TE OGH 1987/11/17 4Ob523/87

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Veröffentlicht am 17.11.1987
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr. Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith, Dr. Angst, Dr. Petrag und Dr. Niederreiter als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Wolfgang H***, Rechtsanwalt, 6900 Bregenz, Rathausstraße 21, als Masseverwalter im Konkurs der Verlassenschaft nach Arnold W***, Uhrmachermeister, 6900 Bregenz, Mehrerauerstraße 19, verstorben am 12. Jänner 1985 (S 22/85 des Landesgerichtes Feldkirch), wider die beklagte Partei Gerda W***, Hausfrau, 6900 Bregenz, Vorklostergasse 65, vertreten durch Dr. Rainer Kinz, Rechtsanwalt in Bregenz, wegen S 44.268,47 sA (Revisionsinteresse S 26.172,-- sA) infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Berufungsgerichtes vom 18. Februar 1987, GZ 1 c R 22/87-11, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Bregenz vom 15. Jänner 1987, GZ 2 C 522/86-7, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 2.829,75 (darin enthalten S 257,25 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Beklagte ist die Witwe des am 12.1.1985 verstorbenen Arnold W***. Arnold W*** war Alleineigentümer des Einfamilienhauses in Bregenz, Mehrerauerstraße 19, in dem er mit der Beklagten wohnte. Nach seinem Tod verblieb die Beklagte mit ihrer Tochter zunächst in diesem Haus. Das Bezirksgericht Bregenz bestellte die Beklagte im Verlassenschaftsverfahren A 39/85 mit dem Beschluß vom 18.3.1985 zum Verlassenschaftskurator. Am 13.8.1985 eröffnete das Landesgericht Feldkirch auf Grund des Antrages der Beklagten zu S 20/85 über die Verlassenschaft den Konkurs. Der zum Masseverwalter bestellte Kläger verkaufte das Wohnhaus am 26.2.1986. Ende März 1986 zog die Beklagte mit ihrer Tochter aus diesem Hause aus.

Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger (u.a.) die Zahlung von S 26.172 samt 4 % Zinsen seit 27.5.1986 als Entgelt für die titellose Benützung des zur Konkursmasse gehörigen Hauses in der Zeit vom Februar 1985 bis einschließlich Februar 1986 in der Gesamthöhe von S 45.500 (monatlich S 3.500) abzüglich einer der Beklagten zustehenden Masseforderung in der Höhe von S 19.328. Die Beklagte habe die Liegenschaft mangels eines Unterhaltsanspruches gegen den Nachlaß in dieser Zeit ohne Rechtstitel benützt, weshalb sie zur Zahlung eines angemessenen Benützungsentgeltes verpflichtet sei.

Die Beklagte beantragte die Abweisung dieses Begehrens. Der Kläger habe mit ihr niemals die Zahlung eines Benützungsentgeltes vereinbart. Da auch im Verlassenschaftsverfahren davon keine Rede gewesen sei, habe sie von der unentgeltlichen Überlassung der vormaligen Ehewohnung ausgehen können. Sie habe bis zu ihrem Auszug sämtliche Betriebskosten gezahlt; diesen Aufwand hätte sie nicht gemacht, wenn sie ein Benützungsentgelt hätte zahlen müssen. Die von ihr gezahlten Betriebskosten in der Höhe von S 10.079 sowie weitere vom Kläger noch nicht berücksichtigte Gebühren in der Höhe von S 2.430, die sie im Zuge der Bestattung gezahlt habe, sohin insgesamt S 12.509, wende sie als Gegenforderung zur Aufrechnung ein. Das Erstgericht gab dem Klagebegehren - mit eingliedrigem Urteilsspruch - statt. Es stellte im wesentlichen den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt fest und führte in rechtlicher Hinsicht folgendes aus:

