Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Klinger und Dr. Angst als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Hubert H***, Hausdiener, Hohenems, Schuttannenstraße 13, Gasthof Kreiers Alp, vertreten durch Dr. Josef Troppmayr, Rechtsanwalt in Dornbirn, wider die beklagte Partei Amalie H***-W***, Angestellte, CH-8610 Uster, Weststraße 7, Schweiz, vertreten durch Dr. Manfred Puchner, Rechtsanwalt in Feldkirch, wegen Einwendungen gemäß § 35 EO (betriebener Anspruch: 14.000,-- sfr), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 14. Mai 1987, GZ 2 R 144/87-17, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 26. Dezember 1986, GZ 12 Cg 43/86-13, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:
Spruch
1. Die Revisionsbeantwortung der beklagten Pzutei wird zurückgewiesen.
2. Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei hat die Kosten der Revision selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit Urteil des schweizerischen Bezirksgerichtes Uster, Kanton Zürich, vom 25. Mai 1984 wurde die Ehe der Streitteile geschieden und deren Vereinbarung ua auf Zahlung eines Unterhaltsbetrages iS des Art. 151 ZGB von 1.000,-- sfr monatlich genehmigt. Der Kläger ist österreichischer Staatsbürger, die Beklagte schweizerische Staatsangehörige. Im Zeitpunkt der Scheidung hatten die Streitteile den gewöhnlichen Aufenthalt in der Schweiz, den die beklagte Partei beibehalten hat.
Mit Beschluß vom 24. Jänner 1986, 12 Nc 6/86, bewilligte das Erstgericht zur Hereinbringung des Unterhaltsrückstandes von Dezember 1984 bis Jänner 1986 in Höhe von 14.000,-- sfr gegen die klagende Partei die Exekution.
Gegen den mit dieser Exekution betriebenen Anspruch erhob der Kläger Einwendungen nach § 35 EO mit der Begründung, er sei seit 1. Dezember 1984 wegen eines Rückenleidens arbeitsunfähig, ohne nennenswertes Einkommen und vermögenslos. Die Beklagte erziele hingegen durch eigene Erwerbstätigkeit ein ausreichendes Einkommen. Der Dezemberunterhalt sei überdies bezahlt worden.
Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Sie wendete ein, der Kläger habe seine frühere Arbeitsstelle ohne Not, vor allem nicht aus zwingenden gesundheitlichen Gründen aufgegeben und könne bei entsprechender Anstrengung und unter Heranziehung verschiedener Vermögenszuflüsse den auferlegten Unterhaltsbetrag auch weiterhin leisten.
Das Erstgericht traf Feststellungen zum Einkommen beider Streitteile vor und nach der Scheidung und gelangte zum Ergebnis, daß seit der Ehescheidung eine erhebliche Änderung der Verhältnisse zum Nachteil des Klägers eingetreten sei. Der Unterhalt der Beklagten sei gemäß § 18 IPRG nach schweizerischem Recht zu beurteilen. Gemäß Art. 151 ZGB sei der zuerkannte Unterhalt zwar grundsätzlich unabänderlich, bei erheblichen Änderungen könne aber analog Art. 153 Abs 2 ZGB eine Herabsetzung erfolgen. Das Erstgericht gab daher der Oppositionsklage statt.
Das Berufungsgericht änderte das Urteil des Erstgerichtes im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens ab und sprach aus, daß die Revision zulässig sei. Ohne auf die einzelnen Berufungsgründe zu den Tatsachenfeststellungen einzugehen und sich damit auseinanderzusetzen, ob die festgestellten Umstände eine Herabsetzung des Unterhaltes oder eine gänzliche Befreiung des Klägers von der Unterhaltspflicht rechtfertigen würden, vertrat es die Auffassung, daß nach schweizerischem Recht eine solche Änderung der Unterhaltspflicht nur durch eine Gestaltungsklage nach Artikel 153 Abs 2 ZGB erreicht werden könne. Eine exekutionsrechtliche Klage für die Vergangenheit stehe higegen anders als nach österreichischem Recht für diesen Zweck nicht offen. Gegen dieses Urteil erhebt der Kläger die Revision wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, es im Sinne einer Wiederherstellung des Urteiles des Erstgerichtes abzuändern oder es aufzuheben.
