Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Hofmann, Dr. Kodek und Dr. Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Johann L***, Zollbeamter, geboren am 16. August 1940 in Linz, Braunau am Inn, Fleschenfeldstraße 14, vertreten durch Dr. Karl Nöbauer, Rechtsanwalt in Braunau am Inn, wider die beklagte Partei Herta L***, Hausfrau, geboren am 24. März 1951 in Geinberg, Braunau am Inn, Salzburger Vorstadt 13, vertreten durch Dr. Florian Lackner, Dr. Gerhard Holzinger und Dr. Monika Holzinger, Rechtsanwälte in Braunau am Inn, wegen Ehescheidung infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 3. Juni 1987, GZ 2 R 16/87-19, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Kreisgerichtes Ried im Innkreis vom 30. September 1986, GZ 3 Cg 134/86-13, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 3.397,35 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 308,85 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Streitteile sind österreichische Staatsbürger. Sie haben am 4. Jänner 1984 die Ehe geschlossen. Es war beiderseits die zweite Ehe, die jeweils erste Ehe der Streitteile wurde durch Scheidung aufgelöst. Die Beklagte hatte bereits zum Zeitpunkt der Scheidung Beziehungen zum Kläger unterhalten; dadurch war es zum Scheitern ihrer ersten Ehe gekommen. Aus der ersten Ehe der Beklagten entstammen zwei 1971 und 1975 geborene Töchter, die zweite Ehe blieb kinderlos.
Der Kläger begehrt die Scheidung der Ehe aus dem Verschulden der Beklagten. Die Beklagte habe kein Interesse an ihm, verhalte sich lieblos, verbringe die Freizeit nicht mit ihm gemeinsam, setze ihn vor ihren Kindern aus erster Ehe herab und hetze diese gegen ihn auf. Sie habe ihm keinen Einblick in ihre wirtschaftliche Situation gegeben und eigenmächtig einen Wohnungswechsel vorgenommen; sie beschimpfe und beleidige ihn, ihr Interesse am ehelichen Verkehr habe nachgelassen.
Die Beklagte wendete ein, Eheverfehlungen nicht begangen zu haben. Der Kläger habe die Zerrüttung der Ehe selbst herbeigeführt. Er verhalte sich lieblos, er akzeptiere ihre Kinder nicht und mache über sie vor ihnen abfällige Bemerkungen. Er habe ihr verboten, mit seinem Auto zu fahren, er habe sich über ihr Weihnachtsgeschenk 1984 abfällig geäußert. Sie werde vom Kläger beschimpft. Sollte das Gericht zu einer Scheidung der Ehe gelangen, beantrage sie, das überwiegende Verschulden des Klägers an der Zerrüttung auszusprechen. Das Erstgericht schied die Ehe aus dem gleichteiligen Verschulden der Streitteile. Es stellte fest: Zu einer ersten Auseinandersetzung zwischen den Streitteilen sei es wegen der Benützung des PKWs des Klägers durch die Beklagte gekommen. Der Kläger sei der Ansicht gewesen, die Beklagte benütze das Fahrzeug und habe manchmal ca. 20 km zurückgelegt. Die Beklagte habe dies dem Kläger gegenüber verneint. Darauf habe der Kläger der Beklagten die unkontrollierte Verwendung des Fahrzeuges untersagt und zur Kontrolle beide Fahrzeugschlüssel an sich genommen. Die Beklagte habe in der Folge nur über ausdrückliches Ersuchen das Fahrzeug benützen können. Deswegen sei es zu Auseinandersetzungen zwischen den Streitteilen gekommen. Die Streitteile hätten ursprünglich in dem der Beklagten allein gehörenden Haus gewohnt. Ohne auf die Wünsche und Vorstellungen des Klägers einzugehen, habe die Beklagte die Vermietung und in der Folge den Verkauf dieses Hauses veranlaßt. Dem Kläger sei keine andere Wahl geblieben, als in die von der Beklagten seit Mitte August 1985 gemietete Wohnung zu übersiedeln. Zu Weihnachten 1984 habe die Beklagte dem Kläger eine Aktentasche geschenkt. In der Folge habe der Kläger der Beklagten vorgehalten, daß es sich hiebei um eine billige Aktentasche gehandelt habe; sie stünde nicht im Verhältnis zu den Leistungen, die er für sie und die Kinder erbracht hätte. Die Beklagte habe darauf vor Weihnachten 1985 den Kläger ersucht, ihr nichts zu schenken. Der Kläger habe dessen ungeachtet Weihnachtsgeschenke für die Beklagte und ihre beiden Töchter gekauft. Die Beklagte habe ihr Geschenk nicht angenommen und ihre Töchter angewiesen, diese Geschenke ebenfalls nicht anzunehmen. Im übrigen seien beide Streitteile