Da der Beklagten nach dem Tod des Arnold W*** kein Unterhaltsanspruch gegen die Verlassenschaft zugestanden sei, habe sie auch kein Recht zur Weiterbenützung des Hauses gehabt. Für die Anwendung des § 5 KO sei kein Raum, weil sich dieser nur auf die Einkünfte des Gemeinschuldners aus eigener Tätigkeit und auf unentgeltliche Zuwendungen beziehe. Die Beklagte habe auch nicht behauptet, daß ihr der Kläger mit Zustimmung des Gläubigerausschusses den notwendigen Unterhalt aus der Masse gewährt habe. Der von der Beklagten gleichfalls herangezogene § 105 EO habe allein für die Zwangsverwaltung Bedeutung. Die Beklagte müsse daher das angemessene Benützungsentgelt zahlen. Zur Gegenforderung führte das Erstgericht nichts aus.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten teilweise Folge und wies das Begehren auf Zahlung von S 26.172 samt 4 % Zinsen seit 27.5.1986 ab; zugleich sprach es aus, daß die Revision nach § 502 Abs 4 Z 1 ZPO zulässig sei. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als Ergebnis einer unbedenklichen Beweiswürdigung. Im Rahmen seiner Ausführungen zur Tatsachenrüge verneinte das Berufungsgericht zunächst aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen den Bestand der Gegenforderung. Auf ein Benützungsentgelt für die Zeit vor der Konkurseröffnung habe der Kläger keinen Anspruch. Für die Zeit danach seien gemäß § 5 Abs 3 KO betreffend die Überlassung und Räumung der Wohnung des Gemeinschuldners die Vorschriften des § 105 EO sinngemäß anzuwenden. Es sei nicht einzusehen, warum die Witwe im Fall eines Nachlaßkonkurses schlechter gestellt sein sollte als die Witwe eines Gemeinschuldners, über dessen Vermögen noch vor dem Tod der Konkurs eröffnet worden sei. Nach § 105 EO habe die Beklagte Anspruch auf die Überlassung der unentbehrlichen Wohnräume. Sie habe daher die bisher benützten Wohnräume auch nach der Konkurseröffnung weiterhin unentgeltlich benützen dürfen. Daher habe der Kläger auch keinen Anspruch auf Zahlung eines Benützungsentgeltes für den nach der Konkurseröffnung liegenden Zeitraum.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes wendet sich die auf unrichtige rechtliche Beurteilung gestützte Revision des Klägers mit dem Antrag, im Umfang des Betrages von S 26.172 samt Anhang das Urteil des Erstgerichtes wiederherzustellen.

Die Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Der Kläger führt in seiner Revision im wesentlichen wie schon in der Klage aus, daß die Beklagte nach dem Tod ihres Ehemannes keinen Anspruch auf die Benützung des Einfamilienhauses gehabt und das Haus somit ohne gültigen Rechtstitel benützt habe; er sei deshalb verpflichtet, die Forderung auf Zahlung eines Benützungsentgeltes einbringlich zu machen. Dieser Argumentation kann nicht beigepflichtet werden.

Dem Kläger ist zwar zuzustimmen, daß der Unterhaltsanspruch des überlebenden Ehegatten kein Recht auf Weiterbenützung der vormaligen Ehewohnung nach dem Tod eines Ehegatten gewährt. Gemäß § 796 ABGB (idF gem. Art. I Z 10 EheRÄndG) hat der überlebende Ehegatte zwar unter bestimmten Voraussetzungen einen mit dem Wert der Verlassenschaft begrenzten Anspruch auf den Unterhalt nach den sinngemäß anzuwendenden Grundsätzen des § 94 ABGB. Da der Erbe somit ohne Rücksicht auf die Art seiner Erbserklärung de Unterhaltsberechtigten immer nur wie ein Vorbehaltserbe haftet (Welser in Rummel, ABGB, Rz 7 zu § 796), besteht der Unterhaltsanspruch nicht gegenüber einem überschuldeten Nachlaß (Ostheim Hrsg, Schwerpunkte der Familienrechtsreform 1977/78, 70). Der Unterhalt ist nur in Form einer Geldrente zu leisten (Welser aaO Rz 6 zu § 796); daher besteht auch kein Naturalanspruch des Ehegatten gegen den Erben auf die frühere Ehewohnung (SZ 54/145). Das in § 97 ABGB normierte Recht des Ehegatten auf Benützung der Ehewohnung, das nur gegenüber dem verfügungsberechtigten Ehegatten durchgesetzt werden kann, basiert auf einem familienrechtlichen Anspruch (SZ 54/145; Pichler in Rummel, ABGB, Rz 1, 2 zu § 97), welcher mit dem Tod des verfügungsberechtigten Ehegatten erlischt (1 Ob 733/83). Die Ehewohnung fällt auch nicht unter das gesetzliche Vorausvermächtnis nach § 758 ABGB.

