Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 5.November 1987 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Felzmann, Dr. Brustbauer und Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Levnaic-Iwanski als Schriftführers in der Strafsache gegen Rudolf S*** wegen des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs. 1 StGB. über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Schöffengerichts vom 26.August 1987, GZ. 14 Vr 3105/86-20, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Mit seiner Berufung wird der Angeklagte darauf verwiesen.
Text
Gründe:
Der am 10.Oktober 1946 geborene Rudolf S*** wurde des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs. 1 StGB schuldig erkannt. Darnach hat er zwischen 13.Jänner 1978 und 13. September 1985 in Oberdrauburg als Amtsleiter und Standesbeamter der Marktgemeinde Oberdrauburg mit dem Vorsatz, den Staat an seinem Recht auf ordnungsgemäße Vergebührung von Aufgebotsverhandlungsniederschriften zu schädigen, seine Befugnis, im Namen der Gemeinde als deren Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, dadurch wissentlich mißbraucht, daß er in 36 Fällen von Parteien für Verwaltungsabgaben und Stempelgebühren entrichtete Beträge in der Gesamthöhe von 7.092 S (davon 6.312 S Verwaltungsabgaben und 780 S Stempelgebühren) entgegennahm, die jeweiligen Beträge jedoch nicht in Form von Verwaltungsabgabemarken und Stempelmarken an die Gemeindekasse abführte, sondern für sich verbrauchte.
Rechtliche Beurteilung
Die auf § 281 Abs. 1 Z. 5 und 10 StPO. gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist aus dem erstgenannten Grund berechtigt:
Nach der Verantwortung des Beschwerdeführers hat dieser bestritten, die vereinnahmten Geldbeträge, deren Eingang er auf einem Vordruck bestätigt hatte, für sich verwendet zu haben (S. 61). Demgegenüber hat das Erstgericht hiezu festgestellt, der Angeklagte hätte die Gewohnheit gehabt, von den Parteien das Geld für Stempelmarken und Verwaltungsabgabemarken zu kassieren, dieses in einem Kuvert aufzubewahren und die vorgeschriebenen Abgaben erst nach erfolgter Eheschließung - teilweise - mittels Stempel marken und Verwaltungsabgabemarken in den Akten zu entrichten. Die nicht für Stempelmarken und Verwaltungsabgabemarken von ihm verwendeten, von den Parteien entgegengenommenen Beträge habe er für sich verbraucht (S. 103 f.). Seine Verantwortung, die von ihm berechneten Beträge zwar von den Parteien kassiert, sie jedoch dann in losen Kuverts in den Akten verwahrt zu haben, wobei er die Möglichkeit nicht ausgeschlossen hätte, daß die Beträge von anderen Personen entwendet worden wären, erachtete das Schöffengericht beweiswürdigend als eindeutig widerlegt; es sei auszuschließen, daß andere Gemeindebedienstete diese Gelder an sich genommen hätten (Seite 167 verso).
Für letztere Annahme läßt das Urteil - wie in der Mängelrüge zutreffend dargetan wird - eine Begründung vermissen, die schon deshalb erforderlich gewesen wäre, weil die Aussagen der Zeugen Johann P*** (S. 86-88) und Irmgard Z*** (S. 88) Hinweise dafür bieten, daß (anläßlich einer Kontrolle im Jahr 1983) neben lose dem Akt beigelegten Stempelmarken auch Bargeld in einem Kuvert vorgefunden wurde.
Damit aber haftet dem Ersturteil ein für die Lösung der Schuldfrage entscheidender Begründungsmangel an, der die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung und eine gänzliche Verfahrenserneuerung unvermeidbar erscheinen läßt. Es war der Nichtigkeitsbeschwerde daher aus diesem Grunde gemäß § 285 e StPO. in nichtöffentlicher Beratung Folge zu geben, ohne daß auf die weiteren Beschwerdeeinwände eingegangen werden mußte.
Im Hinblick auf die dem Obersten Gerichtshof nach § 293 Abs. 2 StPO. zukommende Funktion, die unnötigen weiteren Rechtsgängen vorbeugen soll, sei allerdings hinzugefügt, daß auf der Grundlage einer anklagekonformen Sachverhaltsfeststellung die Beamteneigenschaft des Täters und seine Befugnis, im Namen einer Gemeinde als deren Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, nach bisheriger Rechtsprechung nicht zu bezweifeln sind (9 Os 117/77, 11 Os 1/84).
Anmerkung
E12213European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1987:0130OS00151.87.1105.000Dokumentnummer
JJT_19871105_OGH0002_0130OS00151_8700000_000