Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Kellner sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Martin Meches und Claus Bauer als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Manfred W***, Figulystraße 26, 4020 Linz, vertreten durch Dr. Christian Pötzl, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagte Partei O*** G***, Gruberstraße 77, 4010 Linz,
vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Rückersatz (Streitwert 8.878 S), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 16. Juli 1987, GZ 13 Rs 1051/87-34, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Schiedsgerichtes der Sozialversicherung für Oberösterreich in Linz vom 11. November 1986, GZ 3 c C 6/86-27 (nunmehr 13 Cgs 83/87 des Landesgerichtes Linz als Arbeits- und Sozialgericht), bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und dem Berufungsgericht die neuerliche Entscheidung aufgetragen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Mit Bescheid vom 17. Februar 1983 verpflichtete die beklagte Partei den Kläger gemäß § 107 Abs 1 ASVG, das im Zusammenhang mit den Versicherungsfällen der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit vom 15. Juni 1981 bis 23. Juni 1981 und vom 6. Juli 1981 bis 14. September 1981 der Höhe nach zu Unrecht erbrachte Krankengeld bzw. Familiengeld im Gesamtbetrag von 8.878 S zu ersetzen. In der Begründung wird ausgeführt, durch Manipulation an den Verdienstangaben bei der Antragstellung auf Arbeitslosengeld sei ein höherer Bezugsansatz verrechnet worden als auf Grund des tatsächlichen Arbeitsverdienstes zugestanden wäre. Das Arbeitsamt Linz habe den Überbezug bereits zurückgefordert. Der Überbezug an Krankengeld sei zurückzufordern, weil er durch bewußt unwahre Angaben ausgelöst worden sei, jedenfalls aber der Kläger hätte erkennen müssen, daß die Leistung nicht in der tatsächlich erbrachten Höhe gebühre.
In seiner dagegen erhobenen Klage führt der Kläger aus, er habe anläßlich seines Antrages auf Arbeitslosengeld die Verdienstbestätigung der Wahrheit entsprechend ausgefüllt, sollte dies "laienhaft" gewesen sein, so hätte das das Arbeitsamt zu überprüfen und ihn zu belehren gehabt. Bewußt unwahre Angaben seien nicht erfolgt, der Kläger habe nicht erkennen müssen, daß ihm Leistungen nicht in der tatsächlich gewährten Höhe gebührten, weil für ihn als Laien die Berechnung des Arbeitslosengeldes und des zustehenden Krankengeldes nicht nachvollziehbar sei. Er habe die ihm ausbezahlten Beträge gutgläubig erhalten.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren, die beklagte Partei schuldig zu erkennen, von der Rückforderung des Krankengeldes bzw. Familiengeldes im Gesamtbetrag von 8.878 S im Zusammenhang mit den Versicherungsfällen der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit vom 15. Juni 1981 bis 23. Juni 1981 und vom 6. Juli 1981 bis 14. September 1981 Abstand zu nehmen, ab. Es stellte fest, daß der Kläger bei der O*** G*** als
Angestellter im Betrieb seiner Mutter Margarethe P*** mit folgenden Monatsentgelten zur Sozialversicherung gemeldet war: Vom 15. September 1980 bis 31. Dezember 1980 mit 3.000 S monatlich
(= 20 Wochenstunden) und vom 1. Jänner 1981 bis 28. Februar 1981 mit
3.265 S monatlich (= 10 Wochenstunden). Hermann V***,
Wirtschaftstreuhänder und Steuerberater in Linz, erledigte für Margarethe P*** die Buchhaltung. Am 9. März 1981 beantragte der Kläger beim Arbeitsamt Linz die Zuerkennung des Arbeitslosengeldes. Zum Nachweis der Anspruchsvoraussetzungen legte er eine Arbeitsbescheinigung der Margarethe P*** vom 10. März 1981 vor, wonach er vom 15. September 1980 bis 18. Februar 1981 als Angestellter beschäftigt gewesen sei und im letzten vollentlohnten Monat ein Entgelt von 14.265 S bezogen habe. Auf Grund dieser manipulierten Verdienstangaben wurde dem Kläger das Arbeitslosengeld entsprechend der Lohnklasse 50 im Betrag von monatlich 5.776 S ab 9. März 1981 zuerkannt. Ab 19. Mai 1981 wurde zusätzlich ein Familienzuschlag für das eheliche Kind Oliver gewährt. Vom 29. April 1981 bis 18. Mai 1981 (Haft) und vom 18. Juni 1981 bis 23. Juni 1981 (Krankengeldbezug) wurde der Bezug des Arbeitslosengeldes unterbrochen. Mit 26. Juni 1981 endete der Leistungsbezug wegen Erschöpfung des Anspruches. Im Februar 1982 fand zum Leistungsakt der Ehefrau des Klägers (Karenzurlaubsgeld) eine Überprüfung der Einkommenshöhe des Klägers statt. Durch Anfrage bei der O*** G*** am 12. Februar 1982 wurde