Durch die Eheschließung erwirbt der Ehegatte an der ihm nicht oder nicht allein gehörigen Wohnung im Umfang seines Wohnbedürfnisses ein Wohnrecht, das ihn berechtigt, sich gegen Willkürmaßnahmen des anderen Ehegatten zu schützen; darunter fällt auch ein für Zwecke der Ehewohnung gewidmetes Einfamilienhaus (Schimetschek, Die besonderen Rechtsprobleme der "Ehewohnung", ImmZ 1979, 35). Die Rechtsprechung hat daher die Benützung der Ehewohnung durch die Frau nicht als Bittleihe qualifiziert (Schubert in Rummel, ABGB, Rz 1 zu § 974). Während jedoch das familienrechtliche Benützungsrecht das aufrechte Bestehen eines familienrechtlichen Verhältnisses erfordert, erlischt das Recht des Prekaristen nicht schon mit dem Tod des Bittleihgebers. Der Tod des Schuldners führt nur bei höchstpersönlichen Schulden zum Erlöschen der Verbindlichkeit; bei anderen tritt der Erbe in die Leistungspflicht ein (§ 1448 ABGB; Koziol-Welser I7, 257). Die Bittleihe besteht daher nach dem Tod des Bittleihegebers bis zum Widerruf durch den Erben fort. Ist aber die Rechtsstellung der Ehegattin zu Lebzeiten ihres Mannes sogar stärker als die eines Prekaristen, dann müssen ihr nach dem Tod ihres Gatten zumindest die gleichen Rechte zukommen wie einem Prekaristen nach dem Tod des Bittleihgebers. Daraus folgt aber, daß zwar auch der überlebende Ehegatte dem Rechtsnachfolger im Eigentum an der vormaligen Ehewohnung infolge Erlöschens des failienrechtlichen Benützungstitels zu weichen hat, zur Räumung der Ehewohnung aber nur auf dessen Verlangen verpflichtet ist. Ein Benützungsentgelt hat er somit nur dann zu zahlen, wenn er die vormalige Ehewohnung auch nach dem Widerruf weiter (nunmehr erst titellos) benützt.

Im vorliegenden Fall hat der Kläger, der nach § 21 KO in das bestehende Rechtsverhältnis eingetreten ist, nicht vorgebracht, daß er von der Beklagten vor dem tatsächlichen Ausziehen die Räumung des zur Masse gehörenden Einfamilienhauses gefordert habe; auch aus seiner Erklärung gegenüber der Beklagten, sie werde für die Benützung des Hauses etwas zahlen müssen, ergibt sich keine derartige Forderung. Nach den dargelegten Grundsätzen steht ihm somit kein Anspruch auf Zahlung eines Benützungsentgeltes zu, ohne daß es einer Prüfung der Rechte der Familienangehörigen im Verlassenschaftskonkurs auf Weiterbenützung des zur Konkursmasse gehörenden Hauses nach § 5 Abs 3 KO, § 105 EO bedurfte. Daher war der Revision ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E12782

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0040OB00523.87.1117.000

Dokumentnummer

JJT_19871117_OGH0002_0040OB00523_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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