen die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich die Revision der Klägerin aus dem Anfechtungsgrund des § 503 Abs 1 Z 4 ZPO mit dem Antrag, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt in der Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Die Klägerin vertritt die Auffassung, daß das Schreiben der Beklagten vom 15. Juli 1983 "einen neuen Rechtsgrund geschaffen habe", weshalb die Ansicht des Berufungsgerichtes, daß die Bindung der Beklagten an den abgegebenen Verzicht Ende 1980 geendet habe, nicht relevant sei.
Diesen Ausführungen ist vorerst zu erwidern, daß zwar nach herrschender Lehre und Rechtsprechung der Gläubiger, der vom Schuldner trotz Verjährungsverzichtes erhobenen Verjährungseinrede die Replik der Arglist, des Handelns wider Treu und Glauben entgegensetzen kann (vgl. Ehrenzweig2 I/1, 338; Klang2 VI zu § 1478 ABGB 604; Wussow, Das Unfallhaftpflichtrecht11 1315, 705; DREvBl 1942/98, 65; SZ 28/149; ZVR 1969/89, 74; SZ 40/100, EvBl 1971/20; 44; ZVR 1972/158, 305; SZ 47/17 ua); hat aber der Verzicht nur dahin gelautet, daß die Beklagte die Einrede der Verjährung bloß bis zur Volljährigkeit der Klägerin bzw. eine noch angemessene Frist darüber hinaus nicht erheben würde, kann der später eingebrachten Klage die Einrede der Verjährung wieder entgegengesetzt werden, ohne daß dem Gläubiger noch die Replik des arglistigen Handelns zur Verfügung stünde (vgl. auch 8 Ob 14/84 ua). Das Berufungsgericht hat diese Grundsätzte zutreffend seiner Entscheidung zugrundegelegt und mit Recht darauf verwiesen, daß die Klägerin am 26. August 1980 großjährig wurde und die angemessene Frist darüber hinaus jedenfalls mit dem Ende des Jahres 1980 abgelaufen war.
Gemäß § 63 Abs 2 KFG (vgl. nunmehr § 23 Abs 2 KHVG 1987) war die Verjährung der Ansprüche der Klägerin ab der mit dem Schreiben vom 23. Mai 1980 erfolgten Anmeldung der Schadenersatzforderung nur bis zur Zustellung der schriftlichen Erklärung der Beklagten darüber, daß sie den Schadenersatzanspruch ablehnt, gehemmt. Die Fortlaufshemmung hat die Wirkung, daß der Zeitraum, während dessen die Verjährung gehemmt ist, in die Verjährungsfrist nicht eingerechnet wird (ZVR 1976/291 ua). Sie begann somit ab der Ablehnung der Schadenersatzforderung durch die Beklagte wieder weiter zu laufen. Die Vorinstanzen haben diesbezüglich zwar lediglich die Feststellung getroffen, daß die Beklagte auf das Schreiben der Firma O*** vom 28. Juli 1982 schriftlich diese Ablehnung erklärte; wann dies war, mit welchem Schreiben und mit welchem Wortlaut, wurde nicht festgestellt. Aus dem Schreiben vom 3. November 1982 (Beilage 16) ist eine solche Ablehnung nicht ersichtlich, jedenfalls aber aus dem Schreiben vom 15. Juli 1983 (Beilage 3), in welchem ausdrücklich für den Fall des Scheiterns der Vergleichsverhandlungen der Schadenersatzanspruch der Klägerin abgelehnt wurde.
Um der Verjährung vorzubeugen, wäre die Klägerin daher gehalten gewesen, unverzüglich die Klage zu erheben, weil bereits bis zur ziffernmäßigen Geltendmachung ihres Schadenersatzanspruches (vgl. ZVR 1975/141) mit Schreiben vom 23. Mai 1980 der Großteil der dreijährigen Verjährungsfrist gemäß § 1489 ABGB abgelaufen war (Unfallstag 30. Juni 1977). Da die Klägerin die Klage aber erst am 27. Juni 1986 bei Gericht einbrachte, haben die Vorinstanzen zutreffend den Verjährungseinwand der Beklagten als berechtigt erachtet und das Klagebegehren im Sinne der diesbezüglichen Einwendung der Beklagten abgewiesen.
Soweit die Klägerin schließlich vermeint, aus dem Schreiben der Beklagten vom 15. Juli 1983 (Beilage 3) ein Anerkenntnis entnehmen zu können, ist sie darauf zu verweisen, daß schon aus dem Wortlaut desselben die vergleichsweise Zusage "ohne Präjudiz für den Zivilrechtsstreit" erfolgte und daher jeglichen endgültigen Charakters entbehrte. Unter einem Vergleichsanbot ist ein Anbot zu verstehen, man werde selbst nachgeben, wenn auch der andere Teil nachgibt. Nimmt dieser das Vergleichsanbot aber nicht an, dann kann dieses nicht als Anerkenntnis angesehen werden, weil es nur für den Fall, daß auch der andere Teil nachgibt, erfolgte (6 Ob 691/82 ua). Davon, daß die Beklagte damit einen neuen Rechtsgrund für ihre Leistungsverpflichtung gesetzt und eine neue Verjährungsfrist begonnen hätte, kann daher nicht die Rede sein.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.
Anmerkung
E12636European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1987:0080OB00068.87.1105.000Dokumentnummer
JJT_19871105_OGH0002_0080OB00068_8700000_000