Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Klinger und Dr. Angst als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1) Manfred W***, Drogerie und Reformhaus KG, und 2) Manfred W***, Kaufmann, beide Linz, Stockhofstraße 8, beide vertreten durch Dr. Helmut Werthner, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagte Partei Ö*** A***, Wien 9, Spitalgasse 31, vertreten durch
Dr. Johannes Hintermayr und Dr. Michael Krüger, Rechtsanwälte in Linz, wegen Unzulässigkeit einer Exekution iSd § 36 EO, infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 29. Mai 1987, GZ 5 R 13/87-12, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 28. Oktober 1986, GZ 7 Cg 364/85-9, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagenden Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit S 13.091,60 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 1.190,15 Umsatzsteuer) zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit einstweiliger Verfügung des Landesgerichtes Linz vom 5. August 1985, 7 Cg 209/85-3, wurde den klagenden Parteien aufgetragen, es sofort zu unterlassen, rechtswidrig Arzneimittel, deren Abgabe Apotheken vorbehalten ist, insbesondere die Teemischung "Kräutertee 73, Original Pfarrer Weidinger's Kräutertee zur Gesunderhaltung der Hüftnerven", in der Art eines solchen Arzneimittels an Letztverbraucher abzugeben.
Die beklagte Partei behauptete als betreibende Partei in einem Exekutionsantrag, die klagenden Parteien als verpflichtete Parteien hätten am 5. Oktober 1985 durch Verkauf von 1) Weidinger Tee Nr. 25 für Kreislaufstörungen (laut Außerstreitstellung S 45 richtig:
"Original Pfarrer Weidinger's Kräutertee Nr. 25, Kräutertee zur Gesunderhaltung des Kreislaufes"), 2) Twardy-Ginseng-Kapseln und
3) Bio-Neuner-Rheuma-Tee gegen die einstweilige Verfügung verstoßen. Mit Beschluß vom 24. Oktober 1985, 7 Cg 209/85-8 bewilligte das Landesgericht Linz die Exekution gemäß § 355 EO (nebst Fahrnisexekution für die Exekutionskosten), welche beim Bezirksgericht Linz als Exekutionsgericht zu 13 E 7036/85 vollzogen wurde.
In ihrer Impugnationsklage machen die klagenden Parteien geltend, diese drei Stoffe seien kein Arzneimittel, fielen nicht unter den Apothekenvorbehalt und seien zu 2 und 3 auch wegen fehlender Ähnlichkeit zu der im Titel beispielsweise angeführten Ware nicht vom Verbot erfaßt.
Mit dem Schriftsatz ON 6 machten die klagenden Parteien geltend, die beklagte Partei habe im erwähnten Exekutionsverfahren wegen eines behaupteten weiteren Verstoßes am 20. Jänner 1986, nämlich des Verkaufes einer Packung "Granufink Granulat", eine zweite Beugestrafe erwirkt, weshalb die in der Impugnationsklage gestellten Anträge wiederholt würden.
Das Erstgericht gab der Impugnationsklage statt, ohne auf den in ON 6 geltend gemachten weiteren Verstoß einzugehen. Das Berufungsgericht änderte das Urteil des Erstgerichtes im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens ab und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 300.000,-- übersteige. Auch das Berufungsgericht, bei dem die Nichtberücksichtigung der im Schriftsatz ON 6 vielleicht enthaltenen Klagsausdehnung von keiner Partei gerügt worden war, befaßte sich nicht mit der angeblich am 20. Jänner 1986 verkauften Packung "Granufink Granulat". Beide Vorinstanzen gingen davon aus, daß die in der Impugnationsklage genannten Stoffe 1 bis 3 Arzneimittel im Sinne des § 1 Abs 1 Arzneimittelgesetz und Arzneispezialitäten im Sinne des § 1 Abs 5 Arzneimittelgesetz seien. Das Erstgericht vertrat jedoch die Ansicht, daß mangels bisher erfolgter Zulassung der drei strittigen Arzneimittel diese auch in Apotheken nicht abgegeben werden dürften, weshalb der im Exekutionstitel enthaltene Apothekenvorbehalt nicht zum Tragen komme. Das Berufungsgericht war hingegen der Auffassung, die einstweilige Verfügung sei so zu verstehen, daß den klagenden Parteien unabhängig von einer schon erfolgten Zulassung die Abgabe aller Arzneimittel untersagt sei, die ihnen nicht im Sinne des § 59 Abs 3 Arzneimittelgesetz offenstehe. Das Berufungsgericht wies vor allem auch darauf hin, daß das im Exekutionstitel beispielhaft angeführte Arzneimittel ebenfalls keine zugelassene Arzneispezialität sei.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der klagenden Parteien ist nicht berechtigt. Im Revisionsverfahren herrscht kein Streit mehr darüber, daß es sich bei den strittigen Stoffen um Arzneimittel handelt, so daß ein Hinweis auf Entscheidungen wie EvBl 1986/100 (für Teegemische der vorliegenden Art oben 1 und 3) oder ÖBl 1969, 131 (für Ginseng-Präparate oben 2) genügt. Die Revision führt auch gegen die zutreffende Ansicht des Berufungsgerichtes nichts aus, daß es sich um apothekenpflichtige Arzneimittel handelt (vgl. etwa zum sogenannten Apothekenvorbehalt nach der ersten, zweiten und dritten Abgrenzungsverordnung Entscheidungen wie ÖBl 1986, 18). Schließlich steht auch fest, daß die strittigen Arzneimittel im voraus stets in gleicher Zusammensetzung hergestellt und unter der gleichen Bezeichnung in einer zur Abgabe an den Verbraucher oder Anwender bestimmten Form in Verkehr gebracht werden, so daß Arzneispezialitäten im Sinne des § 1 Abs 5, nicht aber apothekeneigene Arzneispezialitäten im Sinne des § 1 Abs 6 Arzneimittelgesetz vorliegen.
