Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) Wolfgang R***, Kaufmann, 2.) Gisela R***, Angestellte, beide
Margaretenstraße 144, 1050 Wien, vertreten durch Gerhard V***, Immobilienverwalter, Garelligasse 3, 1090 Wien, dieser vertreten durch Dr. Peter Knirsch, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Verlassenschaft nach Alexander D***, zuletzt Margaretenstraße 144, 1050 Wien, vertreten durch Dr. Ingrid Ruckenbauer, Rechtsanwalt in Wien, als Verlassenschaftskurator, sowie den Nebenintervenienten auf seiten der beklagten Partei Peter C***, Koch, Margaretenstraße 144, 1050 Wien, dieser vertreten durch Dr. Romeo Nowak, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufkündigung, infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 16. Juni 1987, GZ 48 R 182,183/87-16, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 3. März 1987, GZ 43 C 380/86 d-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben; die Rechtssache wird zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Das Erstgericht hob mit seiner Entscheidung Punkt 1 die Aufkündigung vom 12. Mai 1986 auf und wies im Punkt 2 des Urteilsspruchs das Begehren der Kläger auf geräumte Übergabe der Wohnung top. Nr. 5 im Hause 1050 Wien, Margaretenstraße 144, ab. Es ging dabei davon aus, daß die Kläger durch die Einbringung einer weiteren Aufkündigung gegen den Nebenintervenienten, der im vorliegenden Verfahren als Eintrittswerber auftrat, diesen schlüssig als Hauptmieter anerkannt hätten.
Das Berufungsgericht bestätigte die erstgerichtliche Entscheidung. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 60.000,--, nicht aber S 300.000,-- übersteigt und erkannte die Revision für zulässig. Bei Lösung der Rechtsfrage komme es im vorliegenden Fall entscheidend darauf an, welchen Erklärungsinhalt die unstrittige Tatsache der Einbringung, genauer der Zustellung einer Aufkündigung gegen den sich kurz zuvor gegenüber den Klägern als eintrittsberechtigt bezeichnenden Eintrittswerber hinsichtlich seiner Mietereigenschaft habe. Im konkreten Fall sei das Eintrittsrecht des Nebenintervenienten in der Verhandlung vom 8. September 1986 sowohl von der Beklagten als auch vom Nebenintervenienten behauptet worden. Am 17. November 1986 sei dem Nebenintervenienten die am 7. November 1986 eingebrachte Aufkündigung 43 K 261/86 zugestellt worden. In dieser hätten die Kläger erklärt, dem dort beklagten Nebenintervenienten den Mietvertrag über die Wohnung aufzukündigen. Als Kündigungsgründe hätten sie sinngemäß angeführt, daß der Mieter die vermietete Wohnung nicht zur Befriedigung seines dringenden Wohnbedürfnisses regelmäßig verwendet, vom Mietgegenstand einen erheblichen Gebrauch mache, durch sein rücksichtsloses, anstößiges und grob ungehöriges Verhalten den Mitbewohnern das Zusammenleben verleide und trotz Mahnung mit der Bezahlung des Mietzinses im Rückstand sei. Maßgeblich sei der objektive Erklärungswert, der einem bestimmten Verhalten unzweifelhaft zu entnehmen sei. Hier liege das zu beurteilende Verhalten in der dem Nebenintervenienten zugegangenen Erklärung, ihm das Mietverhältnis über die gegenständliche Wohnung aufzukündigen. Für die Beurteilung der Konkludenz von Handlungen der rechtsfreundlich vertretenen Kläger sei davon auszugehen, daß eine Aufkündigung das Bestehen eines Bestandverhältnisses voraussetze. Eine Kündigung, in der nur vorsichtsweise ein Bestandverhältnis behauptet wird, oder die nur zur Vorsicht trotz der Verneinung eines Bestandverhältnisses eingebracht wird, sei von vornherein zum Scheitern verurteilt. Von einer rechtlich versierten kündigenden Partei - von einer solchen sei hier auszugehen - könne nicht erwartet werden, daß sie eine solche sich selbst widersprechende Aufkündigung einbringt. Der Nebenintervenient, der zuvor sein Eintrittsrecht geltend machte, habe aus der zugestellten vorbehaltslosen Aufkündigung keineswegs schließen müssen oder dürfen, daß die Kläger ihm gegenüber eine widersprüchliche und damit sinnlose Erklärung zukommen ließen. Dies zumal aus der Erklärung selbst eine derartige Widersprüchlichkeit nicht zu erkennen war. Der Nebenintervenient habe im Zeitpunkt des Zuganges der Kündigungserklärung aus ihr nur ableiten können, daß die Kläger nunmehr auch seine und der Verlassenschaft Rechtsansicht teilten und damit seinen Eintritt in das Mietverhältnis im Zeitpunkt des Todes des Hauptmieters anerkannten.