dabei aufgedeckt, daß der Kläger durch die unrichtige Arbeitsbescheinigung einen überhöhten Arbeitslosengeldbezug erhalten hatte. Der Kläger wurde deshalb mit Bescheid des Arbeitsamtes Linz vom 20. April 1983 gemäß § 25 Abs 1 ALVG zur Rückzahlung unberichtigt empfangenen Arbeitslosengeldes in Höhe von 11.458 S verpflichtet. Eine gegen diesen Bescheid erhobene Berufung und die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof blieben erfolglos. In der Zeit vom 15. Juni 1981 bis 23. Juni 1981 und vom 6. Juli 1981 bis 14. September 1981 war der Kläger krank und arbeitsunfähig. Er hätte einen Anspruch auf Krankengeld von monatlich 2.106 S gehabt, tatsächlich wurde ihm auf Grund des überhöhten Arbeitslosengeldbezuges ein monatlicher Anspruch von 6.196 S zuerkannt, sodaß der Kläger insgesamt einen Überbezug von 8.878 S erhalten hat. Die Tatsache der Auszahlung des überhöhten Arbeitslosengeldes und damit überhöhten Krankengeldes wurde der beklagten Partei mit Schreiben des Arbeitsamtes Linz vom 17. November 1982 über die Manipulation des Klägers an der Arbeitsbescheinigung mitgeteilt. Mit dem bekämpften Bescheid vom 17. Februar 1983 forderte die beklagte Partei den Überbezug an Krankengeld bzw. Familiengeld von 8.878 S zurück.
Da der Kläger die überhöhten Leistungen der beklagten Partei durch bewußt unwahre Angaben herbeigeführt habe, sei diese zur Rückfroderung gemäß § 107 ASVG berechtigt.
Das Berufungsgericht gab der wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Berufung des Klägers keine Folge und bestätigte das Ersturteil mit der Maßgabe, daß der Kläger gemäß § 391 Abs 4 ASVG, § 89 Abs 4 ASGG auch schuldig erkannt wurde, der beklagten Partei 8.878 S binnen 4 Wochen zu bezahlen. Es sprach ferner aus, daß die Revision nach § 46 Abs 2 Z 1 ASGG zulässig sei. Obwohl das Berufungsgericht darauf hinwies, daß das Erstgericht durch Verwertung der Angaben einer nicht vernommenen Zeugin in einem bloßen Aktenvermerk der beklagten Partei zur Begründung seiner Feststellung, der Kläger habe die überhöhten Leistungen durch bewußt unwahre Angaben in der Verdienstbestätigung herbeigeführt (somit ein über den normalen Monatsbezug von zuletzt 3.265 S hinausgehendes Entgelt nicht bezahlt erhalten) den Unmittelbarkeitsgrundsatz verletzt habe, hielt es eine abschließende Stellungnahme zu diesem geltend gemachten Verfahrensmangel aus rechtlichen Gründen ebenso für entbehrlich wie die als Feststellungsmangel gerügte Frage, es sei nicht abschließend geklärt, ob der Kläger im Februar 1981 einen Bezug von 14.265 S nun tatsächlich erhalten habe oder nicht. Auch wenn man auf Grund der niederschriftlichen Angaben des Klägers im Strafakt davon ausgehe, er habe wegen des Verkaufes des Würstelstandes durch seine Mutter Ende Februar 1981 eine einmalige Prämie von 11.000 S ausbezahlt erhalten, erweise sich das Klagebegehren jedenfalls als unberechtigt. Nach dem für die Bemessung des Arbeitslosengeldes heranzuziehenden Entgeltbegriff des § 49 ASVG handle es sich bei der vom Kläger behaupteten Zahlung um eine aus Anlaß der Beendigung des Dienstverhältnisses gewährte einmalige Vergünstigung, die jedenfalls außer Betracht zu bleiben habe. Die erbrachte Leistung in Höhe mehr als des Doppelten der laufenden Monatsbezüge sei so kraß überhöht gewesen, daß dies dem Kläger jedenfalls auch bei nur durchschnittlicher pflichtgemäßer Aufmerksamkeit habe auffallen müssen, denn auch einem Laien sei die Einkommensersatzfunktion des Arbeitslosen- bzw. Krankengeldes geläufig. Damit sei aber jedenfalls der von der beklagten Partei ebenfalls geltend gemachte Rückforderungstatbestand des § 107 ASVG, daß der Leistungsempfänger erkennen mußte, die Leistung gebühre nicht in der gewährten Höhe, verwirklicht. Weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes hiezu noch fehle, erklärte das Berufungsgericht die Revision für zulässig.
