TE OGH 1987/11/17 10Ob506/87

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Veröffentlicht am 17.11.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Resch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier, Dr.Angst, Dr.Bauer und Dr.Kellner als Richter in der Pflegschaftssache der am 28. November 1980 ehelich geborenen minderjährigen Petra S***, vertreten durch das Bezirksjugendamt für den 16.Bezirk, Wien, infolge Revisionsrekurses des Vaters Bernhard S***, dzt. unbekannten Aufenthaltes, vertreten durch Dr.Gerd Hartung, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 6.August 1987, GZ. 47 R 609/87-20, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Hernals vom 25.Juni 1987, GZ. 3 P 166/84-16, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Die Ehe der Eltern der mj. Petra S*** ist geschieden. Im Zug des Scheidungsverfahrens verpflichtete sich der Vater in einem Vergleich am 16.Februar 1982, zum Unterhalt des Kindes ab 1.3.1982 einen monatlichen Betrag von 1.000 S zu Handen der Mutter zu bezahlen. Dieser Vergleich wurde vom Erstgericht pflegschaftsbehördlich genehmigt. Mit Beschluß dieses Gerichtes vom 4.10.1984 wurde das Bezirksjugendamt für den 16.Bezirks zum besonderen Sachwalter zur Geltendmachung, Einhebung und Eintreibung der Unterhaltsbeträge bestellt.

Am 21.4.1987 stellte der besondere Sachwalter den Antrag, den Vater des Kindes ab 1.5.1987 zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von 1.800 S zu verpflichten. Das Kind könne mit einer Unterhaltsleistung von 1.000 S monatlich nicht mehr das Auslangen finden, da sich die Bedürfnisse erhöht hätten. Die wirtschaftlichen Verhältnisse des Vaters könnten zwar nicht ermittelt werden, da dieser unbekannten Aufenthaltes sei, doch sei er weder arbeitslos gemeldet noch beziehe er Notstandshilfe und werde auch vom Sozialreferat nicht dauernd unterstützt. Es sei davon auszugehen, daß er als Hilfsarbeiter in der Lage sei, im Monatsdurchschnitt ein Einkommen von 10.000 S zu erzielen. Ausgehend von diesem Betrag sei er in der Lage, den begehrten Unterhaltsbetrag zu leisten. Da der Vater unbekannten Aufenthalts ist, wurde Dr.Gerd Hartung, Rechtsanwalt in Wien, gemäß § 116 ZPO zum Kurator bestellt. Das Erstgericht übermittelte eine Gleichschrift des Antrages an den Kurator mit dem Auftrag zur Stellungnahme binnen 14 Tagen, wobei dieser Aufforderung der Beisatz angefügt wurde, daß bei Nichtäußerung innerhalb der gesetzten Frist davon ausgegangen würde, daß dem Antrag keine Einwendungen entgegengesetzt werden; es würde in diesem Fall eine antragsgemäße Entscheidung gefällt werden. Innerhalb der gesetzten Frist langte eine Äußerung nicht ein. Das Erstgericht wies den Antrag des besonderen Sachwalters ab. Da wegen des unbekannten Aufenthaltes des Unterhaltspflichtigen keine Feststellungen über dessen Lebensverhältnisse getroffen werden könnten und aus der Aktenlage auch eine Feststellung der Einkommenslage des Vaters zu einem früheren Zeitpunkt nicht möglich sei, fehle es an den Voraussetzungen für eine Unterhaltserhöhung. Das Rekursgericht änderte diese Entscheidung über Rekurs des besonderen Sachwalters ab und gab dem Erhöhungsantrag zur Gänze statt. Der besondere Sachwalter habe in seinem Erhöhungsantrag einen konkreten Sachverhalt bezüglich der Einkommensverhältnisse des Vaters behauptet. Dem habe der Vater nicht widersprochen. Gemäß § 185 Abs 3 AußStrG könne daher davon ausgegangen werden, daß er diesen Tatsachenbehauptungen keine Einwendungen entgegensetze. Da keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß diese Behauptungen unrichtig seien, bestünden keine Bedenken, sie der Entscheidung über den Erhöhungsantrag zugrundezulegen. Gehe man davon aus, so sei der Erhöhungsantrag berechtigt; der begehrte Unterhaltsbetrag, der 18 % der Bemessungsgrundlage betrage, sei ausgehend von den im § 140 ABGB normierten Kriterien angemessen.

Rechtliche Beurteilung

Gegen diesen Beschluß richtet sich der (vom Kurator erhobene) Revisionsrekurs des Vaters mit dem Antrag, ihn dahingehend abzuändern, daß der Erhöhungsantrag abgewiesen werde. Gegenstand der Anfechtung ist einerseits die Auslegung des Regelungsinhaltes des § 185 Abs 3 AußStrG durch das Rekursgericht und andererseits die Frage, inwieweit bei einer Entscheidung über den Erhöhungsantrag auf den Inhalt des Vergleiches, mit dem seinerzeit die Unterhaltsfestsetzung erfolgte, Bedacht zu nehmen sei. Dabei handelt es sich nicht um Fragen der Unterhaltsbemessung, sodaß der Revisionsrekurs gegen die difformen Beschlüsse der Vorinstanzen zulässig ist.