Die Revisionsschrift wurde dem Vertreter der beklagten Partei am 23. Juni 1987 zugestellt. Am 3. August 1987 überreichte die beklagte Partei eine Revisionsbeantwortung. Diese Revisionsbeantwortung ist verspätet. Gemäß § 224 Abs 1 Z 5 ZPO sind die in den §§ 35 bis 37 EO bezeichneten Streitigkeiten Ferialsachen. Durch die Gerichtsferien wurde daher die Frist zur Erstattung einer Revisionsbeantwortung nicht verlängert.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision des Klägers ist zulässig, weil zu der vom Berufungsgericht vertretenen Rechtsansicht keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes vorliegt. Zwar hat der Oberste Gerichtshof wiederholt ausgesprochen, daß die Klage nach § 35 EO auch im Falle der Exekution auf Grund eines ausländischen Exekutionstitels zulässig ist (SZ 40/156 = EvBl 1968/198 mit ausdrücklicher Ablehnung der nicht begründeten gegenteiligen Ansicht von Pollak, System2 III 892; EvBl 1972/75 = RZ 1972, 31; EvBl 1973/80; EFSlg 39.326). Die Frage, ob eine Änderung der Verhältnisse des Unterhaltspflichtigen auch dann einen Oppositionsgrund darstellt, wenn nach dem anzuwendenden ausländischen Recht eine solche Änderung für die Vergangenheit nicht zu berücksichtigen wäre, wurde in diesen Entscheidungen aber nicht ausdrücklich behandelt.
Die Revision ist aber nicht berechtigt.
Der Unterhaltsanspruch der beklagten Partei gehört zu den Wirkungen der Scheidung der Ehe der Streitteile, die im vorliegenden Fall gemäß § 20 Abs 1 IPRG (Recht im Zeitpunkt der Ehescheidung) iVm § 18 Abs 1 Z 2 IPRG (letzter gewöhnlicher Aufenthalt) nach schweizerischem Recht zu beurteilen sind.
Das Verfahren für die Zwangsvollstreckung bestimmt sich hingegen gemäß Art. 11 des österreichisch-schweizerischen Vollstreckungsvertrages, BGBl. 1962/125, nach dem Recht des Staates, wo die Vollstreckung beantragt wird, also hier nach österreichischem Recht, das in § 85 EO für die Vornahme und Durchführung einer Exekution auf Grund eines ausländischen Exekutionstitels die Geltung der Bestimmungen der EO bestimmt.
Der besondere Charakter der Oppositionsklage besteht darin, daß sich die mit ihr erhobenen Einwendungen unmittelbar gegen den Anspruch richten (ständige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes bes. seit der Entscheidung des verstärkten Senats SZ 49/68). Andererseits hat sie aber darüber hinaus auch die rechtsgestaltende Wirkung, daß sie bei Erfolg der klagenden Partei unmittelbar zur Beendigung der bekämpften Anlaßexekution führt (Heller-Berger-Stix, 411). Die Klage nach § 35 EO gehört daher nicht nur dem materiellrechtlichen Bereich an, sondern sie entfaltet auch rein exekutionsrechtliche Wirkungen.
Bei der gegebenen Auslandsberührung muß daher die Frage, welches Recht in der vorliegenden Rechtssache anzuwenden ist, in zweifacher Weise geprüft werden: Ob der betriebene Anspruch erloschen oder gehemmt ist, kann nach einem anderen Recht zu beurteilen sein als die Frage, mit welchem Rechtsbehelf dies durchgesetzt werden kann. Nach Ansicht des erkennenden Senates folgt aus der dargelegten Doppelnatur der Oppositionsklage, daß sich das gänzliche oder teilweise Erlöschen eines Unterhaltsanspruches hier ausschließlich nach schweizerischem Recht richtet (vgl. dazu auch schon EvBl 1972/75); zur Geltendmachung eines nach schweizerischem Recht eingetretenen Erlöschens steht hingegen für den österreichischen Rechtsbereich unabhängig von den nach schweizerischem Recht zur Verfügung stehenden Rechtsbehelfen auf jeden Fall die Oppositionsklage offen.