offenbar nicht in der Lage gewesen, sachliche und klärende Gespräche zu führen. Eine Schuld- und Ursachenzuweisung sei auf Grund der Beweisergebnisse nicht möglich. Im übrigen hätten sich die kontroversen Vorbringen und die korrespondierenden Angaben der Parteien einer positiven Sachverhaltsfeststellung entzogen, da das Gericht keiner der beiden Parteien uneingeschränkten Glauben habe schenken können. Rechtlich beurteilte das Erstgericht diese Feststellungen dahin, daß beide Streitteile es an einer für ein Zusammenleben erforderlichen Rücksichtnahme auf den Partner hätte fehlen lassen, der Kläger durch die Überwachung der Tagesgestaltung der Beklagten, die Beklagte durch die doch sehr einseitig von Eigeninteressen geprägte Veränderung des Wohnsitzes. Beide Teile hätten dadurch schwere Eheverfehlungen im Sinne des § 49 EheG begangen. Dadurch sei schuldhaft eine Zerrüttung der Ehe herbeigeführt worden, so daß mit der Wiederherstellung einer dem Wesen der Ehe entsprechenden Lebensgemeinschaft nicht mehr gerechnet werden könne. Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes. Der Beklagten könne nicht gefolgt werden, sie habe keine Eheverfehlungen gesetzt. So habe sie vom Kläger selbst kein Weihnachtsgeschenk angenommen und auch ihre beiden Töchter aufgefordert, sich nicht beschenken zu lassen. Es seien auch die Eheverfehlungen des Klägers evident. Ihm müßte vor allem seine offenbar durch Eifersucht motivierte, die Beklagte in kränkender Weise bevormundende Handlungsweise vorgeworfen werden. Ein erheblicher offenkundiger Unterschied der jeweiligen Verschuldensanteile sei nicht gegeben. Die Eheverfehlungen der Streitteile entsprächen einander; beide Seiten hätten einen offenbaren Mangel an ehelicher Gesinnung erkennen lassen. Dies habe zur unheilbaren Zerrüttung der Ehe der Streitteile geführt.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der Beklagten ist nicht berechtigt.
Sie strebt zwar in erster Linie die Abweisung des Scheidungsbegehrens an, ihre Revision erschöpft sich aber in Ausführungen, daß auf Grund des vorliegenden Sachverhaltes das Verschulden des Klägers als überwiegend anzusehen sei. Soweit sich die Beklagte darauf beruft, einzelne ihr zur Last gelegte Eheverfehlungen seien verziehen bzw. verjährt, handelt es sich um auch im Scheidungsverfahren (§ 483 a Abs 2 ZPO) unzulässige Neuerungen.
Nach § 60 Abs 2 EheG ist das überwiegende Verschulden eines Teiles dann auszusprechen, wenn sein Verschulden erheblich schwerer wiegt als das des anderen. Der Unterschied der beiderseitigen Verschuldensanteile muß augenscheinlich hervortreten (EFSlg 48.834, 46.243, 43.691 uva), so daß es subtiler Abwägungen nicht bedarf (Schwind, Eherecht2 251); das Verschulden des anderen Ehegatten muß fast völlig in den Hintergrund treten (EFSlg 48.832, 46.242, 43.692 uva; Pichler in Rummel, ABGB, Rz 2 zu § 60 EheG). Für die beiderseitige Verschuldensabwägung ist das Gesamtverhalten beider Ehegatten maßgebend (EFSlg 48.815, 46.230, 46.231, 43.684); zu berücksichtigen ist, wer den entscheidenden Beitrag zur unheilbaren Zerrüttung der Ehe geleistet hat (EFSlg 48.821, 46.234, 43.679); die Ursächlichkeit der Verfehlungen für den Eintritt der unheilbaren Zerrüttung ist von ausschlaggebender Bedeutung (EFSlg 43.680, 43.677, 41.271 ua). Geht man von diesen Grundsätzen aus, trifft den Kläger kein überwiegendes Verschulden. Die Ehe scheiterte vielmehr daran, daß beide Teile nicht in der Lage waren, die in jeder Ehe auftretenden Differenzen und Mißverständnisse durch sachliche Gespräche zu klären. Dies führte dazu, daß sie sich auseinanderlebten und als Folge ihrer Grundeinstellung wechselseitig Eheverfehlungen setzten. Bei dieser Sachlage kann nicht davon gesprochen werden, daß eine der festgestellten Eheverfehlungen den ersten oder den entscheidenden Beitrag zur Zerrüttung gesetzt hätte. Zutreffend nahmen daher die Vorinstanzen ein gleiches Verschulden der Streitteile an.
Der Revision ist der Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.
Anmerkung
E12245European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1987:0010OB00678.87.1111.000Dokumentnummer
JJT_19871111_OGH0002_0010OB00678_8700000_000