Mit Recht geht das Berufungsgericht davon aus, daß sich der Exekutionstitel auch auf Arzneispezialitäten im Sinne des § 1 Abs 5 ArzneimittelG erstreckt, die bisher nicht im Sinne des § 11 Abs 1 ArzneimittelG zugelassen sind. Zwar dürften solche nicht zugelassenen Arzneispezialitäten derzeit auch von Apotheken nicht verkauft werden. Für den Fall einer in der Zukunft stattfindenden Zulassung steht aber schon jetzt fest, daß ein Verkauf nur in Apotheken erlaubt ist. Wie der Oberste Gerichtshof kürzlich in der Entscheidung 4 Ob 389/86 hervorgehoben hat, fehlt es an Anhaltspunkten dafür, daß eine Apotheke für den Fall einer entsprechenden Antragstellung keine Zulassung zur Herstellung derartiger Arzneispezialitäten erhalten würde. Im übrigen ist das Gericht im Exekutionsverfahren an den Inhalt des Exekutionstitels gebunden. Ob der jetzt beklagten Partei im Titelverfahren vielleicht die Legitimation gefehlt hat, die Unterlassung des Verkaufes der drei strittigen Präparate zu begehren, kann mit einer Impugnationsklage nicht überprüft werden. Das der Exekutionstitel aber eine bisher ebenfalls nicht zugelassene Arzneispezialität ausdrücklich als vom Verbot erfaßtes Beispiel anführt, stellt auch der Verkauf von nicht zugelassenen Arzneispezialitäten einen Verstoß gegen den Exekutionstitel dar. Es trifft zwar zu, daß ein Exekutionstitel streng nach seinem Wortlaut und im Zweifel zu Lasten der betreibenden Partei auszulegen ist. Im vorliegenden Fall wurde aber durch das im Exekutionstitel angeführte Beispiel unmißverständlich zum Ausdruck gebracht, daß die jetzigen klagenden Parteien auch den Verkauf von nicht zugelassenen Arzneispezialitäten zu unterlassen haben.
Unberechtigt ist auch der Einwand der klagenden Parteien, die jetzt strittigen Arzneimittel seien keine solchen "in der Art" des im Exekutionstitel angeführten; die nötige Vergleichbarkeit bestehe nur bei Weidingers Kräutertee Nr. 25 (oben 1), hingegen sei der Bio-Neuner-Rheuma-Tee (oben 3) kein Weidingers Kräutertee und die Ginseng Kapseln (oben 2) seien weder von Pfarrer Weidinger noch handle es sich um einen Kräutertee. Die Betonung der einstweiligen Verfügung liegt aber darauf, daß die Abgabe aller apothekenpflichtigen Arzneimittel verboten wird. Die Anführung eines Kräutertees einer bestimmten Herkunft erfolgte nur beispielhaft, beschränkte aber den Inhalt der einstweiligen Verfügung weder auf Kräutertees überhaupt noch auf Kräutertees von Pfarrer Weidinger. Der beispielhafte Zusatz war nicht etwa inhaltslos, sondern er verdeutlichte, daß selbst Kräutertees unter das Verbot fielen, wenn sie im Sinne des § 1 Abs 1 ArzneimittelG nach Art und Form eines Arzneimittels in den Verkehr gebracht würden und dann als vom Arzneimittelbegriff nicht umfaßte Verzehrprodukte oder Lebensmittel gelten (vgl. dazu EvBl 1986/100). Die Verwendung der Einzahl ("in der Art eines solchen Arzneimittels ..... ") statt der gleichfalls möglichen Mehrzahl ergibt keinen eingeschränkteren Sinn. Ein näheres Eingehen auf das Präparat "Granufink Granulat" ist nicht erforderlich, weil beide Parteien die Nichterledigung der oben erwähnten etwaigen Klagsausdehnung im Berufungsverfahren nicht gerügt haben. Ein in zweiter Instanz diesbezüglich nicht gerügter Verfahrensmangel kann in dritter Instanz nicht mehr geltend gemacht werden. Die Verfahrenslage stellt sich damit so dar, als hätten die klagenden Parteien nur gegen den Exekutionsbewilligungsbeschluß, nicht aber auch schon gegen den weiteren Vollzugsbeschluß eine Impugnationsklage erhoben.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 41, 46 Abs 2 und 50 ZPO.
Anmerkung
E12549European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1987:0030OB00100.87.1111.000Dokumentnummer
JJT_19871111_OGH0002_0030OB00100_8700000_000