In seiner gegen dieses Urteil erhobenen Revision macht der Kläger Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtige rechtliche Beurteilung geltend, beantragt die Abänderung des angefochtenen Urteiles im Sinne einer Klagestattgebung und begehrt hilfsweise dessen Aufhebung und die Rückverweisung der Rechtssache an die zweite Instanz.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist im Sinne des Aufhebungsantrages berechtigt. Das Berufungsgericht hat, wie sich aus der Begründung der Entscheidung entnehmen läßt, die Feststellung des Erstgerichtes, daß der Kläger durch Vorlage einer gefälschten Arbeitsbescheinigung überhöhte Leistungen erschlichen hat - und dies setzt denknotwendig voraus, daß er nur den festgestellten Monatsbezug von 3.265 S nicht aber weitere 11.000 S erhalten hat - nicht übernommen, sondern diese Feststellung offen gelassen, indem es auf die geltend gemachte Mängelrüge und die gerügten Feststellungsmängel nicht eingegangen ist. Wie in der Revision zu Recht gerügt wird, legte das Berufungsgericht ohne andere Feststellungen zu treffen und ohne eine Beweiswiederholung oder Beweisergänzung vorzunehmen (dies wäre nach dem Datum des Ersturteiles noch vor Inkrafttreten des ASGG auch gar nicht möglich gewesen) seiner rechtlichen Beurteilung einen rein hypothetischen Sachverhalt zugrunde, der im Gerichtsakt keinerlei Deckung findet: Der Kläger hat im vorliegenden Verfahren nur behauptet, er habe die Verdienstbestätigung der Wahrheit entsprechend ausgefüllt; ein Vorbringen, wie sich das im Antrag aufscheinende Entgelt des letzten Monates von insgesamt 14.265 S zusammensetze oder wofür er es erhalten habe, wurde nicht erstattet und vom Erstgericht auch nicht erhoben. Die Angaben des Klägers hiezu bloß im Strafakt können daher nicht als Grundlage der rechtlichen Beurteilung herangezogen werden. Es geht nicht an, einen noch gar nicht geklärten Sachverhalt ohne Feststellungsgrundlage einer abschließenden rechtlichen Beurteilung zu unterziehen. Sollte festgestellt werden, daß der Kläger den über das laufende Entgelt hinausgehenden Betrag von 11.000 S tatsächlich erhalten hat, so wird zunächst zu klären sein, ob dieser überhaupt im Zusammenhang mit seinem Dienstverhältnis und dessen Beendigungstand und wenn ja, zur Abgeltung welcher offenen Forderungen des Klägers und erbrachten Leistungen er bestimmt war. Erst dann könnte beurteilt werden, ob der Kläger erkennen mußte, daß das Krankengeld nicht in der ausgezahlten Höhe gebührte.
Da das Berufungsverfahren somit an einem Mangel leidet, welcher eine erschöpfende Erörterung und gründliche Beurteilung der Streitsache zu hindern geeignet war, mußte das angefochtene Urteil aufgehoben und dem Berufungsgericht die neuerliche Entscheidung aufgetragen werden.
Der Ausspruch über den Vorbehalt der Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.
Anmerkung
E12678European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1987:010OBS00106.87.1117.000Dokumentnummer
JJT_19871117_OGH0002_010OBS00106_8700000_000