Die dazu in der Entscheidung SZ 40/156 vertretene Ansicht, im Oppositionsstreit gehe es in einem solchen Fall nur um die Verweigerung der Vollstreckbarkeit im Inland, entspricht nicht mehr ganz der neueren Auffassung über das Wesen der Oppositionsklage. Wenn nach dem anzuwendenden materiellen Unterhaltsrecht eine Herabsetzung des Unterhaltes für die Vergangenheit nicht möglich ist, kann dies nicht auf dem Umweg einer Oppositionsklage - auch wenn dies nach österreichischer Rechtsprechung sonst zulässig wäre (SZ 49/68, EFSlg 41.850, 41.855) - doch verwirklicht werden und zwar auch nicht nur für den inländischen Rechtsbereich. Damit muß die Rechtslage nach schweizerischem Unterhaltsrecht untersucht werden:
Zutreffend hat das Berufungsgericht erkannt, daß sich die Abänderungsklage nach Art. 153 Abs 2 ZGB nur auf die Zukunft bezieht (Spühler in Berner Komm. ZGB3, Rz 41 und 42 zu Art. 153). Maßgebend für den Zeitpunkt, von welchem an eine Herabsetzung der Unterhaltsbeiträge in Frage kommen kann, ist einzig der Zeitpunkt der Einreichung des Gesuches beim zuständigen Gericht (ZR Bd. 33 (1934) Nr. 72; ZR Bd. 41 (1942) Nr. 98 lit b). Im sogenannten Rechtsöffnungsverfahren, die die Phase, die ungefähr dem Zeitraum zwischen der Bewilligung einer Exekution und dem Vollzug derselben nach österreichischem Recht entspricht (vgl. zum Ablauf des schweizerischen Vollstreckungsverfahrens und zur schweizerischen Rechtssprache die Hinweise in JABl. 1929, 20 und Fritzsche/Walder Schuldbetreibung und Konkurs3 I), kann eine solche Veränderung nicht geltend gemacht werden (Spühler aaO Rz 99 zu Art. 151; Hegnauer, Grundriß des Kindesrechtes2 123; Fritzsche/Walder aaO 242; vgl. auch Guldener, Schweizerisches Zivilprozeßrecht3 379).
Zwar gibt es auch nach schweizerischem Recht die der Klage nach § 35 EO teilweise entsprechende sogenannte Aberkennungsklage nach § 83 Abs 2 SchKG (Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs vom 11. April 1889, SR 281.1). Mit dieser Klage können alle Einreden erhoben werden, aber es muß sich immer um Tatbestände handeln, welche zum Erlöschen der betriebenen Forderung geführt haben. Die Aberkennungsklage nach schweizerischem Recht hat den Charakter einer negativen Feststellungsklage (Fritzsche/Walder aaO 269). Nur wenn der Unterhaltsanspruch ex lege durch irgendein Ereignis erlischt, nicht aber schon dann, wenn beim Eintritt irgendwelcher Umstände nur für die Zukunft eine Änderung beantragt werden kann, könnten geänderte Verhältnisse auch einen Klagsgrund für eine Aberkennungsklage bilden (vgl. SJZ 1939/40/134: "Tatsachen ......, soferne diese geeignet sind, die Grundlage der Forderung ohne weiteres dahinfallen zu lassen"). Dies wird verschiedentlich beim Kindesunterhalt angenommen, wenn die Selbsterhaltungsfähigkeit eintritt (vgl. SJZ 1982/43), nicht jedoch beim Ehegattenunterhalt (vgl. SJZ 1975/72; mit Verweisung auf das Abänderungsverfahren bei Rechtsmißbrauch; ähnlich SJZ 1956/36).
Gegen den inländischen ordre public verstößt eine solche Handhabung des schweizerischen Unterhaltsrechtes auch in einem österreichischen Exekutionsverfahren nicht, weil es der Unterhaltspflichtige jederzeit in der Hand hat, rechtzeitig eine Abänderungsklage einzubringen. Auch dem österreichischen Recht ist es nicht fremd, daß Unterhalt zB erst aber der Geltendmachung zugesprochen wird. Der Unterschied in den beiden Rechtsordnungen besteht nur darin, daß nach österreichischem Recht der untätige Unterhaltsschuldner noch eine zweite Chance im Wege der Oppositionsklage erhält, wenn er den primären Rechtsbehelf etwa eines ebenfalls nur für die Zukunft wirkenden Abänderungsantrages im Pflegschaftsverfahren versäumt. Dies unterscheidet den vorliegenden Fall auch wesentlich von dem in EvBl 1972/85 behandelten Verjährungsfall, in dem vielleicht eine strengere Handhabung des ordre public in Frage käme.
Auf den nach österreichischem wie schweizerischem Recht möglichen Einwand der teilweisen Tilgung der Schuld (Dezemberrate 1984), den beide Vorinstanzen unbehandelt ließen, kommt die klagende Partei in ihrer Revision nicht zurück, so daß die Übergehung dieses Klagsgrundes nicht von amtswegen aufgegriffen werden kann.
Die klagende Partei hat die Kosten der Revision gemäß §§ 40 und 50 ZPO selbst zu tragen.
Anmerkung
E13187European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1987:0030OB00097.87.1111.000Dokumentnummer
JJT_19871111_OGH0002_0030OB00097_8700000_000