Der Revisionsrekurs ist allerdings nicht berechtigt. Die Bestimmung des § 185 Abs 3 AußStrG stellt nicht nur eine besondere Regelung der Art der Gewährung des rechtlichen Gehörs bzw. für den Verlust des Anspruches auf rechtliches Gehör in dringenden Vormundschafts- und Pflegschaftssachen dar; eine solche Betrachtungsweise der zitierten Gesetzesbestimmung würde die darin vorgesehene Rechtsfolge (Annahme, daß der säumige Beteiligte dem Antrag keine Einwendungen entgegensetze) inhaltsleer machen und die Absicht des Gesetzgebers, eine Verfahrensbeschleunigung zu erwirken und möglichst rasch zu einer Sachentscheidung zu gelangen, zunichte machen (EFSlg.37.470). Äußert sich der Beteiligte trotz Aufforderung nach § 185 Abs 3 AußStrG nicht, so hat das tatsächliche Vorbringen des Antragstellers so weit als zugestanden zu gelten, als es nicht durch vorliegende Beweise widerlegt wird und sonst Anhaltspunkte dafür bestehen, daß der zur Äußerung Aufgeforderte ungeachtet seines Schweigens dem Antrag entgegentritt. Die rechtlichen Voraussetzungen für eine Stattgebung des Begehrens des Antragstellers hat das Gericht auf der Grundlage des nach der Aktenlage für wahr zu haltenden Vorbringens zu prüfen (SZ 52/155).

Im vorliegenden Fall wurde der Antrag auf Erhöhung der Unterhaltsleistung dem Unterhaltsverpflichteten zu Handen seines Kurators mit einer Aufforderung nach § 185 Abs 3 AußStrG zugestellt. Innerhalb der gesetzten Frist ist eine Äußerung nicht erfolgt. Im Hinblick darauf war bei der Entscheidung davon auszugehen, daß der Antragsgegner in der Lage ist, ein monatliches Einkommen von 10.000 S zu erzielen. Das Rekursgericht hat daher bei seinem Beschluß zutreffend eine Unterhaltsbemessungsgrundlage in dieser Höhe zu Grunde gelegt.

Im weiteren argumentiert der Antragsgegner dahin, daß die bisherige Unterhaltsleistung durch Vergleich festgelegt worden sei. Unterlagen über Einkommens- und Lebensverhältnisse des Vaters aus dieser Zeit lägen nicht vor; der Beweis für eine Erhöhung seines Einkommens sei nicht erbracht. Die Beweislast dafür, daß sich die Verhältnisse geändert hätten, träfen das antragstellende Kind. Ein Beweis in dieser Richtung sei nicht geführt worden, sodaß das Erhöhungsbegehren abzuweisen gewesen sei. Dem kann nicht beigetreten werden.

Unterhaltsvergleiche gelten in der Regel als unter der Umstandsklausel abgeschlossen. Sie haben jedoch die Bedeutung, daß nur eine nicht unwesentliche Änderung der für die Unterhaltsbemessung maßgeblichen Verhältnisse, also der Bedürfnisse des Berechtigten oder der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten eine Neubemessung zulässig macht, wogegen bis zu einer derartigen Änderung der Verhältnisse der Unterhaltsvergleich einer neuerlichen Unterhaltsfestsetzung im Sinne eines materiellrechtlichen Hindernisses entgegensteht (1 Ob 651/83). Die Antragstellerin war zum Zeitpunkt des Abschlusses des Unterhaltsvergleiches etwas über ein Jahr alt und steht nunmehr im 7.Lebensjahr. Damit ist zweifellos eine Erhöhung der Bedürfnisse eingetreten, die im Sinn der Umstandsklausel eine Neubemessung des Unterhaltes rechtfertigt. Liegt der Erstbemessung des Unterhaltes ein Vergleich zugrunde, so kann die Entscheidung über das Erhöhungsbegehren grundsätzlich nicht völlig losgelöst von der vergleichsweisen Regelung und der in dieser unter Bedachtnahme auf die damals gegebenen Verhältnisse zum Ausdruck kommenden Konkretisierung der Bemessungsgrundsätze erfolgen (EFSlg.48.150). Beschränkt sich die Parteienabsicht bei Abschluß des Vergleiches jedoch von vornherein nur auf eine einvernehmliche Ausmittlung des aktuellen gesetzlichen Anspruches ohne vorsätzliche Vernachlässigung oder Überbewertung einzelner Bemessungsfaktoren, dann ist bei der Neubemessung unmittelbar auf die gesetzliche Regelung zurückzugreifen und auf die frühere vergleichsweise Regelung nicht weiter Bedacht zu nehmen (EFSlg.44.893/5). Im Hinblick darauf, daß eine vergleichsweise Regelung der Eltern über den Unterhalt eines mj. Kindes der pflegschaftsbehördlichen Genehmigung bedarf, ist bis zum Beweis des Gegenteils grundsätzlich davon auszugehen, daß dabei von den Bemessungsgrundsätzen nicht zum Nachteil des Kindes abgewichen wurde. Dafür, daß bei Abschluß eines Vergleiches nicht bloß eine einvernehmliche Ausmittlung des gesetzlichen Unterhaltsanspruches erfolgte, sondern dabei mit Absicht einzelne Bemessungsfaktoren vernachlässigt bzw. überbewertet worden wären, ist derjenige beweispflichtig, der sich zu seinem Vorteil hierauf beruft. Eine Behauptung in dieser Richtung wurde jedoch vom Rekurswerber nicht aufgestellt. Das Rekursgericht konnte daher unmittelbar auf die gesetzliche Regelung zurückgreifen. Daß das Rekursgericht als Bemessungsinstanz zum Ergebnis gelangte, daß der Vater im Hinblick auf die ihm zur Verfügung stehende Einkommensmöglichkeit in der Lage sei, den geforderten Unterhaltsbetrag zu bezahlen, unterliegt nicht mehr der Überprüfung des Obersten Gerichtshofes.

Dem Rekurs mußte daher ein Erfolg versagt bleiben.

Anmerkung

E12901

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0100OB00506.87.1117.000

Dokumentnummer

JJT_19871117_OGH0002_0100OB00506_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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