Gegen die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich die Revision der Kläger aus dem Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das erstgerichtliche Urteil dahin abzuändern, daß dem Klagebegehren stattgegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Die Beklagte und ihr Nebenintervenient beantragen in den Revisionsbeantwortungen, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist berechtigt.
Die Kläger stellen sich in der Revision zutreffend auf den Standpunkt, daß die Vorinstanzen der Einbringung der zweiten Aufkündigung gegen Peter C*** einen über jenes Verfahren hinausgehenden Erklärungswert auch für das Verfahren gegen die Verlassenschaft nach Alexander D*** zuerkannt haben:
Schon im gegen die Verlassenschaft angestrebten Verfahren haben die Kläger nicht nur den Kündigungsgrund nach § 30 Abs 2 Z 5 MRG geltend gemacht, sondern sich auch auf andere Kündigungsgründe wie § 30 Abs 2 Z 1 und 6 MRG berufen. Dies hat aber nur zur Folge, daß über die Frage der Rechtsnachfolge einer eintrittsberechtigten Person zunächst abgesprochen werden muß. Denn entweder liegt keine Sonderrechtsnachfolge im Sinne des § 14 Abs 2 und Abs 3 MRG vor - dann ist die gegen die Verlassenschaft des verstorbenen Mieters gerichtete Aufkündigung als wirksam zu erkennen, ohne daß es eines Eingehens auf die weiteren Kündigungsgründe bedürfte - oder es liegt eine solche Sonderrechtsnachfolge vor - dann sind nicht nur die Voraussetzungen des Kündigungsgrundes nach § 30 Abs 2 Z 5 MRG nicht gegeben, sondern dann ist auch die Verlassenschaft des verstorbenen Mieters in Ansehung der übrigen KÜndigungsgründe nicht passiv klagslegitimiert (8 Ob 504/86 ua).
Die Frage der Sonderrechtsnachfolge kann aber nicht damit gelöst werden, daß den Klägern unterstellt wird, mit der Einbringung der zweiten Aufkündigung eindeutig zum Ausdruck gebracht zu haben, daß sie nunmehr die Eintrittsberechtigung des Peter C*** vorbehaltslos anerkannt hätten. Dies könnte höchstens ein Indiz für die Beurteilung dieser Frage im gegen die Verlassenschaft selbst anhängigen Verfahren bilden; ebensowenig wie den Klägern nämlich verwehrt werden könnte, zwei einander ausschließende Klagegründe in einem Verfahren geltend zu machen, kann ihnen die Berechtigung abgesprochen werden, in zwei verschiedenen Prozessen einander ausschließende Standpunkte einzunehmen. Deren Richtigkeit hat sich erst in den betreffenden Verfahren selbst zu erweisen. Im konkreten Fall haben die Kläger einerseits mit der Einbringung der Aufkündigung gegen den eintrittsberechtigten Beklagten zwar diesem gegenüber den Standpunkt eingenommen, daß bereits ein Bestandverhältnis mit ihm besteht (MietSlg. 30.774, 31.747, 35.819, 37.787 ua); sie haben aber andererseits auch die Aufkündigung gegen die Verlassenschaft nach § 30 Abs 2 Z 5 MRG aufrecht erhalten und damit die Eintrittsberechtigung desselben in Abrede gestellt. Gerade aus letzterer Tatsache verbietet sich aber der von den Vorinstanzen gezogene Schluß, weil den Klägern das Interesse zugebilligt werden muß, allenfalls bereits im gegen die Verlassenschaft angestrebten Verfahren mit ihrem primären Standpunkt der mangelnden Eintrittsberechtigung von Peter C*** durchzudringen und erst für den Fall des Verlustes des gegen die Verlassenschaft angestrebten Verfahrens mit ihren gegen den Eintrittsberechtigten geltend gemachten Kündigungsgründen zum Erfolg zu kommen. Ein objektiv dahin zu verstehender Erklärungswert des von den Klägern im zweiten Verfahren angenommenen Standpunktes, daß damit auch im ersteren Verfahren die Eintrittsberechtigung Peter C***'s zugestanden bzw. anerkannt worden wäre, kann daher nicht als gegeben erachtet werden.
Dies hat aber zur Folge, daß im vorliegenden Verfahren zunächst - wie bereits unter Zitierung der zu 8 Ob 504/86 dargestellten Grundsätze ausgeführt wurde - aufgrund der dazu angebotenen Beweise die Sonderrechtsnachfolge Peter C***'s zu beurteilen sein wird. Eine schlüssige Anerkennung derselben durch nachfolgende Aufkündigung des Eintrittberechtigten selbst kommt aus den dargelegten Gründen hier nicht in Betracht. Die Entscheidungen der Vorinstanzen waren daher aufzuheben und wie im Spruch zu erkennen.
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.
Anmerkung
E12615European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1987:0080OB00629.87.1105.000Dokumentnummer
JJT_19871105_OGH0002_0080OB00629_8700000_000